Drillen, düngen, Dieselpreise

Die Bedingungen für die Frühjahrsaussaat sind für die Agrargenossenschaft Teichel so, wie es sich Ackerbauvorstand Eric Engelmann wünscht. Witterung und Bodenverhältnisse passen. Seine Mannschaft samt dem Dienstleister kommen zügig voran.

Von Frank Hartmann

Vorletzte Woche waren 30 ha Erbsen gedrillt. Termingerecht startete die Aussaat der Braugerste auf 75 ha – nahezu eine Verdopplung zum Vorjahr. „Die Marktaussichten sind gut. Und wir sind motiviert, da wir im Vorjahr zu 100 Prozent Braugerstenqualität erreichten“, so Ackerbauvorstand Eric Engelmann. Erneut setzt man bei der Frühjahrsaussaat in der Agrargenossenschaft Teichel auf die Sorte Accordine. Für die Saatbettbereitung genügt ein Arbeitsgang mit dem Grubber. „Wir hatten eine Winterfurche gezogen. Wenn auch spät, gab es die erhoffte Frostgare. Nach dem Grubbern hatten wir nochmals leichte Nachtfröste. Es klappt bis jetzt wirklich gut“, erklärt Eric Engelmann.

Aussaatdruck: Extrem enge Zeitfenster

Engelmann blickt freilich schon nach vorne. Wie wird es um die Sommergerste bestellt sein, wenn die neuen GAP-Regeln eine Winterbegrünung fordern? „Unter den diesjährigen Bedingungen hätten wir es zeitlich geschafft, trotz Winterzwischenfrucht den Aussaattermin zu halten. Allerdings brauchen wir dafür mindestens zwei zusätzliche Arbeitsgänge. Wenn das Wetter nicht so optimal mitspielt, werden wir Probleme bekommen“, ist sich Engelmann sicher.

Ganz zu schweigen vom Aussaatdruck. Im letzten Herbst waren aufgrund der vielen Niederschläge die Zeitfenster extrem eng. Bis Mitte November wurde gedrillt. „Wenn in so einer Situation auch noch Zwischenfrüchte in den Boden sollen, kostet nicht nur deren Saatgut zusätzlich Geld, sondern unter Umständen auch ein Dienstleister zum Drillen.“

Im Laufe letzter Woche sollte während der Frühjahrsaussaat in der Agrargenossenschaft Teichel noch Futterhafer der Sorte Bison auf 24 ha ausgebracht und hiernach Ackergras auf rund 40 ha gedrillt werden. Bei Letzterem setzt man auf tiefwurzelnden Rohrschwingel.

Schlagkraft stellt das Lohnunternehmen Büttner unter Beweis, hier beim Düngen des Weizens.
Schlagkraft stellt das Lohnunternehmen Büttner unter Beweis, hier beim Düngen des Weizens. (c) Frank Hartmann

Weniger Gülle aufs Grünland

Zügig voran kommt der schlagkräftige Dienstleister beim Düngen, der drei Lkw für den Gülle- bzw. Gärresttransport im Einsatz hat. Gut 20 m³/ha kamen auf den Winterweizen und die Wintergerste. Angesichts der Düngerpreise ist die Gülle als Stickstofflieferant wichtiger denn je: 3,8 kg Gesamt-N/m³, darunter 2,7 kg Ammonium-N/m³, jeweils 0,6 kg Phosphor und Magnesium sowie 3,2 kg/m³ Kalium ergab die Nährstoffuntersuchung. Weniger Gülle kommt dafür in diesem Frühjahr aufs Grünland. Erstmals will Engelmann in diesem Jahr im Weizen die zweite Gabe ebenfalls organisch düngen.


Im August beginnt Marie George, hier mit Vorstand Stefan Blöttner, ihre Ausbildung in Teichröda.

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Düngeverordnung und Preise drücken

An Mineraldünger standen 150 t Piamon zur Verfügung, der vor allem für den Raps reserviert ist. Den Dünger kaufte man im Mai vorigen Jahres für 354 €/t. „Jetzt liegt der Preis bei über 700 Euro.“ Daneben kann man noch auf 55 t KAS, 50 t Alzon und einen Lkw-Zug Piagran zurückgreifen.

Neben dem Raps begrenzt sich die mineralische Düngung auf die Qualitätsgabe im Weizen, den Dinkel, Vermehrungsflächen und alle jene Getreideflächen, wo steiles Gelände eine Gülleapplikation verbietet. Vorstand Dr. Stefan Blöttner ergänzt, dass unabhängig von den Preisen die Düngeverordnung drückt. „In unsere Bedarfsermittlung fallen jetzt die mageren Erträge der vergangenen Trockenjahre voll mit rein. Das zieht alles runter. Die Düngeverordnung limitiert somit unser Ertragspotenzial, was sich zu einer anhaltenden Abwärtsspirale entwickeln kann.“

Szene vom Videodreh  für die digitale  Bullenauktion in  Thüringen mit der  Auszubildenden Leni.  Lediglich einer der  zwei Bullen aus  Teichröda wurde  verkauft. Und das zum  Startpreis von nur  2.200 €. Die Fleckvieh-Dominanz der  Auktion, urteilt Blöttner, locke nur wenige  Charolaiszüchter an.  Man suche nun neue  Vermarktungswege.
Szene vom Videodreh für die digitale Bullenauktion in Thüringen mit der Auszubildenden Leni. Lediglich einer der zwei Bullen aus Teichröda wurde verkauft. Und das zum Startpreis von nur 2.200 Euro. Die Fleckvieh-Dominanz der Auktion, urteilt Blöttner, locke nur wenige Charolaiszüchter an. Man suche nun neue Vermarktungswege. (c) Frank Hartmann

Diesel: 250.000 Liter Jahresbedarf

Was den Dieselpreis betrifft, wird die erste Stunde der Wahrheit in der kommenden Woche schlagen. Kürzlich konnte man 13.000 Liter „noch“ zum Nettopreis von 1,31 €/l kaufen, was auch schon rund 30 % über Vorjahresniveau liegt. „Die Menge reicht kaum für zwei Wochen“, weiß Blöttner. Bei 250.000 Liter liegt der Jahresbedarf der Genossenschaft. „Wir stellen uns auf eine extreme Verteuerung ein. An den normalen Tankstellen liegen wir ja bereits bei zwei Euro pro Liter.“ Blöttner hofft, dass der bevorstehende Wegfall des Insolvenzgrundes wieder mehr Spielraum bietet. „Derzeit können wir noch keine langfristigen Lieferverträge abschließen, was angesichts der Preisspirale natürlich bitter ist.“

Parallel zum Alltagsgeschäft beraten Blöttner und Engelmann über die strategische Ausrichtung des Betriebes. So hat man eine neue Fachberatung für die Biogasanlage an der Seite. „Die Anlage läuft nicht optimal. Elf Jahre können wir noch mit den guten EEG-Konditionen arbeiten. Konzeptionell geht es darum, den Anteil von Gülle, Mist und Hühnertrockenkot maximal auszunutzen und pflanzliche Substrate auf ein absolutes Minimum zu reduzieren, um Ackerfläche für Marktfrüchte zu gewinnen“, so Blöttner.

Vertragsnaturschutz: Arbeit auf unrentable Ackerflächen wird eingestellt

Daneben identifiziere man betriebswirtschaftlich unrentable Ackerflächen. „Wir folgen damit dem Wunsch der Agrarpolitik und stellen auf diesen Flächen die Lebensmittelproduktion ein – etwa zugunsten von Vertragsnaturschutz. Auf den anderen Äckern wollen und müssen wir intensive Landwirtschaft betreiben.“

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LVG Köllitsch: Alles bereit für Start der Feldbau-Saison

Im Köllitscher Feldbau stehen die Zeichen auf Start. Die Mitarbeiter sind seit Tagen damit beschäftigt, Technik und Gerätschaften zu warten, zu pflegen und auf den Einsatz vorzubereiten. Die Arbeiten auf den Flächen kommen indessen etwas gemächlicher in Gang.

Durchwachsenes Wetter und die noch immer feuchten Böden bremsten den Tatendrang der Feldbau-Mannschaft bisher. Die Flächen seien noch nicht befahrbar, ohne Schäden zu verursachen, erklärt der Feldbauleiter des Lehr- und Versuchsgutes (LVG) Nico Wolf.

Gülleausbringung auf Grünland

Auf dem Grünland immerhin konnte schon zum Saisonstart im LVG Köllitsch Gülle ausgebracht werden. „Wir haben das Fasssystem angepasst, sind mit Zwillingsbereifung und ausschiebbarer Vorderachse gefahren“, schildert der Feldbaueiter. „Auch das Fass verfügt über eine Reifendruckregelanlage. So können wir das Gewicht auf eine möglichst große Fläche verteilen.“

Ausgestattet ist das Fass überdies im Rahmen einer Versuchsanstellung der im LVG Köllitsch ansässigen Stabsstelle Digitalisierung mit einem NIRS-Sensor, der in Echtzeit den Nährstoffgehalt der ausgebrachten Gülle durch Nahinfrarotspektroskopie ermittelt. Verglichen werden die vom Sensor ermittelten Daten mit Laborwerten.

Saisonstart im LVG Köllitsch: Trockener Boden

(c) Karsten Bär

Im Gange sind auch die Bodenbeprobungen, die die N-Mineralisierung in drei Bodenschichten bis zu einer Tiefe von 90 Zentimetern ermitteln. Dabei zeigt sich auch, wie durchfeuchtet der Boden ist: Während die oberen Bodenschichten eine gute Wasserversorgung aufweisen, sind in 90 Zentimeter Tiefe teilweise schon wieder trockene Verhältnisse vorzufinden.

Effizient zu düngen ist das Ziel

Effizient zu düngen, ist immer das Ziel – und in diesem Jahr angesichts exorbitant gestiegener Mineraldüngerpreise noch einmal besonders. Wo es geht, düngt das LVG rein organisch. 120 ha Silomais erhalten Gülle und Stallmist.

Auch die Zuckerrüben, die nach einem Rekordertrag im letzten Jahr mit 90 t/ha in diesem Jahr auf 45 bis 50 ha wachsen sollen, will der Betrieb rein organisch düngen. Auf anderen Kulturen sind die Güllegaben in den Beständen hingegen stark von der Witterung und vom Vegetationsstand abhängig.

Erstmals Dinkelanbau auf 40 ha

Neu in den Anbau nimmt das LVG in diesem Jahr Dinkel. Vor Jahren wuchs diese Kultur schon einmal in Köllitsch, nun kam sie anstelle von Triticale wieder in die Fruchtfolge. Es sind die schwächeren Standorte, auf denen die anspruchslose Kultur, die einen geringeren Stickstoffbedarf hat, wächst. 40 ha wurden mit der Getreideart bestellt.

Leguminosen: Hofeigene Futtermischung

Wie viele andere Betriebe hat auch das LVG den Anbau von Leguminosen ausgeweitet. So wachsen Winter-Körnererbsen und Winterackerbohnen auf den Äckern des Betriebes. Sommer-Erbsen werden noch gesät.

Auch Soja wird wieder angebaut. Die Kultur wuchs im Vorjahr auf 10 ha Fläche – und brachte Ertrag, der für Begeisterung sorgte: „36 Doppelzentner pro Hektar!“, so Nico Wolf. Es sei das erste Jahr gewesen, in dem diese Kultur ohne Probleme wuchs und unter nahezu optimalen Bedingungen geerntet werden konnte. Die Sojabohnen werden für die Fütterung des Köllitscher Milchviehs verwendet und Teil einer hofeigenen Futtermischung sein, die unter Federführung des Fütterungsexperten Prof. Dr. Olaf Steinhöfel entwickelt wurde. Problematisch ist indes die energieaufwendige Aufbereitung der Bohnen.

In diesem Jahr sind 14 ha Soja-Anbaufläche geplant. Beim Anbau setze man auf eine Hybridlösung, erklärt Feldbauleiter Wolf. Dabei werde auch auf Erfahrungen aus dem Ökolandbau zurückgegriffen, etwa durch Anlage eines Scheinsaatbetts, Anhäufeln beim Ablegen des Saatguts und bei der mechanischen Unkrautpflege. In den ersten drei Anbaujahren hat das LVG Erfahrungen mit dieser Kultur sammeln können.



Sonnenblume als Alternative

Als interessante Alternative hat sich im letzten Jahr die Sonnenblume erwiesen. Sie wird auch in diesem Jahr wieder angebaut. Mit durchschnittlich 33 dt/ha Ertrag im letzten Jahr – von konventionell und ökologisch bewirtschafteten Flächen – ist Nico Wolf zufrieden. „Der Aufwand ist überschaubar, der vorherige Anbau einer Zwischenfrucht ist möglich und die Arbeitsabläufe werden entzerrt“, sagt er. Die Sonnenblume stellt aus seiner Sicht eine gute Alternative zum Raps dar. Auch wenn das Saatgut vergleichsweise teuer ist, stünden dank derzeit guter Erzeugerpreise Aufwand und Nutzen in einem guten Verhältnis.

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Walachenschaf: Feingliedrig und elegant

Die gefährdete Nutztierrasse 2022 ist das Walachenschaf. Zu den wenigen Herdbuchzüchtern zählt Suzanne Demmer aus Thüringen. Eine ganzjährige Freilandhaltung stellt für die auffälligen Landschafe kein Problem dar.

Von Silvia Kölbel

Um ihren Beruf und ihre Tierhaltung, die Zucht der seltenen Walachenschafe, unter einen Hut zu bringen, fährt Suzanne Demmer jeden Tag mehr als 120 km. Sie arbeitet in Leipzig als Tierpflegerin im Wildpark, wohnt in Meuselwitz im Altenburger Land und hat ihre Schafe zurzeit, getrennt nach weiblichen und männlichen Tieren, in Zettweil und in Altenburg stehen. „Zu Hause bin ich im Winterhalbjahr eigentlich nur, wenn es dunkel ist“, erzählt sie.

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Walachenschaf: Gährdete Nutztierrasse des Jahres

Übernommen hat sie die Tiere 2015 von einem Zoo, der sich von dieser Rasse trennen wollte. Sie trat der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) bei und gehört dem harten Kern von zehn Züchtern an, die sich einmal jährlich zum Erfahrungs- und Zuchttieraustausch treffen. Die GEH wählte das Walachenschaf zur gefährdeten Nutztierrasse des Jahres 2022.

Außerdem ist die Züchterin Mitglied im Landesschafzuchtverband und eröffnete mit ihren Tieren vor sieben Jahren in Thüringen das Herdbuch für Walachenschafe. „In Deutschland besteht die Population dieser Rasse aus ungefähr 500 Mutterschafen und etwa 60 Böcken. Doch nur die Hälfte der Halter ist organisiert.“ Das sei insofern schade, weil die meisten Halter ihre Tiere bei den Züchtern kaufen. Damit bestünden auch diese Herden aus zuchttauglichen Tieren. „Leider scheuen viele den Aufwand und die Kosten der Verbands- und Vereinsarbeit. Es wäre schön, wenn sich weitere Züchter für diese Rasse engagieren, schon um den Gen-Pool zu vergrößern“, sagt Suzanne Demmer.

Sie liebt die Rasse ihres Aussehens wegen: feingliedrig, elegant, langwollig und behornt. Walachenschafe gehören zu den für Osteuropa typischen Zackelschafen und stammen aus den Karpaten. Von dort aus brachten Siedler die Tiere mit in das heutige Tschechien, wo es noch ursprüngliche Bestände gibt.

Wenig Verwertungsmöglichkeiten für Wolle

Diese Ursprünglichkeit ist für die Züchterin genau das, was sie erhalten möchte. „Ich lehne die Einkreuzung schwerer Böcke ab. Es handelt sich um eine Landschafrasse und das soll sie auch bleiben“, sagt Demmer. Die von ihr bevorzugten Böcke wiegen deshalb 60 bis 75 kg. Bei den weiblichen Tieren liege das Idealgewicht zwischen 35 und 55 kg.

Auch die Qualität der Wolle, die in der Bewertung von sechs bis manchmal sogar neun reicht, möchte Demmer nicht verändern. Es ist eine grobe Wolle, die sich für die Verarbeitung zu Textilien nicht eignet. Aber sie schützt die Tiere vor der Witterung. Das trifft auch auf Schafe zu, die in der Wollbewertung nur eine sechs erhalten haben. „Deshalb ist eine schlechte Wollbewertung kein Ausschlusskriterium für die Zucht“, so die Thüringerin.

Verwertungsmöglichkeiten für diese Art von Wolle sind dünn gesät. Deshalb ließ sich die Züchterin etwas einfallen: „Ich nehme die Wolle mit in den Wildpark als Beschäftigungsmaterial für die Luchse.“ Meist im Juni greift Suzanne Demmer zur Schärmaschine, um ihre Schafe von der Wolle zu befreien. Die Grannen erreichen oft eine Länge bis zu 30 Zentimeter und verfilzen oft schon am Körper. Für das körperlich anstrengende Scheren benötigt Suzanne Demmer ein bis zwei Tage. Besonders an diesen beiden Tagen ist sie froh, dass die Schafe nicht mehr als 70 kg wiegen. „Ich wähle immer sonnige Tage für das Scheren aus, damit die Schafe nicht ohne Wolle im kalten Regen stehen.“

Auch bei Minusgraden: Herde ganzjährig draußen

Sie hält ihre Tiere ganzjährig im Freien. Ein Wetterschutz steht zur Verfügung. „Minus 20 Grad machten ihnen überhaupt nichts aus“, weiß die Züchterin. Im Winterhalbjahr erhält die Herde ausschließlich Heu. Gelegentlich legt sie gequetschte Gerste als Kraftfutter vor. Das Heu kauft sie von einem Landwirt der Umgebung.

Im März und April lammen die Walachenschafe ab. Meist bekommen sie Einlinge oder Zwillinge, selten Drillinge. Drei Zuchtböcke in drei Zuchtgruppen seien in der Regel ab November etwa sechs Wochen im Einsatz. Weitere Jungböcke stehen für den Verkauf in einer gemeinsamen Bockherde.

Walachenschaf: Fleisch mit besonderem Wohlgeschmack

In ihren Ursprungsgebieten galten die Zackelschafe als Mehrnutzungsrasse. Dem Fleisch sagt man einen besonderen Wohlgeschmack nach, was Suzanne Demmer bestätigt. Auch eine Milch- und Wollnutzung, Letzteres unter anderem für Teppiche, war in den Ursprungsgebieten üblich. Gern würde sich die Meuselwitzerin diesen verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten widmen. Doch die Unwirtschaftlichkeit steht diesem Vorhaben entgegen.

Ein weiterer begrenzender Faktor ist für sie der Wolf: „Sobald der Wolf das erste Mal in die Herde reingerissen hat, beende ich die Schafhaltung“, steht für die Züchterin fest. Sie hat noch gut einen Vorfall mit einem Hund in Erinnerung, der die Zäune übersprang und die Herde in Angst und Panik versetzte. „Es hat drei Wochen gedauert, bis sich die Tiere wieder beruhigt hatten.“ Walachenschafe seien von Natur aus eher zurückhaltend und scheu. „Außer man beschäftigt sich viel mit ihnen, dann werden sie auch zutraulich.“

Keine farbliche Einschränkungen in der Zucht

Die Hörner der Schafe seien keine Gefahr. Falls die Böcke doch einmal übermütig werden, hält sie der Altdeutsche Hütehund Joschi, eine Gelbbacke, auf Abstand. Die Böcke seien grundsätzlich behornt, ein Teil der weiblichen Tiere ebenfalls. Farbliche Einschränkungen gebe es in der Zucht keine. Alles, was die Natur hervorbringt, sei erlaubt, von schwarzen Tieren bis weißen und solchen mit Flecken an Beinen und am Kopf.

Jedes Tier hat bei Suzanne Demmer einen Namen. Sie kann ihre Tiere auch alle unterscheiden und verwandtschaftlich einordnen, ohne dafür die Ohrmarkennummer ablesen zu müssen.

Fleisch und Wurst für die Familie

Die „Natura-2000-Station-Osterland“ des Landschaftspflegeverbandes „Altenburger Land“ vermittelt der Schafhalterin Flächen, die sie im Rahmen der Landschaftspflege abweiden kann, was sie auch honoriert bekommt. Im vorigen Jahr waren das fünf Hektar. Häufig handele es sich um Streuobstwiesen oder um kleine Splitterflächen, für die es keine andere Nutzungsmöglichkeit gibt. Hinzu komme gelegentlicher Tierverkauf. Überzählige Bocklämmer lässt sie bei einem regionalen Fleischer schlachten und verarbeiten. Suzanne Demmer: „Die Mengen sind aber so gering, dass ich das Fleisch und die Wurst in der Familie verteile.“


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Ein Idyll in der Falle

Unzumutbare Zufahrten und Wildschweine, die nicht dezimiert werden, lassen das Weltmeister-Gestüt Bretmühle im Kreis Greiz bald verzweifeln. Der Wunsch an Kommune und Landesbehörden: Endlich mal handeln!

Von Silvia Kölbel

Das Gestüt Bretmühle unweit von Greiz liegt in idyllischer Einzellage: umgeben von Wiesen und Wäldern, nahe an der Weißen Elster. Ein perfekter Ort für die Reit- und Fahrschule von Hanno Strauß und Bettina Winkler – wären da nicht elementare Probleme, die ihnen das Leben schwer machen: Wildschweine zerstörten in manchen Jahren nahezu das gesamte Grünland. Zudem mutet die Zufahrt zum Gestüt abenteuerlich an.

kaputte straßen, hoher wasserstand: schwierige anfahrt zum gestüt

Wer das Gestüt Bretmühle erreichen will, muss zuerst eine Bahnschranke mit einer Klingel passieren. Ist die Schranke geschlossen, heißt es aussteigen und klingeln. Nach einer Weile öffnet sich dann die Schranke. Weiter führt der Weg auf asphaltiertem Untergrund bis zur Kläranlage der Stadt Greiz. Zwei Betonpoller schränken ab da die Fahrbahnbreite ein. Der sich anschließende unbefestigte Feldweg ist nur für Fahrzeuge bis 2,5 t zugelassen.

Hanno Strauß  kommt seit Jahren nicht  gegen die unverschuldeten Probleme an.
Hanno Strauß kommt seit Jahren nicht gegen die unverschuldeten Probleme an. (c) Silvia Kölbel

Ein paar hundert Meter und unzählige Löcher weiter erschließt sich dem Fahrenden der Grund: Die Brücke über die Elster ist reparaturbedürftig, nur eine schmale Fahrspur führt noch über den Fluss. Anschließend leitet der Weg den Besucher durch eine Eisenbahnbrücke. In der Senke ist man der Elster bei hohem Wasserstand bedrohlich nahe. „In der Vergangenheit sind mehrfach Autos im Wasser stecken geblieben und vollgelaufen“, berichtet Hanno Strauß.

Das Gestüt hat zum Glück eine zweite Zufahrt. Diese führt über Gommla durch den Staatsforst, auf einem Betonplattenweg entlang. Aber: „Das ist eine reine Wirtschaftszufahrt. Nur Ver- und Entsorgungsfahrzeuge dürfen diesen Weg benutzen. Der Forst achtet darauf, dass niemand illegal diesen Weg befährt und verteilt auch Bußgeldbescheide. Wenn es schneit, kommt zu uns manchmal wochenlang kein Müllfahrzeug“, berichtet Strauß.

„Wasserwiesen“ und wildschweine: die Tücken im paradies

Auch an anderer Stelle mutet die Bewirtschaftung des Gestüts wie aus einer anderen Welt an. Um die Wiesen auf der anderen Seite des Flusses gegenüber der Hofanlage zu erreichen, muss Strauß mit seinem Traktor entweder bei Niedrigwasser die Elster durchqueren oder fünf Kilometer Umweg fahren. Die in den 1990er-Jahren genau an dieser Stelle gebaute Brücke wurde nur für Radfahrer und Fußgänger errichtet – und nicht, wie ursprünglich geplant, als Wirtschaftsbrücke.

Das Leben im Paradies wartet mit weiteren Tücken auf. Vier der 30 ha Pachtland liegen direkt am Ufer der Weißen Elster und heißen „Wasserwiesen“. Der Name ist Programm. Bei Starkniederschlägen laufen die Flächen voll. Und als ob das nicht schon Kummer genug wäre, ärgern sich Hanno Strauß und Bettina Winkler noch über Schwarzwildrotten. Diese leben völlig unbehelligt am Ufer des Flusses wie in einem Naturschutzreservoir, denn das Gebiet fiel aus der Bejagung: „Der Elsterradweg führt am Fluss und den Wiesen entlang, deshalb ist Jagen verboten“, erklärt Hanno Strauß.

Wildschäden extremen Ausmaßes auf auf dem Grünland. Angeblich steht  Tourismus der Schwarzwildjagd entgegen.
Wildschäden extremen Ausmaßes auf auf dem Grünland. Angeblich steht Tourismus der Schwarzwildjagd entgegen. (c) Silvia Kölbel

nichts bleibt unversucht

Der im Sommerhalbjahr touristisch stark frequentierte Weg quert auch das Gestüt. Dessen Mähweiden sind für die Wildschweine ein Rückzugsort, an dem ihnen keine Gefahr droht. „Die Wildschweine liegen im Sommer am Ufer des Flusses und sonnen sich. Weder Hundebellen noch Rufe oder Klatschen mit den Händen beeindrucken sie“, berichtet der Pferdezüchter.

In manchen Jahren musste er Futter zukaufen, so groß sind die Schäden. Obwohl er den durchschnittlichen Bestand von 30 bis 40 Pferden an seine Flächen angepasst hat. „Ich könnte die Flächen mit einem Elektrozaun vor den Schweinen schützen, müsste aber drei Litzen wesentlich tiefer anbringen, als es für die Pferdeweide notwendig ist. Und das auf einer Strecke von sieben Kilometern. Das würde mich ungefähr 7.000 Euro kosten. Dann müsste ich eine Arbeitskraft einstellen, um den Zaun mit der Motorsense frei von Bewuchs zu halten. Denn mit dem Mulcher könnte ich unter den niedrigen Litzen nicht mehr mähen.“

Es gebe nichts, was er nicht schon versucht hätte, um die Probleme zu lösen. Er holte sämtliche Behördenvertreter an einen Tisch, um sie von einer Bejagung zu überzeugen. Denn aus seiner Sicht gibt es sehr wohl Standorte zur Abgabe von sicheren Schüssen. Alles vergebens. Erst voriges Jahr entschied das Landratsamt, dass es bei einem Bejagungsverbot bleibt.


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zufahrt: wirft kein gutes licht auf den betrieb

Gestüt Bretmühle, Weltmeisterin Bettina Winkler.
Weltmeisterin Bettina Winkler (c) Silvia Kölbel

Auch das Wegeproblem scheint unlösbar. Die Zufahrt zum Gestüt gehört der Stadt Greiz. Deren Aktivitäten beschränken sich darauf, den Bauhof von Zeit zu Zeit loszuschicken, um die Löcher zu flicken. Selbst die Hochwasserschäden von 2013 musste Strauß zuerst einmal mit eigenen Mitteln und aus eigenen Kräften ausbessern, damit das Gestüt überhaupt wieder erreichbar war. Bis zu einem Meter tief war der Weg ausgespült. Die Außenwirkung eines solchen Weges sei fatal.

„Wir bilden nicht nur Pferde aus, sondern auch Menschen. Hier finden Lehrgänge statt. Das wirft kein gutes Licht auf unseren Betrieb, wenn die Zufahrt in einem derartig schlechten Zustand ist“, weiß Strauß.

Der erste Eindruck, den Besucher auf der abenteuerlichen Zufahrt gewinnen, will damit so gar nicht zum Erfolg des Gestütes passen. Schon zwei Mal erhielt es vom Agrarministerium den Staatsehrenpreis für Tierzucht. Bettina Winkler ist die erfolgreichste Championatsfahrerin Deutschlands mit insgesamt 13 Siegen mit Deutschen Fahrpferden, Schweren Warmblütern und Deutschen Fahrponys. Außerdem gewann sie drei Mal die Weltmeisterschaften der jungen Fahrpferde in Ungarn. Auch die beste Auszubildende der Pferdewirte des Jahrgangs 2021 lernte ihren Beruf im Gestüt Bretmühle.

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Fleckvieh-Hof Hansel: Heraldik und die Havel rückwärts

Ein Markenzeichen sind die imposanten Bullen vom Fleckvieh-Hof Hansel in Alt Madlitz. Doch der Familienbetrieb hat noch mehr zu bieten. Wir besuchten ihn, um hinter das Geheimnis einer Erfolgsgeschichte zu kommen.

Von Wolfgang Herklotz

Es war schon eine Sensation, die sich vor genau 20 Jahren im neu errichteten Vermarktungszentrum der RBB Rinderproduktion GmbH in Groß Kreutz ereignete. Nachdem Züchter Dr. Ulrich Hansel seinen Fleckviehbullen Hussein P im Vorführring präsentiert hatte, überschlugen sich die Angebote.

Der gut bemuskelte Vererber weckte so großes Interesse, dass der Auktionator Mühe hatte, die rasch aufeinander folgenden Gebote sofort zu erfassen. Als die Grenze von 5.000 Euro überschritten war und immer noch vereinzelte Zurufe ertönten, wurde es still in der gut gefüllten Halle. „Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten …“ Bei 5.500 Euro gab es schließlich den obligatorischen Hammerschlag, und der Auktionator verkündete, dass der Zuschlag erteilt war. Aber nicht an einen der zahlreichen Züchter aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt, sondern an eine Besamungsstation in Bayern. Diese, im Heimatland der Fleckviehzucht ansässig, wollte unbedingt den rassetypischen Bullen haben, der ausgerechnet in Brandenburg aufgezogen worden war. „Das ist so, als ob die Havel rückwärts fließt“, kommentierte seinerzeit RBB-Geschäftsführer Bernd Adler.

Bullen vom Fleckvieh-Hof Hansel international gefragt

Mit einem Lächeln quittiert Ulrich Hansel die Erinnerungen des Bauernzeitungs-Redakteurs, der damals über diese Veranstaltung berichtet hatte. „Mit solch einem Ergebnis hatten wir dann doch nicht gerechnet“, bekennt der inzwischen pensionierte Tierarzt aus Alt Madlitz bei Fürstenwalde.

Ebenso wie sein Sohn Christoph, der den Bullen führig gemacht und das Geschehen dann am Ring aufmerksam mitverfolgt hatte, hatte er keinerlei Zweifel an Husseins Qualitäten. „Die Frage ist ja nur, wie andere das einschätzen und dafür zu geben bereit sind.“ Dies allerdings ist längst geklärt, weil mittlerweile sage und schreibe 19 Bullen vom Fleckvieh-Hof Hansel an Besamungsstationen deutschlandweit verkauft wurden und auch international Furore gemacht haben. Kurioserweise findet man allerdings Hussein P nicht mehr in den Zuchtannalen. Er bekam den Namen Heraldik.

ein Markenzeichen in der Fleischrindszene

Ulrich Hansel und  Wolfgang Herklotz
Ulrich Hansel im Gespräch mit BauZ-Autor Wolfgang Herklotz (c) Sabine Rübensaat

Der Betrieb aus dem kleinen märkischen Ort ist seit vielen Jahren schon ein Markenzeichen in der Fleischrindszene. Zur Erfolgsstatistik gehört beispielsweise Marian P, von 2005 bis 2007 die Nummer 1 der Gesamtliste Fleckvieh Fleisch nach RZF in Deutschland. Auf Brandenburgs Landwirtschaftsausstellung BraLa 2015 wurde der Bulle Master PS Gesamtsieger über alle Rassen. Und bei der Körung 2019 in Groß Kreutz heimste Bombala PP die Traumnoten 9/9/8 ein. Mit dem Bullen Harald PP wurde nun im letzten Jahr ein Hallas-Sohn sowie Enkel des Bullen Heraldik nach München-Grub verkauft.

Alter Schafstall als Domizil

Ihren Anfang nahm die Geschichte des Fleckvieh-Hofes Hansel im Jahre 1993. Damals begann Ulrich Hansel, stellvertretender Amtstierarzt im Altkreis Fürstenwalde, nun Oder-Spree, eine Rinderhaltung aufzubauen – zunächst als Hobby, dann im Nebenerwerb. Aber warum gerade Fleckvieh? Die Tiere hatten es dem gelernten Rinderzüchter mit Abitur sofort angetan, als er nach der Wende die Verwandtschaft in der bayerischen Oberpfalz besuchte. „Ich sah die Rinder auf der Weide stehen und fand sie faszinierend, nicht nur wegen ihrer umgänglichen Art. Diese Rasse steht ja traditionell für eine Zweinutzung, also die Gewinnung von Fleisch und Milch. Das war zu DDR-Zeiten nicht üblich“, erinnert sich der Veterinär, der damals Großanlagen mit Schwarzbunten Milchrindern betreut hatte.

Es reizte ihn, nach geeigneten Zuchttieren zu suchen und hornlose Bullen mit den sogenannten Doppelnutzungstypen anzupaaren. Für die ersten drei aus Bayern „importierten“ Rinder standen seinerzeit sechs Hektar zur Verfügung. Als Domizil diente ein alter Schafstall am Rande des Dorfes, der aber umgesetzt werden musste. Dafür sorgte ein Zimmermann, und Hansel Junior half kräftig mit.

Der damals jugendliche Christoph wurde beizeiten von Vaters Passion angesteckt, verbrachte nach der Schule viel Zeit auf dem Hof, packte zu, sooft es ging. Nach dem Abitur studierte Christoph Hansel Agrarwirtschaft an der Fachhochschule Neubrandenburg und absolvierte mehrere Praktika, so auch bei der RBB Rinderproduktion Berlin-Brandenburg, um im Jahre 2003 den Hof zu übernehmen.

das erfolgrezept für vitale, widerstandsfähige Jungtiere

Zu dem gehörte mittlerweile ein 1998 gebauter Offenfrontstall, der den Rindern viel Auslauf in den feuchtkalten Wintermonaten bietet. Von Mai bis Dezember stehen den 60 Mutterkühen mitsamt Nachzucht rund 40 Hektar stallnahe Weide zur Verfügung. Während dieser Zeit wird lediglich etwas Raufutter und Mineralstoff zugefüttert, erklärt Christoph Hansel. Verzichtet werde ebenso auf eine spezielle Kälberzufütterung während der Säugeperiode. „Die Milch ist das günstigste Kraftfutter“, ergänzt Ulrich Hansel.

Die Kälber werden zehn Monate damit versorgt, ehe die Trennung von der Mutter erfolgt. „So hat es die Natur eingerichtet, und das Resultat sind vitale, widerstandsfähige Jungtiere.“ In den Wintermonaten werden den Rindern Rationen aus besten Grundfutterkomponenten angeboten. Wichtiges Prinzip auf dem Hansel-Hof ist es, eine hohe Grundfutterqualität zu sichern. „Es zahlt sich aus, äußerst sorgfältig beim Werben von Heu und Silage vorzugehen“, betont Christoph Hansel. Denn mindere Silagequalität würde sich sofort bei den Tageszunahmen der Kälber niederschlagen. Diese betragen bei den männlichen Nachkommen (200 Tage) 1.668 g, bei den weiblichen 1.487 g.

Und auch diese Zahlen sind ein Gütemerkmal: 2021 stand für den Fleckvieh-Hof ein Erstkalbealter von 24 Monaten und eine Zwischenkalbezeit von 371 Tagen zu Buche. Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit sind auf dem Hansel-Hof deshalb untrennbar.

An die Futterqualität stellt Christoph Hansel höchste Ansprüche. Der Züchter ist gleichzeitig ein passionierter Ackerbauer, der sehr zur Freude seines Vaters alle Register zieht, um die Rinder gut zu versorgen.

An die Futterqualität stellt Christoph Hansel höchste Ansprüche. Der Züchter ist gleichzeitig ein passionierter Ackerbauer, der sehr zur Freude seines Vaters alle Register zieht, um die Rinder gut zu versorgen. (c) Sabine Rübensaat

An die Futterqualität stellt Christoph Hansel höchste Ansprüche. Der Züchter ist gleichzeitig ein passionierter Ackerbauer, der sehr zur Freude seines Vaters alle Register zieht, um die Rinder gut zu versorgen. (c) Sabine Rübensaat

An die Futterqualität stellt Christoph Hansel höchste Ansprüche. Der Züchter ist gleichzeitig ein passionierter Ackerbauer, der sehr zur Freude seines Vaters alle Register zieht, um die Rinder gut zu versorgen. (c) Sabine Rübensaat

An die Futterqualität stellt Christoph Hansel höchste Ansprüche. Der Züchter ist gleichzeitig ein passionierter Ackerbauer, der sehr zur Freude seines Vaters alle Register zieht, um die Rinder gut zu versorgen. (c) Sabine Rübensaat

Geprüfte Genetik aus Afrika und Australien

Auf den rund 370 Hektar, darunter 110 ha Grünland, wird das Futter für die Fleckviehtiere angebaut. Zudem stehen Getreide, Lupinen und Sonnenblumen auf dem Anbauplan des ebenfalls passionierten Ackerbauers Christoph Hansel. Zurzeit werden 12 verschiedene Kulturen angebaut, darunter neuere Züchtungen sowie alte erhaltenswerte Getreidearten, die wieder zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Der durch die Rinderhaltung reichlich anfallende organische Dünger wird ausgebracht, um den Boden wieder mit Nährstoffen zu versorgen und Humus aufzubauen. Synthetische Dünger und Pflanzenschutzmittel auszubringen, ist tabu, denn der Betrieb wurde 2014 komplett auf ökologischen Landbau umgestellt. Zwei Jahre später wurde der Fleckvieh-Hof Mitglied im Naturland-Verband. Geschlachtet werden die nicht für die Zucht geeigneten Tiere im nur wenige Kilometer entfernten Heinersdorf, um einen möglichst kurzen und stressfreien Transport zu sichern.

Im ebenfalls nahe gelegenen Gut Hirschaue wiederum gibt es eine Metzgerei, die das Fleisch aus Alt Madlitz zerlegt und nach 30-tägiger Reifezeit für die anspruchsvollen Kunden verpackt. Abnehmer sind Gastronomiebetriebe der Region, ein Teil wird direktvermarktet. Auf dem Hof wurde ein Verkaufsraum eingerichtet, wo Wurst und Fleischwaren nach Vereinbarung erworben werden können. Zugleich besteht die Möglichkeit, Steaks, Filets oder Gulasch online zu bestellen. Weitere Absatzschienen laufen über den Naturland-Verband, die Biomanufaktur Havelland und den Märkischen Wirtschaftsverbund „Fair & Regional“.

„Meine kleine Farm“: Einblicke vom Fleckvieh-Hof Hansel

Seit einiger Zeit beteiligt sich Christoph Hansel auch an der Online-Plattform „Meine kleine Farm“. Sie gibt Verbrauchern Einblicke in die Abläufe auf dem Hof und ist ein wichtiger Partner, um Produkte aus der Region zu vermarkten. „Es ist wichtiger denn je, transparent zu machen, wie wir unsere Tiere halten und nachhaltig unsere Grundnahrungsmittel produzieren.“

Dazu gehören auch, Führungen für Schulklassen. Die Mädchen und Jungen erfahren dabei nicht nur, was artgerechte Haltung bedeutet und was auf dem „Speiseplan“ der Wiederkäuer steht. Unter sachkundiger Anleitung werden beispielsweise auch Bodenproben entnommen, um deren Wasserhaltefähigkeit zu testen. Diese ist bei den meist sandigen Böden sehr gering und sorgt in Zeiten zunehmender Wetterextreme für immer größere Probleme. „Deshalb ist es gerade auf unserem Standort wichtig, ein funktionierendes Bodenleben zu fördern und viel Humus aufzubauen.“

Harald PP, Nachkomme von  Heraldik, wurde 2021 an die Besamungsstation München Grub  verkauft.
Harald PP, Nachkomme von Heraldik, wurde 2021 an die Besamungsstation München Grub verkauft. (c) Bayern-Genetik

klimaangepasste Zuchtstrategie

Vor mehr als zehn Jahren wurde bereits die zukunftsorientierte, klimaangepasste Zuchtstrategie durch den Einsatz sogenannter alternativer Genetik begründet. Hier nahm der Fleckvieh-Hof eine Vorreiterrolle ein. Gerade die Dürresommer 2018 und 2019 bestärkten die Hansels darin, bei der züchterischen Ausrichtung weiterhin auf geprüfte Fleckviehgenetik aus Namibia und Südafrika sowie Australien zu setzen.

Das von dort bezogene Sperma wird gezielt eingesetzt, um vor allem Natürlichkeit und Anpassungsfähigkeit weiterzugeben und eine extensive und nachhaltige Fleischproduktion aus Gras und Milch zu stärken. Nicht die Leistungssteigerung sollte im Fokus stehen, sondern die Verbesserung von Robustheit und Tiergesundheit, betont Ulrich Hansel. Er verweist auf einen gegen Ende vergangenen Jahres in der Bauernzeitung veröffentlichten Beitrag über eine Veranstaltung im alt-märkischen Iden. Dort hatte Prof. Hermann Swalve von der Martin-Luther-Universität Halle einen viel beachteten Vortrag über die Tierzucht gehalten. Diese müsse auf die jeweiligen Umweltbedingungen zugeschnitten sein und zugleich eine möglichst große genetische Variation sichern. „Genau darum geht es uns“, versichert Ulrich Hansel.

Wir stehen vor dem Auslauf des Stalles, wo zwischen den Mutterkühen und Jungrindern ein hart bemuskelter Bulle hin und her marschiert. Er gibt ein tiefes Brummen von sich und stampft mit den Vorderbeinen auf. Doch dann lässt sich Herold, der mehr als 1.200 kg schwere Vererber mit australischen Wurzeln, genüsslich am Kopf kraulen. „Unser tägliches Ritual“, erklärt der pensionierte Tierarzt, für den es unerlässlich ist, jeden Morgen nach der Herde zu sehen. Zum Programm des 74-Jährigen gehören die Brunstbeobachtung und die Besamung ebenso wie die Trächtigkeitsuntersuchung. Diese Arbeiten sind ihm wichtig, um den Sohn zu entlasten, der den Fleckvieh-Hof Hansel allein bewirtschaftet. „Es ist für mich auch eine Art Lebenselixier!“

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Bei der Milch die Kosten im Blick

Seit einer gefühlten Ewigkeit haben die Milchbauern und ihre Interessenvertretungen einen Milchauszahlungspreis von 40 ct/kg gefordert. Jetzt, da er vielerorts Realität wird, mag dennoch keine rechte Freude bei den Milchviehhaltern aufkommen. Grund sind die enorm gestiegenen Futter- und Betriebsmittelkosten, die den Mehrerlös beim Milchgeld aufzehren.

Im Landwirtschaftsbetrieb Schröter hat der Molkereiauszahlungspreis, bestehend aus dem Grundpreis bei 4,0 % Fett und 3,4 % Eiweiß plus aller Zuschläge, zum Jahresende 2021 die 40-Cent-Marke überschritten. „Das hätte ich vor einem Jahr so nicht erwartet“, räumt Betriebsleiter Jörg Schröter ein. Kaum vorhersehbar waren auch die Kostensteigerungen, die den Familienbetrieb in Tilleda mit seinen rund 120 melkenden Kühen samt Nachzucht ebenfalls hart treffen. „Energie und Diesel sind extrem teuer geworden“, sagt der 53-Jährige. Allerdings hat er auf diese Aufwandspositionen kaum direkten Einfluss, allenfalls über die Verbrauchsmengen. Um Kosten zu sparen richtet der Landwirtschaftsbetrieb Schröter das Augenmerk deshalb insbesondere auf jene Positionen, die der Betrieb selbst reduzieren oder bestenfalls ganz vermeiden kann.

Hohe zukaufspreise für proteinfutter

Landwirtschaftsbetrieb Schröter Kosten sparen, Nur eigene Öl- und Eiweißpflanzen kommen in Kraftfutter.
Nur eigene Öl- und Eiweißpflanzen kommen ins Kraftfutter. (c) Detlef Finger

So streben Jörg Schröter und sein Sohn Pascal z. B. beim selbst erzeugten Grundfutter (Mais- und Grassilage, Heu, Luzerne, Futterstroh) beste Qualitäten an, um eine gute Tiergesundheit zu sichern und hohe Milchleistungen zu erzielen. Sie gehen sorgsam mit dem Raufutter um, um Verluste zu minimieren. Gleichzeitig lässt sich so der Kraftfuttereinsatz reduzieren.

Um überhaupt möglichst wenig teures Proteinfutter zukaufen zu müssen, bauen die beiden Landwirte auf ihren Ackerflächen im Südharz neben Marktfrüchten (Getreide, Winterraps) auch Ackerbohnen und Körnerfuttererbsen an sowie zuletzt sogar Sojabohnen, wenngleich diese in vorerst geringerem Umfang. Die Körnerleguminosen gehen als Eiweißkomponenten in die betriebseigene Kraftfuttermischung ein. Ebenso ins Futter wandern die Ölsaaten von der eigenen Scholle (Lein, Sonnenblumen) sowie ein Teil des Getreides.

Stickstoffsammler gehören zur Anbauphilosophie

„Die Hülsenfrüchte haben wir schon immer im Anbau, auch aus Gründen der Fruchtfolge, der Bodenfruchtbarkeit und der Unkrautbekämpfung. Die Stickstoffsammler gehören einfach zu unserer Anbauphilosophie“, betont Jörg Schröter.

Dass diese Kulturen 2021 im Gegensatz zu den vorangegangenen trockenen Jahren relativ hohe Erträge brachten, wirke sich angesichts der derzeit hohen Zukaufspreise für Proteinfutter doppelt positiv aus, erklärt er.

mit regelmäßige rklauenpflege kosten sparen

Eine weitere Schraube, über die sich im Betrieb an den Kosten drehen lässt, ist die Tiergesundheit. Es gilt, die Tierverluste so gering als möglich zu halten. „Eine Jungkuh, die in ihrer ersten Laktation abgeht, ist das teuerste, was passieren kann“, sagt der Züchter.

Das Wohl ihrer Herde – vom Kalb bis zur Altkuh – haben die Schröters deshalb immer im Blick. Junglandwirt Pascal Schröter nimmt z. B. die regelmäßige Klauenpflege bei den Milchrindern selbst vor. Etwa drei bis fünf Tiere kommen pro Woche zur Pediküre. „Die Kühe sprichwörtlich am Laufen zu halten, ist das A und O beim automatischen Melken“, erklärt Jörg Schröter. Tiere, die zum Roboter getrieben werden müssten, gelte es zu vermeiden.

Automatisierung von Routinearbeiten im Stall als Chance

In der Automatisierung von Routinearbeiten im Stall sieht der Landwirt eine Zukunftschance für Familienbetriebe wie den seinen. Damit lasse sich Arbeitszeit einsparen, die anderweitig besser eingesetzt sei, etwa für die Betreuung der Herde. Allerdings seien hierfür zunächst einmal nicht unerhebliche Investitionen erforderlich, gibt der Züchter auch zu bedenken.

Die Kosten für Stalltechnik sind ebenfalls gestiegen, weiß der Betriebsleiter. Insofern seien die tägliche Pflege und Wartung sowie der intervallmäßige Service der Geräte fürs Melken, Stallreinigen und Futteranschieben beim Landwirtschaftsbetrieb Schröter unabdingbar, um größere Reparaturen zu vermeiden und Kosten zu sparen, die letztlich richtig ins Geld gehen würden.

Schwierige arbeitskräftesituation

Die zuletzt nach oben zeigenden Auszahlungspreise der Molkereien und die ebenfalls stark gestiegenen Börsen- und Rohstoffwerte für die Milch sieht der Betriebsleiter indes mit der gebotenen Vorsicht. „Wir müssen zusehen, dass uns die hohen Preise nicht den Kopf verdrehen und zu falschen Entscheidungen verleiten“, sagt er mahnend. Die Preise sollten seines Erachtens „nicht zu schnell nach oben und in utopische Höhen gehen, sondern besser langfristig und nachhaltig wachsen, sodass die Milcherzeugung auf Dauer wieder rentabel ist“.

Das Hauptproblem für die Milchproduktion sieht Schröter in Zukunft ohnehin in der äußerst schwierigen Arbeitskräftesituation. Stallpersonal sei in der erforderlichen Qualität und Quantität schon längst nicht mehr verfügbar.



Landwirtschaftsbetrieb Schröter: Kosten sparen bei Düngemitteln

Die Milchabholung vom Betrieb Schröter erfolgt  alle zwei Tage durch die Molkerei
Die Milchabholung vom Betrieb Schröter erfolgt alle zwei Tage durch die Molkerei. (c) Detlef Finger

Kosten sparen heißt es aufgrund der explodierenden Düngemittelpreise auch im betrieblichen Feldbau. So viel Gülle als möglich soll deshalb im Frühjahr im Getreide den mineralischen Stickstoff ersetzen. Letzterer soll zudem nur dort in entsprechenden Mengen ausgebracht werden, wo es betriebswirtschaftlich Sinn macht. „Dass wir unsere Güllelagerkapazitäten im Herbst gut leergefahren haben, war die richtige Entscheidung“, blickt der Betriebsleiter zurück. Denn die derzeitigen Witterungsbedingungen verhindern das auf dem Papier seit dem 1. Februar mögliche Ausbringen von Wirtschaftsdünger auf dem Ackerland. Gleichwohl sich dieser Zustand nach Einschätzung von Jörg Schröter noch bis zum Monatsende hinziehen werde, habe der Betrieb insofern aber keinen Druck.

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„Es muss nicht immer nur Weizen sein“

Jung, engagiert, experimentierfreudig und erfolgreich – Steven Hirschberg ist 33 Jahre alt und hat als Vorstandsvorsitzender der Agrargenossenschaft Papendorf schon ganz unterschiedliche Erfahrungen gesammelt.

Von Jürgen Drewes

Es ist tatsächlich schon passiert, dass Steven Hirschberg in einem Artikel versehentlich zu Steven Spielberg wurde. Der amerikanische Superregisseur gilt mit acht Milliarden US-Dollar Einnahmen aus seinen Filmen als der kommerziell weltweit erfolgreichste seines Fachs, ist damit seinem Vornamensvetter finanziell um Längen voraus. Und mit 75 Jahren auch mehr als doppelt so alt. Was beide eint: Spielberg wurde mit nur 22 Jahren als jüngster Regisseur seiner Zeit unter Vertrag genommen, Hirschberg, kaum älter, Chef der Bodenbearbeitung und wenig später gar Vorstandsvorsitzender einer Agrargenossenschaft. In Papendorf bei Rostock, 1.310 ha groß, mit 130 Mutterkühen, sieben Mitarbeitern und zwei Auszubildenden.

Besonders Traktoren hatten es ihm angetan

Irgendwie hatte sich das schon im Kindesalter abgezeichnet. Steven Hirschberg, mittlerweile 33 Jahre alt, liebte das Landleben bei seinen Großeltern. Und ganz besonders Traktoren. Die gab es in der Stadt, in Rostock, wo er aufwuchs, eher nicht. Deshalb war für ihn klar, nach der Schule wird er Landwirt.

Gesagt, getan: Schülerpraktikum in Papendorf, Ausbildung in Zierow, Weiterbildungen, 2011 Abschluss als staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt an der Fachschule Güstrow-Bockhorst. In der Agrargenossenschaft Papendorf hatte man da sein Engagement, seine Einsatzbereitschaft längst schätzen gelernt. Mit dem Ausscheiden des langjährigen Vorstandsvorsitzenden Klaus Zeplien aus dem Berufsleben war es dann soweit. Als dessen Nachfolger legte der Endzwanziger sofort voll los.

engagiert bei „Land schafft Verbindung“

Steven Hirschberg an seinem Arbeitsplatz im Büro auf dem Betriebshof in Papendorf bei Rostock.
Steven Hirschberg an seinem Arbeitsplatz im Büro auf dem Betriebshof in Papendorf bei Rostock. (c) Jürgen Drewes

„Es war eine angespannte Zeit“, erinnert sich Steven Hirschberg. „Getreidepreise, Milchpreis, Fleischpreise, alles im Keller. Dazu nahmen die Diskussionen um eine neue Düngelandesverordnung Fahrt auf, Stichwort rote Gebiete. Und als wäre das alles nicht genug, gerieten wir Landwirte auch noch zunehmend in die öffentliche Kritik. Da musste sich einfach was ändern“, argumentiert der junge Unternehmenschef und verweist auf sein Engagement in der Initiative „Land schafft Verbindung“.

Steven Hirschberg In der ersten Reihe

Steven Hirschberg stand monatelang in erster Reihe, wenn es darum ging, in der Öffentlichkeit auf die Kritik an der landwirtschaftlichen Produktion zu reagieren. Schlepperparaden Richtung Landesregierung oder gar bis Berlin waren die Höhepunkte. Doch trotz allen Bemühens, kaum etwas änderte sich. Da kam es fast schon wie gerufen, als sich im September 2020 Bundesumweltministerin Svenja Schulze zum Besuch innerhalb der Dialogreihe „Zukunftsbild Landwirtschaft“ in Papendorf anmeldete. Lautstarke Proteste waren eingeplant. Erst recht nach Schulzes „Bericht zur Lage der Natur“ wenige Monate zuvor, in dem sich die Landwirte als Umweltverschmutzer wiederfanden. Doch es kam anders.

Einbringen für das, was Landwirten auf den Nägeln brennt

Freundlicher Empfang für Frau Schulze in der Agrargenossenschaft Papendorf, unaufgeregter Dialog. „Irgendwie war die Luft raus, die Landwirte waren längst nicht mehr eins in ihren Ansichten. Zu unterschiedlich, zu undifferenziert die Forderungen an die Politik, auch innerhalb des Bauernverbandes“, erinnert sich Steven Hirschberg.

Er zog sich aus der Initiative, die inzwischen als Verein weiterbesteht, zurück. Die Weste, die er bei den Protesten trug, hat er als Erinnerung an den sprichwörtlichen Haken vor seinem Büro gehängt. Einbringen für das, was Landwirten auf den Nägeln brennt, will er sich weiterhin. Erst recht mit Blick auf die Gemeinsame Agrarpolitik in der Europäischen Union ab 2023. Die soll grundsätzlich grüner werden. Doch wie konkret, das ließ die Bundesregierung monatelang offen.

Kritik an politischen Entscheidungen

Der von der EU geforderte Strategieplan traf erst jetzt im Februar in Brüssel ein. „Wir denken schon allein mit Blick auf Anbaupläne und Fruchtfolgen mindestens zwei, besser drei Jahre voraus. Da kam die sogenannte Konditionalität mit Hinweis auf neue Anforderungen und Auflagen viel zu spät“, kritisiert Steven Hirschberg namens der gesamten Branche.

Unter anderem sind sieben Eco-Schemes, also einjährige Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen, gefordert. Landwirtschaftsminister Till Backhaus, SPD, lobte umgehend, dass das Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ umgesetzt wird. Demnach stehen seinem Ministerium Direktzahlungen an die Landwirte aus dem EU-Budget für die Jahre 2023 bis 2027 von 320 Millionen Euro zur Verfügung. Plus 652 Millionen zur Förderung des ländlichen Raums. Doch was künftig konkret auf Agrarflächen zu tun bzw. zu lassen ist, ist nach wie vor offen. Die EU-Kommission will die dazu eingereichten Vorschläge im Verlauf des Jahres prüfen. „Das passt einfach nicht mit unserer Praxis zusammen“, kritisiert Hirschberg und fordert Entscheidungen sofort.


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Präzisionslandwirtschaft mit Rotklee und Dinkel

Um anschließend zu erklären, dass die Agrargenossenschaft Papendorf schon seit acht Jahren Präzisionslandwirtschaft betrieben. Mit Blühstreifen, Zwischenfrüchten, Rotkleegras. Und in diesem Jahr erstmals auch mit 15 Hektar Dinkel. „Es muss nicht immer nur Weizen sein“, so Hirschberg. Alle fünf Hektar werden Bodenproben gezogen – Überdüngung? Fehlanzeige! „Wir brauchen keine pauschalierten Vorgaben, sondern ein differenziertes Herangehen. So, wie es bewährte bäuerliche Praxis ist“, sagt der Landwirt.

Pünktlich um 12 Uhr verabschiedet er sich in die Mittagspause. Kein Telefon, keine Terminabsprachen, keine fachlichen Gespräche für die nächsten Minuten. Der 33-Jährige hat seine Prinzipien. Und hält sie konsequent ein. Um sich anschließend ein Bild von den Feldern nach den Niederschlägen und vom Fortgang der Wartungsarbeiten in der Werkstatt zu machen.

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Dauerleistungskuh Collin: Unauffällig zum Rekord

In der Agrargenossenschaft Marienberg stand eine der drei Kühe, die der LKV voriges Jahr für 150.000 kg Lebensleistung auszeichnete. Ganz besonders freute die Ehrung den ehemaligen Herdenmanager.

Marko Uhlig hat 23 Jahre in der Milchviehanlage der Agrargenossenschaft Marienberg gearbeitet. Dass die Milchleistung der rund 220 Kühe umfassenden Herde auf rund 11.500 kg je Kuh und Jahr stieg – und dies in einem unter den Bedingungen eines Gebirgsstandorts wirtschaftenden Betriebes –, ist auch sein Verdienst. Ebenso wie der Erfolg, für den der Betrieb noch Ende vergangenen Jahres geehrt wurde: Eine von drei sächsischen 150.000-Liter-Kühen stand 2021 im Stall der Marienberger Agrargenossenschaft.

Collin: Leistung in den Genen

Die Kuh mit dem Namen Collin wurde am 21. März 2007 geboren und hat elfmal gekalbt, dabei einmal Zwillingskälber bekommen. Ihre Mutter war eine Tochter des damals am meisten eingesetzten Bullen Clown. Clown ist bekannt für sehr leistungsbereite Töchter, die sehr alt wurden und viele Hunderttausendliter-Kühe hervorgebracht haben.

Collins Vater war der Bulle Tirso, ein Titanic-Sohn mit guter Fundamentvererbung. „Collin selbst war bis zur sechsten, siebten Laktation eine völlig unscheinbare Kuh“, erinnert sich Marko Uhlig. „Ich wüsste nicht, dass sie mal ein Klauen- oder Euterproblem gehabt hätte.“ In der achten Laktation stuften sie die Masterrind-Klassifizierer noch mit 89 Punkten ein.

betrieb knackte mehrfach die 100.000-Liter-Marke

Etwas genauer habe er auf die spätere Dauerleistungskuh geschaut, nachdem sie die 80.000 kg Lebensleistung überschritten hatte, erinnert sich der damalige Herdenmanager. Und dies schon mit Blick auf das mögliche Erreichen der 100.000-Liter-Marke. „Im Gebirge ist das schon etwas Besonderes“, sagt der 48-jährige Tierwirt. Schließlich stamme hier das Futter zu größeren Anteilen vom Grünland, als es auf anderen Standorten der Fall ist. Vier Mal konnte der Betrieb bisher mit einer Kuh aufwarten, die eine Lebensleistung von 100.000 kg erreichte.

Stolz auf den Erfolg

Nachdem Kuh Collin die 100.000 kg Lebensleistung erreicht hatte, bekam sie dann schließlich die ein oder andere Sonderbehandlung, blieb beispielsweise in der Strohbox bis sie jeweils wieder tragend wurde, berichtet Marko Uhlig weiter.

In den letzten Jahren habe er in der Herde der Agrargenossenschaft Marienberg zudem längere Zwischenkalbezeiten zugelassen, um die noch hohe Milchleistung am Ende der Laktation zu nutzen. „Eine Kuh muss nicht pro Jahr ein Kalb bekommen“, meint er.


Die Auszeichnung übergab LKV-Geschäftsführer Prof. Jörg Hilger an Herdenmanager Daniel Balbrink, Geschäftsführer Konrad Behrisch, Herdenmanager Daniel Kasper und Geschäftsführer Torsten Pschorn (v. l.).

Dauerleistungskühe Sachsen: „Bommel“ war die Beste im Stall

Mit mehr als 150.000 Litern Lebensleistung zählte Kuh Bommel von der Cunnersdorfer Agrar GmbH zu den drei stärksten Dauerleistungskühen Sachsens im vergangenen Jahr. Dafür erhielt der Betrieb eine Auszeichnung. mehr


Collins Rekord: 3.760 Melktage und 150.265 kg Milch

Schlussendlich kam Collin auf insgesamt 3.760 Melktage, erreichte eine Lebensleistung von 150.265 kg Milch und 10.286 Fett-Eiweiß-Kilo. Mit letzterem Wert war sie im Milchwirtschaftsjahr 2021 laut Sächsischem Landeskontrollverband (LKV) die viertbeste Kuh in ganz Sachsen. Platz 1 belegte Lotos vom Milchhof Diera. Eine Rangelei mit einer anderen Kuh führte voriges Jahr allerdings zu einer Verletzung und leider zum Abgang Collins aus dem Bestand.

Auch wenn Marko Uhlig inzwischen nicht mehr die Milchviehanlage der Agrargenossenschaft Marienberg leitet, sondern nunmehr als Arbeitstherapeut tätig ist – am Erfolg wollte ihn sein alter Betrieb doch teilhaben lassen. Und so rief ihn sein ehemaliger Chef an, als sich LKV-Geschäftsführer Prof. Dr. Jörg Hilger ankündigte, um zu Ehren von Kuh Collin und ihrer Lebensleistung eine Urkunde und eine Zinnfigur in Form einer Kuh zu übergeben. Dass ihm die Auszeichnung etwas bedeutet, daran lässt Marko Uhlig keinen Zweifel: „Schön, wenn man so einen Erfolg vorweisen kann!“, sagt er.

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Landfrauen als Brückenbauerinnen

Seit einem halben Jahr ist Antje Schulze Brandenburgs erste Landfrau. Höchste Zeit, die Havelländerin näher kennenzulernen.

Von Heike Mildner

Bauernzeitung: Sie arbeiten in der Geschäftsstelle des Kreisbauernverbandes. Was verbindet Sie darüber hinaus mit der Landwirtschaft?
Antje Schulze: Mein Vater war zu DDR-Zeiten Brigadier in der Genossenschaft. Nach der Wende hat er sich selbstständig gemacht, unsere Flächen sind in die eigene Bewirtschaftung zurückgegangen, nach und nach kam noch etwas Land hinzu. Als mein Vater vor neun Jahren auf tragische Weise starb, übernahm mein Bruder den 280-Hektar-Betrieb. Ich habe Groß- und Außenhandelskauffrau gelernt und zehn Jahre im Landhandel gearbeitet. Als das erste Kind kam, ergab sich für mich die Möglichkeit, beim Kreisbauernverband in Teilzeit zu arbeiten.

Antje Schulze Präsidentin des  Brandenburger  Landfrauenverbandes  (BLV).
Antje Schulze Präsidentin des Brandenburger Landfrauenverbandes (BLV) (c) Karin Gemballa/BLV

Wie groß ist die Familie inzwischen, und wie sind Sie durch die Pandemie gekommen?
Ich habe zwei Töchter, sechs und zehn Jahre, und einen 17-jährigen Stiefsohn, also in jeder Bildungsstruktur ein Kind: Gymnasium, Grundschule, Kita. Wir leben in einem großen Bauernhaus, in dem auch Oma und Mutter ihre Wohnungen haben. Das ist gut fürs Miteinander. Zu Corona-Zeiten war es – besonders anfangs – sehr schwierig: Den Kindern zu erklären, dass sie nicht zur Oma dürfen. Der Lockdown hat uns viel abverlangt, da mein Mann im Handel tätig ist. Genau wie in der Landwirtschaft wurde dort weitergearbeitet. Zurzeit ist ein Tag, an dem wir morgens alle einen negativen Test haben, von vornherein schon mal ein guter Tag.

Die Landfrauen haben in ihrem offenen Brief für „Respekt, Akzeptanz und Gemeinsinn“ geworben (Bauernzeitung 8/22, Seite 15). Gab es neben innerer Notwendigkeit einen Anlass?
Anlass war der Fernsehbericht über eine Demonstration: Menschen standen sich gegenüber und brüllten sich nur noch an. Jutta Quoos rief mich an, gemeinsam mit Ulrike Fechner formulierten wir den Brief, besprachen ihn mit den Kreisvorsitzenden. Der Brief ist durch den ganzen Landesverband gegangen, und darauf sind wir stolz. Ich bin Frau Fechner sehr dankbar, sie hat da viel Arbeit reingesteckt.

Gab es Reaktionen darauf oder wurde der Brief vom Geschehen in der Ukraine eingeholt?
Mit der Ukraine, das ist eine andere Tragweite. Aber auch hier hat Gewaltbereitschaft die Toleranz eingeholt. Positive Resonanz auf den Brief kam von den Mitgliedern. Er regt an zum Gespräch über die Frage: Wie agieren wir miteinander vor Ort? Ich bin überzeugt: Landfrauen können Brückenbauerinnen sein, und das würden wir gern forcieren, wenn wir denn wieder mehr dürfen.

Landfrauen: „Es gibt uns, und wir sind ja vielleicht ganz anders, als ihr euch uns vorstellt!“

Frauentag und Frauenwoche stehen vor der Tür. Wie wichtig sind sie Ihnen?
Im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit läuft vieles noch auf Sparflamme oder digital. Wir nutzen den Symbolwert des Frauentages, um in den sozialen Medien auf uns aufmerksam zu machen und zu zeigen: Es gibt uns, und wir sind ja vielleicht ganz anders, als ihr euch uns vorstellt!

(c) Sabine Rübensaat

Technisch haben die vergangenen Jahre vielen Flügel verliehen. Auch den Landfrauen?
Wir haben schon vor Corona eine Menge gemacht. Landesvorstandssitzungen fanden bereits vor Corona digital statt, um lange Anfahrtswege einzusparen, Smartphone- und Facebook-Workshops, an denen auch 60 – 70-jährige Mitglieder teilgenommen haben. So konnten wir auch in den vergangenen zwei Jahren in den Gremien gut arbeiten. Außerdem haben wir in der Landesgeschäftsstelle drei tolle Frauen, die unterstützen, wenn es gebraucht wird. Es gab zusätzlich Trainingsangebote, viele Veranstaltungen wurden digital durchgeführt, und das wurde glücklicherweise auch angenommen.

Seit August 2021 sind Sie Vorsitzende. Wo wollen Sie Ihre Schwerpunkte setzen, wo möglicherweise Energie sparen?
Ich muss und will nichts neu erfinden. Jutta Quoos hat einen wahnsinnig guten Job gemacht. Unser Hauptanliegen bleibt weiter, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation von Frauen und Familien im ländlichen Raum zu stärken. Immer noch geht es um Chancengleichheit: Warum sind die Frauen in der Kommunalpolitik nicht gut vertreten? Wie gelingt Motivation? Baustellen haben wir viele. Aber nach Corona müssen wir erstmal viel Arbeit in den internen Kreis stecken: Wir wollen wieder zueinander finden, uns vernetzen, wieder Vertrauen aufbauen. Und ich muss mich auch als Vorsitzende erstmal beweisen, ich hab ja noch nicht die Chance gehabt zu zeigen, was es für mich bedeutet, Landfrau zu sein. Viel Arbeit, auf die ich mich freue. Wir haben ein stabiles Fundament. Viele Vereine haben Mitglieder verloren in der Pandemiezeit – wir haben fast keine Austritte. Darauf bin ich stolz und dankbar dafür.


Künftig mehr Zeit für Hof, Hobbys und Reisen: Jutta Quoos in Schönewalde.
(c) Wolfgang Herklotz

Jutta Quoos: „Lieber lästig als ungehört“

Hürden der Nachwendezeit, weiter andauernde zähe Kämpfe, die Wertschätzung für „Mutter Courage“ (Regine Hildebrandt) und die Lust am Ehrenamt: Wir sprachen mit Jutta Quoos, langjährige Vorsitzende des Brandenburger Landfrauenverbandes. mehr


Welche Höhepunkte gibt es in diesem Landfrauenjahr?
Zuerst wäre da die BraLa. Außer unserem Landfrauenstand wollen wir uns auch mit einem Frauenthema ins Expertenforum Agrar- und Ernährungswirtschaft einbringen. Es folgen ein Netzwerktreffen für junge Landfrauen und die Delegiertenversammlung Ende Mai. Besonders freue ich mich auf meinen ersten Bundes-Landfrauentag in Fulda. Und im Oktober feiern wir am Seddiner See unser 30-jähriges Bestehen.

Wie andere Vereine brauchen Sie Nachwuchs. Wo sehen Sie die potenziellen Landfrauen?
Ich glaube, es sind vor allem die Frauen im Alter meiner Mutter, also frisch im Ruhestand, die es einfach gewohnt sind, acht Stunden am Tag zu arbeiten, die noch hibbelig sind, Ideen haben und richtig Lust, mal etwas anderes zu sehen, neuen Ideen nachzugehen. Aber wir freuen uns natürlich auch über jüngere Frauen.

Wie viele der etwa tausend Landfrauen in Brandenburg einen landwirtschaftlichen Hintergrund haben, ist unklar. Im Verband bereichern sie gemeinsam mit Verkäuferinnen, Lehrerinnen oder Verwaltungsangestellten das gesellschaftliche Leben auf dem Lande – inklusive der Kleinstädte.
Wie viele der etwa tausend Landfrauen in Brandenburg einen landwirtschaftlichen Hintergrund haben, ist unklar. Im Verband bereichern sie gemeinsam mit Verkäuferinnen, Lehrerinnen oder Verwaltungsangestellten das gesellschaftliche Leben auf dem Lande – inklusive der Kleinstädte. (c) Sabine Rübensaat

Auf dem Land-Frauentag in Erfurt 2016 hat Angela Merkel gesprochen. „Sie wären eine klasse Landfrau“, bedankte sich die damalige Land-Frauenpräsidentin Brigitte Scherb und Merkel antwortete: „Das wär’ ich, glaub’ ich, wirklich.“ (Bauernzeitung 28/2016, S. 46). Gibt es in der Uckermark eine Land-Frauengruppe?
In der Uckermark haben wir eine Ortsgruppe – die von Hanka Mittelstädt in Zollchow und Umgebung. Und es gibt so viele starke Frauen in der Uckermark, da müsste tatsächlich noch mehr gehen. Bis 2019 lief das BULE-Projekt „Zukunft der Landfrauen verbände gestalten“ gemeinsam mit den Mecklenburger Land-Frauen (BULE = Bundesprogramm Ländliche Entwicklung). Es ging unter anderem um neue Ideen für die Mitgliederwerbung.

Das Projekt lief bis 2019, dann kam Corona. Die Ergebnisse müssten jetzt in Präsenz mit den Kreisverbänden durchgegangen werden, um zu sehen, was man umsetzen kann. Es geht zum Beispiel um eine bessere Begrüßungskultur, wenn jemand ins Dorf oder in die Stadt zieht – wir dürfen die Kleinstädte im ländlichen Raum nicht vergessen. Und zu Frau Merkel: Wir sollten sie vielleicht mal anschreiben.

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Der nahe Krieg

Wer sagt, dass die Welt seit dem 24. Februar eine andere ist, übertreibt ganz gewiss nicht. Im Morgengrauen dieses Donnerstags brachte die russische Invasion in die Ukraine den Krieg zurück nach Europa. Anders, als manche noch glauben, nicht an seinen Rand, sondern nahezu in die Mitte.

Es kommentiert Ralf Stephan

Kiew, die unter Beschuss stehende Hauptstadt, liegt von der östlichen Grenze Europas, dem Ural, genauso weit weg wie von der EU-Hauptstadt Brüssel. Man gelangte von dort schneller nach Warschau oder Krakau als in den Getreidehafen Mariupol am Schwarzen Meer. Das Land ist unser übernächster Nachbar.

ukraine-krieg: auswirkungen auf Agrarmärkte

Chefredakteur der Bauernzeitung/Deutschland: Ralf Stephan. 2019
Ralf Stephan, Chefredakteur der Bauernzeitung (c) Sabine Rübensaat

Nachbarn in der Not ist ohne Wenn und Aber zu helfen. Doch auch wenn es angesichts der humanitären Katastrophe pietätlos erscheinen mag: Gerade weil die Entwicklung so erschütternd ist, gilt es nüchtern zu beobachten, welche Folgen zu erwarten sind.

Da es um zwei wichtige Agrarhandelsländer geht, regierten nicht nur Industrieaktien, sondern auch die Agrarmärkte sofort. Börsen, so sagt man, spiegeln nicht das wider, was ist, sondern was erwartet wird. Erwartet wird demnach, dass sich Agrarrohstoffe verteuern, weil sie knapper, zumindest jedoch schwieriger verfügbar sein könnten. Alles andere ist unrealistisch, denn die Ukraine lieferte zuletzt 12 %, Russland 17 % der weltweiten Weizenexporte.

Bei Raps und Sonnenblumen einschließlich der Öle und Schrote sowie Sojaöl gehörte die Ukraine zu den Hauptlieferländern für die EU. Zu erwarten sind also auch höhere Preise für Futtermittel. Da nicht nur die Ukraine und Russland, sondern auch Belarus wichtige Lieferländer waren, werden zudem Düngemittel noch knapper und noch teurer.

Preis für versorgungssicherheit

Selbst wenn die Quoten der Selbstversorgung mit wichtigen Agrarprodukten in Deutschland zunächst beruhigend wirken: Unter den sich abzeichnenden Umständen ist eine Eigenversorgung bei Getreide mit 101 % nicht in Stein gemeißelt. Auswirkungen der Düngeverordnung, aber auch betriebswirtschaftliche Reaktionen auf die Düngerpreise könnten durchaus zu rückläufigen Erntemengen führen. In der Bundesrepublik wird deshalb niemand Hunger leiden müssen. Schließlich kann man es sich leisten, im Ausland zuzukaufen – und damit das knappe Angebot für weniger zahlungskräftige Staaten weiter verknappen. Zwangsläufig stellt sich unter diesen Umständen auch die Frage nach dem Preis für die Versorgungssicherheit gänzlich neu.

Deshalb den Green-Deal der EU-Kommission gleich ganz infrage zu stellen, würde heißen, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Denn der Ukrainekrieg mag Herausforderungen wie den Klimawandel und den Schutz der Naturressourcen zeitweilig überlagern – aus der Welt sind sie deshalb nicht. Die Frage darf aber erlaubt sein, ob alle Annahmen, Ziele und Wege jetzt noch tauglich sind. Wissenschaftler der Universitäten München, Hohenheim und Basel errechneten, dass sich die benötigten Anbauflächen weltweit fast halbieren ließen, wenn überall effizienteste Anbaumethoden angewendet würden. Das heißt, die andere Hälfte stünde für Klima- und Naturschutz zur Verfügung. Eine Vision, gewiss. Aber eine, die deutlich mehr Handlungsoptionen böte als die bloße Extensivierung auf Gunststandorten. Sie würde erfordern, geltende Tabus zu brechen. Jetzt, wo die Welt eine andere geworden ist, wird manches politische Tabu gebrochen. Warum also nicht auch hier?


Dramatischer Himmel, Sturm, Getreidefeld,
Symbolbild (c) IMAGO / Westend61

Welche Auswirkungen hat der Krieg in der Ukraine?

Russlands Überfall auf die Ukraine trifft die Agrarmärkte tief ins Mark. EU-weit wird mit gestörten Warenströmen und steigenden Preisen gerechnet. Welche Auswirkungen hat der Krieg auf die Agrarmärkte und die Ernährungssicherheit? mehr


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Mindestlohn: Segen und Fluch

Die Auswirkungen steigender Personalkosten sind vor allem für arbeitsintensive Betriebe enorm.

Von Barbara Ilse

Zwölf Euro brutto soll der gesetzliche Mindestlohn ab 1. Oktober 2022 betragen, so plant es das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Was für Arbeitnehmer eine tolle Sache ist, bringt viele Arbeitgeber hingegen in Schwierigkeiten. Wie sich die Mindestlohnerhöhung speziell auf die Agrarbranche auswirken wird, war unlängst Thema eines vom Bauernverband Börde initiierten Gesprächs mit Betriebsleitern aus der Region und dem Vorsitzenden des Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbandes (AGV) Sachsen-Anhalt, Albrecht Freiherr von Bodenhausen.

Nebenkosten beachten

Seit Jahresbeginn beträgt der Mindestlohn 9,82 Euro. Am 1. Juli 2022 steigt er auf 10,45 Euro, ab Oktober dann auf 12 Euro. Das wäre eine Erhöhung um 15 %. Mit Lohnnebenkosten erhöht sich der Stundenlohn damit auf 15,35 Euro, rechnete von Bodenhausen vor. „Als 2015 der Mindestlohn eingeführt und auf 8,50 Euro festgelegt wurde, wanderte der handarbeitsintensive Gurkenanbau ins Ausland ab. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft wird sich durch die massive Erhöhung weiter beschleunigen“, prophezeit der Verbandsvorsitzende. Eigentlich sei er dafür, dass Arbeitnehmer besser bezahlt werden, aber er schätze, dass es erhebliche Folgen für die Betriebe habe, wenn durch staatliche Lohnlenkung das gesamte Lohngefüge ins Wanken komme.

„Wenn der Stundenlohn für Facharbeiter nur knapp darüber liegt, werden diese den geringen Unterschied zu Ungelernten nicht hinnehmen und mehr Geld fordern.“ Außerdem sei für ihn die zeitliche Festlegung der Mindestlohnerhöhung eindeutig wahlgesteuert. Das dürfe nicht sein. Eigentlich sei deshalb die Mindestlohnkommission ins Leben gerufen worden, die so allerdings ad absurdum geführt werde. Nicht zuletzt sei das Nichtbeachten der verfassungsrechtlich garantierten Tarifautonomie von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden unzulässig.


(c) Sabine Rübensaat

Zwölf Euro sind nicht zu stemmen!

Im Interview mit Uwe Kühne, Geschäftsführer der Agrargesellschaft Friedrichsthal mbH und Chef des Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbandes Thüringen, stellten wir Fragen zu den neuen Mindestlohnplänen und deren Folgen. mehr


Spargel- und Erdbeeranbauer betroffen

Im Agrarbereich sind vor allem Sonderkulturbetriebe wie Spargel- und Erdbeeranbauer betroffen, die Saisonkräfte beschäftigen. Aber auch in Tierhaltungsbetriebe arbeiten oft Fachfremde im Niedriglohnbereich.

„Bei uns sind das meist Ungelernte, die nach der Saison wieder in ihr Heimatland zurückkehren und im nächsten Jahr wiederkommen“, fasste es Klaus-Dieter Gummert, Inhaber der Firma „Erdbeer Gummert“ in Erxleben, zusammen. „Erdbeerpflücken, Sortieren und Abpacken sind handarbeitsintensive Tätigkeiten, für die man keine Ausbildung benötigt. Für uns bedeutet die Erhöhung des Mindestlohns in dieser Saison bereits eine Kostensteigerung von etwa 160.000 Euro. Wenn ich das auf das Kilo Erdbeeren umlege – der Preis würde dann bei zehn bis elf Euro liegen – wird sie keiner mehr kaufen.“ Dabei habe er schon in eine Maschinenhacke investiert, um die Lohnkosten zu senken. Auch Investitionen wegen Corona, z. B. in einen Quarantänecontainer oder Extraduschen, belasteten den Betrieb enorm.

EXTRAWISSEN
Mit der Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro schiebt sich Deutschland in der EU auf Rang zwei hinter Luxemburg (12,73 Euro), vor Irland (10,50 Euro) und Frankreich (10,48 Euro). Spanien hat mit 5,76 Euro einen nicht halb so hohen gesetzlichen Mindestlohn. In Polen beträgt dieser 4,61 Euro, in Rumänien 2,87 Euro und in Bulgarien nur 2,07 Euro.
Quelle: Statista, Stand: Januar 2022

Dienstleistungen teurer

Paul Neufeldt, Geschäftsführer des Lohnunternehmens Jeromin Agrar GmbH & Co. KG, Erxleben, sieht dieses Problem auch auf sich und seine Kunden zukommen: „Es ist wichtig, Leistung zu bezahlen. Aber die Ausbildung der Fachkraft gegenüber der ungelernten Kraft durch höheren Lohn anzuerkennen, wird für den Arbeitgeber mit dem höheren Mindestlohn schwieriger.“ Und obwohl Neufeldt seine ausgebildeten Fachkräfte ordentlich entlohnt, sieht er neues Ungemach: „Auch bei mir werden die Mitarbeiter dann höhere Löhne fordern. Das muss ich an die Landwirte weitergeben und die haben ohnehin schon mit ordentlich steigenden Betriebsmittelkosten zu kämpfen.“

Für Jörg Stottmeister, Geschäftsführer der Agrar Produktionsgesellschaft Bösdorf-Lockstedt, steht die Frage im Vordergrund, wie die Landwirte mit den höheren Kosten umgehen sollen, wenn Verbraucher zum größten Teil gern billig kauften. Die Politik arbeite gegen die kleineren Familienbauernhöfe, die sich keine Melkroboter leisten können. Nur vom Idealismus könne aber auch der Landwirt mit seinen unterbezahlten Familienmitgliedern nicht leben. Stottmeister fasste es so zusammen: „Das ist eine Spirale, die sich nur noch weiter hochdreht.“


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Ökohöfe ausgebremst

Albrecht von Bodenhausen befürchtet zudem, dass insbesondere arbeitsintensive Ökobetriebe mit dem erhöhten Mindestlohn ausgebremst werden. Gerade diese sollten doch aber, politisch gewollt, zukunftsfähig ausgebaut werden. „Es ist auch beschämend, wenn in Familienbetrieben die Familienarbeitskräfte für weit weniger als den Mindestlohn arbeiten. Dies wird ein ungewollter, sich verstärkender Effekt sein, den ansteigenden Mindestlohn abzumildern. Die Gesamtbelastung in der Landwirtschaft muss im Auge behalten und Betriebe dürfen finanziell nicht überbelastet werden.“

Für von Bodenhausen, der selbst einen Landwirtschaftsbetrieb in Brumby in der Hohen Börde leitet, ist die Belastung der deutschen Arbeitgeber durch die Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro – insgesamt 1,63 Mrd. Euro allein in diesem Jahr – ein weiterer Schritt zur Erhöhung der Inflationsrate. „Der Staat tut nichts dazu, aber die Sozialeinnahmen steigen um 700 Millionen Euro.“

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Online-Auktion: Kojak macht das Rennen

Abermals fand die Auktion von Fleischrindbullen aus dem Thüringer Zuchtgebiet der Qnetics GmbH nur digital statt. Teuerstes unter den drei Dutzend verkauften Tieren war ein feldgepüfter Kingston-Sohn.

Kojak stellte sich bei der Online-Auktion Thüringer Bulle in der vorigen Woche als das teuerste Tier heraus. Der „super bemuskelte“, feldgeprüfte Kingston-Sohn, gezogen von Christian Müller aus Linda und im Besitz von Tobias Petzenberger aus Eckardts, erhielt in einem heißen Bieterkampf den Zuschlag bei 6.000 Euro.

Insgesamt standen 40 Bullen der Rassen Angus, Charolais und Fleckvieh-Simmental zum Verkauf. Am Ende der ersten Fleischrindbullen-Auktion des Jahres im Thüringer Zuchtgebiet der Qnetics GmbH wechselten 36 Tiere zu einem Durchschnittspreis von 3.058 Euro den Besitzer.

teuerste stationsgeprüfter bulle

Teuerster stationsgeprüfter Bulle mit 4.900 Euro war der Dallas-Sohn Dali, gezogen von Detlef Vincenz aus Meuselwitz. Die Bemuskelung des Spitzentieres habe keine Wünsche offengelassen, so das Urteil der Qnetics-Zuchtberater. Den Titel des „Mr. Dornburg“, dem Bullen mit den höchsten Prüftagszunahmen, sicherte sich der Steinadler-Sohn CM Sampo aus der Zuchtstätte Ralf Meyer (Gerstungen). 2.067 g Prüftagszunahme konnten auf der Prüfstation ermittelt werden. Er erhielt den Zuschlag bei 4.300 Euro.

Die 33 verkauften Fleckviehbullen erzielten bei dieser Auktion einen Durchschnittspreis von 3.136 Euro, der Angus- und die beiden Charolaisbullen im Mittel 2.200 Euro. red


Nächste Auktion:
Am 27. April findet die nächste Zuchtbullenauktion in Thüringen statt. Details werden unter www.qnetics.de veröffentlicht.

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