Der Schaden nach einem Brand in der Schweinemastanlage in Sachsen-Anhalt beläuft sich auf etwa 1 Million Euro. Am 12. April 2024 zerstörte ein Feuer nicht nur ein Drittel der Anlage, sondern tötete tausende Tiere und verletzte zwei Feuerwehrleute.
Von Detlef Finger
Beim Brand einer großen Schweinezuchtanlage in Binde bei Arendsee im Altmarkkreis Salzwedel (Sachsen-Anhalt) sind am Freitagnachmittag (12. April) Tausende Schweine verendet. Nach Unternehmensangaben handelt es sich um etwa 1.750 Sauen samt ihren Ferkeln. Gerettet wurden rund 5.200 Mutter- sowie 35.000 Jungtiere.
Das Feuer zerstörte rund ein Drittel der Anlage. Sechs Abferkelställe brannten völlig aus, zwei weitere wurden beschädigt. Laut Leitstelle des Kreises für den Brand- und Katastrophenschutz soll sich der Schaden auf etwa eine Million Euro belaufen.
Mehr als 200 Feuerwehrleute von 15 Ortsfeuerwehren waren vor Ort im Einsatz, um das Feuer zu löschen. Hinzugezogen wurden außerdem neun Tierärzte sowie der Amtsveterinär aus Salzwedel.
Der Brand beschäftigte die Einsatzkräfte letztlich das gesamte Wochenende, weil immer wieder Glutnester entdeckt wurden. Laut Leitstelle gestaltete sich die Brandbekämpfung auch wegen der Photovoltaikanlagen auf den Hallendächern schwierig. Zwei Kameraden der Feuerwehr wurden bei dem stundenlangen Großeinsatz leicht verletzt.
Nach Angaben des Altmarkkreises Salzwedel sind die vom Feuer betroffenen Schweineställe von der Kriminalpolizei gesperrt worden. Am Montag (15. April) nahmen Brandursachenermittler ihre Arbeit auf. Erst danach könnten auch die verbrannten Tiere geborgen werden, hieß es. Genauere Angaben zu den Tierverlusten und zum entstandenen Gesamtschaden seien erst im Anschluss daran möglich.
Der Betreiber der Anlage, die Schweinezucht Binde GmbH, habe alle unbeschädigten Ställe wieder in Betrieb nehmen können, bestätigte eine Sprecherin der Landkreise zu Wochenbeginn gegenüber der Bauernzeitung.
Die für die Versorgung der Tiere wichtigen Voraussetzungen wie Futter, Wasser, Licht und Lüftung seien wiederhergestellt. Alle geretteten Tiere seien in einem guten Zustand und würden tierärztlich betreut. Die Landkreisverwaltung führt nach eigenen Angaben engmaschige Kontrollen zur Aufrechterhaltung der Versorgung der verbliebenen Tiere durch.
In der Mastanlage in Binde hatte es fast auf den Tag genau vor drei Jahren schon einmal gebrannt. Damals verendeten einige wenige Schweine, der entstandene Schaden wurde vom Betreiber mit etwa 50.000 Euro beziffert. Das Feuer ging seinerzeit von einer Deckenlampe aus, Brandursache war mithin ein technischer Defekt.
Die Schweinezuchtanlage Binde gehörte einst zum Unternehmensverbund des niederländischen Schweinezüchters Adrianus Straathof, später zur LFD-Holding GmbH (Landwirtschaftliche Ferkelzucht Deutschland) mit Sitz in Roßdorf bei Genthin. Seit 2020 befindet die LFD im Besitz der in der Schweiz ansässigen Terra Grundwerte AG. Die Investment- und Beteiligungsgesellschaft ist in der Land- und Forstwirtschaft, dem Bioenergiebereich sowie den vor- und nachgelagerten Wirtschaftszweigen tätig.
Bei der LFD Holding GmbH handelt es sich dem Vernehmen nach um Deutschlands größtes Ferkelzuchtunternehmen mit 14 Tochtergesellschaften. Das Unternehmen betreibt mehrere Zuchtbetriebe mit rund 55.000 Sauenplätzen sowie insgesamt zehn Biogasanlagen an Standorten in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Brandenburg, Sachsen und Bayern.
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Nicht nur Aussteller präsentieren sich auf der agra 2024 in Leipzig, sondern es gibt auch viele Foren und Diskussionsveranstaltungen. Im Agrarpolitischen Forum wurde über die Zukunft der Landwirtschaft kontrovers diskutiert.
Von Claudia Duda
Moderne Technik und innovative, nachhaltige Produkte – so präsentiert sich die Landwirtschaft aus Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt auf der agra in Leipzig. Doch auf dem Agrarpolitischen Forum am Donnerstag (11.4.) wurde deutlich, was vielen Landwirtinnen und Landwirten Sorgen bereitet. Steigende Preise, hohe Energiekosten und unsichere Erträge lassen viele Bauern unsicher in die Zukunft blicken.
„Ich habe Sorge, dass wir im internationalen Wettbewerb nicht mehr bestehen“, erklärte Lorenz Eskildsen. Der Landwirt aus Sachsen hat im vergangenen Jahr den Ceres Award als bester Geflügelhalter Deutschlands gewonnen. Er befürchtet, dass die Tierhaltung ins Ausland abwandert, weil die Wettbewerbsbedingungen in Deutschland nicht mehr gegeben sind. Sein Wunsch an die Politik: dass von politischer Seite auch das umgesetzt wird, was versprochen wird.
Die Vorgaben der EU und die Kriterien der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) standen im Fokus der Diskussion. „Die Bedeutung der gemeinsamen Agrarpolitik steigt, auch weil unklar ist, wie sich die Preise auf dem Weltmarkt weiterentwickeln“, sagte Stefan Meitinger vom Deutschen Bauernverband. Der Referent für europäische und internationale Agrarpolitik unterstrich, dass damit die Abhängigkeit die Abhängigkeit von der EU wachse.
Volker Rost vom Landwirtschaftsministerium Sachsen-Anhalt betonte allerdings: „Wir dürfen die Bürokratie nicht noch weiter ausdehnen! Das haben die Bauernproteste auch gezeigt. Wir müssen zusehen, dass es insbesondere auf europäischer Ebene vergleichbare Kriterien gibt, aber die Überprüfung mit weniger bürokratischem Aufwand erfolgt.“
Auch Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) machte deutlich, dass die Politik sich durchaus bewusst sei, dass die Landwirtschaft sich dem Wettbewerb auf den globalen Märkten stellen muss: „Wir produzieren hier zu sehr hohen Standards, deshalb kann man hier Produkte mit gutem Gewissen kaufen“, sagte der Minister. Aber es müsse auch überprüfbar sein, wie die Bestimmungen eingehalten werden. Das sei ein Dilemma.
Der Präsident des Sächsischen Bauernverbandes, Torsten Krawczyk hielt dagegen: „Die Standards dürfen nicht noch mehr überhöht werden“, sagte er. Die Branche würde immer mehr in die Abhängigkeit geführt. „Dabei haben wir nicht den Wunsch nach einem starken Vater Staat – im Gegenteil – wir wollen so wenig Staat, wie möglich“, betonte Krawczyk nachdrücklich.
Kontrovers wurde die Diskussion vor allem, als Wiebke Merbeth forderte, dass die Landwirtschaft sich selbst mehr nachhaltige Ziele setzen solle. Merbeth ist Partnerin bei Deloitte – einer Strategieberatung. Sie berät die Bundesregierung in Fragen des Sustainable Finance – der nachhaltigen Finanzierung.
Die einzige Frau in der Diskussionsrunde forderte von den Landwirtinnen und Landwirten Veränderungsbereitschaft und Akzeptanz. „Wir sind global an einem Kipp-Punkt“, sagte Merbeth. „Ist das ein sächsisches Thema? Nicht direkt – aber wir leben auf Kosten anderer“, erklärte sie nachdrücklich. Die Digitalisierung sei eine große Chance, um die Regeln, derer es dringend bedürfe, auch zu kontrollieren. Landesbauernpräsident Torsten Krawczyk entgegnete: „Wir dürfen nicht alle erziehen und belehren wollen!“
Emotional wurde die Diskussion auch, als sich Marco Birnstengel aus dem Publikum zu Wort meldete. Der Landwirt engagiert sich bei Land schafft Verbindung (LsV) Sachsen. „Es gibt nur einen Dummen im System: der Landwirt!“, rief er. „Wir haben einen Güterzug voll Auflagen.“ Er kritisierte die „Blümchen-Suche-Apps für Erwachsene“ mit denen die Landwirte „den ganzen Tag Nachweisführung betreiben“. Birnstengel sprach von ruinösen Marktverhältnissen. „Es macht keinen Spaß mehr!“, erklärte er und forderte alle auf, sie der Resolution des LsV anzuschließen.
„Und wer bezahlt nun die Zukunft der Landwirtschaft?“, fragte abschließend Moderator Karsten Bär von der Bauernzeitung. „Wir alle – an der Lebensmitteltheke“, antwortete spontan Volker Rost. „Wir müssen Maß halten und uns weiterentwickeln, um Geld zu verdienen. Torsten Krawczyk erklärte, zuerst müsse es erwirtschaftet werden, bevor es bezahlt werden könne. „Wir müssen an die nächste Generation glauben – nicht an die letzte Generation!“
Der Ceres Award Gewinner 2023 stellte sich den Fragen der Bauernzeitung nach der Diskussionsrunde im Agrarpolitischen Forum in Leipzig. Es ging um die Bauernproteste und die Frage: Wer bezahlt die Landwirtschaft?
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Beim Agrarstrukturgesetz versuchen Sachsens Grüne Druck aufzubauen. Doch ihr Projekt kommt nicht ins Ziel, weil der Bauernverband nicht zustimmt. Daran hat auch das Agrarministerium seinen Anteil, das kommentiert Karsten Bär.
Sachsens Landwirtschaft steht vor dem Ausverkauf. Diesen Eindruck vermitteln die sächsischen Grünen. Und: Nichts anderes als das sächsische Agrarstrukturgesetz könne dies verhindern. Wer es ablehne, handle gegen die Interessen der Landwirtschaft, warnen Agrarminister Wolfram Günther und seine Partei.
Der Ton ist schärfer geworden. Und das hat einen Grund. Das Agrarstrukturgesetz, das die sächsischen Grünen in den Koalitionsvertrag schreiben ließen und dessen Entwurf seit vorigem Jahr vorliegt, wird mit großer Sicherheit nicht kommen. Solange die Verbände das Gesetz ablehnen, könne man nicht zustimmen, heißt es beim Koalitionspartner CDU. Die Verbände – das sind Sächsischer Landesbauernverband (SLB), Land schafft Verbindung, die Familienbetriebe Land und Forst und der Genossenschaftsverband. Hingegen gelten die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und das Bündnis Ökolandbau als Befürworter.
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Der grüne Groll darüber ist einerseits verständlich. Vertrag ist Vertrag. Und lange hat die CDU das vereinbarte Vorhaben auch laufen lassen, ohne Einwände zu äußern. Kurz vor dem Finale die Zustimmung zu verweigern, wirkt willkürlich. Andererseits: So weit war der Konsens dann doch nicht gediehen. Minister Günther reklamiert zwar, den Berufsstand breit in die Erarbeitung des Gesetzes einbezogen zu haben. Entkräftet wurden die Zweifel dabei aber nicht. Die „Mängelliste“ des SLB ist lang – und die Kritik, dass das Ministerium Einwände zwar zur Kenntnis nehme, aber selten berücksichtige, gab es schon bei anderen Vorhaben.
Günther spricht hingegen von „innerverbandlichen Widersprüchen“: Im SLB gäben jene den Ton an, die davon profitieren, wenn das Agrarstrukturgesetz nicht komme. Er illustriert dies mit dem Fall des ehemaligen Thüringer Bauernpräsidenten Klaus Kliem, der sein Agrarunternehmen an die Aldi-Stiftung verkaufte. Viele im Verband wünschten sich hingegen Schutz vor Investoren, scheuten sich aber, dies offen zu artikulieren, behauptet der Minister.
Abgesehen davon, dass diese Zuschreibung die verbandsinternen Prinzipien der Meinungsfindung ignoriert: Man kann ein Anliegen grundsätzlich gutheißen, über seine Umsetzung aber unterschiedlicher Meinung sein. Die Attitüde „Nur unser Gesetz verhindert den Ausverkauf!“ trägt Züge der Selbstüberschätzung. Die Dramatisierung der Notwendigkeit ist manipulativ. Statistisch könne man den Ausverkauf von Agrarbetrieben in Sachsen nicht belegen, hat Günther eingeräumt. Man höre aber immer wieder davon. Anekdoten als Beleg? So könnte man alles Mögliche beweisen.
Die Einwände der Verbände sind nicht lapidar. Sie befürchten, dass das Gesetz die Entwicklung bestehender Betriebe beeinträchtigt, Marktmechanismen außer Kraft setzt, dem Staat unangemessene Lenkungsmacht in die Hand gibt und zu noch mehr Bürokratie führt. Der Schutz vor dem Ausverkauf sei eben auch mit Einschränkungen verbunden, heißt es von den Befürwortern des Gesetzes. Über Details hätte man ja reden können. Dass der SLB und andere Interessenvertreter misstrauisch bleiben, ist dennoch nachvollziehbar. Reglementierungen sind schnell erlassen. Eingriffsrechte, die sich der Staat einmal nimmt, gibt er selten wieder her.
Kommentar aus der Ausgabe 15/2024
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AbL-Mitteldeutschland verleiht den Negativpreis „Landgrabber des Jahres“ an Dennree. Das Bio-Unternehmen hat einen Landwirtschaftsbetrieb im Vogtland gekauft. Vor einem Denns-Bio-Markt in Dresden gab es eine kleine Demo.
Zum vierten Mal hat die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Mitteldeutschland ihren Negativpreis „Landgrabber des Jahres“ vergeben. Ausgewählt wurde der im fränkischen Töppen ansässige Bio-Lebensmitteleinzelhändler Dennree. Mitglieder des Verbandes fanden sich am Sonnabend (6.4.) in Dresden vor einer Denns-Biomarktfiliale für die Preisverleihung ein. Anlass ist der Aufkauf eines weiteren Landwirtschaftsbetriebes im Vogtland durch das Unternehmen.
Bereits im Jahr 2015 hatte Dennree einen großen konventionellen Betrieb im Vogtland aufgekauft und unter dem neuen Namen Hofgut Eichigt auf ökologischen Landbau umgestellt. Rückwirkend zum Jahresbeginn hat das Hofgut nun auch die Agrargenossenschaft Großzöbern übernommen und bewirtschaftet damit nun 6.100 Hektar. Die Expansion mache deutlich, dass Landwirte nicht mit außerlandwirtschaftlichen Investoren um Land konkurrieren könnten, sagte Anne Neuber, Geschäftsführerin der AbL Mitteldeutschland. „Die Konzerne erwirtschaften ihr Geld nicht in der Landwirtschaft und können deshalb beliebig hohe Preise zahlen.“
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Problematisch sei im konkreten Fall das Zusammenspiel zwischen Lebensmitteleinzelhandel und Landwirtschaft. Land, Produktion, Verarbeitung und Vertrieb konzentrierten sich in einer Hand. Diese könne auch für den Biobereich zum Problem werden, kritisiert die AbL. Größe und Vernetzung führten langfristig dazu, die Preise in diesem Bereich zu bestimmen.
Der Einstieg außerlandwirtschaftlicher Investoren bedroht aus Sicht von Clemens Risse, AbL-Landesgeschäftsführer in Sachsen und Bauer in der Nähe von Meißen, nicht nur kleine Betriebe. „Kein Landwirtschaftsbetrieb, egal ob groß oder klein, kann langfristig gegen die Konkurrenz durch kapitalstarke Großkonzerne bestehen“, sagt er. „Wir alle wirtschaften bis auf ganz wenige Ausnahmen zu 70 bis 80 Prozent auf Pachtland. Wenn ein Betrieb einen Investor im Hintergrund hat, wird er alle anderen Pachtgebote in der Region überbieten. Das gefährdet die Existenz der bestehenden landwirtschaftlichen Betriebe.“
Die AbL kritisiert in diesem Zusammenhang die Ablehnung des sächsischen Agrarstrukturgesetzes vor allem durch den Sächsischen Landesbauernverband (SLB). Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf wäre der erneute Landkauf durch Dennree nicht möglich gewesen.
„Der sächsische Bauernverband vertritt offenbar nur die Interessen der größten 30 der insgesamt 6.000 landwirtschaftlichen Betriebe in Sachsen“, so Anne Neuber. „Der SLB setzt die Existenz des Großteils der bestehenden Landwirtschaftsbetriebe in Sachsen aufs Spiel und verhindert Existenzgründungen in der Landwirtschaft. Wenn dem Bauernverband die Zukunft des Berufsstands am Herzen liegt, sollte er seine Haltung zum Agrarstrukturgesetz der Regierung dringend ändern.“
Der Streit um das Agrarstrukturgesetz schwelt unterdessen weiter. Die Grünen-Fraktion hat mit einem „Faktencheck“ auf die Ablehnung des Gesetzes durch den SLB, LsV Sachsen, Familienbetriebe Land und Forst und den Genossenschaftsverband reagiert, aufgrund derer die CDU dem Gesetz ihre Zustimmung versagt. Auf die inhaltlichen Einwände gegen den Gesetzentwurf wird in dem „Faktencheck“ indes kaum eingegangen.
Ein Gesprächsangebot mit dem Koalitionsausschuss, das sie für Mittwoch (10.4.) erhalten hatten, lehnten die Verbände kategorisch ab. Nicht nur sei die Einladung erneut sehr kurzfristig erfolgt und der Termin einen Tag vor Eröffnung der agra zudem ungünstig. Auch wolle man kein Gesetz dieser Tragweite mitten im Wahlkampf diskutieren. Gern sei man dafür zu Beginn der neuen Legislaturperiode bereit.
Den Titel „Landgrabber des Jahres“ verlieh die AbL Mitteldeutschland erstmals im Jahr 2019. Er ging damals an einen Autohändler wegen dessen Engagements in landwirtschaftlichen Betrieben in Sachsen-Anhalt und Thüringen. 2020 wurden der ehemalige Thüringer Bauernpräsident Klaus Kliem wegen des Verkaufs seines Betriebes an die Aldi-Stiftung und 2023 die Quarterback Immobilien AG für den Kauf der Röderland GmbH in Südbrandenburg von der AbL als „Landgrabber des Jahres“ betitelt.
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Seit mehr als drei Jahrzehnten hat Dr. Kenneth Anders die Landwirtschaft aus kulturwissenschaftlich-philosophischer Perspektive im Blick und sagt: Am Agrardiskurs muss sich Grundlegendes ändern.
Das Gespräch führte Heike Mildner
Anlass für unser Gespräch ist ein Aufsatz mit dem Titel Sprachverwirrung. Der Diskurs über die moderne Landwirtschaft fördert das Missverstehen, den Kenneth Anders auf Oderamazonas.de – ein Dschungelblog über Stadt, Land und die Verunsicherungen in der Sprache veröffentlicht hat. Hinter dem letzten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen und die Bauern auf die Straße getrieben hat, stecke eine jahrelange Erfahrung bürokratischer Gängelung, schreibt Anders.
„Vor allem aber sehen sich die Bauern gezwungen, auf die Straße zu gehen, weil sie bereits seit Jahrzehnten einem aktiven gesellschaftlichen Unverstand ausgesetzt sind, der durch irreführende Begriffe und Sprachregelungen zustande kommt. Die meisten Aussagen, die im öffentlichen Diskurs über die moderne Landwirtschaft getroffen werden, sind verzerrend und schüren das Missverstehen.“ Ein Satz, den ein Landwirt vielleicht anders formuliert hätte, aber mit Sicherheit unterschreiben kann.
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Ein Kommunikationswissenschaftler braucht für diesen Satz Einsicht und Verständnis für die Landwirtschaft. Woher kam und kommt Ihr Interesse?
Anfang der 1990er-Jahre bin ich ins Oderbruch gezogen, und zwar auf einen Bauernhof, der mitten auf dem Acker stand. Ich hatte keine Ahnung, in welchen Auseinandersetzungen die Landwirtschaft damals stand und was die moderne Technologie der Landwirtschaft ausmacht. In den ersten Jahren war das Verhältnis zur Landwirtschaft durchaus ein spannungsvolles.
Ringsherum wird gespritzt, man hat kleine Kinder, ist beunruhigt. Oder man schreckt aus dem Bett hoch, weil es auf einmal taghell und laut ist, weil gerade die Zuckerrüben abgefahren werden. So etwas stimmt mit den eher idyllisch geprägten Vorstellungen vom Landleben nicht überein. Aber natürlich gibt es auch die schönen Momente: Sonnenuntergänge über dem Feld, tolle Wetterereignisse, die Ernte, die Strohrollen hinterher … Siegfried Kunze und die späteren Betriebsleiter Vera Wesner und Olaf Stöhr waren immer bereit, mit mir in den Austausch zu treten. Und tatsächlich war das einer der ersten Impulse, mit dem Oderbruchpavillon und der Landschaftskommunikation anzufangen.
Im Oderbruchpavillon (im Archiv auf oderbruchmuseum.de) sind Texte zu Interviews mit diesen drei – und vielen anderen Landwirten – nachzulesen, die das Verständnis für die Zusammenhänge in der Landwirtschaft nachvollziehbar machen. Und Landschaftskommunikation (landschaftskommunikation.de) heißt, sich über den gemeinsam bewohnten und genutzen Raum zu verständigen. In dieser Verständigung haben Sie Verständnis entwickelt?
Genau. Zum Beispiel ging es bei einem PleinAir mit Künstlern und Landschaftsplanern um das Thema Grund und Boden, also um Fragen der Bodenverteilung nach der Wende. Später haben mich Bodenfruchtbarkeit, Konkurrenzsteuerung und Fragen des Wasserhaushaltes, also im engeren Sinne fachliche Fragen beschäftigt. Und nach und nach habe ich die Zusammenhänge besser verstanden. Mit Betriebsleiter Bernd Hoffmann in Altreetz habe ich oft gesprochen. Später wurde er Vorstandsvorsitzender des Museumsvereins, und Vera Wesner hat ihn später abgelöst. Die Landwirte in meinem engeren Umfeld haben meine Kulturarbeit also auch direkt unterstützt und auch auf der kommunalpolitischen Ebene viel dafür getan, dass diese Arbeit anerkannt und finanziert wird.
Eine Annäherung von beiden Seiten also.
Auf jeden Fall. Es war ein Empfinden da, dass der jeweils andere es ehrlich meint, und auf dieser Basis hat sich sehr viel entwickelt.
Bis hin zum Jahresthema Landwirtschaft im Oderbruchmuseum vor sechs Jahren.
Das war sicherlich eines unserer wertvollsten Jahresthemen. Ich habe damals mit vielen Agrarwissenschaftlern gesprochen, und die haben gestaunt, was man auf der Basis von 30 Gesprächen mit Landwirten alles an Erkenntnissen generieren kann.
Landwirten zuzuhören, könnte nicht nur für Wissenschaftler hilfreich sein. Sie haben die Entwicklungen verfolgt: Was hat sich getan seit 2018?
Die Dynamik, der Veränderung – also Transformationsdruck, der auf den Betrieben lastet, ist so gewaltig, dass man jetzt, sechs Jahre später, eigentlich schon wieder ein Jahresthema Landwirtschaft setzen müsste. Wir haben im vergangenen Jahr eine Gastausstellung zum Thema Kulturerbe Oderbruch in Brüssel gemacht und dort viele Fotos gezeigt, die 2018 entstanden waren. Deutlich wurde: Die einen haben ihre Milchkühe inzwischen aufgegeben, andere Betriebe haben inzwischen einen anderen Eigentümer. Die Veränderungen allein in den Betrieben, die wir damals porträtiert haben, sind gewaltig.
In der Öffentlichkeit, in den Medien spielt das aber kaum eine Rolle …
In der Gesellschaft gibt es gar kein Bewusstsein dafür, wie hoch der Transformationsdruck ist, der auf den Betrieben lastet. Gemessen an dem, was sich im Berufsleben vieler anderer Menschen verändert, geht es in der Landwirtschaft viel gravierender und schneller.
Ein Beispiel: Im Buch zum Jahresthema Landwirtschaft beschreibt Andreas Schmidt-Frielinghaus, wie sie im Betrieb bestimmte Feldfrüchte erprobt und wieder verworfen haben. Obwohl es sehr sachlich geschrieben ist, wird ein immenser Druck beim Lesen spürbar! Was macht das mit Leuten, die eine Familie haben, die zum Beispiel Milchvieh halten und jeden Tag zugucken, wie sie Verluste schreiben. Sie müssen das verantworten, es auch nervlich aushalten. Die Medien haben keinen Zugang zu diesen emotionalen Aspekten des Berufs.
Es gibt ja auch kaum einen Beruf, der so viele Variablen beim Produzieren berücksichtigen muss. Ich denke an das „Bauerncasino“ im Museum. Wie sind Sie darauf gekommen?
Wir haben eine Sommerschule mit Schülern und Studenten aus Eberswalde zum Thema „Kann man Landschaft spielen?“ gemacht. Da ist das Bauerncasino entstanden. Es besteht aus drei Würfeln: Der erste würfelt das Wetter, der zweite den Markt, und der dritte würfelt die Politik. Wenn der Wurf gut ist, kann das für enorme Einnahmen sorgen. Bei drei Fehlwürfen hintereinander ist der Betrieb dann aber eben pleite. Die Flexibilität, die nötig ist, um seinen Betrieb dort hindurchzunavigieren, ist enorm.
Davon machen sich die meisten keinen Begriff. Verglichen mit anderen Wirtschaftsstrukturen, stehen Landwirte wirklich noch mit einem Bein im 18. Jahrhundert und mit dem anderen im 21. Jahrhundert mit einer modernen Technik und einer gigantischen Regulierung. Das erzeugt Spannung. Und der Druck nimmt zu, weil es Kräfte in den Industriestrukturen gibt, die dort noch eine Möglichkeit sehen, sich Kapital anzueignen, das immer noch über weite Strecken in den Händen von Selbstständigen ist.
Teils sind das sehr große Betriebe. Den Begriff industrielle Landwirtschaft finden Sie aber nicht angebracht. Warum?
Industrie ist die standardisierte Verarbeitung von Rohstoffen zu Produkten, Landwirtschaft ist die Herstellung solcher Rohstoffe, vor allem durch die Bearbeitung des Bodens. Der Boden aber ist eine Ressource, die immer individuell wie ein Fingerabdruck ist und tägliche Zuwendung braucht. Die landwirtschaftliche Bindung an den Boden ist eben gerade nicht industriell. Zwar nutzen die Landwirte industrielle Maschinen für ihre Arbeit, aber das tut heute jeder Mensch.
Ausschlaggebend für den industriellen Charakter einer Arbeit ist nicht das Werkzeug, sondern die Herrschaft über den Prozess. Wo der Mensch selbst entscheidet, was wann wo und mit welchen Mitteln zu erfolgen hat, und diese Hoheit nicht an ein technologisches Prinzip abtritt, ist es Handwerk. Und wo er täglich existenziell an ein und dasselbe Gut gebunden ist und es erhalten und verbessern muss, wie es beim Boden der Fall ist, da ist es Landwirtschaft.
Der landwirtschaftliche Betrieb bildet ein komplexes System aus Mensch, Boden, Tier und Technik. Diese kleinen Systeme drohen zerstört zu werden, und dahinter liegen allzu oft Kapitalinteressen, die sich an den Eigentumsverschiebungen und der wachsenden Zahl an Filialbetrieben in der ganzen Welt allzu deutlich zeigen.
Die Rede von der industriellen Landwirtschaft, die angesichts moderner Traktoren und Ställe leichtfertig im Munde geführt wird, verschleiert die Gefahr, dass Bauern ihre Betriebe aufgeben und sich stattdessen tatsächlich industrielle Akteure des Landes bemächtigen. Sie macht aus den Opfern der industriellen Bodenagglomeration vermeintliche Täter.
Welchen Eindruck haben Sie von der Resonanz der Bauernproteste in der Öffentlichkeit?
Trotz des jahrelangen verzerrenden Sprachgebrauchs im Landwirtschaftsdiskurs empfinde ich die öffentliche Resonanz auf die Bauernproteste als überwiegend positiv. Offenbar gibt es ein Bewusstsein dafür, dass die Bauern Sympathie und Solidarität verdienen. Das ist ermutigend.
Wie könnte das aufgefrischte Verhältnis zwischen Gesellschaft und Landwirten weiter- entwickelt werden?
Eines der gravierendsten Probleme unserer Gesellschaft heute ist, dass sie das Erfahrungswissen der Menschen systematisch ausgrenzt. Das ist ein Dilemma. Denn das Erfahrungswissen der Menschen ist die wichtigste Quelle für Lernprozesse und Entwicklungen. Die Wissenschaft kann sich einbringen, bestimmte Empirie verfeinern oder forcieren. Aber die enorme Bedeutung, die heute Modellrechnungen zukommt, die gar nicht mehr rückgekoppelt werden mit dem, was täglich auf dem Acker und sonst auch für Erfahrungen gemacht werden, das halte ich wirklich für ein ganz gravierendes Problem.
Die Wissensproduktion findet vor allem im Spannungsfeld von Medien und Politik statt, weniger im Spannungsfeld von Praxis und Denken. Die meisten Landwirte sehen das ganz klar. Deswegen ist die landwirtschaftliche Grunderfahrung die einer Fremdbestimmung.
Und dann ist das Fass am Überlaufen, man wehrt sich, geht auf die Straße. Wie haben Sie die Debatte um die „rechte Ecke“ wahrgenommen?
Da ist eine Form der Delegitimation sichtbar geworden: Man hat den Landwirten politisch unlautere Motive unterstellt. Und man kann ihnen nur wünschen, dass sie sich davon nicht irre machen lassen. Ich bin selber im Januar zu einem dieser großen Protesttage hingefahren, wollte mir einen Eindruck verschaffen. Und ich muss sagen, dass mich das Auftreten der Landwirte alles in allem beeindruckt hat. Das war unbeirrt, das war in der Sache klar. Und es war natürlich politischer Protest, der auch hier und da mal frech war. Aber er war eben nicht politisch geframt. Es ist Wesenskern der Demokratie, dass diese politischen Auseinandersetzungen geführt werden.
Wie kommen wir aus dem grundsätzlichen Dilemma, das Sie beschrieben haben, wieder raus?
Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Im Zusammenhang mit den Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz wird es zunehmend möglich, das, was auf den Äckern passiert, permanent zu überwachen und auszuwerten. Eine Form der Steuerung, die dem Produzenten die Luft zum Atmen nimmt. Ich glaube, wir haben noch gar nicht verstanden, wie grundsätzlich dieses Thema ist. Dass man eigentlich ein anderes Paradigma braucht, eine andere Grundvorstellung davon, wie Landwirtschaft in dieser Gesellschaft funktionieren und ermöglicht werden soll.
Die grundlegenden Überlegungen müssten in die Richtung führen: Wie kann der Selbsterhalt der Betriebe gewährleistet werden? Wenn der beschreibende Anteil dessen, was heute landwirtschaftliche Wirklichkeit ist, nicht massiv erhöht wird, kann die Politik, die dann gemacht wird, immer nur noch schlechter werden. Ich weiß nicht, wie wir eine vernünftige Agrargesetzgebung hinbekommen. Aber vielleicht wäre es schon mal ein Anfang, einen Schritt zurückzutreten und mal Luft an die gesetzliche Lenkungs- und Kontrollmechanismen zu lassen.
Das wäre das Gegenteil von dem, wohin die Reise mit Foto-App etc. derzeit hingeht …
Das politische Paradigma ist immer noch die totale Kontrolle, gerade im Bereich der Landwirtschaft. Aber Komplexität kann ich nicht kontrollieren! Komplexität heißt: Ich muss als Betriebsleiter sowohl den Boden im Blick haben, das Wetter, die Marktpreise, die Fruchtfolgen, den Schädlingshorizont, die Maschinen, meine Angestellten. Man darf nicht vergessen, dass der landwirtschaftliche Betrieb ja eigentlich eine Art Organismus ist, und ich kann da nicht einfach aus politischem Kalkül irgendetwas herausbrechen oder austauschen.
Wenn ich versuche, die Komplexität zu kontrollieren, mache ich etwas paradigmatisch genau Gegensätzliches von dem, was der Betriebsleiter macht: Der trifft die ganze Zeit Abwägungsentscheidungen. Eines bedingt das andere. Und diese Bedingtheiten erfordern eine unglaubliche Wachsamkeit und eine Integration von sehr asymmetrischen Wissensbeständen.
Das heißt, ich muss sowohl in den Rechner gucken und Bilanzen machen und trotzdem muss ich draußen auf dem Acker die Krume mal in die Hand nehmen. Diese Komplexität kann man nicht in der Weise kontrollieren, wie die Politik sich das einbildet. Und das müsste grundsätzlich ausgefochten werden.
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Neuerdings soll der schnelle Abschuss auffälliger Wölfe möglich sein. Zwei aktuelle Fälle aus Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen zeigen jedoch, dass sich in der Praxis wenig ändert.
Von Nicole Gottschall und Ralf Stephan
Statt eines Endes mit Schrecken eher ein Schrecken ohne Ende – so könnte das bisherige Jahr von Schäfermeister Ingo Stoll aus dem Landkreis Vorpommern-Rügen zusammengefasst werden. Beim jüngsten vermutlichen Wolfsübergriff auf seine Herde am 4. April in Redderstorf verlor Stoll 20 Schafe, 15 weitere sind verletzt. Es war, wie er sagte, der größte Wolfsriss, den er bisher erlebte, und der dritte seit Jahresbeginn. Im Januar und am Gründonnerstag wurden insgesamt neun Tiere gerissen.
Stoll forderte bereits nach den ersten Angriffen einen schnellen Abschuss eines Wolfes. Die zuletzt getöteten Schafe waren vorschriftsmäßig mit einem Elektrozaun – sogar 110 cm statt der geforderten 90 cm hoch – geschützt, berichtet der Schäfer. Wölfe kämen im Zweifel jedoch über die Zäune hinüber oder möglicherweise darunter hindurch. Nach dem jüngsten Angriff habe er sofort das Wolfsmonitoring benachrichtigt. Beim Gutachtereinsatz deutete vieles auf Isegrim hin, genetische Untersuchungen müssen ihn jedoch noch als Verursacher bestätigen, wie das Umweltministerium in Schwerin mitteilte.
Mitte März wurde das Raubtier in Mecklenburg-Vorpommern zwar in das Jagdrecht aufgenommen, an seinem Schutzstatus ändert sich allerdings nichts. Weiterhin müsse jeder Einzelfall geprüft werden, so die Behörde. Minister Till Backhaus (SPD) kritisierte, dass der Bund bisher keine schnellere Entnahme ermöglicht und geregelt hat, verwies allerdings auch auf den seit 1. April geltenden Mutter- und Welpenschutz, der auch für Wölfe gilt.
Beistand erfährt Stoll vom Landesbauernverband, der die Forderung des Schäfers nach sofortiger Entnahme des Wolfes unterstützt. „Es ist Zeit für konsequentes Handeln“, sagte Verbandspräsident Karsten Trunk, „zum Schutz der Weidetierhaltung sind auch scheinbar unbequeme Entscheidungen unumgänglich“.
Dass die neuen Regeln zur schnelleren Entnahme auffälliger Wölfe offenbar nicht zur Entlastung der Tierhalter führen, zeigt sich gerade in Niedersachsen. Dort sollte in der ersten Aprilwoche ein Wolf nach dem neuen Verfahren entnommen werden. Er hatte nahe Hannover einen Jungbullen aus einer Herde Heckrinder gerissen. Die von zwei Gerichten bestätigte Genehmigung wurde dennoch ausgesetzt, nachdem gleich mehrere Eilanträge dagegen eingegangen waren.
Diese Rolle rückwärts bleibt nicht folgenlos. Die Mitgliedsverbände des Aktionsbündnisses aktives Wolfsmanagement verlassen das Dialogforum Weidetierhaltung und Wolf. Sie zweifeln an der wahren Absicht des niedersächsischen Umweltministeriums, für die Weidetierhalter zeitnah Lösungen durchzusetzen, denn Ansätze dazu hätten sie seit Jahren geliefert. Das Landvolk spricht darüber hinaus in einer Pressemitteilung vom inakzeptablen Umgang mit den Weidetierhaltern seitens des Umweltministeriums.
Jörn Ehlers, der Sprecher des Aktionsbündnisses und Landvolk-Vizepräsident, erklärt dazu: „Wir haben Umweltminister Meyer schon vorab in einem Schreiben unseren Unmut bezüglich der bisherigen unzureichenden Bemühungen und Fortschritte im Umgang mit dem Wolf mitgeteilt. Die Missachtung unserer Mitarbeit seitens der Landesregierung sowie deren Umgang mit allen Gruppen, die im Aktionsbündnis aktives Wolfsmanagement vereint sind, lassen aktuell keinen anderen Schritt als ein Aussetzen der Mitarbeit zu.“
In dem Schreiben, das im Februar an den zuständigen Umweltminister Meyer ging, kritisieren sie den schleppenden und intransparenten Prozess und bezweifeln insgesamt die Handlungsfähigkeit des Dialogforums Wolf, hier zeitnah Lösungen zum schnellen Abschuss des Wolfes und zur Finanzierung des Herdenschutzes zu liefern.
Der Förderverein der Deutschen Schafhaltung geht in seinem Unmut über die zurückgenommene Abschussgenehmigung sogar noch einen Schritt weiter und fordert den Rücktritt aller Umweltminister in Deutschland. In ihrer Pressemitteilung heißt es: „Rechtssicherheit für Weidetierhalter sieht anders aus. Alle Ministerinnen und Minister haben sich damit für Ihr Amt disqualifiziert – und sollten umgehend abgelöst werden“.
Was die Schafhalter besonders enttäuscht: Die Umweltminister räumen der Weidetierhaltung zwar einen hohen Stellenwert ein, halten jedoch parallel an der Ausbreitung gefährlicher Wolfsrudeln fest. Ungeachtet dessen, dass es in einigen Regionen bereits jetzt die weltweit höchste Populationsdichte gibt: „Zu den bedrohten Arten zählt nicht mehr der Wolf, aber so manche Schafrasse – und nicht zuletzt Pflanzen und Tiere in speziellen Naturräumen, die nur durch unsere Schafe erhalten bleiben“, gibt der Vorsitzende des Fördervereins der Deutschen Schafhaltung Wendelin Schmücker zu bedenken.
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Zum vierten Mal auf Milch-Tour waren Vertreter der Rinderproduktion Berlin-Brandenburg GmbH (RBB) und des Landeskontrollverbandes (LKV). Schwerpunkte waren Futter-Effizienz, Inzucht und gesunde Kälber.
Von Fritz Fleege
Die Rinderproduktion Berlin-Brandenburg GmbH (RBB) hat kürzlich gemeinsam mit dem Landeskontrollverband (LKV) eine Milch-Tour organisiert, an der vor allem Praktiker aus der Umgebung teilnahmen. Erste Station der Tour war Wachow bei Nauen und die zweite Görlsdorf bei Luckau. An beiden Tagen wurden zunächst Vorträge zur Verbesserung der Rinderzucht gehalten, wozu man -namhafte Referenten gewinnen konnte.
Das ist sehr wichtig, weil sich die Rinderzucht im Wandel der Zeit befindet und sich stets den neuesten Erkenntnissen anpassen muss. Schwerpunkte der diesjährigen Vorträge waren Futtereffizienz, Inzuchtsituation und gesunde Kälberaufzucht.
Im 1. Vortrag berichtete Dr. Christin Schmidtmann vom VIT Verden (Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung) aus Niedersachsen über den neuen Zuchtwert RZFutter-Effizienz. Schließlich kommt es in den Betrieben vor allem darauf an, mehr Milch aus dem Futter zu machen, es also effizient zu verwerten. Es geht somit um das Verhältnis von Futteraufwand zu Einkommensertrag aus der Milch.
Rechnerisch ist das ein Quotient, wobei die beteiligten Komponenten unterschiedliche Skalen haben, was sich so bisher in keinem Zuchtwert widerspiegeln ließ. Die Futtereffizienz sollte sich auf das gesamte Leben einer Kuh beziehen, also wie viel sie an Futter (TMR) aufgenommen, Milch (ECM) gegeben bzw. an Gewicht (BWC) zugenommen hat. Für hochleistende Holsteinkühe kann man mit folgenden Basiswerten rechnen:
Unterschiedliche Kombinationen von ECM und Zuwachs (Output-Merkmale) und/oder Futteraufwand können zu gleichem Ergebnis für Futter-Effizienz führen. Futter-Effizienz ist vom Prinzip her unabhängig von der Leistungshöhe. So sind vom gleichen Tier zum gleichen Zeitraum (möglichst erste, zweite und dritte Laktation) Futteraufnahme, Milchleistung und Körpergewicht zu ermitteln. Dies erfordert einen sehr großen Aufwand und lässt sich nur von einem kleinen Anteil an Tieren ermitteln. Deshalb ist dafür ein gemeinsamer Datenpool aus sechs führenden Ländern der Holsteinzucht vorgesehen.
Dabei zeigte sich, dass Top-Bullen im Rinderzuchtwert RZG (gesamt) die ganze Bandbreite von deutlich negativen bis positiven Bullen im Rinderzuchtwert Futtereffizienz ausmachten. Es lohnt sich also, auch eine Selektion der Futter-Effizienz unter den Top-RZG-Bullen vorzunehmen. Schließlich ist sie für die Ökonomie in der Haltung von Holsteinkühen sehr wichtig. Genetisch ist sie weitgehend unabhängig von den bisherigen wichtigen Zuchtziel-Merkmalen. Der Rinderzuchtwert Futtereffizienz (RZFE) soll demnächst offiziell eingeführt werden.
Die Holsteinzucht in Brandenburg ist in den vergangenen Jahrzehnten hervorragend vorangekommen. Dank konsequenter Anpaarungsstrategien ist die Leistung je Kuh und Jahr auf etwa 10.000 Kilogramm Milch mit 4,0 % Fett und 3,4 % Eiweiß gestiegen. Als ein Problem in der Zucht wird aber oftmals die Inzuchtdepression und damit die Verminderung der Fitness sowie an genetischer Varianz angesehen. Da konnte Dr. Matthias Simon vom RBB in seinem Vortrag die Gemüter beruhigen.
Inzucht bedeutet allgemein die Verpaarung miteinander Verwandter Individuen. Deren Nachkommen haben also mindestens einen gemeinsamen Vorfahren, der sowohl auf der mütterlichen als auch auf der väterlichen Seite vorkommt. Inzucht führt zu einer Verringerung der Heterozygotie und zu einer Zunahme der Homozygotie.
Bei Großneffe mal Großnichte macht das allerdings nur 3,125 % aus. In Brandenburg liegt die Inzuchtquote unter 5 % und damit niedriger als in führenden Zuchtländern. Der Anstieg der Inzuchtquote sollte je Generation weniger als 1 % betragen bzw. je Jahr unter 0,25 % liegen.
Eine Inzucht-Depression besteht, wenn ein ingezogenes Tier nicht die Leistung erbringt, die aufgrund seines Zuchtwertes zu erwarten ist. Das wird vor allem für Fruchtbarkeits- und Gesundheitswerte unterstellt. Ein Zuchtfortschritt ohne Inzuchtsteigerung ist nicht möglich. Höchste Leistungen in Brandenburg bringen Holsteinkühe mit einer Inzuchtquote von 4–8 %. Mögliche negative Folgen der in der Holsteinzucht gegebenen Inzuchtwerte werden meist völlig überschätzt, auch im Verhältnis zum allgemeinen Zuchtfortschritt.
Der Inzucht-Anstieg in der Population sollte von den Verantwortlichen für das Zuchtprogramm unter Kontrolle gehalten werden. In Brandenburg ist man gut aufgestellt, sollte aber möglichst sogenannte junge Inzucht, also gleiche Vorfahren bis zur dritten oder vierten Generation vermeiden. Daher ist bei der Anpaarung besonders auf die Spermaauswahl zu achten.
Wie wichtig eine gesunde Kälberaufzucht ist, darüber informierte Prof. Dr. Martin Kaske aus der Schweiz. Schließlich sind die Kälber die Kühe von morgen. So wirkt sich schon die Tränkeintensität in den ersten Lebenswochen auf die spätere Milchleistung und auf die Nutzungsdauer der Kühe aus. Daher sind ältere Aufzuchtkonzepte zu revidieren. Heute gilt die Schaffung optimaler Bedingungen, Vermeidung von Krankheiten und intensives Tränken. Vieles spricht auch für eine längere Laktationsdauer der Kühe, um weniger Abkalbungen und damit Kälber zu haben. So ist eine freiwillige Wartezeit zur Besamung bis zu 180 Tagen bei Hochleistungskühen durchaus möglich.
Der Aufwand für eine Trächtigkeit sinkt dadurch drastisch. Deshalb sollte man Fruchtbarkeitskennzahlen künftig auf die produzierte Milchmenge beziehen und nicht auf das erzeugte Kalb. Die Verlängerung der freiwilligen Wartezeit ist allerdings nur sinnvoll für Betriebe mit hoher Leistung und einem herausragenden Management. Im Idealfall sollte die Laktationsdauer tierindividuell festgelegt werden. Die Verlängerung der Laktation ist insbesondere für hochleistende Erstkalbinnen sinnvoll. Allgemein kann es eine Maßnahme sein, um tierschutzrelevante Probleme im Zusammenhang mit zu vielen Kälbern zu vermeiden.
Um die wenigeren Kälber muss man sich dann aber intensiv kümmern, denn was man vorn versäumt, kann man hinten nicht aufholen. So bewirkt eine intensive Fütterung mit Milch mehr Wachstum und Gesundheit. Auch Euterentwicklung, Erstkalbealter und Milchleistung werden positiv beeinflusst. Deshalb sollte man ältere Aufzuchtkonzepte revidieren, also optimale Bedingungen schaffen, Erkrankungen vermeiden und intensiv tränken. Die Aufzuchtperiode ist von zentraler Bedeutung für die spätere Leistungsfähigkeit der Milchkuh.
Wichtig für die Kälberaufzucht sind ein guter Immunstatus, gute Ernährung, viel Platz, ausreichend Luft und Licht sowie eine gute Betreuung. In den meisten Betrieben weiß man allerdings von den Kälbern nur wenig. Deshalb sollten sie nach der Geburt und am Tag des Abtränkens gewogen werden. Schließlich sollen sie während der Tränkeperiode mindestens 750 Gramm je Tag zunehmen. Auch Betriebsblindheit kann Ursache für unzureichende Aufzuchtergebnisse sein. So werden Probleme oft nicht erkannt, unterschätzt und auch ignoriert. Deshalb sollte man stets Umschau bei den Besten seiner Branche suchen, Vergleiche mit den eigenen Ergebnissen ziehen und Schwachstellen abstellen.
Nach den Vorträgen hatten die Teilnehmer der Milch-Tour die Möglichkeit, sowohl die Genossenschaft Wachower Landwirte als auch das Milchgut Görlsdorf zu besuchen und sich einen Praxisüberblick zu verschaffen. Beide Milchviehbetriebe zeichnen sich durch gute Haltungsbedingungen, hohe Leistungen und gute Arbeitsorganisation aus. Schließlich verfügen sie über Melkkarussells mit viel Automatik.
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Unter dem Motto: „Tierzucht und -haltung der Zukunft – Darum brauchen wir Nutztiere“ präsentiert die agra 2024 in Leipzig so viele Aussteller wie kaum zuvor und eine rekordverdächtige Zahl an Zuchtwettbewerben, Rasseschauen sowie Nutztieren.
Von der Redaktion der Bauernzeitung
Der Tierbereich befindet sich dieses Mal in Messehalle 5. Und sie ist gut gefüllt. Die beteiligten Aussteller, wissenschaftlichen Fakultäten, Zuchtverbände, Vereine und Organisationen zeigen Sachsens Vielfalt in der Nutztierhaltung, aber auch die neuesten Produkte, Angebote und Lösungen im Bereich der Tierzucht und Tierhaltung. Alle wesentlichen Aspekte dieses großen Themenkomplexes werden präsentiert: Stallsysteme, Stallbau und Stalleinrichtungen, Fütterung, Tierhygiene und Tiergesundheit, Zuchtprogramme und Reproduktionstechnik.
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Über 380 Fleischrinder sind für die agra angemeldet. Diese größte je auf der Messe präsentierte Zahl stellte Annette Winter, die Tierbeauftragte der agra Landwirtschaftsausstellung, und ihre Mannschaft vor Herausforderungen: „Neben den Milchkühen, den Pferden, Alpakas, Schafen, Ziegen, Kleintieren und Schweinen so eine Anzahl an Fleischrindern aufzustallen und gut zu versorgen, musste erst einmal durchdacht und mit der Arbeitsgemeinschaft der Tierzüchter in enger Zusammenarbeit genau überlegt werden. Das ist uns aber sehr gut gelungen, und wir haben alle tierwohlgerecht und gut untergebracht“, sagt sie.
Um den Besuchern alle Wettbewerbe und täglich Europas größte Nutztierschau präsentieren zu können, hat die agra 2024 zwei Tierschauringe: wieder einen großen, für den einige Hundert Sitzplätze zur Verfügung stehen, und einen kleineren, in dem die Veranstaltungen mit weniger Platzbedarf stattfinden.
Die 6. Bundeschau Fleckvieh-Simmentaler, der Mitteldeutsche Fleischrinderwettbewerb, der 15. Bundesjungzüchterwettbewerb Fleischrinder und der Jungzüchterwettbewerb Holstein sind im Bereich der Rinder die großen Wettbewerbe während der agra 2024.
Dazu kommen der Ostdeutsche Jungzüchterwettbewerb Pferde, die Einzelwettbewerbe und der Sammelwettbewerb der Schafrassen, ein Rassewettbewerb der Alpakas und ganz viele Rasseschauen, unter anderem bei den Kaninchen und dem Rassegeflügel. Wobei die Präsentation des Geflügels auf der agra 2024 noch etwas von den aktuellen Entwicklungen hinsichtlich der Geflügelpest rund um Leipzig abhängig ist. Auch darüber hinaus ist für hohe Fachlichkeit und viele Informationen gesorgt.
Das 2. Mitteldeutsche Schweineforum findet am 12. und 13. April parallel zur Messe statt. Alle Teilnehmer, die hierfür ein Ticket erwerben, erhalten kostenfreien Eintritt an allen Messetagen auch zur agra Landwirtschaftsausstellung.
Gemeinsam mit dem Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie sowie dem Netzwerk Tierwohl zeigt die agra auf der Aktionsfläche Tierwohl die Zukunft und Bedeutung der Nutztierhaltung ganz praktisch und mit allen Sinnen erlebbar. In der agra-Tierklinik erläutern die Veterinärmediziner der Universität Leipzig ihre Projekte ganz praktisch mit zahlreichen Arbeitsstationen, Exponaten wie der Geburtshelferkuh Paula, 3D-Brillen und einem Mikroskopie-Stand. Darüber hinaus gibt es im Tierwohlforum diverse Fachvorträge.
Der Tierbereich auf der agra Landwirtschaftsausstellung 2024 wird zusammenfassend sowohl fachlich als auch hinsichtlich der Zahl beteiligter Aussteller, gezeigter Tiere und beteiligter Verbände wohl einer der umfänglichsten und größten, den die agra nach der Wende je gezeigt hat.
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Wenn es hierzulande einen Ort gibt, wo Wildtiere wahre Freudensprünge machen, dann rund ums Gut Klepelshagen. Dort versteckt der Hase zwar auch keine Ostereier, aber die Feldhasen werden gezählt. Warum fühlen sie sich dort besonders wohl?
Würden Feldhasen tatsächlich die Ostereier verstecken, wäre Klepelshagen der Geheimtipp schlechthin: Die Flächen rund um den kleinen Ort im südlichen Mecklenburg-Vorpommern sind pures Hasenland und ein wahres Paradies für Wildtiere – trotz Landbewirtschaftung und Jagdbetrieb. Nein, eigentlich muss man sagen, gerade wegen der Land- und Forstwirte sowie der Jäger, die dort tätig sind. Oder anders ausgedrückt: wegen des Guts Klepelshagen und der Deutschen Wildtier Stiftung.
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Das Gut ist ein stiftungseigener, Bioland-zertifizierter Landwirtschaftsbetrieb, der von Christian Vorreyer geleitet wird und sich die Artenvielfalt als eines seiner wichtigsten Betriebsziele auf die Fahnen geschrieben hat. „Mit unserer täglichen Arbeit wollen wir zeigen, dass wildtierfreundliche Landwirtschaft auch ökonomisch möglich ist“, erklärt der 54-Jährige. Dazu machten er und sein 15-köpfiges Team so einiges anders.
Als Beispiele nennt er den sehr späten Termin für den ersten Schnitt und die Vorweide mit Fleischrindern, Hecken, Blühstreifen und Brachen, die immer wieder die Schläge teilen, sowie das Schließen von Drainagen, was zu wiedervernässten Flächen und alten Bachläufen führe. Hinzu kämen ein nur kurzzeitiger Holzeinschlag, Habitatbäume und Totholz im Wald sowie die Einrichtung von Wildruhezonen und Fallenjagd für die Niederwildhege. Ihre Wirtschaftsweise gehe deutlich über das hinaus, was Biobetriebe sonst so leisteten würden.
„Wir haben dafür rund zehn Prozent unserer Flächen aus der Nutzung genommen“, erläutert Prof. Dr. Klaus Hackländer, Vorstand der Wildtier Stiftung und Inhaber des Lehrstuhls für Wildtierbiologie und Jagdwirtschaft an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien. „Der Lohn dafür ist ein einzigartiger Lebensraum für über 2.900 Tier- und Pflanzenarten, den wir hier in mittlerweile 27 Jahren auf 2.574 Hektar geschaffen haben.“
Die Stiftung setze sich für den Schutz der heimischen Wildtiere und ihrer Lebensräume ein, richte dabei ihr Augenmerk aber nicht nur auf die großen und imposanten Tierarten, sondern immer wieder auch auf die kleinen, unscheinbaren. „Die sind ökologisch oft besonders bedeutsam.“ Unscheinbar sei der Feldhase zwar nicht gerade, aber ein wichtiger Indikator. „Zum Glück bevölkern noch immer einige wenige Millionen Exemplare unser Land“, erklärt der Stiftungsvorstand. „Trotzdem gibt es in vielen Regionen Deutschlands nur noch sehr wenige von ihnen, und das ist beunruhigend. Wenn schon für den anpassungsfähigen Feldhasen die Lebensbedingungen immer schlechter werden, sind andere Arten in unserer Agrarlandschaft längst ausgestorben!“
Die hasenfreundlichen Maßnahmen der Klepelshagener finden auf Ackerflächen wie auf Grünland statt. Letzteres wird nur dort, wo wirklich notwendig, und nur bis Ende Februar abgeschleppt und gewalzt. Der erste Schnitt erfolgt dann aber nicht Ende April/Anfang Mai, denn das ist genau die Zeit, in der die meisten Junghasen den Mähmaschinen zum Opfer fallen. Die Uckermärker werfen ihre Häcksler nicht vor dem 20. Juni an. Dann sind die Junghasen und der andere Wildtiernachwuchs flink genug, um die Wiesen schnell zu verlassen.
In den Morgenstunden vor dem Häckseln wird die Fläche zudem mit Drohnen abgesucht, um Rehkitze und Bodenbrüter aufzuspüren. Auch der Einsatz von Balkenmähern sowie eine geringere Arbeitsbreite und -geschwindigkeit schützen die Wildtiere zusätzlich.
Zudem nutzt das Gut Hochschnittkufen, die dafür sorgen, dass die Halme erst 12–15 cm über dem Boden abgeschnitten werden (üblich sind sonst 6–8 cm). Der hohe Schnitt schützt auch Amphibien, Reptilien und Insekten. Die Flächenobergrenze, die an einem Tag bearbeitet werden darf, liegt bei 30 Hektar. So können die Wildtiere immer wieder Schutz finden. Da Feldhasen überwiegend dämmerungs- bzw. nachtaktiv sind und sich in der Dunkelheit sicher fühlen, wird das Grüngut im Hasenland nur bei Tageslicht geerntet. Und auch dass jährlich nur zwei Mähtermine stattfinden, erhöht die Zahl der jungen Langohren, die die Erntearbeiten überleben.
Die Klee- und Ackergrasflächen des Betriebes werden von gut 350 Deutsch Angus und einigen Uckermärkern sowie Kreuzungsrindern kurzgehalten. Die Weide vor der Futterernte sichert den späten Mahdtermin und trägt ebenfalls entscheidend dazu bei, dass es hier viel mehr Hasen als anderswo gibt und dass es überall zwitschert, pfeift und tiriliert, weil auch die Bodenbrüter ihre Jungen erfolgreicher aufziehen können.
An den Waldrändern und Söllen lassen die Landwirte breite Streifen, die sie nicht bewirtschaften, und sorgen so für eine Vielfalt an Kleintieren. Das Team von Christian Vorreyer legt zudem Blühstreifen an, teilt die Schläge mit Hecken und Grünstreifen und lässt Flächen brachliegen. Das führt dazu, dass die Mümmelmänner ihre berühmte Hasenapotheke voller Kräuter und Wildgräser finden, wo sie in Ruhe äsen und sich zurückziehen können. Zusätzlich Schutz und Sicherheit finden sie in der gut strukturierten Landschaft auch durch Altgrasstreifen und Feldgehölze.
Dass all diese Maßnahmen Wirkung zeigen, kann Christian Vorreyer mit Zahlen belegen. Seit 2018 (nur 2020 fiel die Bonitur coronabedingt aus) ermitteln sie zweimal im Frühjahr und zweimal im Herbst ihre Feldhasenbesätze. Dazu fahren Zähltrupps, ausgestattet mit Wärmebildkameras, wildschonendem Rotlicht und Schreibbrett, auf festen Routen durchs Offenland.
Routiniert halten sie so fest, wie viele Langohren im Dunklen umherhoppeln. Gleichzeitig erfassen sie Wind, Niederschlag, Bodenbeschaffenheit, Mondphase, Sicht und Temperatur. So können sie auch temporäre Einflussfaktoren auf ihre Zählung bewerten. Die taxierte Fläche wird anschließend mithilfe des geografischen Informationssystems GIS errechnet und vom Jagdbetrieb ausgewertet. Ihr Monitoringprogramm orientiert sich am bundesweiten Wildtier-Informationssystem der Länder Deutschlands (WILD) des Deutschen Jagdverbandes. Aber sie nutzen keine Scheinwerfer, sondern Wärmebildgeräte zum Hasenzählen in der Nacht.
Die jüngste Zählung fand erst letzte Woche auf knapp 900 Hektar statt. Dabei wurden 182 Hasen erspäht, was einem Besatz von 20,23 Hasen/100 Hektar entspricht. – „Erneut ein tolles Ergebnis“, ist Christian Vorreyer erfreut und ordnet das für uns ein. „In Mecklenburg-Vorpommern gibt es – wie im gesamten nordostdeutschen Tiefland – im Durchschnitt nur noch etwas mehr als fünf Hasen pro Quadratkilometer. Und wenn wir schon 20 haben, findet man auf etlichen anderen Standorten demnach gar keine mehr.“ Hinzu käme, dass der Hasenbesatz zur Herbstzählung noch einmal leicht steigen wird, weil dann auch der diesjährige Nachwuchs mitgezählt werden kann.
Dann berichtet der Betriebsleiter, der auch Jäger ist, dass neben dem passenden Habitat die Bejagung der Prädatoren für den Hasenbestand und das gesamte Niederwild sehr wichtig ist. Mit rund 20 Lebendfallen konnten sie im vergangenen Jagdjahr 150 Stück Raubwild entnehmen. „Ihre Bälge haben wir anschließend zum Kürschner gegeben“, ergänzt Klaus Hackländer.
Warum die Wildtier Stiftung gerade auf diese Tierart ein so besonderes Augenmerk legt, erläutert der Wildtierexperte wie folgt: „Der Feldhase ist als Schirmart für einen Lebensraum zu sehen. Wenn es ihm gut geht, können sich wie unter einem Schirm auch andere Wildtiere und -pflanzen entfalten.“ Würde Brüssel hier die richtigen Weichen stellen, könne man mit einem Minimum an Maßnahmen dem fortschreitenden Artensterben auf dem Acker die Dynamik nehmen.
„Es ist wissenschaftlich belegt, dass wir für die Artenvielfalt eine positive Trendwende erreichen, wenn wir nur sieben Prozent der genutzten Ackerfläche als unproduktive Fläche der Natur überlassen“, betont Hackländer. „Landwirte brauchen nur die richtigen finanziellen Anreize – und das Wildtiersterben würde mit einfachen Mitteln eingedämmt werden.“ Ein Umstand, der sicher nicht nur die Hasen zu Freudensprüngen animieren würde
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Für die Fleischrinder und Schafe hat die Weidesaison in Köllitsch begonnen. Mit ausgewählten Tieren präsentiert sich das LVG auf Zuchtschauen und auf Wettbewerben. Ein Höhepunkt steht mit der agra 2024 in Leipzig bevor.
Für die Fleischrinder des Lehr- und Versuchsgutes (LVG) Köllitsch hat, wie üblich zur Mitte des Monats März, die Weidesaison begonnen. Der frühe Austrieb auf die Flächen dient zum einen der Grünlandpflege, denn die Tiere verbeißen die jungen Triebe unerwünschter Pflanzen auf dem Grünland.
Zum anderen kommt der Weidegang auch der Kälbergesundheit zugute. 27 Limousin-Mutterkühe, 25 der Rasse Fleckvieh und 28 der Rasse Angus sind auf verschiedene Weiden des Betriebes aufgeteilt. Ihre Kälber haben sie bereits im Stall bekommen. Dort stehen derzeit nur noch einige Färsen aus eigener Reproduktion, die künstlich besamt werden sollen, sowie einige Jungbullen für die Zucht.
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Drei von ihnen sind bereits verkauft, zwei warten noch auf Interessenten – und weitere zwei auf ihren großen Auftritt. Denn neben zwei Färsen der Rasse Angus und Fleckvieh soll auch je ein junger Bulle dieser beiden Rassen am 13. April am Mitteldeutschen Fleischrindwettbewerb auf der agra Landwirtschaftsausstellung 2024 teilnehmen. Die Tiere sind bereits geschoren und werden derzeit für ihren Auftritt im großen Ring trainiert.
Der Angus-Bulle, ein Incredible-Sohn aus künstlicher Besamung, trägt den Namen Imperator und soll in Köllitsch eine verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen: Die Angus-Herde wurde aufgeteilt; für zehn passende Kühe wird Imperator ab diesem Jahr der Deckbulle sein.
Mit drei jungen Bullen war das LVG unlängst bereits im niedersächsischen Verden recht erfolgreich. Bei den dortigen Fleischrindertagen, der zentralen Auktion für das gesamte Masterrind-Zuchtgebiet, holte der Betrieb mit einem Angus- und einem Fleckviehbullen je eine Ia-Prämierung. Der dritte Bulle, ebenfalls Fleckvieh, wurde Ic-prämiert. Der Angusbulle brachte in der Versteigerung einen sehr guten Preis. Für die Fleckviehbullen gab es zufriedenstellende Ergebnisse.
Um junge Vererber ging es zuletzt in Köllitsch auch bei den Schafen. Neun Jungböcke der Rasse Schwarzköpfiges Fleischschaf (SKF) waren im Januar mit sehr guten Ergebnissen durch den Zuchtleiter des Sächsischen Schaf- und Ziegenzuchtverbandes, Hanno Franke, gekört worden. Inzwischen hat die Vermarktung an interessierte Züchter im gesamten Bundesgebiet begonnen.
Den Auftakt gab bereits am 8. Februar die Absatzveranstaltung für Zuchtböcke der Merino- und Fleischschafrassen in Weimar-Schöndorf in Thüringen, auf der 100 Böcke aufgetrieben worden waren. Zwei Böcke aus dem LVG liefen dort ebenfalls im Ring und zogen schnell das Interesse von Käufern auf sich. Die bei der Versteigerung erzielten Preise können sich sehen lassen.
Mit drei 14 Monate alten SKF-Böcken, die bei der Körung die besten Noten erhalten hatten, beteiligte sich das LVG Köllitsch Mitte März an der 30. SKF-Elite im bayerischen Bayreuth, die gemeinsam mit der 28. Suffolk-Elite stattfand. In der Bewertung der Preisrichter konnte einer der drei eine 1a-Prämierung erringen. Ein zweiter, 1b-prämierter Bock errang aufgrund seiner enormen Bemuskelung mit geringer Fettauflage, gemessen per Ultraschall, den von der Wirtschaftsvereinigung Deutsches Lammfleisch (WDL) verliehenen Titel des Fleischsiegers. Jeweils vom gleichen Bock-Vater abstammend, wurde das Jungbock-Trio als beste Vererbersammlung der Schau ausgezeichnet. „Das ist die Königsdisziplin der Zucht!“, freut sich Birgit Kurze, Bereichsleiterin Schweine und Schafe im LVG Köllitsch, über diesen Erfolg.
Die guten Bewertungen spiegelten sich am nächsten Tag der SKF-Elite auch bei den Versteigerungsergebnissen wider. Während der Ia-prämierte Bock für 850 Euro den Besitzer wechselte, brachten die anderen beiden vierstellige Ergebnisse – die allerdings vom Höchstpreis der Auktion, 6.100 Euro für einen Bock eines Züchters aus Mecklenburg-Vorpommern, noch recht weit entfernt waren. Für die eigene Zucht ersteigerten die Köllitscher einen Bock aus Niedersachsen, der künftig in der Elbaue für hoffentlich gute Nachkommen sorgen wird.
Im nordsächsischen Kölsa trieb das LVG diese Woche zwei Böcke der Rasse Merinofleischschaf (MFS) bei der Eliteveranstaltung für diese Rasse auf (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe). Die verbleibenden drei SKF-Böcke, eigentlich für die Mitteldeutsche Bockauktion in Kölsa vorgesehen, blieben zu Hause im Stall und werden ab Hof vermarktet. Aufgrund des hohen gemeldeten Aufkommens an SKF-Böcken auf der Veranstaltung wollte man das Angebot nicht noch mehr erhöhen.
Und schon in knapp zwei Wochen geht es weiter: Auf der agra Landwirtschaftsausstellung 2024 in Leipzig wird sich das LVG ebenfalls zeigen. Mit je drei weiblichen Jährlingen der beiden in Köllitsch gehaltenen Rassen ist der Betrieb bei den Rassevorführungen und Wettbewerben des Schafzuchtverbandes vertreten. Die Weidesaison bei den Schafen beginnt derweil auch in Kürze. Nach Ostern sollen die ersten Tiere den Stall verlassen.
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Die Auswertung der Daten für das Wirtschaftsjahr 2022/23 ergibt zwar nach langer Durststrecke ein ordentliches Ergebnis. Doch um Rückschläge aus den Vorjahren auszugleichen, reicht es kaum.
Von Thomas Annen, LFA und der Redaktion der Bauernzeitung
Wie es hierzulande um die wirtschaftliche Lage der Landwirtschaftsbetriebe bestellt ist, beurteilte jüngst die Landesforschungsanstalt auf Basis von Jahresabschlüssen aus dem Testbetriebsnetz. Dafür stellten 153 Betriebe, darunter 112 mit geteiltem Wirtschaftsjahr (WJ) und 41 mit Kalenderjahr, ihre Daten zur Verfügung.
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Feldfrüchte erzielten im Vergleich zum Vorjahr zur Ernte 2022 überdurchschnittliche Erträge bei deutlich höheren Preisen. So wurden über 500 Euro pro Hektar mehr Umsatz erlöst, bei etwa 300 Euro pro Hektar höherem Aufwand. Die Bodenrente übertraf den durchschnittlichen Pachtpreis deutlich. Seit 2015 lag der Pachtzins allerdings über dem Durchschnitt der Bodenrente. Der Boden kostete demnach mehr Pacht, als er Gewinne abwarf.
Ab 2021 näherten sich Bodenrente und Pachtpreis wieder an. Doch auch nach dem sehr guten Ergebnis von 2022 erreichte das mehrjährige Mittel der Bodenrente nicht den Pachtpreis. Im laufenden WJ 2023/24 muss mit niedrigeren Ergebnissen gerechnet werden, sodass der Rückstand der Bodenrente auf den Pachtpreis wieder zunehmen wird (Abbildung 1).
Die Milchpreise stiegen im Wirtschaftsjahr 2022/23 weiter an. Der durchschnittliche Milchpreis und das wirtschaftliche Ergebnis übertrafen das gute Vorjahresergebnis deutlich. Die Bodenrente übertraf die Ergebnisse der Ackerbaubetriebe und der Gesamtarbeitsertrag lag weit über dem tatsächlichen Personalaufwand je Lohn-Arbeitskraft. Doch trotz des guten Ergebnisses der Milchviehbetriebe erreichte der durchschnittliche Gesamtarbeitsertrag der vorigen zehn Jahre nicht den durchschnittlichen Personalaufwand.
Im laufenden Wirtschaftsjahr ist mit wesentlich schlechteren Ergebnissen zu rechnen, da der Milchpreis stärker fällt als der Aufwand für Futtermittel und Energie. Es bleibt weiterhin dabei, dass eingesetzte Produktionsfaktoren nicht vollständig entlohnt werden können (Abbildung 2).
Rindfleischerzeuger konnten nach dem guten Vorjahresergebnis die Umsatzerlöse aus der Tierproduktion und ihren Gewinn weiter steigern. Der Gesamtarbeitsertrag lag über dem durchschnittlichen Personalaufwand. Im laufenden WJ müssen Rindfleischerzeuger mit Ergebnissen unter dem Mittel der vergangenen zehn Jahre rechnen. Im mehrjährigen Mittel wurde auch mit dieser Produktionsrichtung je Arbeitskraft weniger als der durchschnittliche Personalaufwand erwirtschaftet.
Ökologisch wirtschaftende Betriebe erzielten keine höheren Marktpreise. Ihre Umsatzerlöse lagen deutlich unter dem Mittel der vergangenen Jahre und auch die Bodenrente war geringer als in den Vorjahren.
Produktionsverfahren der Landwirtschaft sind auf längere Zeiträume ausgerichtet – sei es die Aufzucht der Tiere bis zur Nutzung oder die Fruchtfolgen im Ackerbau. Insofern müssen auch die Ergebnisse im Zusammenhang mehrerer Jahre betrachtet werden.
Hier lässt sich erkennen, dass die Überschüsse des Jahres 2022 kaum reichen, den Rückstand der Vorjahre aufzuholen. Und während das abgelaufene Jahr ausgewertet wird, lässt das laufende Jahr bereits deutlich schlechtere Ergebnisse erwarten. Trotz des sehr guten Jahres muss bewusst sein, dass die Überschüsse je Arbeitskraft im Durchschnitt über mehrere Jahre gesehen geringer sind als der Personalaufwand je Arbeitskraft.
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Beim Nutztier-Forum in Dummerstorf diskutierten Experten über den Umbau der Tierhaltung. Alle waren sich einig, dass sich in Zukunft die Sicht auf die Tiere ändern wird.
Von Dr. Peter Sanftleben, LFA MV
Das Nutztier-Forum am FBN in Dummerstorf hatte sich das Ziel gesetzt, den Kenntnisstand zum Thema Tierwohl zusammenzutragen, um Handlungsanweisungen und Empfehlungen für den nötigen Umbau der Tierhaltung in Deutschland zu geben. Dazu trafen sich Anfang März etwa 150 Vertreter von Wissenschaft, Politik, Beratung, Verbänden, Industrie und Praxis auf Einladung des Forschungsinstituts für Nutztierbiologe (FBN) und der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei MV (LFA).
Als Nachfolgeveranstaltung des Wilhelm-Stahl-Symposiums am Standort wurde in vier Blöcken der aktuelle Wissensstand dokumentiert. Grußworte aus den Landwirtschaftsministerien von Bund und Land Mecklenburg-Vorpommern offenbarten, dass die Sichtweise auf die notwendige politische Flankierung einer Transformation der Landwirtschaft sehr different ist. Passend hierzu äußerten sich die Referenten im ersten Block des Forums.
Prof. Christine Wieck (Universität Hohenheim) zeigte für die Tierschutzpolitik im Spannungsfeld zwischen Staat und Markt, dass der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) schon jetzt wichtige Weichen stellt, wo die Politik nicht vorankommt. Aber auch LEH-Initiativen lassen Lücken wie die vollständige Produktabdeckung oder Emissionen aus der Tierhaltung.
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Ein marktgetriebener Umbau würde auf der landwirtschaftlichen Ebene sowohl Gewinner als auch Verlierer schaffen, weil einige profitieren könnten und andere den Umbau nicht stemmen würden. Dr. Sarah Kühl (Universität Göttingen) ging auf den „Verbraucher“ ein, dessen Verhalten sich gravierend von seinen Einstellungen unterscheidet (Tabelle 1).
Sie zeigte, dass es generell zu viele Label gibt und der Verbraucher maximal vier Label als Orientierung nutzen kann. Die Haltungsformkennzeichnung und der Nutriscore erfüllen viele relevante Anforderungen an ein Label. Gewünscht werden sich am Verkaufspunkt mehr Informationen auch in Form von Bildern, allerdings ist die Aufnahmefähigkeit begrenzt und die heterogenen Haltungssysteme sind sehr herausfordernd. Der Staat ist hier gefordert, besser aufzuklären und zu informieren.
Um Tiergerechtheit beurteilen zu können, muss ein einheitliches Begriffsverständnis zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit hergestellt werden, so Prof. Ute Knierim (Universität Kassel). Dafür sind valide Indikatoren zu verwenden, die vor allem die Tiere stärker in den Fokus nehmen. Den Zusammenhang von Tierwohl und Ökonomie betrachtete Prof. Harald Grethe (Humboldt-Universität Berlin), der zeigte, dass Politik momentan bremst und verzögert, obwohl viele machbare und geprüfte Vorschläge auf dem Tisch liegen, u. a. von der Borchert-Kommission, in der er mitgewirkt hat.
Forschungsansätze zum Tierwohl aus verhaltensbiologischer Perspektive stellte Prof. Birger Puppe (FBN) vor. Er geht davon aus, dass sich die Sichtweise auf Tiere in Zukunft deutlich ändern wird. Dies kann erhebliche Konsequenzen für die Haltung und den Umgang mit Nutztieren haben. Dabei geht es auch um eine gesamtgesellschaftlich konsensfähige Lösung, die Finanzierungsstrukturen nicht außer Acht lassen darf.
Angela Bergschmidt (Thünen Institut Braunschweig) stellte die aktuelle Diskussion zur Umsetzung eines nationalen Tierwohl-Monitorings vor. Einbezogen werden die Bereiche Haltung, Transport und Schlachtung, dies für die Tierarten Rind, Schwein, Huhn, Pute, Schaf, Ziege, Regenbogenforelle und Karpfen, unter Berücksichtigung von Tierwohl-Begleitindikatoren. Ziel soll es sein, ein objektives Bild zu Status quo und Entwicklung des Tierwohls zu bekommen und dringendste Tierwohlprobleme zu identifizieren. Gesetzesgrundlage, Umsetzungsmechanismen und Finanzierungsquellen gibt es dazu bisher nicht.
Auf eine Foto- und Videoreise nahm Miriam Lechner (Hofra) die Besucher mit, die mit praktischem Sachverstand und wissenschaftlicher Erläuterung Schwachstellen im Schweinestall aufdeckte. Sie gab auch konkrete Hinweise, worauf es ankommt, um Tiersignale für eine Verbesserung der Tiergesundheit zu nutzen.
Die Wärmebildkamera kann dabei ein guter Helfer sein. Prof. Helen Louton (Universität Rostock) ging auf aktuelle Schwachstellen im Bereich der Geflügelhaltung ein. Dabei ist eine Mechanisierung des Fangens der Tiere ein Beispiel dafür, was unternommen wird, um schwere körperliche Arbeit zu minimieren und gleichzeitig Wohlergehen zu maximieren.
In der PraeRi-Studie wurden Tiergesundheit und Tierwohl von Milchkühen in Deutschland analysiert. Prof. Martina Hoedemaker (Tierärztliche Hochschule Hannover) zeigte an einer Stichprobe von etwa 124.000 Kühen aus 765 Betrieben und bei einer durchschnittlichen Milchleistung von 8.658 kg je Kuh und Jahr, dass es immer noch Erkrankungsrisiken für Euterentzündungen, Stoffwechselstörungen und Lahmheiten gibt.
In der Diskussion zeigte sich, dass dafür nicht die Betriebsgröße oder Herdenleistung verantwortlich gemacht werden können, sondern das Management und die Umweltgestaltung entscheidenden Einfluss ausüben. Die Entwicklung des Klimas führt auch in Deutschland zu einer Zunahme von Hitzeperioden und in der Folge vor allem bei Milchkühen zu Hitzestress, machte Dr. Franziska Koch (FBN) deutlich. Der Temperatur-Luftfeuchtigkeits-Index (THI) ist dabei ein geeigneter Parameter zur Charakterisierung des Risikos für Hitzestress.
Die optimale Haltungstemperatur wird von der Milchleistung in erster Linie bestimmt, aber auch Laktationsphase, Trächtigkeit und Laktationsnummer spielen eine Rolle. Je höher die Leistung, desto geringer die Temperatur für eine Komfortzone. Die Milchkuh reagiert bereits bei Stalltemperaturen von 8–10 °C. Steigende Temperaturen können auch die Gefahr von Tierseuchen und bisher in Deutschland unbekannten Erregern erhöhen. Eine Übersicht hierzu gab Dr. Timo Homeier-Bachmann (Friedrich-Loeffler-Institut Riems). Biosicherheit und ständige Schulung der Mitarbeitenden mit Nutzung von Checklisten können vorbeugend wirken.
Prof. Imke Traulsen (Universität Kiel) beschrieb in ihrem Beitrag den Weg zu einer smarten Schweinehaltung. Sie konstatierte, dass bei einer sinkenden Anzahl von Schweinen und Betrieben die Bestände gleichzeitig größer werden und viele digitale Technologien und Sensoren verfügbar sind. Problem ist die unzureichende Vernetzung und Kommunikation zwischen Sensoren und Systemen. Gute Beispiele in der Entwicklung sind die integrierte Bewertung des Stallklimas, das Monitoring des Tierverhaltens (Schwanzbeißen, Fressen, Interaktion …) mit KI-basierter Videobildauswertung oder akustischen Systemen zur Früherkennung von Schwanzbeißen. Auch das Geburtsmonitoring kann KI-basiert mit einer Bestimmung des Geburtsbeginns genutzt werden.
Bei Milchkühen ist jede Kalbung eine schwierige und risikobehaftete Phase für Kuh, Kalb und Betreuer. Dr. Anke Römer (LFA) stellte die Frage, wie sinnvoll es ist, die Laktation bei Milchkühen bewusst zu verlängern und so die Anzahl dieser Risikophasen zu verringern (Tabelle 2). Unter Nutzung der Testherdendaten der RinderAllianz (über 200.000 Kühe; mehr als drei Millionen Behandlungs- und Befunddaten) konnte sie zeigen, dass bei Kühen mit hoher Milchleistung mit zunehmender Rastzeit der Besamungsaufwand und die Verzögerungszeit abnehmen.
Je länger die Zwischenkalbezeit, desto höher Lebensleistung und Nutzungsdauer. Werden Kühe nun gezielt später besamt, steigen mit längerer freiwilliger Wartezeit die Brunsterkennungsrate und der Erstbesamungserfolg. Auch die Milchleistung je Kuh und Jahr erhöht sich. Über das von der BLE geförderte Projekt „VerLak“ wurde eine frei verfügbare App entwickelt, die es ermöglicht, einen tierindividuellen Besamungsstart zu ermitteln.
Abschließend präsentierte Prof. Lisa Bachmann (FBN) ihre Vision von einem Stall der Zukunft für gesunde und glückliche Kühe. Dieser am Standort Dummerstorf geplante Stall sollte über eine BLE-Ausschreibung finanziert werden, die schwierige Haushaltssituation im Bund macht eine Verwirklichung derzeit unsicher.
Das Nutztier-Forum offenbarte, dass es nur bei ganzheitlicher Betrachtung und klarer Definition der Zielstellung der Ausrichtung der Nutztierhaltung in Deutschland Antworten geben kann, die ausgehend von einer wissenschaftlichen Bewertung, der Abschätzung der Machbarkeit und bei politischer Flankierung die Praxis erreichen können. In zwei Jahren wird es das nächste Forum geben, angeregt wurde, dann das Thema Klimaschutz als Schwerpunkt zu wählen.
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