Rechtsvorgaben für Veranstaltungen: Feiern, aber sicher

Die Saison für Hoffeste, Tage der offenen Tür oder Konzerte in der Scheune läuft wieder und bietet die Chance zum offenen Austausch. Welche Rechtsvorgaben für Veranstaltungen sind aber zu beachten?

Von Thomas Schneider, Essen-Kettwig

Landwirtschaft ist heute nicht mehr so in der Gesellschaft verankert, wie dies jahrhundertelang üblich war. Die räumliche Trennung zwischen Erzeugern und Konsumenten, aber auch die Kritik bezüglich der Erzeugungsmethoden, ja ganzer Produktgruppen, ist gewachsen. Landwirtschaft muss sich erklären, sogar rechtfertigen. Menschen möchten wissen, wie ihre Lebensmittel bzw. deren Vorprodukte hergestellt werden.

Daraus erwachsen allerdings auch Chancen für Produzenten, wenn mangelndes Wissen erweitert, falsche Vorstellungen korrigiert und manipulative Aussagen widerlegt werden. Ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte. Entsprechend nutzen landwirtschaftliche Betriebe die Möglichkeit, Menschen einzuladen. Da dies im laufenden Betrieb kaum möglich ist, finden besondere Veranstaltungen statt. Neben dem Informationseffekt und der Kundengewinnung können durch die Bewirtung zusätzliche Erlöse erzielt werden.

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Wachsende Bedeutung von Veranstaltungen

Dabei werden Veranstaltungen kaum als Großereignisse konzipiert. Aus einem kleinen, vielleicht spontan geplanten Zusammenkommen kann sich über die Jahre eine Veranstaltung entwickeln.

Nach dem Urteil des OLG Düsseldorf vom 1. Juli 2014, (Az. 1-20 U 131/13) handelt es sich bei einer Veranstaltung um „ein zeitlich begrenztes und geplantes Ereignis mit einer definierten Zielsetzung oder Absicht, einer Programmfolge mit thematischer, inhaltlicher Bindung oder Zweckbestimmung in der abgegrenzten Verantwortung eines Veranstalters, einer Person, Organisation oder Institution, an dem eine Gruppe von Menschen teilnimmt“. Und die Verantwortung? Übernimmt der Betriebsleiter oder delegiert die Aufgabe an einen Mitarbeiter.

Veranstaltungsplanung: Sicherheit ist oberstes Gebot

Profis, die sich wie bei der „Eisleber Wiese“ praktisch das ganze Jahr mit der folgenden Veranstaltung beschäftigen, stehen nicht zur Verfügung. Das Ziel einer Veranstaltung wird bei unsicherem Verlauf, möglicherweise mit der Gefahr von Verletzungen oder gar Todesfällen bei Teilnehmern ins Gegenteil umgekehrt. Die öffentliche Empörung findet über soziale Medien rasche Verbreitung. Dabei Veranstaltungen meistens Alkohol mit im Spiel ist und nicht jeder Teilnehmer damit verantwortungsbewusst umgeht, erhöht sich das Risiko-Potenzial.

Ein zusätzlicher Aspekt ergibt sich aus den Veränderungen durch den Klimawandel. Extreme Wetterereignisse nehmen zu, jahrzehntelang sichere Veranstaltungsgelände und -räume können sich plötzlich als gefährlich herausstellen. Die Ausführungen im weiteren Text können von den Veranstaltern selbstständig umgesetzt werden. Sie ermöglichen ebenfalls die Kontrolle, falls die Veranstaltung in externe Hände gegeben wird und auch die Einschätzung, ob der Veranstalter die Vorgaben kennt und einhält.

Die Sicherheit von Gebäuden und Betriebsgelände orientiert sich an der regulären Nutzung und den konkreten Arbeitsbedingungen. Bei einer anderen Nutzung verändern sich meistens auch die rechtlichen Rahmenbedingungen. Die für die Arbeitssicherheit Verantwortlichen sind mit den erweiterten Vorgaben nicht immer vertraut, wenn ein Lagerraum zum Versammlungsraum oder der Betriebshof zur Event-Location wird.

Die Musterversammlungsstätten-Verordnung (MVStättVO) ist die zentrale Vorschrift für Veranstaltungen in Versammlungsstätten in Deutschland und Grundlage der jeweiligen Länderverordnungen.

MVStättVO und Grundsätzliche Kriterien

Die MVStättVO enthält wichtige rechtliche Vorgaben für die Organisation und Durchführung von Veranstaltungen in Versammlungsstätten und setzt technische und organisatorische Sicherheitsstandards. Zum Inhalt zählen wohl Bau- als auch Betriebsvorschriften für die sichere Durchführung einer Veranstaltung. Sie ist zwingend anzuwenden und gilt überall dort, wo Veranstaltungen durchgeführt werden.

Bei Betriebsversammlungen, Betriebsfesten oder Tagen der offenen Tür wird die Arbeitsstätte zur Versammlungsstätte. Dann sind neben den bekannten Arbeitsschutz- und Brandschutzbestimmungen auch die Bestimmungen der jeweiligen Versammlungsstättenverordnungen der Länder zu beachten. Diese fordern höhere Standards der Lokalität bei den technischen, baulichen und organisatorischen Brandschutz- und Sicherheitsmaßnahmen.

Vorrangiges Ziel der MVStättVO ist es, den Veranstaltungsteilnehmern einen bestmöglichen Schutz für Leib und Leben zu gewährleisten und im Falle eines Schadensereignisses Schäden an Leib und Leben durch eine schnelle Evakuierung zu vermeiden. Aufgrund der Länderzuständigkeit unterscheiden sich die einzelnen Versammlungsstätten-Verordnungen inhaltlich an verschiedenen Stellen.

Gemeinsam definieren sie in § 1 Absatz 1 drei Kriterien, die gleichzeitig erfüllt sein müssen, damit die Verordnung Anwendung findet:

Unerheblich sind bei der ersten grundsätzlichen Bewertung Anlass oder Art der Veranstaltung und das damit verbundene Gefährdungspotenzial.

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Veranstaltungen planen: Wie viele Personen dürfen kommen?

Veranstaltungen können in Gebäuden oder im Freien stattfinden. Veranstaltungen unter freiem Himmel sind jedoch schwierig zu definieren. Es bestehen erhebliche Unterschiede in der Rechtsauslegung einzelner Bundesländer. Ergänzend (z. B. bei Festzelten) ist oft die Richtlinie über Fliegende Bauten zu beachten. In Gebäuden gelangt die MVStättVO zur Anwendung, wenn für eine Veranstaltung Räume genutzt oder geschaffen werden, die eine rechnerische Besucherkapazität von mehr als 200 Personen haben (§ 1 MVStättVO).

Risiko schlechtes Wetter

Im Freien oder in Sportstadien erhöht sich der Schwellenwert auf 1.000 bzw. 5.000 Menschen. Da bei Veranstaltungen im Freien immer das Risiko schlechten Wetters nicht auszuschließen ist, wird oft im Rahmen der Vorbereitung nach Alternativen gesucht. Dann werden Veranstaltungen geplant oder spontan in Gebäude verlegt. Falls diese Möglichkeit erwägt wird, gilt es, die dann geltenden Vorschriften bereits bei der Planung einzubeziehen.

Bei der Berechnung von Veranstaltungsräumen wird die Anzahl der Personen zugrunde gelegt, die in einen Raum passen würden. Es ist unerheblich, für wie viele Menschen eine Veranstaltung organisiert wird bzw. tatsächlich daran teilnehmen. Der Schwellenwert berechnet sich nach § 1 Abs. 2 der Sonderbauverordnung:

Bei den Berechnungen ist nur die für die Besucher zugängliche Fläche zu berücksichtigen, Bühnenflächen oder Buffetrückseiten werden ausgenommen. Besucher sind alle passiv anwesenden Personen einer Veranstaltung. Die Personen, die an der Organisation oder Durchführung der Veranstaltung beteiligt sind, gelten nicht als Besucher.

Brandschutz und Rettungswege

Falls ein Gebäude über mehrere Räume verfügt, die nur gemeinsame Fluchtwege haben, müssen die einzelnen Kapazitäten addiert werden, selbst wenn nur ein Raum genutzt wird. Ausgenommen sind Räume, bei denen sich aufgrund einer niedrigeren Begrenzung aus den Bauvorlagen ein Volumen von unter 200 Personen ergibt (gilt nicht in allen Bundesländern).

Ist aufgrund der Mengenberechnung die MVStättVO anzuwenden, ergeben sich besondere technische Bauanforderungen. Dabei steht der Brandschutz im Mittelpunkt, ergänzt um weitere technische Anforderungen wie Bestuhlung und Aufbau.

Ergänzend definiert die MVStättVO besondere Betriebsvorschriften über die technischen Anforderungen hinaus, um den sicheren Umgang mit der Versammlungsstätte zu gewährleisten. Dabei reicht das Themenspektrum von Maßnahmen der Brandverhütung über die Barrierefreiheit, bis zu einem möglichen (Veranstaltungs-)Sicherheitskonzept. Rettungswege und Fluchttüren stellen einen Schwerpunkt der MVStättVO dar. Sie sind mit einer Mindestbreite von 1,20 m breiter als die im Arbeitsschutz bekannten Fluchtwege.

Besucher-anzahl: Ausnahmen sind möglich

Weiterhin haben sie entscheidenden Einfluss auf die Frage, wie viele Besucher in einer Versammlungsstätte zugelassen werden. Die Berechnung nach § 1 Abs. 2 MVStättVO klärt nur grundsätzlich, ob die MVStättVO anzuwenden ist.

Die Dimensionen der Rettungswege und Fluchttüren geben die Berechnungsgrundlage für die konkrete zulässige Höchstzahl an Gästen bei einer Veranstaltung vor. Diese Zahl unterschreitet unter Umständen die nach § 1 Abs. 2 MVStättVO errechnete Zahl.

Bei Unterschreitung muss der Veranstalter organisatorische Vorkehrungen treffen, um eine Überfüllung (gemessen an den Dimensionen der Flucht- und Rettungswege) auszuschließen. Die maximal zulässige Besucherzahl berechnet sich nach der Formel:

SB : MB x 200 = Personen maximal (SB = Summe Rettungswegbreiten; MB = Mindestbreite).

Für nur temporär als Versammlungsstätte genutzte Gebäude oder Gebäudeteile können bei der zuständigen Bauaufsicht für einzelne technische Vorgaben Ausnahmen beantragt werden. Einige Bundesländer haben entsprechende Klauseln in ihren Versammlungsstättenverordnungen, in anderen Ländern wird über temporäre Versammlungsstätten auf lokaler Ebene nach eigenen Vorgaben entschieden. Entsprechend können die Anforderungen von Kommune zu Kommune stark variieren.

Betreiberpflichten für Veranstaltungen

§ 38 MVStättVO definiert die besonderen Pflichten von Betreiber und Veranstalter und öffnet die Möglichkeiten einer (teilweisen) Delegation dieser Pflichten auf einen Veranstaltungsleiter.

Bei der Einsetzung eines Veranstaltungsleiters ist besonders auf die schriftliche Delegation und die Beschreibung der genauen Aufgaben und Kompetenzen zu achten. Grundsätzlich darf eine Delegation nur an fachlich geeignete Personen erfolgen, wobei die MVStättVO keine Qualifizierungsansprüche stellt. Die einschlägigen Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes und der DGUV-Vorschriften zur Übertragung von Aufgaben sind im Interesse der Rechtssicherheit aller Beteiligten zu beachten.

Zwei zentrale Pflichten aus § 38 Abs. 2 und 4 MVStättVO bedürfen der besonderen Aufmerksamkeit: Leitung und Aufsicht sind nur in ständiger Präsenz möglich. Weiterhin besteht die zwingende Verpflichtung, den Betrieb einzustellen, wenn die notwendigen Sicherheitseinrichtungen der Versammlungsstätte nicht betriebsfähig sind oder wenn die Betriebsvorschriften nicht eingehalten werden können. Einen Ermessensspielraum sieht § 38 nicht vor.

Vor Veranstaltungen sollte außerdem immer die zuständige kommunale Dienststelle kontaktiert werden. Diese erweisen sich meistens als kooperativ, zumal die Gemeinde auch an einem positiven Image durch eine gelungene Veranstaltung interessiert ist.

Veranstaltung mit Musik: Zusätzliche Genehmigungen

Oft entwickeln sich ausschließlich als Informations- und/oder Besichtigung konzipierte Veranstaltungen zu umfangreicheren Ereignissen. Rasch werden Getränke verkauft, Musik gespielt und die Veranstaltung dokumentiert. Dann sind weitere Genehmigungen erforderlich.

Ausschank bei der Drusch-Bar
Wird Alkohol ausgeschenkt, steigen nicht nur die Stimmung, sondern auch die Hürden bei Genehmigungen. (c) Sabine Rübensaat

Rechtsvorgaben bei Veranstaltungen – Ein Fazit

Veranstaltungen auf dem Betriebsgelände dienen nicht nur dem Zusammenhalt unter der Belegschaft, sondern sind eine ideale Möglichkeit, in aktiven Austausch mit der Gesellschaft zu treten und so neues Verständnis zu fördern. Damit dies gelingt, ist der Rechtsrahmen einzuhalten. Insbesondere Brandschutz, Fluchtwegeplanung und Aufsichtspflichten sind daher zu beachten.

Europa-Abgeordneter Jahr plädiert für weniger Bürokratie und mehr Ehrlichkeit in der Agrarpolitik

Als Mitglied im Europäischen Parlament hatte Dr. Peter Jahr (CDU) die Interessen der Landwirtschaft im Osten im Blick. Am Ende seiner Amtszeit wünscht er sich im Interview mehr denn je, dass Europa Bürokratie abbaut.

Das Interview führte Karsten Bär

Noch bis Mitte Juli ist er amtierender Abgeordneter: Wenn dann das neu gewählte Europäische Parlament erstmals zusammentrifft, ist für Peter Jahr (65) endgültig Schluss. Seit 2009 ist der promovierte Landwirt und CDU-Politiker aus Lunzenau (Sachsen) Europaparlamentarier. Auf eigenen Entschluss tritt er am 9. Juni nicht wieder zur Wahl an. Als stellvertretendes Mitglied des Agrarausschusses war Peter Jahr Berichterstatter des Parlaments für die Agrarreform und hat damit an einer entscheidenden Stelle am größten Projekt der europäischen Agrarpolitik mitgewirkt.

Dr. Peter Jahr
Dr. Peter Jahr © EUROPEAN UNION 2014/EP PHOTO SERVICE

Europäisches Parlament: Mehrheiten müsen errungen werden

Herr Dr. Jahr, noch vor ein paar Jahren galt das Europaparlament als „zahnloser Tiger“. Welche Macht hat dieses Gremium?
Von der Geschäftsordnung her hat das Parlament auf jeden Fall starke Zähne. Es muss sie nur zeigen. Jedes Gesetzvorhaben braucht die Zustimmung des Europäischen Parlaments.

Dennoch hat man oft den Eindruck: Die wirklich wichtigen Entscheidungen werden am Ende doch in langen nächtlichen Sitzungen von den Regierungschefs, von Scholz, Macron und anderen, ausgehandelt.
Der Eindruck scheint auf den ersten Blick zu stimmen. Aber auch die Ideen des französischen Präsidenten brauchen eine Mehrheit im Europäischen Parlament. Und die muss erst einmal errungen werden. Wenn sich die Vorstellungen eines Regierungschefs mit – in meinem Fall – denen der Christdemokraten decken, warum soll man dagegen sein? Egal was die Regierungen vorhaben, sie brauchen die Zustimmung des Parlaments.

Agrarpolitik: Spannendere, aber langwierigere Verhandlungen

Diesen Bedeutungszuwachs hat das Europäische Parlament zu Beginn Ihrer Abgeordnetenzeit erlangt. Wie haben Sie das erlebt?
Das hat zwei Seiten. Während vorher die europäische Agrarpolitik im Wesentlichen mit dem Agrarausschuss ausgehandelt wurde, ist im neuen Verfahren die Zustimmung des Europäischen Parlamentes notwendig. Das macht die Verhandlungen spannender, aber auch langwieriger. Statt 44 sind 705 Abgeordnete beteiligt, das ist schon ein Unterschied. Aber es ist jetzt auch ein Gesetzgebungsverfahren, wie es in einer Demokratie normal ist. Die Europäische Union ist damit erwachsener geworden, auch wenn die Verfahren nun nicht einfacher sind.

Regierungskoalitionen wie auf nationaler Ebene gibt es im Europäischen Parlament nicht. Wie werden die Allianzen für Entscheidungen geschmiedet?
In der Agrarpolitik sollte die Fachpolitik überwiegen, insofern werden die Mehrheiten fachlich organisiert. Da geht es um den Inhalt. Wenn man über mehrere Jahre zusammenarbeitet, merkt man, wo die fachlichen Schnittmengen am größten sind. Aber das ist alles weit weg von einer Koalition. Und Mehrheiten zu finden, ist auf europäischer Ebene weitaus schwieriger als auf nationaler.

Wer waren im Europäischen Parlament die Verbündeten, wenn es um die Interessen der ostdeutschen Landwirtschaft ging?
In der Strukturdebatte beispielsweise waren die Verbündeten eher in unseren östlichen Nachbarländern zu finden. Dort gibt es ähnliche Strukturen wie bei uns und damit eher ein Verständnis. Also Polen oder ganz besonders Tschechien, mit denen wir eine intensive Debatte geführt haben. Es ging damals im Wesentlichen darum, einen Kompromiss zum Umgang mit Kappung und Degression zu finden.

Das Modell, die ersten Hektare stärker zu fördern, hat damals für eine Befriedung gesorgt, sowohl auf europäischer als auch bei uns auf deutscher Ebene. Ich bin mir sicher: Dieser Kompromiss wird auch die nächste Reform überdauern.

Als Ehrengast nahm Peter Jahr (r.) vorige Woche an der Eröffnung der sächsischen Erdbeersaison teil und assistierten mit Jörg Geithel, Vorsitzender des Obstbauverbandes, der neuen Sächsischen Blütenkönigin Alida I. beim Anschnitt der Erdbeertorte.
Als Ehrengast nahm Peter Jahr (r.) kürzlich an der Eröffnung der sächsischen Erdbeersaison teil und assistierten mit Jörg Geithel, Vorsitzender des Obstbauverbandes, der neuen Sächsischen Blütenkönigin Alida I. beim Anschnitt der Erdbeertorte. © Karsten Bär

Brexit als Weckruf

Ein einschneidendes Ereignis für Europa war der Austritt des Vereinigten Königreichs. Was bedeutet der Brexit aus Ihrer Sicht?
Das war ein Weckruf. Die Existenz der EU ist kein Naturgesetz und wir müssen aufpassen, dass wir bei den Menschen eine Grundsympathie für Europa erhalten. Die größte Gefahr ist, dass Europa nur noch mit Bürokratie in Verbindung gebracht wird. Viele verstehen, dass die EU eine gute Sache ist, aber wir laufen Gefahr, die Herzen der Menschen zu verlieren.

Wie sollte die EU da gegensteuern?
Da kommen wir zu meinem Lieblingsthema: Bürokratieabbau. Der ehemalige Kommissionpräsident Juncker hat einmal den Anspruch formuliert, dass für jedes neue Gesetz ein altes abgeschafft werden sollte. Das wäre ein Ansatz, den die neue Kommission übernehmen könnte. Ich würde sogar weiter gehen: ein neues rein, zwei alte raus. Das kann man nur erreichen, wenn man die Zuständigkeiten neu ordnet – das Große nach Europa, das Kleine vor Ort lassen. Dazu fehlt aber leider noch die politische Bereitschaft. Das Zweite ist ein deutsches Problem: Setzt man europäische Vorgaben eins zu eins um oder nicht? Aus meiner Sicht setzt man in Deutschland dort, wo die EU Freiräume lässt, auf der falschen Seite an und schafft noch mehr Bürokratie.

Mehr Freiheit, weniger Bürokratie für Landwirte

Mit welchem Eindruck scheiden Sie aus dem Parlament?
Die letzte reguläre Sitzung dieser Legislatur war am 25. April. Dort haben wir einige Vereinfachungen in der Agrarpolitik beschlossen und eine, ich nenne es mal „Teilentrümpelung“ der Basisprämie erreicht. Ein schöner Teilerfolg, aber es gab auch Ernüchterung, denn in anderen Bereichen konnte sich die Kommission nicht zu Vereinfachungen entschließen.

Gehen Sie mit Wehmut?
Klar, Wehmut ist auch dabei. Aber man kann sich auch freuen auf das, was dann kommt. Als ich noch jung war, habe ich immer über die alten Männer in der Politik geschimpft. Ich habe jetzt das Alter, um an die nächste Generation zu übergeben. Es gibt auch den härteren Weg – wenn einen die Wähler nach Hause schicken. Ich kann das selbst entscheiden – das ist doch ein Gottesgeschenk!

Meine Hoffnung wäre es nur, dass die nächste Kommission, das nächste Parlament wirklich mal den Bürokratieabbau angeht. Und dass wir mehr Aufrichtigkeit in die agrarpolitische Debatte reinbekommen. Wir müssen uns eingestehen, dass wir nicht genug Geld haben, um die Landwirte angemessen für ihre Umweltleistungen zu honorieren. Deshalb müssen wir den Landwirten wieder mehr Freiheit zugestehen. Weniger Bürokratie, mehr unternehmerische Freiheit und mehr Ehrlichkeit in der Finanzdebatte, das würde ich mir wünschen.

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Aussaat mit der Drohne: Zeit sparen, Kosten senken

Als Gastgeber eines Feldtages für das HumusKlimaNetz zeigte die Agrargenossenschaft Wesenitztal in Sachsen, wie sie den Humusgehalt ihrer Böden erhöht. Auch die Aussaat per Drohne wurde demonstriert.

Von Karsten Bär

Untersaat gilt als bessere Zwischenfrucht, weil sie Zeit und Kosten spart. Und das ist nur einer ihrer Vorteile. Den ein oder anderen Nachteil gibt es freilich auch. Dass der Termin ihrer Aussaat von der Deckfrucht abhängig ist, zählt mit dazu. Doch hier lässt sich mit Technik Spielraum schaffen: durch die Aussaat per Drohne aus der Luft.

Um die Drohen-Aussaat von Untersaaten ging es kürzlich bei einem Feldtag des Projektes HumusKlimaNetz bei der Agrargenossenschaft Wesenitztal in Dürrröhrsdorf-Dittersbach.

Agrargenossenschaft Wesenitztal setzt auf regenerative Landwirtschaft

Der konventionell wirtschaftende Betrieb bearbeitet 1.000 Hektar Acker- und 250 Hektar Grünland und dies seit zwei Jahren nach Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft. „Wir wollen unabhängiger werden“, sagt Vorstandsvorsitzender Rainer Weise. Die regenerative Landwirtschaft soll helfen, die Abhängigkeit vom herkömmlichen Pflanzenschutz und von der Düngung zu kappen.

Erste Erfahrung sei, dass man mit Trockenheit besser klarkomme, sagt der Betriebsleiter. Wie sich die Wirtschaftlichkeit darstelle, sei indes noch offen.

Humus-aufbau: Weite Fruchtfolge und Untersaaten

Mit dem Ansatz der regenerativen Landwirtschaft, den Humusgehalt im Boden aufzubauen, ist die Agrargenossenschaft Wesenitztal ein perfekter Partner für HumusKlimaNetz. Bundesweit nehmen in dem vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und vom Deutschen Bauernverband (DBV) koordinierten Projekt 150 Betriebe, je zur Hälfte konventionell und ökologisch wirtschaftend, als Praxispartner teil.

Sie setzen auf eigenen Flächen humusmehrende Maßnahmen wie Zwischenfruchtanbau und Untersaaten um, erfassen Daten und stellen diese für die Begleitforschung zur Verfügung, die das Thünen-Institut vornimmt. Der Austausch von Erkenntnissen und Erfahrungen wird im Projekt ebenfalls forciert, etwa bei Feldtagen.

Was wird angebaut?

Unter anderem mit einer weiten Fruchtfolge und mit Untersaaten versucht die Agrargenossenschaft Wesenitztal, den Humusgehalt ihrer Böden aufzubauen. Und dies nicht nur auf Teilflächen. Angebaut werden Winterweizen, -gerste und -raps, als Sommerkulturen Silomais, Sommergerste und Kartoffeln – obwohl er sich bei der letzteren Kultur wegen des intensiven Eingriffs in den Boden etwas schwertue, so Weise.

Ein Fünftel der Fruchtfolge bildeten Kleegras und Luzerne. Sie dienen dem Humusaufbau als auch der Gewinnung von Futter. Der Betrieb hält 500 Milchkühe und 70 Mutterkühe jeweils mit Nachzucht.

Untersaaten bringt die Agrargenossenschaft fast auf der gesamten Anbaufläche aus. Dadurch bekomme man die Erosionsneigung der hängigen Flächen gut in den Griff. Bei der Ernte fahre der Mähdrescher quasi auf einer Wiese. Verwendet wird eine Mischung aus Deutschem Weidelgras und Weißklee.

Untersaat nutzt den Mutterkühen

Als Zwischenfrucht sei die Untersaat zwei Monate früher etabliert. Sie kann als Weide für die Mutterkühe genutzt werden. Für die ganzjährig im Freien gehaltenen Tiere habe man in diesem Winter gerade einmal drei Wochen zufüttern müssen.

Vorteil der Beweidung: Die Rinder bringen den Dünger selbst auf die Fläche. Das spart nicht nur Kosten. „Die besten Böden der Welt sind im Zusammenhang mit Weidetieren entstanden“, meint Rainer Weise. So sei dies auch auf ihren Flächen, wo die Mutterkühe die Organik in den Boden treten. Nach dem Abtrieb der Tiere werde der Boden umgebrochen und eine Flächenrotte initiiert, anschließend wurde Mais gelegt. Nach den ersten Jahren zeigte sich, dass die Böden Trockenphasen besser überstehen. Auch die Gesundheit der Tiere profitiere.

Untersaat per Drohne: Welche Vorteile gibt es?

Mit Drohne wurde die Untersaat in diesem Jahr in Raps und – unter anderem während des Feldtages – in Sommergerste ausgebracht. Die Methode erlaubt es, auch bei schlechter Befahrbarkeit der Flächen zu säen. Einige spezialisierte Drohnen-Unternehmen bieten die Leistung an.

Ob mit Drohne aus der Luft oder herkömmlich ausgesät: Untersaaten weisen einige Vorteile auf, wie Frank Reinicke vom Institut für Nachhaltige Landbewirtschaftung GmbH, der Projektbetriebe in zwei Regionen berät, ausführte.

Feldtag mit der Drohne
Als Drohnendienstleister war beim Feldtag ein Unternehmen aus Bayern zu Demonstrationszwecken vor Ort. Anbieter gibt es jedoch auch im Osten. © Karsten Bär

Untersaaten, die als zweite Frucht zusätzlich zu einer früher zu erntenden Hauptfrucht gesät wurden, fixieren Stickstoff und reproduzieren Humus für Deck- oder Folgefrucht. Sie kann nach der Ernte als Zwischenfrucht oder Feldfutter dienen, spart somit Zeit und Kosten.

Ihre Etablierung gelingt oft besser als in Blanksaat nach der Ernte. Sie schützt vor Erosion und erleichtert den Maschineneinsatz durch bessere Befahrbarkeit der Fläche. Durch rechtzeitige Bodenbedeckung werden Unkräuter und -gräser effektiv reguliert.

Untersaaten: Worauf sollte geachtet werden?

Durchdacht sein muss der Einsatz von Untersaaten aber auch, sonst drohen andere Probleme – durch Förderung von Unkräutern oder durch Konkurrenz mit der Hauptfrucht um Wasser und Nährstoffe. Der Pflanzenschutz müsste angepasst und der Aussaattermin in Abhängigkeit von der Hauptfrucht gewählt werden.

Die häufige Sorge, Untersaaten könnten insbesondere in Trockengebieten zu sehr das knappe Wasser in Anspruch nehmen, sei indes nicht berechtigt. Untersuchungen zeigten, dass durch mehr organische Substanz das Wasserspeichervermögen steige, der Oberflächenabfluss verringert und die Infiltration durch Durchwurzelung erhöht werde.

Untersaaten könnten beispielsweise zu allen Getreidearten angewendet werden, zu Mais und auch zu Kartoffeln, wo sie unter anderem als Verdunstungsschutz und zur Beschattung der Dämme dienten.

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Mais-Anbau
Mit der flexibleren Fruchtfolgeregelung soll Maisanbau stets möglich sein, wenn er witterungsbedingt alternativlos ist. (c) Sabine Rübensaat

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Reis-Anbau in Brandenburg: Exotisches Experiment mit Zukunft?

In Linum wagt ein Unternehmen ein innovatives Experiment: den Reis-Anbau in Brandenburg. Mit nachhaltigen Methoden und einer neuen Reissorte aus Italien will der Betrieb Naturschutz und Landwirtschaft in Einklang bringen. Welche Herausforderungen gab es und wie geht es weiter?

Von Wolfgang Herklotz

Langsam rollt der Schlepper mit der Pflanzmaschine über das Feld. Ein eingespieltes Team sorgt dafür, dass die Setzlinge in gleichmäßigem Abstand in den Boden kommen, 15 Stück pro Quadratmeter. Auf den ersten Blick nichts Außergewöhnliches. Doch was hier in Linum gepflanzt wird, unterscheidet sich sehr vom üblichen Gemüseanbau hierzulande. Denn es handelt sich um Reis der Sorte Loto, aus Italien importiert und im Betrieb unweit von Fehrbellin dann eigens vorgezogen.

Loto-Reis: Eine italienische Sorte trotzt Brandenburgs Klima

Nachdem die nur wenige Wochen alten Jungpflanzen ausgebracht sind, wird hier Wasser auf 2 Zentimeter angestaut, später dann auf 10 Centimeter. Denn Reis mag bekanntlich nasse Füße. Eine Premiere somit für das Unternehmen im Landkreis Ostprignitz-Ruppin?

„Keineswegs“, erklärt Guido Leutenegger, Chef des Unternehmensverbunds, zu dem neben der NaturFisch GmbH & Co. KG Teichland Linum noch weitere Betriebe gehören. „Wir haben bereits im Vorjahr begonnen, die aus Asien stammende Kultur hier zu etablieren. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass wir das am nördlichsten gelegene Reisanbaugebiet der Welt sind.“

Reis Linum
Eingespieltes Team beim Pflanzen. © Wolfgang Herklotz

Naturschutz und Landwirtschaft: Wie Reis die Biodiversität fördert

Dabei geht es dem gebürtigen Schweizer so gar nicht um Rekordträchtiges. Sondern vielmehr darum, Naturschutz, Biodiversität und Landwirtschaft in Einklang zu bringen. Wie aber kann das mit dem zweifellos sehr exotisch anmutenden Reisanbau unter den Bedingungen der märkischen „Streusandbüchse“ funktionieren?

Das geht nur, wenn die entsprechende Infrastruktur vorhanden ist, versichert Leutenegger. Die Linumer Teiche werden traditionell für die Aufzucht von Karpfen genutzt, doch die Nachfrage ging nach der Wende stark zurück. Vor vier Jahren übernahm der Unternehmer die Linumer Teichlandschaft, deren Wasserstand nach Belieben reguliert werden kann. Hier werden nun weiterhin Speisefische gehalten, doch in deutlich reduziertem Umfang.

Der andere, nicht unbeträchtliche Teil der Anlage wird nun für den Reisanbau genutzt – ohne dafür Dünger und Pflanzenschutzmittel einzusetzen. Gleichzeitig wird der Lebensraum für Watvögel und Amphibien wie die Rotbauchunke geschützt.

Möglichst naturnah und schonend zu wirtschaften, ist auch das Anliegen auf einem weiteren Standort der Natur Konkret GmbH in Ribbeckshorst und Lütte, versichert Guido Leutenegger. Exemplarisch dafür stehe der konsequente Einsatz von Balkenmähwerken, um bei der Mahd auf dem Grünland Insekten zu schonen. Doch zurück zum jüngsten Vorhaben in Linum.

Reis-Anbau in Brandenburg: Vom ersten Versuch bis zur optimierten Ernte

Dieses ist, wie könnte es auch anders sein, kein Selbstläufer. Wie Geschäftsführer Robert Jäkel einräumt, war der Start im Vorjahr alles andere als vielversprechend. „Es gab immer wieder Überraschungen.“ So machten sich nach kurzer Zeit Enten und Wildgänse über die zarten Reisspitzen her. Lehrgeld galt es ebenso beim Wasserregime zu zahlen. „Wenn die Flächen zu sehr überstaut werden, nimmt der Reis das schnell übel.“ Zudem erwiesen sich kräftig sprießende Schilfpflanzen als ernsthafte Konkurrenz, die in aufwendiger Handarbeit ausgeschaltet werden musste.

Doch auch die Ernte sorgte für Ernüchterung. Obwohl in Linum ein von der Versuchsstation Berge der Humboldt-Uni bereitgestellter Spezial-Mähdrescher mit Kettenlaufwerk genutzt werden konnte, blieb die Ausbeute deutlich unter den Erwartungen. „Es war gerade mal ein Zehntel von dem, was wir uns erhofft hatten“, so Robert Jäkel. Letztendlich waren es 153 Kilogramm Reis, die vom Feld geholt werden konnten. Doch deshalb aufzugeben, kam nicht infrage.

Zweite Reis-Saison: Erweiterung der Anbaufläche und neue Technik

Mit großer Zuversicht sehen Guido Leutenegger, Robert Jäkel und das insgesamt 15 Mitarbeiter zählende Team auf allen Standorten der diesjährigen Ernte entgegen. Die Anbaufläche wurde auf dreieinhalb Hektar erweitert, rund 326.000 Setzlinge kamen in den Boden. Vorher wurde dieser gründlich bearbeitet, um noch vorhandene Wurzelreste an Schilf zu eliminieren, berichtet Robert Jäkel. „Außerdem wacht jetzt meine Hündin Levi ständig darüber, dass sich keine Wildgänse mehr über die Reispflanzen hermachen.“

Zur Ernte Ende September, Anfang Oktober wird Spezialtechnik aus China zum Einsatz kommen, und für das sachgerechte Verarbeiten des Ernteguts wie das Schälen und Polieren der Reiskörner konnten ebenfalls entsprechende Maschinen gekauft werden. Guido Leutenegger äußert sich eher zurückhaltend über seine Ertragserwartungen. „Abgerechnet wird zum Schluss …“ Natürlich, mit Überraschungen ist auch weiterhin zu rechnen. Wir werden auf jeden Fall im Herbst mit dabei sein!

Reis-Sack aus Brandenburg
Reis-Sack aus Brandenburg. © Wolfgang Herklotz
Hierzu passend
Erfolgreiche Reis-Ernte: Geschäftsführer Robert Jäkel mit dem exotischen Erntegut © Sabine Rübensaat
Erfolgreiche Reis-Ernte: Geschäftsführer Robert Jäkel mit dem exotischen Erntegut © Sabine Rübensaat
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Frost-Schäden in Querfurt: Obsthof Müller kämpft um Erhalt der Ernte

Die Frostnacht vom 22. auf den 23. April 2024 hat für den Obstbau in Deutschland verheerende Folgen. Besonders betroffen war Sachsen-Anhalt, wo der Familienbetrieb Müller in Querfurt mit Totalausfällen bei Aprikosen und deutlichen Ernteausfällen bei anderen Obstsorten zu kämpfen hat.

Von Detlef Finger

Die verheerende Frostnacht vom 22. auf den 23. April liegt gut vier Wochen zurück. Beim Besuch auf dem Obsthof in Querfurt (Mitte Mai) wagt Inhaber Alexander Müller eine erste Prognose zu den Schäden: „Bei den Aprikosen haben wir Totalausfall, die Fruchtansätze sind komplett durchgefroren und mittlerweile braun und vertrocknet.“

Pflaumen und Süßkirschen: Ernte ungewiss

Pflaumen habe er noch entdeckt, sagt Müller, auf manchem Baum mehr, auf anderen weniger. „Die Frage ist, ob es nur für eine Springform reicht oder doch für ein großes Kuchenblech“, so der Betriebsleiter. Soll heißen: Was letztlich von den 0,75 Hektar geerntet werden kann, ist derzeit noch unklar. Denkbar sei, dass die verbliebenen Früchte größer werden: „Das wäre dann etwas für den Hofladen und würde uns wenigstens einen Teilerlös bringen.“

Bei den Süßkirschen (6 Hektar) könnte es sogar noch eine kleinere, halbwegs passable Ernte geben, schätzt der 47-Jährige verhalten optimistisch ein, wohlwissend, dass sein Familienbetrieb hier eine von nur wenigen Ausnahmen im Land sein würde.

Aprikose-Frost
Bei den Aprikosen vernichtete der Frost die vorhandenen Fruchtanlagen. © Obsthof Müller
Süßkirsche Röteln
Die Süßkirschen röteln zum Teil. Die Früchte könnten noch abgeworfen werden. © Obsthof Müller

Frostschutz-Maßnahmen: Teilweise erfolgreich

Bei einigen zeitigen Kirschsorten finden sich tatsächlich noch intakte Früchte, vor allem im oberen Teil der Baumkronen. Möglicherweise haben die ergriffenen Frostschutzmaßnahmen hier etwas bewirkt. Müller hatte in dem mit Regenschutzplanen bestückten Teil der Anlage, der etwa 30 % der Süßkirschenfläche ausmacht, vor dem Frost die Überdachung zugezogen und über Nacht drei stationäre Gasheizgeräte in Betrieb genommen. Die bliesen warme Luft unter die Planen und bewahrten so womöglich die komplette Kirschblüte vor dem Frosttod. Auch in den Freilandanlagen, wo ein mobiles Gasheizgerät zum Einsatz kam, finden sich zum Teil Kirschen an den Bäumen.

Allerdings beginnen die Früchte teils zu röteln, wie der Obstbauer sagt. Die gut erbsengroßen Kirschen färben sich vorzeitig rot und könnten noch abgeworfen werden. Wie sich ein vorzeitiger Fruchtfall letztlich ertragsmäßig auswirken wird, ist momentan noch offen.

Apfelernte-Prognose und Verformte Früchte als Herausforderung

Die Apfelernte wird deutlich geringer ausfallen, eine genaue Vorhersage ist aber auch bei dieser Baumobstart derzeit kaum möglich. Fakt ist, dass der Behang sehr stark zwischen den einzelnen Sorten differiert. Die Ertragseinbußen schätzt Müller sortenabhängig auf 30–80 %. „Auf alle Fälle werden wir bedingt durch den Frost viele deformierte Früchte haben“, führt der Betriebsleiter fort.

Apfel-Frostschaden
Die Äpfel weisen zum Teil frostbedingte Deformationen auf. Alexander Müller zeigt verbliebene Früchte. © Detlef Finger

In der Direktvermarktung seien diese noch eher an die Kunden zu bringen, man müsse die Hintergründe nur erklären. Der Lebensmitteleinzelhandel würde den Erzeugern die nicht vollkommenen, aber sonst gesunden Äpfel nicht abnehmen, weiß Müller. Und als Verarbeitungsobst seien sie dem Direktvermarkter zu schade, ganz abgesehen vom Erlösausfall. „Durch die große Sortenvielfalt haben wir eine gewisse Risiko­streuung“, schiebt Müller noch nach. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Die 8 Sorten Apri­kosen (1 Hektar) hat es komplett erwischt.

Ernte-Ausfall – Was nun?

Zu möglichen Konsequenzen der Ernteausfälle für den Betrieb befragt, führt der Obstbauer zwei Möglichkeiten an. Zum einen könnten die Preise moderat angehoben werden, auch weil die Ernte-Kosten bei gleichem Aufwand, aber weniger Menge an Früchten pro Baum ansteigen. Eine zweite Option wäre, Obst von Berufskollegen zuzukaufen: „Das wird aber nicht einfach, denn der Frost hat auch unsere benachbarten und weitere Bundesländer getroffen.“

Keine Versicherung: Investition in Schutzmaßnahmen

Eine Versicherung gegen Frostschäden hat der Obsthof nicht abgeschlossen. Die Beiträge sind wegen der hohen Hektarwerte für Obst sehr kostspielig. „Für unseren Betrieb kommen da schnell 50.000 Euro zusammen“, weiß Müller. Staatliche Zuschüsse gebe es in Sachsen-Anhalt hierfür nicht. Es gelte daher, die Politik von Notwendigkeit und finanzieller Unterstützung einer Mehrgefahrenversicherung oder anderer Maßnahmen zu überzeugen.

Der Obstbauer hält es derzeit für effektiver, Rücklagen zu bilden sowie in Regenschutzfo­lien für die Kirschen und Hagelschutznetze für die Äpfel zu investieren. „Richtig sicher ist ohnehin nur die Frostschutzberegnung. Bei 30 Kubikmeter Wasserverbrauch pro Hektar und Stunde kommen über mehrere Frostnächte hinweg aber einige Tausend Kubikmeter Wasser zusammen“, rechnet der Unternehmer vor.

Dazu müsste entweder Niederschlagswasser in einem großen Vorratsbecken gesammelt werden, was im Mitteldeutschen Trockengebiet kaum Sinn mache, oder aber Wasser aus den Brunnen gezogen werden. Damit würde jedoch im Ernstfall das Wasserrechtekontigent für die Tröpfchenbewässerung verbraucht.

Apfel-Schutz und Kirschdächer: Was rechnet sich?

Aktuell sind der Betriebsleiter und seine Mitarbeiter dabei, Tröpfchenbewässerung in den Obstanlagen neu zu verlegen oder diese zu erneuern, damit alle Bestände mit Zusatzwasser versorgt werden können. Außerdem werden zusammen mit einem Lohnunternehmen die Hagelnetze in den Apfeljungpflanzungen erweitert. Derzeit ist etwa die Hälfte der gut 8 Hektar Äpfel geschützt, 20 % sollen in absehbarer Zeit hinzu kommen. Ziel ist, 100 % zu erreichen.

Das Einhausen der Bäume mit Hagelnetzen koste pro Hektar 15.000–20.000 Euro, rechnet Müller vor. Angesichts zunehmender Wetterextreme gebe es dazu aber keine Alternative. Noch viel teurer kämen Kirschdächer, die mit Investi­tionskosten von etwa 60.000–80.000 Euro zu Buche schlügen. Eine vollständige Überdachung rechne sich im Trockengebiet jedoch nicht.

Trotz Frost: Kirschenernte startet am 20. Juni

Ungeachtet des Spätfrostereignisses wird am 20. Juni auf dem Obsthof Müller der offizielle Start in die 2024er-Kirschernte in Sachsen-Anhalt vollzogen. Dann werden Vertreter des Obstbauverbandes, des Magdeburger Landwirtschaftsministeriums und der Agrarmarketinggesellschaft in Querfurt den Medienvertretern Rede und Antwort zu den zu erwartenden Erntemengen und Fruchtqualitäten stehen.

Heimisches Obst für den Verbraucher

„Wir müssen ein Zeichen setzen und bei den Verbrauchern für heimisches Obst werben, auch wenn der Frost unsere Betriebe hart getroffen hat“, sagt Müller. In der vergangenen Woche saßen Vorstand und Geschäftsführung des Obstbauverbandes bereits mit Landwirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) und Agrar­staatssekretär Gert Zender auf dem Pflanzenhof Voigt in Priorau im Landkreis Anhalt-Bitterfeld zusammen, um die Lage der hiesigen Obsterzeugerbetriebe zu erörtern, die teils existenzbedrohend ist.

Apfelverkauf Obsthof Müller
Der Betrieb hofft, im Hofladen auch Früchte mit kleinen Makeln vermarkten zu können. © Detlef Finger
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Betriebsleiter Alexander Müller in der Apfelplantage nahe der Hofstelle. © Detlef Finger
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Kitz-Retter: Unverzichtbare Helfer für den Naturschutz

Kitz-Retter wurden früher oft belächelt, heute sind sie gleich in mehrfacher Hinsicht wirkungsvolle Unterstützer der Landwirtschaft. Doch werden ihr persönlicher Einsatz und ihre konkret messbaren Leistungen schon genügend wertgeschätzt?, fragt sich Kommentator Ralf Stephan.

Von Ralf Stephan

Mit Beginn der Mahd auf dem Grünland wächst für Landwirte das Risiko, mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Zwar gibt es keine Vorschrift, Wiesen vor dem Mähen nach Jungwild abzusuchen. Aber seit der Tierschutz im Artikel 20 a des Grundgesetzes verankert ist, beschäftigt die tierschutzgerechte Grünfutter-Ernte die Veterinärämter intensiver – und immer wieder auch die Gerichte.

Da mit den Drohnen praktikable Suchtechnik zur Verfügung steht, sind die Erwartungen an die Vorsorge durch den Landwirtschaftsbetrieb sehr konkret. Ohne Absuche keine Mahd – diese Regel gilt zumindest für Flächen, auf denen Rehwild zu erwarten ist. Also in unseren Regionen bis auf wenige Ausnahmen praktisch überall.

Kitzretter – Helfer in ohnehin stressiger Phase

Wie Pilze schossen in den letzten vier, fünf Jahren Kitzretter-Teams aus dem Boden. Oft wurden sie von den Jagdpächtern initiiert. Sie sind meist die ersten, die vor den Folgen der Unfälle mit versteckten Jungtieren stehen. Bilder davon, die ebenfalls dank moderner Technik schnell weite Runden machen, tragen nicht zum positiven Ansehen der Landwirtschaft bei. Insofern ist es geradezu ein Segen, dass Tierhaltern in einer der stressigsten Phasen des Frühjahrs Helfer zur Seite stehen möchten, die das Absuchen übernehmen. Ihr Einsatz schlägt sich gleich mehrfach positiv nieder.

Zuallererst natürlich im guten Gefühl beim Losfahren der Maschinen, maximal vorgesorgt zu haben. Zum anderen sind Rehe als Sympathieträger fast unübertreffbar. Dass der Bambi-Kult auf dem wildbiologischen Irrtum eines amerikanischen Trickfilmers beruht, lässt sich hinnehmen, wenn Zeitungen und Nachrichten voll von Bildern mit niedlichen Rehbabys sind, um deren Wohl sich auch die Bauern tatkräftig sorgen.

Engagierte Freiwillige gut fürs Image

Nicht zu unterschätzen ist ein dritter Aspekt: Die Freiwilligen, die mit den Organisatoren der Teams zum ersten Grasschnitt Nacht für Nacht über die Wiesen ziehen, sind oft Menschen, die zur Landwirtschaft bislang wenig Zugang fanden. Sie wollen sich aber persönlich für Natur- und Tierschutz engagieren. Wohltuend unterscheiden sie sich damit von jenen, deren Engagement darauf beschränkt bleibt, für zweifelhafte Vereine zu spenden und sich an agrarkritischen Unterschriftensammlungen zu beteiligen.

Kitzretter nehmen ihren Urlaub, fahren auf eigene Kosten kilometerweit zum Einsatz und finanzieren ihren Verein, damit er Ausrüstung beschaffen und Versicherungen bezahlen kann. Und zu guter Letzt berichten sie von ihren Aktivitäten auf angesagten Social-Media-Kanälen. Viel günstiger ist gute Öffentlichkeitsarbeit nicht zu kriegen.

Barnim: Keine Tierschutz-Verstöße bei der Mahd gegen Landwirte

Die Wertschätzung, die Kitzretter von den Landwirtschaftsbetrieben erfahren, wächst erfreulicherweise stetig. Mögen sie anfangs belächelt oder bestenfalls geduldet worden sein, hat sich vielerorts eine fast schon professionelle Zusammenarbeit entwickelt.

Die kleine Einschränkung ist wichtig, denn zur wirklich professionellen Kooperation auf Augenhöhe fehlt leider oft ein wichtiges Detail: Die materielle Anerkennung für die Teams entspricht noch längst nicht überall den von ihnen erbrachten Leistungen. Und die sind messbar: Im brandenburgischen Landkreis Barnim etwa gab es 2023 erstmals keine Verfahren gegen Landwirtschaftsbetriebe wegen Tierschutzverstößen bei der Mahd.

Ehrenamt hin oder her – wer sein Bestes gibt, um unterm Strich einen Betrieb vor vier- bis fünfstelligen Geldstrafen zu bewahren, der hat sich ein Frühstück oder ein Lunchpaket aus dem Hofladen, das Benzingeld und dazu eine nennenswerte Spende für den Verein mehr als redlich verdient. Günstiger als eine eigene Drohne ist das ohnehin, und ein positives Bild nach außen gibt es noch obendrauf.

Kommentar aus der Ausgabe 21/2024

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Wie weiter mit Gülle und Mist? (Symbolbild) Die Umsetzung der TA-Luft ist nicht geklärt. (c) Sabine Rübensaat

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Kitz-Rettung Barnim auf den Wiesen bei Brodowin

Vielerorts helfen Jäger und andere Freiwillige den Landwirten, auf dem Grünland für eine tierschutzgerechte Futter-Ernte zu sorgen. Der Verein Kitzrettung Barnim war auf Brodowiner Wiesen in Brandenburg im Einsatz.

Von Ralf Stephan (Text) und Sabine Rübensaat (Fotos)

„Du kommst jetzt ins Bild, Claus, ich seh‘ Dich. Noch zehn Meter … fünf, vier, drei, zwei – jetzt direkt rechts neben Deinem Kescher.“ Die präzisen Funkanweisungen des Drohnenpiloten weiß der erfahrene Läufer zu deuten. So findet er auf dem 13-Hektar-Schlag zu einem Punkt, den er gar nicht sehen kann.

Auf dem Wärmebild, das die über Claus in der Luft stehende Drohne auf den 250  Meter entfernten Monitor des Piloten schickt, leuchtet dieser Punkt dagegen auffallend hell. Langsam bückt sich der Läufer, schiebt mit den Händen den mehr als kniehohen Bewuchs aus Luzernegemenge auseinander, damit der Lichtstrahl seiner Stirnlampe den Boden erreicht. In die gespannte Stille hinein knarzt dann das Sprechfunkgerät: „Wieder einer meiner Freunde, ein Stein“, teilt Claus lakonisch mit.

Kitzrettung Barnim e.V. mit der Drohne in der Luft

Auf dem Flug zum nächsten hellen Punkt tönt ein Piepen aus dem Monitor. „Akkuwechsel“, gibt Markus Willige, der Pilot, an Claus und seine beiden Begleiter durch. Nach ein paar Sekunden auf dem Weg zum Landeplatz plötzlich Bewegung im Bild: Offensichtlich fühlt sich ein Hase in seiner Nachtruhe gestört. Er springt in Richtung Feldmitte ab. „Bitte nachsehen, ob ein Junghase in der Sasse liegt“, weist Markus an und dirigiert Claus‘ Team an den auf dem Monitor leuchtenden länglichen Fleck. „Negativ, die Sasse ist leer.“

Wärmesignatur
Weiße Punkte auf dem Monitor – sind es Kitze oder Steine? Ist eine Wärmesignatur scharf und rundlich, „parkt“ Markus Willige die Drohne als Wegweiser genau darüber. © Sabine Rübensaat
Drohne Akku-Wechsel
Anflug zum Akkuwechsel, der etwa alle 25 Minuten nötig ist. © Sabine Rübensaat

Es sind nicht die einzigen „Fehl­alarme“ in dieser Nacht. Wenn der Trupp bei Tagesanbruch diesen Schlag – es ist die Hofweide am Betriebssitz des Ökodorfes Brodowin – verlässt, haben die beiden Läuferteams mehr als ein halbes Dutzend helle Flecken untersucht. Kitze, Junghasen oder Bodenbrüter fanden sie keine. Auch nicht auf der Fläche, die sie zuvor abgesucht hatten. Und ebenso wenig auf der anderen Hofweide an der Rückseite des Betriebsgeländes, dem letzten für die Mahd an diesem Tag vorgesehenen Schlag.

Kitzretter sei dank – Erleichterter Landwirt

Betriebsleiter Ludolf von Malt­zan nimmt die Mitteilung „Alle Flächen frei zur Mahd!“ sichtlich erleichtert auf. „Das ist auf jeden Fall eine gute Nachricht für einen Landwirt, wenn er sein Futter mit gutem Gewissen ernten kann.“ Jeder kenne den Druck, den die Futterernte oft mit sich bringt. Das aber, so der Ökotierhalter, dürfe nicht zulasten anderer Tiere gehen. Das Team um Markus Willige ist deshalb wie üblich gleich an mehreren Tagen – beziehungsweise Nächten – in der zweiten Maiwoche gebucht.

Kitzrettung Barnim
Gruppenbild mit Drohne und Sonnenaufgang (v.l.): Fred, Claus, Markus, Thomas, Anne und Rainer waren in dieser Nacht das Team. © Sabine Rübensaat

Und wie steht es um die Motivation der Kitzretter, die etliche Nächte unterwegs waren, ohne ein einziges Kitz retten zu können? Claus Johannsohn, für den Steine „Freunde“ sind, ist keineswegs enttäuscht.

„Wichtig ist, dass wir den Landwirten nach bestem Wissen sagen können: Du kannst jetzt losfahren. Dafür gehe ich gerne von Stein zu Stein.“ Niemand könne schließlich wissen, ob nicht von den tagsüber gesichteten dickbäuchigen Rehen – die Jäger sprechen von hochbeschlagenen Ricken – nicht doch eines in der Nacht ihr Junges im vermeintlich schützenden Bewuchs der Wiese zur Welt gebracht hat.

Markus Willige, wie Claus aktiver Jäger, weiß das natürlich auch. Und im vorigen Jahr startete die jeweils rund sechs Wochen dauernde Saison schließlich ebenfalls mit etlichen Leerläufen. „Trotzdem wächst da bei mir schon eine gewisse Unruhe“, gibt der Drohnenpilot zu, dessen Hang zu Gründlichkeit und Präzision nicht lange verborgen bleibt. Die kritischen Fragen an sich selbst, ob man wirklich alles richtig mache, nähmen zu, räumt er ein.

Markierung Kitzrettung
Die Markierung hilft, das Kitz nach der Mahd möglichst rasch wieder frei zu lassen. © Sabine Rübensaat

Ricken sind spät dran

Findermeldungen von Kitzrettern in anderen Regionen, die sich per Instagram auch über die Bauernzeitung rasch verbreiten, machen indes keinen hier nervös. Man weiß, dass die Setzzeit nicht nur in Thüringen und Vorpommern zu unterschiedlichen Terminen beginnt, sondern selbst im Havelland und im Barnim. Zudem steht die Mahd in diesem Frühjahr überwiegend früher an als sonst, und möglicherweise haben die mitunter heftigen April-Fröste die innere Uhr der werdenden Rehmütter langsamer ticken lassen.

Kitzrettung_Kisten im Gras
Sicher heißt auch sicher vor dem Fuchs und vor der Sonne. Am Feldrand werden die Kisten verdeckt abgestellt. © Sabine Rübensaat

Kurz nach sechs ist der letzte Schlag abgesucht. Feierabend, denn für die Wärmebildkamera sind die Lufttemperaturen bald zu hoch. Markus, der für die Flugsaison in der Regel seinen Jahresurlaub nimmt, will eine Mütze Schlaf nachholen und dann den Einsatz für die nächste Nacht vorbereiten. Claus und Rainer werden wieder dabei sein – wie fast immer, seit die drei mit Gleichgesinnten im Jahr 2021 den Verein Kitzrettung Barnim e. V. aus der Taufe hoben.

Auf Fred und Anne, die in dieser Nacht zu den beiden Läuferteams gehörten, warten andere Aufgaben: Er muss bis zur Spätschicht in einer IT-Abteilung wieder ausgeruht sein, sie mit ihrer Tochter erst einmal zum Zahnarzt. Begonnen hatte die Nacht für alle mit dem Treffen zur gemeinsamen Abfahrt in Rainers altem Opel um 0.15  Uhr. Während sich der Trupp auf den über 40  Kilometer langen Heimweg macht, trifft Leonie Schierning im Betrieb letzte Absprachen mit den Fahrern der Erntekette.

Absprache Betriebsleitung
Letzte Absprachen der Betriebsleitung, Leonie Schierning und Ludolf von Maltzan, mit dem Fahrer des Mähwerkes, Jan Haarbach (l.) vom Welsower Lohnunternehmen Jänicke. © Sabine Rübensaat

Bildergalerie: Futterernte in Barnim

Ernte

Die Futterernte läuft an. © Sabine Rübensaat

Ernte auf dem Feld

© Sabine Rübensaat

Futterernte

© Sabine Rübensaat

Kitzrettung Barnim und Mahd: Das Zeitfenster ist entscheidend

Wichtig ist, die Zeit zwischen der Absuche und dem Mahd-Beginn möglichst kurz zu halten. Denn die Wiese war zwar mit sehr hoher Sicherheit „kitzfrei“, als das Such-Team abzog. Aber bis zum Anrücken der Maschinen besteht ein kritisches Zeitfenster, das klein bleiben sollte. Entsprechend wird in Brodowin die Reihenfolge der Flächen festgelegt.

Die Agraringenieurin hält selbst den Kontakt zum Such-Team. Markus Willige ist über die Zusammenarbeit mit ihr des Lobes voll: „Alle Daten zu den Flächen, die wir brauchen, bekommen wir hier im Handumdrehen.“ Mit den Angaben füttert der Drohnenpilot zu Hause das Steuerprogramm des Fluggerätes. Nach seinen Vorgaben, etwa zu Hindernissen wie Windrädern oder Hochspannungsleitungen, berechnet die Software den optimalen Kurs, den die Drohne dann nachts über dem Schlag nehmen wird.

Kitz im Gras
Das Rehkitz springt bei Gefahr nicht ab, sondern drückt sich tief ins Gras. © Sabine Rübensaat

Gute Kommunikation und Online-Termin-Findung

Das Programmieren eines Einsatzes kann in wenigen Minuten erledigt sein – sofern die Daten des Betriebes vollständig sind und stimmen. Manchmal besteht die erste Hürde schon darin, genau die Fläche zu benennen, um die es geht. „Die Kommunikation ist wie so oft das Wichtigste“, berichtet Willige aus seinen Erfahrungen. Dazu gehört die Absprache­ mit dem Jagdpächter, der eine Mitwirkungspflicht auf den von ihm bejagten Flächen hat.

Erster Teil der guten Kommunikation ist jedoch die vorausschauende Terminplanung. Der Barnimer Verein hat einen Online-Kalender eingerichtet, auf dem seine Partner die noch freien Termine sehen können. Die Nachfrage wächst von Jahr zu Jahr. Zwar gibt es allein im Barnimkreis inzwischen sechs Ansprechpartner, doch alle sind rein ehrenamtlich tätig und auf Freiwillige angewiesen, die nicht nur Schlaf opfern, sondern auch noch alle Kosten selbst tragen.

Im vorigen Jahr waren die Barnimer Kitzretter drei Wochen lang Nacht für Nacht im Einsatz. „Das schaffen wir 24 Vereinsmitglieder nur, weil uns 20 bis 25 Helfer uneigennützig unterstützen“, sagt Willige, der 1. Vorsitzender des Vereins ist. Jedes Mitglied entrichtet einen Monatsbeitrag von zehn Euro. „Das reicht gerade für Drohnenhaftpflicht und -kasko.“

Kitzrettung Barnim: Auf Spenden angewiesen

Deshalb ist der gemeinnützige Verein auf Spenden angewiesen. „Es gibt Betriebe, die wissen, was wir leisten, und die auch zeigen, was ihnen diese Leistung wert ist“, sagt Markus Willige. Bei manchen frage er sich aber schon, warum ihr Portemonaie offenbar zugenäht sei.

Eine zweite Drohne, die eine längere Flugzeit ohne „Tankstopp“ erlaubt, hat der Verein mithilfe der Bundesförderung angeschafft, ein weiterer Pilot befindet sich in der Ausbildung. Noch aber können nicht genug Akkus finanziert werden, um das neue Fluggerät eine ganze Nacht einzusetzen. „Unseren Mitgliedern und Helfern können wir keine Unkosten ersetzen. Zur Mitgliederversammlung ein Tankgutschein für jemanden, der immer Gemeinschaftstaxi spielt und dabei auch mal 100 Kilometer abspult – mehr ist leider nicht drin“, bedauert Willige, der seinen privaten Pick-up als „Leitfahrzeug“ für die Ausrüstung einbringt.

Viel Zustimmung und zumindest ideelle Unterstützung kommt vom Veterinäramt in Eberswalde. Erstmals Ende März vorigen Jahres hatte es die Landwirtschaftsbetriebe mit Grünland in seinem Verantwortungsbereich angeschrieben und sie an ihre Vorsorgepflicht erinnert.

Rechtliche Hintergründe

Tierschutz ist ein Staatsziel (Artikel 20 a des Grundgesetzes). Das erfordert, dass – soweit möglich – Schutzmaßnahmen für Tiere bei der Mahd zu ergreifen sind.
Überdies bestimmt § 1 des Tierschutzgesetzes, dass niemand ohne vernünftigen Grund Tieren Leiden oder Schmerzen zufügen darf. Die Mahd ohne Schutzmaßnahmen ist im Sinne des Gesetzes kein vernünftiger Grund für die Verletzung oder Tötung eines Tieres.

Für die Absuche der Fläche sind nach dem Verursacherprinzip primär der Landwirt und der Fahrer bzw. Maschinenführer verantwortlich.
Nach aktueller Rechtsprechung hat der Landwirt alle möglichen und zumutbaren Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um das Ausmähen von Kitzen zu vermeiden. Dass er einen Lohnunternehmer beauftragt, entbindet ihn nicht von dieser Pflicht; er kann die zuverlässige Durchführung aber ausdrücklich an ihn übertragen.
Billigende Inkaufnahme gilt als Vorsatz. Nach einschlägiger Rechtsprechung reicht es dafür aus, keine Vorsorge getroffen zu haben, obwohl mit Kitzen auf der Fläche zu rechnen gewesen wäre.

Wurde ein Kitz verletzt oder getötet, ist die Mahd zu unterbrechen und erneut Vorsorge zu treffen. Nur so kann der Betrieb Rechtsicherheit erreichen.

Quelle: Brief des Veterinäramtes an die Grünlandbetriebe im Landkreis Barnim

Dieses Frühjahr enthielt das Schreiben eine ausgesprochen gute Nachricht: 2023 musste der Landkreis keine Strafverfahren gegen Landwirte wegen unzureichender Vorsorgemaßnahmen einleiten. Im Jahr zuvor waren es noch drei. Die Bilder, die dabei entstanden und öffentlich wurden, seien für die Bürger des Kreises einschließlich der Jägerschaft „mehr als verstörend“ gewesen, schreibt das Veterinäramt.

Engagement der Landwirte

Nicht alle Betriebe möchten mit den ehrenamtlichen Kitzrettern zusammenarbeiten, berichtet die für den Tierschutz zuständige amtliche Tierärztin, Dr.  Andrea Münnich. Einige haben eigene Drohnen angeschafft und dokumentieren die Maßnahmen anhand der gespeicherten Bilder. Insgesamt bezeichnet das Amt das Engagement der Landwirte als „überwältigend“, wenn auch nicht lückenlos. Anfragen an die Kitzretter und Jagdverbände hätten deren Erwartungen weit übertroffen, dank vieler freiwilliger Helfer konnten jedoch fast alle Terminanfragen bedient werden.

Während die Barnimer Kitzretter müde nach Hause fahren, rollt im Brodowiner Betrieb der Fendt des Lohnunternehmers mit Front- und Heckmähwerken vom Hof. Die Erntekette nimmt Fahrt auf.

Weitere Infos: www.deutsche-wildtierrettung.de sowie alle Jägerschaften und Veterinärämter.

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Rehkitz in Wiese
Rehkitze ducken sich bei Gefahr im hohen Gras ab und verharren dort regungslos. So sind sie bei der Mahd kaum erkennbar. (c) IMAGO / Zoonar

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BGH-Urteil zum Erntegut: AbL rät Bauern von Lieferanten-Erklärungen ab

Das „Ernteguturteil“ nimmt Aufkäufer in die Pflicht, nur rechtmäßig angebaute Ware anzunehmen. Dagegen wehren sich Agrarhandel und Bauernvertreter einhellig.

Von der Redaktion der Bauernzeitung (mit AgE)

Das sogenannte Erntegut-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) schlägt weiter Wellen. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hat ihre Mitglieder dazu aufgerufen, keine Lieferanten-Erklärungen abzugeben. Zur Begründung führt sie daten- und kartellrechtliche Bedenken an.

AbL-Bundesvorsitzender Martin Schulz warf dem Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) und der Saatgut-Treuhandverwaltung (STV) vor, sie setzten einseitig auf „Ausforschung und Nachbau-Gebühreneinzug sowie Druck und Einschüchterung von uns Bauern“.

Stattdessen wäre es angebracht, dass sich der BDP und die STV mit den Agrarhandelsunternehmen und allen Bauernorganisationen an einen Tisch setzen und sorgfältig die Konsequenzen des BGH-Ernteguturteils beraten. Ziel müsse es sein, zu vernünftiger Zusammenarbeit zu finden.

Erntegut-Urteil: Reaktionen und Empfehlungen an die Landwirte

Auch die Freien Bauern empfehlen ihren Mitgliedern, weder etwas zu unterschreiben noch in irgendwelche Überprüfungen auf den Betrieben einzuwilligen. „Tatsächlich verpflichtet dieses Urteil den Landwirt erstmal zu gar nichts“, so die Einschätzung der Organisation. Ob der Landwirt eine Sorte anbaue, deren Sortenschutzrechte durch die Saatgut-Treuhand vertreten werden, oder ob er sich für anderes Saatgut entscheide, müsse dem Abnehmer des Getreides definitiv nicht mitgeteilt werden.

Alles andere als begeistert reagierte der Branchenverband Der Agrarhandel (DAH). „Das BGH-Urteil zum Sortenschutz für Kon­sum-Ware verlagert eine Problematik auf den Agrarhandel, die dort nicht richtig platziert ist“, bemängelte DAH-Geschäftsführer Martin Courbier. „Wenn Nachbaugebühren nicht gezahlt werden, muss das Problem zwischen diesen beiden Parteien geklärt werden“, forderte Courbier. Das Urteil nehme jedoch die Agrarhandelsunternehmen in die Pflicht.

Das sei der falsche Ansatz. Mittelfristig sei der Gesetzgeber gefragt. Notwendig seien Lösungen, „die die Agrar­handels-Unternehmen nicht in die Situation bringen, sich zwischen die Stühle setzen zu müssen.“

Sortenschutz-Vorschriften vertraglich zusichern

Indes verlangt der Deutsche Raiffeisenverband (DRV), keinesfalls eine ganze Branche unter Generalverdacht zu stellen. Die Unschuldsvermutung müsse sichergestellt sein, forderte DRV-Geschäftsführer Philipp Spinne. Es gehe nicht an, Marktteilnehmern die Beweislast aufzubürden, dass sie nicht an einer „eventuellen Straftat“ beteiligt seien.

Laut DRV sollten sich die Händler von ihren Lieferanten die Einhaltung der Sortenschutzvorschriften vertraglich zusichern lassen. Diese Zusicherung könne in Rahmenverträgen oder schriftlichen Einzelkontrakten enthalten sein, auch in gebräuchlichen Ernteerklärungen oder zum allerletzten Zeitpunkt in einer Erklärung bei Anlieferung der Ware.

Bei telefonischen oder mündlichen Vereinbarungen sollte dies in einem anschließenden schriftlichen Bestätigungsschreiben zugesichert werden. Eine einseitige Informa­tion seitens des Handels – etwa in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) – reicht hingegen nach Einschätzung des Raiffeisenverbandes nicht mehr aus.

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194 Vorschläge zum Bürokratie-Abbau in der Landwirtschaft gibt es. Doch was ist realistisch? (Symbolbild) (c) Sabine Rübensaat

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Eigentum in der Landwirtschaft: Was wird in Brandenburg vererbt?

Seit dem 1. Januar 2024 gilt in Brandenburg die neue Höfeordnung. Diese hat weitreichende Folgen für Landwirte, deren Betriebe bestimmte Größenordnungen erreichen. Was genau die neuen Regelungen zum Eigentum beinhalten und was Landwirte jetzt beachten müssen, erfahren Sie hier. (Teil 1)

Von Notar Thomas Woinar, Frankfurt (Oder), www.notar-woinar.de

Glauben Sie an Flaschengeister? Mit dem Korkenknall zum Neujahr 2024 könnte Ihnen ein solcher aus der Schaumweinflasche entwichen sein und Ihren gesamten Landwirtschaftsbetrieb in einen Hof im Sinne des Gesetzes über die Höfeordnung für das Land Brandenburg (BbgHöfeOG) verwandelt haben. Ob Ihnen dieser Dschinn Freude bereiten oder sich als Plagegeist entpuppen wird, hängt ganz vom Einzelfall ab. Wer Letzteres befürchtet, sei beruhigt: Man bekommt den Plagegeist in die Flasche zurück, muss dazu aber aktiv werden. Sie oder Ihr Berater sollten daher mit den Grundzügen des Höferechts vertraut sein.

Eigentum in Brandenburg: Entstehung und Ziel des Gesetzes

Bereits am 19. Juni 2019 trat das BbgHöfeOG in Kraft. Es entspricht fast wortgleich der Nordwestdeutschen Höfeordnung, welche noch unter der britischen Besatzungsmacht am 24. April 1947 entstand und in den Bundesländern Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gilt. Entsprechend enthält der Gesetzestext ungewöhnliches Vokabular. So ist beispielsweise im Höferecht von „Besitzung“ die Rede, obwohl der deutsche Jurist Besitz und Eigentum sauber unterscheidet. Höferecht gibt es auch in anderen Bundesländern wie Baden-Württemberg, Bremen, Hessen und Rheinland-Pfalz. Von den fünf östlichen Bundesländern hat sich bislang nur Brandenburg für die Einführung eines Höferechts entschieden.

Ziel des BbgHöfeOG ist es, der Zerschlagung bäuerlicher Betriebe, der Zersplitterung des Bodens und der bei der Abfindung der weichenden Erben drohenden Gefahr der Überschuldung entgegenzuwirken. § 4 des BbgHöfeOG sieht deshalb vor, dass der Hof nur einem Erben zufällt. Die Abfindung weichender Erben erfolgt gemäß § 12 BbgHöfeOG nach dem Hofeswert, der deutlich unter dem Verkehrswert liegt. Ein im Gesetzgebungsverfahren vorgestelltes Beispiel kam zu einem Hofeswert, der nicht einmal ein Zehntel des Verkehrswertes ausmachte.

Der Hofbegriff: Größe und Eigentum

Thomas-Woinar
Rechtsanwalt Thomas Woinar (c) Privat

Hof im Sinne des BbgHöfeOG ist eine land- oder forstwirtschaftliche Besitzung mit einer zu ihrer Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle, die im Alleineigentum einer natürlichen Person oder im gemeinschaftlichen Eigentum von Ehegatten (Ehegattenhof) steht oder zum Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft gehört, sofern sie eine land- oder forstwirtschaftliche Fläche von mindestens 20 ha umfasst. Erreichen die Flächen diese Größe nicht, umfassen aber mindestens 10 ha, kann die Hofeigenschaft durch eine entsprechende Erklärung und Eintragung eines Hofvermerks im Grundbuch geschaffen werden.

Bislang war für die Begründung der Hofeigenschaft gemäß der Übergangsvorschrift in § 33 Absatz 1 BbgHöfeOG auch bei Besitzungen ab 20 ha Größe eine entsprechende „Opt-in“-Erklärung und die Eintragung eines Hofvermerks in den betroffenen Grundbüchern erforderlich. Mit dem Auslaufen dieser Übergangsvorschrift am 31. Dezember 2023 hat sich dies geändert. Ab 1. Januar 2024 fällt eine solche Besitzung mit mindestens 20 ha Größe automatisch und ohne Tun oder Wissen des Eigentümers in den Anwendungsbereich des BbgHöfeOG. Die Hofeigenschaft kann auch nachträglich entstehen, beispielsweise durch Zukauf von Flächen. Es muss sich aber immer um Eigentumsflächen handeln; Pachtflächen zählen nicht.

Historisches Erbe: Aus LPG wurde Genossenschaft

Neben der Flächengröße ist eine wesentliche Voraussetzung für die Hofeigenschaft, dass sich der Betrieb im Alleineigentum einer natürlichen Person oder im Miteigentum von Ehegatten befindet. Aufgrund der historischen Besonderheiten – Bodenreform und Zwangskollektivierung in LPGen sowie die nachfolgende Umwandlung der LPGen in Gesellschaften – stehen in Brandenburg viele, vor allem größere Betriebe im Eigentum von Gesellschaften oder Genossenschaften. Im Jahre 2020 gab es in Brandenburg 5.413 Landwirtschaftsbetriebe, davon waren 1.722, also ca. ein Drittel, in Gesellschaften oder Genossenschaften organisiert. In Nordrhein-Westfalen liegt dieser Anteil bei nur 12 %.

Neue Höfeordnung: Bewirtschaftungsart und Nebenbetriebe

Ist Träger Ihres Betriebes eine Gesellschaft, Genossenschaft oder Stiftung, können Sie an dieser Stelle die Lektüre beenden und sich Interessanterem zuwenden, und zwar auch dann, wenn Sie der einzige Gesellschafter sind (wie bspw. Ein-Personen-GmbH). Gehört der Betrieb mehreren Personen, z. B. einer Erbengemeinschaft oder einer Bruchteilsgemeinschaft, hat dieser keine Hofeigenschaft. Einzige Ausnahme ist der Ehegattenhof. Er setzt voraus, dass sich die Flächen im Miteigentum von Ehegatten befinden. Wird die Ehe geschieden, geht die Hofeigenschaft grundsätzlich verloren.

Eigentum in Brandenburg: Was gilt bei landwirtschaftlicher Nutzung?

Nur ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb kann Hof sein. Darunter fallen der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft, die Viehhaltung und Viehzucht, der Erwerbsgartenbau, der Erwerbsobstbau, der Weinbau, sowie das Betreiben einer Gärtnerei. Die Bodennutzung muss dabei die wesentliche Grundlage bei der Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse bilden. Ein Betrieb, der mehr zugekaufte Produkte als eigene verarbeitet, wird in der Regel kein Landwirtschafts- sondern ein Gewerbebetrieb sein.

Das Gleiche gilt für Tierzucht und Tierhaltung, wenn hauptsächlich gekauftes Futter verwendet wird und die Bodennutzung nur von untergeordneter Bedeutung ist (wie häufig in Geflügelmastbetrieben). Auch die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht, die Wanderschäferei und die Saatzucht gelten als landwirtschaftliche Nutzung.

Windkraft- und Photovoltaikanlagen, die die erzeugte Energie (auch) in das Netz einspeisen, sind Gewerbe und keine Landwirtschaft. Biogasanlagen werden – auch wenn der erzeugte Strom in das Netz eingespeist wird – hingegen dem Landwirtschaftsbetrieb als Nebenbetrieb zugerechnet, wenn der Landwirt überwiegend seinen eigenen Aufwuchs verwendet. Gehört die Biogasanlage nicht dem Betriebsinhaber allein, sondern einer Gesellschaft, an der er beteiligt ist, kann diese Beteiligung als Mitgliedschaftsrecht im Sinne von § 2 Nr. 2 BbgHöfeOG zum Hof gehören.

Biogasanlage
Biogasanlagen gehören entweder direkt zum Hof oder bei Gesellschaftern zumindest das Mitgliedschaftsrecht. © Sabine Rübensaat

Als Nebenbetriebe gehören auch Straußenwirtschaften, Käsereien, Mühlen, Metzgereien und Pensionsbetriebe (Ferien auf dem Bauernhof) zum Hauptbetrieb und teilen dessen Schicksal, solange sie von untergeordneter Bedeutung sind. Das gilt auch für Hofläden, sofern sie ausschließlich Eigenprodukte vermarkten. Viele landwirtschaftliche Betriebe umfassen auch forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke. Das BbgHöfeOG bezieht forstwirtschaftlich genutzte Flächen in § 1 Abs. 2 ausdrücklich in ihren Anwendungsbereich mit ein. Das gilt selbst für reine Forstgüter.

Eigentum in Brandenburg: Hofstelle und Verpachtung

Die Flächen müssen gem. § 2 BbgHöfeOG regelmäßig von einer Hofstelle aus bewirtschaftet werden. Früher verstand man darunter ein Wohnhaus für den Landwirt und seine Angehörigen, Stallungen für Groß- und Kleinvieh, Unterstellmöglichkeiten für Landmaschinen und Fahrzeuge. In geringer Entfernung von dieser Hofstelle – meist sogar direkt umliegend – lagen die Bewirtschaftungsflächen. Mit den veränderten Strukturen in unserer modernen Gesellschaft hat sich dieses tradierte Verständnis gewandelt.

Die Wirtschaftsgebäude stehen heute im Mittelpunkt. Es genügt bereits eine Landmaschinenhalle mit Büro; eine Wohnmöglichkeit ist nicht erforderlich. Auch die Entfernung der Flächen von der Hofstelle wird heute großzügig gesehen. Selbst Flächen, die 50 km entfernt sind, können angesichts moderner Landmaschinen und Fahrzeuge problemlos erreicht und bewirtschaftet werden. Bei reinen Forstwirtschaftsbetrieben werden noch geringere Anforderungen gestellt.

Maßgeblich ist immer die tatsächliche Bewirtschaftung durch den Eigentümer; sei es im Haupt- oder auch im Nebenerwerb. Betreibt der Eigentümer selbst keine Landwirtschaft, sondern verpachtet die Flächen dauerhaft, ist kein Hof gegeben. Eine vorübergehende Verpachtung einzelner Flächen oder des ganzen Betriebes ist dagegen unschädlich. Verpachtet der Inhaber z. B. wegen einer Erkrankung oder weil er aus Altersgründen nicht mehr selbst wirtschaften kann, ist dies nur
vorübergehend, wenn damit gerechnet werden kann, dass ein Nachfolger, etwa der Hoferbe, die Bewirtschaftung alsbald wieder aufnehmen wird.

Ob Grundstücke, die nicht im Land Brandenburg liegen (sogenannte Ausmärkergrundstücke), zum Hof gehören, ist noch nicht geklärt, mit Blick auf die Rechtsprechung zu Höfeordnungen anderer Bundesländer aber wohl zu bejahen. Entscheidend ist die Lage der Hofstelle im Land Brandenburg.

Was gehört alles zum Hof?

Zum Hof gehören neben der Hofstelle und allen Grundstücken, die regelmäßig von der Hofstelle aus bewirtschaftet werden, auch Mitgliedschaftsrechte (z. B. an Einkaufs- oder Kreditgenossenschaften), Nutzungsrechte (wie Fischereirechte) und ähnliche Rechte (wie Agrarsubventionen), die dem Hof dienen. Das Hofeszubehör, also das lebende und tote Inventar wie Viehbestände, Landmaschinen, Bürogeräte, betrieblich genutzte Fahrzeuge, Hausrat mit Ausnahme von Luxusgegenständen (wie sehr wertvolle Gemälde) gehört gem. § 3 BbgHöfeOG ebenfalls zum Hof. Selbst Jagdwaffen können Hofeszubehör sein, wenn sie zur Jagdausübung auf einem Eigenjagdbezirk genutzt werden.

Hofeszubehör ist auch der vorhandene Dünger und die für die Bewirtschaftung bis zur nächsten Ernte dienenden Vorräte an landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Betriebsmittel. Noch nicht geerntete Erzeugnisse, z. B. Früchte auf dem Halm, gehören zu den Grundstücken und damit ebenfalls zum Hof. Betriebsmittel sind beispielsweise Heiz-, Kraft- und Schmierstoffe, Pflanzenschutzmittel, Tierarzneien und Baumaterial.

Inwieweit Finanzmittel, also insbesondere Bankguthaben, Bargeld und Forderungen zum Hof gehören, ist heftig umstritten. Soweit diese zur Erhaltung und Fortführung des Betriebes erforderlich sind und vom Inhaber von seinem sonstigen Vermögen getrennt gehalten werden (z. B. Guthaben auf einem Betriebskonto) wird die Zugehörigkeit zum Hof überwiegend bejaht.

Im zweiten Teil der Reihe zur Höfeordnung in einer der kommenden Ausgaben der Bauernzeitung erfahren Sie mehr zu den Details der Hofnachfolge und zu den Unterschieden zum allgemeinen Erbrecht, anschaulich illustriert mit vielen Beispielen.

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Raps-Züchtung: Ein Rückblick auf 50 Jahre Rapool-Ring

Der Rapool-Ring besteht in diesem Jahr seit 50 Jahren. Die Bauernzeitung sprach zum Jubiläum mit dem Geschäftsführer Dietmar Brauer nicht nur über seine erste Kindheitserinnerung mit Raps, sondern auch über die Sorten-Entwicklung und Meilensteine.

Das Gespräch führte Erik Pilgermann

Herr Brauer, der Rapool-Ring feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen. In diesen 50 Jahren ist in Sachen Raps eine Menge passiert. Die Wurzeln der Rapszüchtung reichen deutlich weiter zurück und sind auch mit Ihrer persönlichen Familiengeschichte verflochten. Ihr Urgroßvater Hans Lembke begann bereits 1897 mit der Rapszüchtung. Erinnern Sie sich noch, wann Sie zum ersten Mal bewusst mit Raps zu tun hatten?
Schon in meiner Kindheit war Raps immer omnipräsent. Eine meiner ersten Erinnerungen ist die, dass ich als Junge in einem frisch abgekippten Rapshaufen auf unserem Hof „badete“, ein herrliches Gefühl. Meine Kindheit fiel auch in die Zeit der ersten Qualitätsrapszüchtungen, in die mein Vater, Dietrich Brauer, stark involviert war. Und so war zu Hause und im Betrieb der Raps ständiger Gesprächsstoff.

Ich erinnere mich noch sehr genau daran, als die ersten Isolierkammern als Gewächshäuser auf dem Hofgelände in Hohenlieth gebaut wurden. Diese Investition brachte meinen Vater zum Stöhnen, denn zu dem Zeitpunkt ließ sich der spätere wirtschaftliche Erfolg nur schwer abschätzen. Unser damaliger Saatzuchtleiter Dr. Benno Leitzke stellte aber die Forderung, das die Rapsstämme isoliert abblühen müssen. Nur so ließen sich die ersten Null-Sorten, also die erucasäurearmen, später -freien Sorten auf den Weg bringen.

Mit 15 Jahren gab es von meinem Vater dann statt einer Taschengelderhöhung ein Topangebot, in den Ferien halbtags für einen sehr guten Stundenlohn im elterlichen Betrieb in der Saatzucht mitzuarbeiten. So hat mich der Raps eingefangen und nie wieder losgelassen.

Raps Züchtung: Gründung des Rapool-Rings und Sorten-Entwicklung

Wissen Sie noch, wie die erste offiziell zugelassene Rapssorte aus dem Hause Lembke hieß?
Das ist sehr schlicht und simpel. Die Sorte hieß Lembkes Winterraps von 1911. Sie wurde damals vom DLG-Hochzuchtregister geprüft und zugelassen. Das war, wenn man so will, der Vorläufer des Bundessortenamtes.

Der Rapool-Ring ist ein Zusammenschluss aus drei Züchterhäusern. Was führte seinerzeit zur Gründung von Rapool?
Daran kann ich mich auch sehr gut erinnern. Ich war seinerzeit elf Jahre alt. Gefühlt sprachen mein Vater, meine Mutter und meine Großmutter damals wochenlang von nichts anderem.

Dietmar Brauer
Dietmar Brauer, Geschäftsführer des Rapool-Rings, ist dem Raps von Kindesbeinen an verbunden. © Erik Pilgermann

Der Göttinger Arbeitskreis Qualitätsrapszüchtung, der von Prof. Gerhard Röbbelen an der Uni Göttingen 1966 gegründet wurde und dem unter anderem die Norddeutsche Pflanzenzucht Hans-Georg-Lembke KG (NPZ), die Deutsche Saatveredelung AG (DSV) und später auch die W. von Borries-Eckendorf GmbH & Co KG angehörten, initiierte ein GFP-Projekt zur Qualitätsrapszüchtung, in dem es um die Erucasäurearmut und später -freiheit ging. Das Ausgangsmaterial für die weitere Sortenentwicklung, das hier entstand, bekamen die beteiligten Züchter zurück.

Die NPZ konnte dann als erste die Sorte Lesira anmelden, die 1973 zugelassen wurde. Damit war klar, dass diese neue Qualität in der alten Bundesrepublik eingeführt werden soll. Das konnte nur gemeinsam gelingen und nicht gegen die Widerstände von Wettbewerbern, der Verbände und praktizierenden Landwirte.

Die Initiative, diese Umstellung gemeinsam zu betreiben und eine Vertriebsfirma zu gründen, ging seinerzeit von meinem Vater aus. So sollte der Erfolg des neuen Qualitätsrapses geteilt, also gepoolt werden, deshalb Rapool. Das führte schließlich im Februar 1974 zur Gründung der Rapool-Ring GmbH.

Raps-Züchtung und Anbau in der DDR

Was stand 1974 im Mittelpunkt der Rapszüchtung?
 Zur Aussaat 1974 konnte gemeinsam diese neue Qualität im Raps eingeführt werden. Ein wichtiger Schritt war, dass die Saatgut-Erzeugung und der Vertrieb komplett in die eigenen Hände genommen wurden. Bis dahin war Raps eher eine kleine Fruchtart und überwiegend in Norddeutschland konzentriert. Bis dahin erhielten VO-Firmen Basissaatgut, produzierten daraus Z-Saatgut und verkauften dies. Die Züchter bekamen lediglich die Lizenzgebühr.

Mein Vater erkannte, dass die Züchterhäuser die Vermehrung unbedingt selbst übernehmen müssen, um die Qualität zu garantieren, die jetzt mit den Null-Sorten unter einem ganz anderen Aspekt stand. Geholfen hat bei der Umstellung auch, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium seinerzeit darauf bedacht war, die Abhängigkeit der Bundesrepublik bei der Versorgung mit pflanzlichen Fetten zu verringern. Aus demselben Grund befürwortete das auch der Unilever-Konzern als bedeutender Margarinehersteller.

Welchen Umfang hatte der Rapsanbau damals?
In der alten Bundesrepublik lag die Anbaufläche weit unter 100.000 Hektar. In der DDR wurden hingegen ziemlich konstant 100.000 Hektar angebaut, allerdings bis zur Wende überwiegend die erucasäurehaltige Sorte Sollux.

Rapool-Ring: Saatgut der Neuen Qualität ab 1974

Die Umstellung auf die neue Qualität 1974 musste ja in einem Zug erfolgen, da wegen der Auskreuzungsgefahr zwei Qualitäten nicht nebeneinander stehen konnten. Wie wurde das erreicht?
Bestandteil des ganzen Umstellungsprojektes war, dass mein Vater den Handel davon überzeugte, indem er begann, sämtliches Restsaatgut der alten Sorten aufzukaufen. Der Vorlauf der NPZ überzeugte dann auch die anderen Rapool-Partner, mitzumachen und so das Risiko zu verteilen. So wurde der Rapssaatgutmarkt zuerst leergekauft und dann über den Rapool-Ring mit Saatgut der neuen Null-Qualität beliefert.

Widerstand leistete einzig die Firma Henkel, da sie die Erucasäure für die Waschmittel-Herstellung brauchte. Deswegen wurde die Umstellung in der alten Bundesrepublik in zwei Schritten vollzogen. 1974 wurde alles nördlich der Rhein-Main-Linie umgestellt. Im zweiten Schritt wurden 1976 Bayern und Baden-Württemberg umgestellt.

50 Jahre Rapool: Was waren die Meilensteine der Raps-Züchtung?

Welches waren die wichtigsten Rapool-Meilensteine in den vergangenen 50 Jahren?
Der rote Faden durch alle Meilensteine hindurch ist immer die Ertragsstabilisierung. Erster Meilenstein war die erste Null 1974. Mit der Glucosinolatfreiheit kam 1986/87 die zweite Null dazu. Da hatten die Züchter aber schon den nächsten Schritt zur Hybridraps-Entwicklung als 3. Meilenstein im Blick, die Mitte der 80er Jahre widerum in Göttingen mit der Arbeit von Dr. Werner Paulmann sowie Dr. Martin Frauen in Hohenlieth ihren Ausgangspunkt hatte. 1995 wurden die ersten Hybrid-Sorten zugelassen, die sich ab der Jahrtausendwende fest etablierten.

Bei der Entwicklung der Resistenzen als 4. Meilenstein möchte ich die gegen die Kohlhernie hervorheben. An 5. Stelle möchte ich die Entwicklung der letzten 10 Jahre benennen, in denen sich die Züchtung mit der Ertragsstabilisierung über Resistenzzüchtung beschäftigt hat. Die Widerstandsfähigkeit der Sorten gegen Krankheiten wurde sehr verbessert. Als letztes möchte ich einen Punkt anführen, der in der Praxis zwar noch nicht so wahrgenommen beziehungsweise umgesetzt wird, aber die Stickstoff-Effizienz der heutigen Sorten hat sich auch meilensteinartig verbessert, verglichen mit Sorten von vor zwanzig, dreißig Jahren.

Raps-Züchtung heute

Rapszüchtung und -anbau stehen heute vor gänzlich neuen Herausforderungen. Wie definieren Sie die zukünftigen Züchtungs- und Arbeitsschwerpunkte?
Züchtung und Zuchtzielsetzung sind etwas so langfristiges, dass wir immer auch schon eine Anschlussaufgabe definiert haben. Das nächste große Zuchtziel besteht für uns momentan aus Rapsprotein für die Humanernährung. Ungleich schwieriger ist es, die Politik immer wieder von der Richtigkeit und Wichtigkeit unserer Arbeit zu überzeugen oder besser gesagt, uns gute Rahmenbedingungen für unsere Arbeit zu schaffen und zu belassen. Doch auch wenn es immer schwieriger zu werden scheint, werden wir nicht nachlassen, für den Raps einzustehen.

Sorte Visby
Die Sorte Visby als 00-Hybride war lange Zeit in Ostdeutschland ganz vorn mit dabei. © Erik Pilgermann
Famulus
Famulus hingegen ist die aktuelle Jubiläumssorte. © Erik Pilgermann
Cromat
Cromat macht den Anbau auf Kohlhernie-Standorten möglich. © Erik Pilgermann
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„Mit pauschalen Einschrän­kungen oder Verboten von Pflanzenschutzmitteln in Wasser- und Naturschutzgebieten würde ein erheblicher Teil der Fläche der landwirtschaftlichen Produktion entzogen werden“, befürchtet Marco Gemballa, Vizepräsident des Bauernverbandes MV. (Symbolbild) © Sabine Rübensaat
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Blühender Rapsbestand aus de Luft
Bereits zur Blüte waren die einzelnen Sorten sehr gut zu unterscheiden. Das schwierige Wetter mit Kälte- und Nässephasen machte die Bestandesführung 2023 sehr schwierig, manchmal gar unmöglich. (c) Toni Reinke

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Bürokratie-Abbau: Versteht die Politik die Anliegen der Bauern?

Ungewohnt schnell hat der Bund auf die Vorschläge der Länder für eine einfachere Agrarpolitik reagiert. Doch beim genauen Hinschauen stellt sich die Frage, ob der als Tiger gestartete Bürokratieabbau nicht doch noch als Bettvorleger endet. Hat die Politik wirklich verstanden? – fragt sich Kommentator Ralf Stephan.

Von Ralf Stephan

Als Gerhard Schröder mit der Ansage „Wir haben verstanden“ die Niederlage seiner SPD bei der Europawahl 1999 einräumen musste, war ein politischer Slogan geboren. Seine Verwendung war seitdem immer wieder mal nötig. Und auch jetzt, wenn es um politische Reaktionen auf die Bauernproteste zur Jahreswende geht, möchte die Politik gern den Eindruck vermitteln, die mit großem Nachdruck auf die Straßen gebrachten Anliegen tatsächlich verstanden zu haben. Das könnte auch daran liegen, dass wieder Wahlen anstehen, als erstes eine Europawahl.

Mit ungeahntem Tempo hatten sich die Länder zusammengerauft und dem Bund 194 Vorschläge für den Abbau von Bürokratie unterbreitet. Hier wurde also wirklich etwas verstanden. Denn das Gefühl, zu viel Zeit mit unnötigem Bürokram zu verbringen, statt auf dem Acker oder bei den Tieren zu sein, gehört zu den Tropfen, die das oft zitierte Fass zum Überlaufen gebracht hatten. Nicht nur, weil Ostern in diesem Jahr besonders früh anstand, dürfte aber kaum jemand die Zusage des zuständigen Bundesministers ernst genommen haben, die Ländervorschläge noch vor dem Fest bewerten zu wollen. Wie auch immer – die Reaktion kam pünktlich.

200 Vorschläge – Was ist machbar und wer ist zuständig?

Wundergläubig zu werden, besteht dennoch kein Anlass. Denn die Antworten aus dem Hause Özdemir fallen in weiten Teilen dann doch nicht so überraschend aus. Die fast 200 Vorschläge wurden, was sinnvoll ist, von den fleißigen Täubchen im Ministerium nach Machbarkeit in fünf Töpfe sortiert. Auffällig dabei: Für zwei davon fühlt sich der Bund nicht zuständig, und in Topf Nummer fünf hat er alles gepackt, worüber er gar nicht erst reden will. Dazu zählt an erster Stelle die umstrittene Stoffstrombilanz.

Bundesländer laufen seit Monaten Sturm gegen die neuen Aufzeichnungs- und Kontrollpflichten, die auf Betriebe wie Verwaltungen zurollen, ohne einen zusätzlichen Beitrag zu ordnungsgemäßer Düngung zu leisten. Im Alltag echt entlasten würden zudem Vereinheitlichungen im Wirrwarr der Abstandsregeln. Aber auch die will Berlin nicht antasten.

Nicht zuständig sieht sich der Bund des Weiteren für Bürokratie aus Brüssel. Dabei wurde dort nichts beschlossen, dem Deutschland nicht zugestimmt hat. Also muss es auch möglich sein, auf EU-Ebene Unnötiges zurückzunehmen. Die Kommission hat bei der GAP schon damit begonnen. Es besteht also durchaus die reelle Chance, jetzt jene Ländervorschläge durchzubringen, die man erst einmal im Topf zwei abgelegt hat. Und die Länder selbst haben offenbar mehr in der Hand, als ihnen bislang bewusst war: Im Topf vier lagern ihre Vorschläge, die sie nach Ansicht des Bundes selbst umsetzen müssten. Sie sollten nicht allzu lange damit warten.

Schneller Bürokratieabbau statt Symbolpolitik

Für die Praxis ist es gleich, wer nun für welchen Topf zuständig ist. In den Betrieben gibt es zwei Kriterien, an denen die Versprechen gemessen werden: Erste Erleichterungen müssen möglichst bald spürbar sein, und am Ende hat tatsächlich drastisch weniger Bürokratie zu stehen.

Wenn es darauf hinausliefe, dass der Abschied von der zweiten Ohrmarke als Erfolg gefeiert werden soll, dann wäre auch aus dem als wilder Tiger gestarteten Bürokratieabbau ein weiterer zahmer Bettvorleger geworden. Wer jedoch das zulässt, der hat die Bauernproteste rein gar nicht verstanden.

Kommentar aus der Ausgabe 19/2024

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Wie weiter mit Gülle und Mist? (Symbolbild) Die Umsetzung der TA-Luft ist nicht geklärt. (c) Sabine Rübensaat

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Getreide-Lagerung in der Prignitz: Warten auf den besten Preis

Wie eine Landwirtsfamilie aus Schleswig-Holstein in Brandenburg Wurzeln schlug und eine neue Anlage zur Getreidelagerung errichtete, die sich scheinbar „nebenbei“ bewirtschaften lässt.

Von Wolfgang Herklotz

Vier imposante und in der Märzsonne leicht silbern glänzende Türme stemmen sich am Rande von Kletzke in den nordbrandenburgischen Himmel. Sie sind mehr als 30 Meter hoch und überragen damit die zur Gemeinde Plattenburg gehörende Ortschaft. Zwei Greifvögel schweben gelassen über die Getreidesilos, als ob die schon immer zur Prignitzer Landschaft dazugehörten. Doch vor wenigen Jahren noch war das hier „grüne Wiese“, berichtet Peter Hinselmann.

Wir stehen mit dem olivbraun gekleideten Mittdreißiger am Fuße der aus verzinktem Metall errichteten Türme, lassen uns in die Abläufe der Getreidelagerung einweihen. Dabei fällt so mancher Fachbegriff, der erstaunen lässt.

Was ist eine „Gosse“, wie funktioniert ein Trogkettenförderer, und was bitteschön soll man sich unter einem Kaffbunker vorstellen?

Getreide-Lagerung: Von Gosse bis Kaffbunker

Der gebürtige Schleswig-Holsteiner nimmt sich die (knappe) Zeit und erklärt, dass es sich bei der „Gosse“ um einen mit Gitter versehenen Einlass für das frisch vom Feld angelieferte Getreide handelt. Dieses rutscht in einen tiefgelegenen Betonschacht, eine Art „Keller“. Der jedoch fast so klinisch sauber wie ein OP-Saal ist, wovon wir uns überzeugen können.

Von hier wird das Gersten- oder Weizenkorn auf schonende Weise mittels Trogketten erst horizontal und später dann vertikal transportiert, gereinigt und bei Bedarf auch getrocknet. Die beim Reinigen mittels Unterdruck separierten groben Bestandteile wie die Spelzen landen dann in besagtem Kaffbunker. Soweit ein erster Einblick in die Abläufe, die freilich viel komplexer sind, zumal da reichlich computergestützte Technik im Spiel ist. Wir kommen noch darauf.

Silos bei Hinselmann
Zu Stoßzeiten ist viel los. Bis zu 30 Fahrzeuge rollten in der vergangenen Saison täglich auf das Gelände, um Getreide einzulagern. © Sabine Rübensaat
Peter Hinselmann auf Kontrollgang in der Anlage
Peter Hinselmann auf Kontrollgang in der Anlage, die im letzten Jahr erstmals in Betrieb ging. © Sabine Rübensaat

Familienbetrib in 5. Generation: Agrar GmbH Kletzke

Die Agrar GmbH Kletzke gehört zu jenen Landwirtschaftsbetrieben, die sich in jüngster Zeit für eine eigene Lagerung des Getreides entschieden haben. „Denn dadurch können wir viel besser auf die gewaltigen Preisschwankungen des Marktes reagieren und den Zeitpunkt des Verkaufes selbst bestimmen“, so Peter Hinselmann. Für ihn, der seit 2019 zusammen mit seinem Vater Claus-Peter sämtliche Geschäftsanteile des Betriebes hält, gab es noch ein weiteres Motiv, in moderne Lagerungstechnik zu investieren.

Denn für die Hinselmanns, Familienbetrieb in mittlerweile fünfter Generation, war es schon immer ein ungeschriebenes Gesetz, alles in einer Hand zu haben. Zum Hof, zwischen Hamburg und Lübeck gelegen, gehörte von Anfang an eine Getreidelagerung. „Wer die anderen überlässt, macht sich abhängig“, so das Credo der Familie.

Neue Existenz in der Prignitz

Die Entscheidung, den angestammten Betrieb in Schleswig-Holstein zu verkaufen und eine neue Existenz in der Prignitz aufzubauen, war keine leichte und brauchte ihre Zeit. Für den Junior stand nach Landwirtschaftslehre und Studium an der Höheren Landbauschule in Bad Segeberg jedoch schon bald fest, dass sich jenseits der Elbe bessere Chancen boten.

„Mich haben die deutlich größeren Flächen dort beeindruckt“, betont Peter Hinselmann, der eine Zeitlang als Volontärsverwalter in Agrarbetrieben Mecklenburg-Vorpommerns gearbeitet hatte. Die Suche nach geeigneten alternativen Flächen gut zweieinhalb Jahrzehnte nach dem Mauerfall erwies sich freilich als sehr schwierig, in Küstennähe gar aussichtslos.

Konzentration auf Mehrfruchtanbau

Als Glücksfall stellte sich dann heraus, dass die ehemalige Agrargenossenschaft in Kletzke zum Verkauf stand. Peter Hinselmann: „Als wir in den Ort kamen, wusste ich sofort, dass wir hier Wurzeln schlagen werden.“ Die Hinselmanns wurden sich mit den Gesellschaftern des inzwischen in eine GmbH umgewandelten Betriebes einig, übernahmen sämtliche Anteile.

Die Genossenschaft hatte rund 1.650 Hektar bewirtschaftet, darunter auch Grünland. Weiter Getreide, Raps und Mais auf den durchschnittlich 40er-Böden anzubauen, bot sich an, doch in die Veredlung zu investieren, schien zu riskant.

Vater und Sohn beschlossen, die Kuhställe zu verpachten und sich auf den Marktfruchtanbau zu konzentrieren. Ein erster Schritt war 2019 der Umbau der alten Bergehalle, um dort übergangsweise Getreide zu lagern. Die Entscheidung, vier neue Silos zu errichten, fiel noch im gleichen Jahr.

Vater und Sohn
Vater und Sohn: Die Familie von Claus-Peter Hinselmann (r.) hat den Wechsel in die Prignitz nicht bereut und fühlt sich dort längst zu Hause. © Sabine Rübensaat

Getreide-Lagerung: Hoher Grad an Automatisierung

„Sicherlich wäre es preiswerter gewesen, in eine neue Halle zu investieren – aber nur auf den ersten Blick“, versichert Peter Hinselmann. „Uns war von Anfang an wichtig, von den arbeitsintensiven Prozessen der klassischen Lagerhaltung wegzukommen und verlässliche Technik einzusetzen, die einen hohen Grad an Automatisierung bietet.“

Nachdem Vater und Sohn mehrere Offerten geprüft hatten, bekam das Angebot eines im niedersächsischen Lastrup ansässigen Unternehmens den Zuschlag. Den Ausschlag dafür gab nicht nur die langjährige Kompetenz dieser Firma beim industriellen Bau von Anlagen zur Aufbereitung, Lagerung und Verarbeitung von Getreide sowie weiteren Schüttgütern. Sie bietet auch maßgeschneiderte Lösungen je nach Standort an, wovon sich die Hinselmanns beim Besuch von Betrieben in der Region überzeugen konnten.

Herzstück der innerhalb eines Jahres errichteten Anlage mit jeweils zwei Trichter- und Endlagersilos und einer Förderwaage ist das mit digitaler Technik ausgestattete Schaltzentrum. Per Computer werden hier sämtliche Prozesse von der Anlieferung des Ernteguts über die Verteilung, Reinigung und Lagerung beziehungsweise Trocknung gesteuert. Jedes Silo ist mit 15 Messpunkten ausgestattet, um die optimale Temperatur zu überwachen.

Diese liegt bei 20 Grad Cesius im Stapel während der Sommermonate und später dann bei 8 Grad, die Feuchtigkeit bei 14 %. Über das Smartphone lasse sich das auch kontrollieren, doch über den großen Monitor sei das natürlich viel übersichtlicher, erklärt Hinselmann. „In unserer alten Siloanlage in Holstein musste man noch Knöpfe drücken und an Strippen ziehen, was für ein riesiger Unterschied!“ Es sei sein Part, sich um die moderne Anlage zu kümmern, die aber autark arbeite. „Sie läuft quasi nebenbei, aber natürlich muss ich immer wieder ein Auge darauf haben.“

Silos betriebsbereit vor Saison-Beginn: Feuchtes Erntegut trocknen

In den vier Silos können bis zu 6.000 Tonnen Getreide gelagert werden, die Annahme- und Verladeleistung beträgt 120 Tonnen pro Stunde. Die Türme können somit nicht nur zügig beladen, sondern auch entleert werden, wenn kurzfristig Ware zum Verkauf ansteht.

Vom ersten Tage an funktionierte alles nahezu reibungslos, von ein paar Aussetzern bei der Reinigung mal abgesehen, versichert der Junior und erinnert sich an den Start im Frühjahr 2023. „Es war eine Punktlandung fünf Tage vor Erntebeginn!“ Das Wetter machte den Landwirten dann allerdings einen Strich durch die Rechnung, das Getreide musste wegen der vielen Niederschläge regelrecht vom Feld gestohlen werden. Wobei es sich schon als Riesenvorteil herausstellte, das feuchte Erntegut in der Anlage gleich trocknen zu können. Ein Teil der Vorjahresernte, darunter Gerste und B-Weizen, lagert noch im Silo.

Getreide-Silos Trockner
Dies geschah trotz feuchter Witterung nahezu reibungslos, da zu den Silos auch ein Trockner auf Heizölbasis gehört. © Sabine Rübensaat

Die enorm gestiegenen Preise vor allem für Dünger hatten die Ernte sehr teuer, aber dann die Hoffnung auf einen lukrativen Verkauf des Getreides zunichte gemacht. „Ist halt immer das Risiko, den günstigsten Zeitpunkt zu verpassen“, kommentiert Peter Hinselmann mit einem Schulterzucken. „Aber wir sind ja auch nicht darauf angewiesen, die Ware zu Schleuderpreisen abzugeben.“

Abnehmer aus der Region

Abnehmer sind Handelsunternehmen wie die Ceravis AG oder die Ölmühle Rostock. Beliefert werden aber auch Betriebe aus der Region, darunter Schweinehalter. „Wir können zudem Körnermais lagern und mit dem Durchlauftrockner behandeln“, berichtet Peter Hinselmann.

Die Kapazitätsgrenze sei noch nicht ausgereizt, eine Aufstockung der Lagermenge denkbar, aber momentan noch nicht das Thema. Mit dem hofeigenen Mähdrescher lasse sich die Anbaufläche gut abdecken, eine mögliche Erweiterung würde dann jedoch zusätzliche Erntetechnik erfordern. „Das steht erst mal nicht auf unserer Agenda“, versichert der Junior.

„Alles aus einer Hand“

Getreide von anderen Betrieben wolle man schon deshalb nicht einlagern, um das Einschleppen von befallenen Partien zu vermeiden. „Wir bleiben unserem Leitsatz treu: Alles aus einer Hand!“, ergänzt Claus-Peter Hinselmann. Allerdings sollen demnächst die Wege zur Anlage richtig befestigt und diese auch optisch auf Vordermann gebracht werden, beispielsweise durch Buchsbäume rund herum. Denn zu Stoßzeiten sei richtig was los auf dem Hof mit bis zu 30 Fahrzeugen.

Wie Vater und Sohn versichern, sind sie gut in der Dorfgemeinschaft aufgenommen worden. „Wir fühlen uns pudelwohl hier, und wir haben tolle Mitarbeiter!“ Muss es aber nicht zwangsläufig zu Konflikten kommen, wenn zwei Generationen ein Unternehmen führen?

Natürlich gebe es unterschiedliche Auffassungen und die eine oder andere Auseinandersetzung gelegentlich auch, räumen die Hinselmanns ein. „Aber am Abend passt dann wieder kein Blatt mehr zwischen uns!“

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Qualitativ hochwertige Bestände sollten zuerst gedroschen werden. (c) Sabine Rübensaat

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