Mit rund 1.000 Ausstellern und einem breit aufgestellten Programm lädt die agra 2024 vom 11. bis 14. April auf das Leipziger Messegelände.
Etwas früher als in anderen Jahren wird die agra 2024 auf der Leipziger Messe ihre Pforten öffnen. Schon am 11. April beginnt die diesjährige mitteldeutsche Landwirtschaftsschau, deren Konzept Bewährtes mit Neuem verbindet und inhaltlich Akzente zu setzen verspricht.
Zwei Jahre nach der noch von der Pandemie beeinflussten letzten agra zeigen sich die Messe-Macher optimistisch. 1.000 Aussteller stehen im Katalog. Man sei „sehr gut gebucht“, heißt es aus der agra Veranstaltungs GmbH. Die Besucher erwarte eine Aussteller-Vielfalt, die an das Vor-Corona-Niveau anknüpfe.
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Nach wie vor ist die Präsentation neuester Landtechnik einer der Magneten der Messe. Das Außengelände mit seinen 75.000 Quadratmetern Außenfläche sei komplett ausgebucht, hinzu kommt ein sehr großer Landtechnik-Anteil an der Ausstellungsfläche in Halle 2.
Rund 1.000 Tiere werden in den regelmäßigen Tierschauen zu sehen sein. Flankiert wird dies durch eine Reihe von Zuchtwettbewerben wie der Bundesschau Simmental, dem Mitteldeutschen Fleischrind-Wettbewerb oder Jungzüchter-Wettbewerben für Rind und Pferd. Die Frage nach dem Tierwohl spielt wieder eine große Rolle im Ausstellungsangebot.
In bewährter Weise versteht sich der agra-Marktplatz als Schaufenster der mitteldeutschen Ernährungswirtschaft. Der agra-Campus hat eine Erweiterung erfahren und soll die gesamte Palette beruflicher Bildung im Agrarbereich abbilden und auch Unternehmen und künftige Führungskräfte zusammenbringen. Mit einer eigenen Aktionsfläche und der Initiative Green Girls wird darüber hinaus das Thema „Frauen in der Landwirtschaft“ auch auf der agra 2024 wieder hoch im Kurs stehen.
Das Thema Ackerbau wird über Produkt-Vorstellungen hinaus das Schwerpunktthema „Pflanzenbau im Klimawandel“ inhaltlich anreichern. Ausgebaut haben die Veranstalter die agra-Forstwelt. Unter der Überschrift „agra Eco“ fasst die Messe verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit zusammen – vom Öko-Landbau bis hin zu erneuerbaren Energien. Diese Bündelung soll auch dazu beitragen, den Austausch der Akteure untereinander zu fördern.
Wie gewohnt werden die Landesbauernverbände der drei mitteldeutschen Länder das Begleit-Programm mitgestalten, etwa mit dem Agrarpolitischen Forum am Eröffnungstag.
9:00 – 18:00 Uhr: Von Donnerstag, den 11. April 2024 bis Samstag, den 13. April 2024
9:00 – 17:00 Uhr: Sonntag, 14. April 2024
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Mehr Ackerland als in Vorjahren muss noch in diesem Frühjahr bestellt werden. Saatgut ist aber knapp. Leguminosen böten sich an. Damit verdienen sich Landwirte zwar ein Lob der Politik, aber kein Geld, kommentiert Erik Pilgermann.
Sind Sie sicher, dass es Sommerkulturen sein sollen? Für die meisten von Ihnen wird die Kartoffel keine Alternative sein. Ihr Anbau ging 2023 weiter zurück. Diese Entwicklung zeigte sich, mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern (+500 Hektar) auch in Ostdeutschland. Die nasse Ernte des Vorjahres hat die verfügbare Saatgut-Menge vor allem bei den Sommerungen geschmälert. Das geringere Angebot trifft nun auf eine hohe Nachfrage.
Aufgrund der schwierigen Bedingungen wurden im Herbst bundesweit rund 300.000 Hektar weniger Winterkulturen ausgesät als im Vorjahr. Hinzu kommen Auswinterungsschäden bedingt durch die Frostwoche ab dem 8. Januar. In einigen Teilen Thüringens etwa gab es in mehreren Nächten Tiefstwerte von -20 °C, in Erdbodennähe ohne schützende Schneedecke. Lokal führte das zu einigen Totalausfällen.
Die Herbstaussaat von Sommergetreide ging diesmal vielerorts in die Hose. Den Löwenanteil können nur die Sommerungen übernehmen – vor allem Getreide und Mais. Verspätet kommen die ersten Frühjahrssaaten gerade in die Erde. Noch ist es nicht zu spät – aber jede Woche kostet Ertrag.
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Mit Leguminosen als Sommerung könnten Sie sich ein Lob aus Berlin verdienen. Bereits die Vorgängerregierungen entwickelten die Eiweißpflanzenstrategie. Insgesamt wurden bisher durch den Bund Fördergelder in der Höhe von 41,6 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Agrarstaatssekretärin Silvia Bender (Grüne) erklärte Ende vergangenen Jahres stolz, dass sich seit der Veröffentlichung dieser Strategie der Leguminosen-Anbau in Deutschland durchweg positiv entwickelt habe. Demnach hat sich die Anbaufläche von Körnerleguminosen von 2011 bis 2022 fast verdreifacht.
Ebenso hat sich der Anbau von Futterleguminosen ausgedehnt. Der Anteil der Leguminosen an der Ackerfläche beträgt insgesamt gut 6 %. Allerdings stieg in dieser Zeit der Selbstversorgungsgrad bei Hülsenfrüchten (ohne Sojabohnen) für den Futter- und Nahrungsbereich nur geringfügig um 8 %. Mit der Folge, dass sich parallel aufgrund der Nachfrage die Importe nahezu verdoppelten.
Heimische Ware kann nicht mit dem Weltmarkt konkurrieren. Soja etwa bleibt dort unschlagbar. Im Vorjahr wuchs deutsches Soja auf 43.500 Hektar heran. Allein in Bayern wurde der Anbau um 4.100 Hektar und in Ostdeutschland um insgesamt 900 Hektar zurückgenommen. Die Anbauschwerpunkte lagen in Bayern (26.200 Hektar) und Baden-Württemberg (7.400 Hektar). In Ostdeutschland standen gerade mal 7.000 Hektar Sojabohnen im Feld. Über die Anbauwürdigkeit entscheiden nicht nur neue Sorten, klimatische Bedingungen oder Ernährungstrends. Genauso wichtig sind die Möglichkeiten des Pflanzenschutzes und attraktive Absatzkanäle für Nahrung und Futter.
Keine (Sommer-)Kultur kann auf Dauer bestehen, wenn Landwirte sie nicht angemessen schützen und vermarkten können. Wenn Sie mich fragen, täte die Bundesregierung gut dar an, weniger in Demo-Netzwerke zu investieren und stattdessen für eine echte Unterstützung des heimischen Leguminosen-Anbaus zu sorgen: Dazu zählt das Fachrecht, das einer Kultur eine Chance geben muss. Attraktive Anreize, etwa über die Ökoregelungen, können einen echten Schub verleihen. In der vorigen Förderperiode haben es einige Länder mit eigenem Programm erfolgreich vorgemacht. Denn am Ende ist entscheidend, dass sich der Anbau für Sie rechnet.
Kommentar aus der Ausgabe 11/2024
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Drei Tage treffen sich die Agrarminister in Thüringen. Begleitet wird die Agrarministerkonferenz (AMK) in Erfurt von zahlreichen Protesten. Der Thüringer Bauernverband hat ein „Landwirte-Camp“ errichtet und lädt bis Freitagnachmittag zu Kundgebungen ein.
Vor dem Tagungshotel der Agrarministerkonferenz (AMK) in Erfurt zeigen Thüringer Landwirte seit heute Morgen (14.3.) Präsenz. Aufgerufen hatte dazu der Thüringer Bauernverband (TBV). Bis morgen, zum Abschluss der AMK, ist ein Landwirte-Camp eingerichtet, um mit Politikern und der Öffentlichkeit in den Dialog zu treten.
Der Präsident des Thüringer Bauernverbandes, Dr. Klaus Wagner, erklärte: „Wir halten an der Forderung zum Agrardiesel fest, sonst haben wir mit die höchste Agrardieselbesteuerung in der EU. Den Absichtserklärungen der Politik zu Bürokratieabbau und substanzieller Entlastung für die Landwirtschaft müssen endlich auch Taten folgen. Vorgaben auf EU- Ebene dürfen in der nationalen Umsetzung nicht zusätzliche Lasten für die heimische Landwirtschaft mit sich bringen. Während die Politik von Bürokratieabbau redet, arbeitet die Thüringer Landesverwaltung an der Einführung eines Flächenregisters – einem neuen Bürokratie-Monster.“
Während heute Forderungen zum Bürokratieabbau in Thüringen im Vordergrund stehen (Kundgebung ab 13 Uhr), will man mit Vertretern anderer Landesbauernverbände auf einer Kundgebung am Freitag (15.3., um 15 Uhr) bundes- und europapolitische Forderungen stellen.
Gegen Mittag sprachen Agrarminister bei einem Treffen mit Vertretern von 23 berufsständischen Verbänden und Initiativen aus der Landwirtschaft und dem Gartenbau sowie von Umwelt- und Naturschutzgruppen. Vor gut 100 Teilnehmern der Kundgebung stellte TBV-Präsident Wagner klar, dass es, anders als dargestellt, beim Agrardiesel keinen Kompromiss des DBV gebe werde. Weitere Redner waren Thüringens Umweltminister Bernhard Stengele (Grüne), der Generalsekretär des Zentralverbandes Gartenbau, Bertram Fleischer, der Thüringer Landwirt Mark Heubach sowie Landwirt Marc Bernhard aus Sachsen als Vertreter von Landwirtschaft verbindet Deutschland (LsV).
Am späten Nachmittag kamen die AMK-Vorsitzende, Thüringens Agrarministerin Susanna Karawanskij (Linke), und Bundesminister Cem Özdemir (Grüne) mit den demonstrierenden Landwirten auf dem Theaterplatz ins Gespräch. TBV-Präsident Dr. Klaus Wager übergab dabei das Forderungspapier des Verbandes an Özdemir. Forderungen und Vorschläge zum Bürokratieabbau konnte für den Deutschen Grünlandverband der Südthüringer Betriebsleiter Martin Berk dem Bundesminister mit auf den Weg geben.
Bereits am Dienstag waren Mitglieder des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) mit einer „rollenden Kundgebung“ vor die Erfurter Zentralen der Landesparteien von CDU, Grünen, SPD, FDP und Die Linke gezogen. Symbolisch wollte der BDM die Parteien mit ins Boot holen. „Reißt das Ruder rum, sorgt für ein Umsteuern in der Agrarmarktpolitik“, lautete der Appell an die Parteien. Vor dem AMK-Tagungshotel zeigt der BDM seit heute ebenso Flagge und übergab ebenso an Cem Özdemir sein Positionspapier zur Milchpolitik.
Schwerpunkt der Frühjahrs-AMK unter Vorsitz von Thüringens Landwirtschaftsministerin Susanna Karawanskij (Linke) ist der Bürokratieabbau. Die Länder hatten dem Bund konkrete Themenbereiche vorgeschlagen, die dringend eines Bürokratieabbaus bedürfen. Bei der AMK will Bundesminister Cem Özdemir (Grüne) eine erste Bewertung der Ländervorschläge vorlegen. Weitere Themen sind die Umsetzung der EU-Agrarpolitik, der Umbau der Tierhaltung oder die Stärkung der Verhandlungsposition von Landwirten bei der Lebensmittelvermarktung.
Bürokratieabbau auf Landesebene
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Im Streit um den Agrardiesel gab es Irritationen. Der DBV weist Medienberichte zurück, der Bauernverband habe sich mit der Streichung abgefunden. Jetzt hat DBV-Präsident Joachim Rukwied mit Bundeskanzler Scholz telefoniert. Was ist das Ergebnis?
Von Ralf Stephan und AgE
Nach den Bauernprotesten in den vergangenen Wochen stand zuletzt der Vorwurf im Raum, der Deutsche Bauernverband bestehe nicht mehr auf der Forderung, dass die Bundesregierung die Streichung der Agrardiesel-Beihilfe zurücknehmen solle. Dem wird jetzt widersprochen. Im Gegenteil.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) bekräftigt seine Position zum Agrardiesel: Man sei dann kompromissbereit, wenn es im Gegenzug zu den Mehrbelastungen an anderer Stelle mindestens gleichwertige Entlastungen gebe, stellte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken zu Beginn der Woche (11.3.) in Berlin klar. Er reagierte damit auf Medienberichte vom Wochenende, denen zufolge der DBV seine Haltung geändert habe.
Krüsken verwies auf den offenen Brief, den der Verband am 30. Januar an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geschrieben und in dem man bereits diese Haltung zum Ausdruck gebracht habe. Daran habe sich nichts geändert. Die Irritationen waren entstanden nach Aussagen des Generalsekretärs gegenüber der „Welt am Sonntag“ und darauf beruhenden Agenturmeldungen.
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Auch DBV-Präsident Joachim Rukwied erklärte am Dienstag (12.3.) beim Landesbauerntag in Brandenburg, er habe am Vortag mit Scholz telefoniert und klargemacht: Es kann keinen Kompromiss geben, weil es keinen neuen Sachstand zu Ende Januar gibt. Aufgrund eines „unglücklichen Zitats“ habe es Irritationen gegeben, sagte Rukwied in Brand im Spreewald.
Auch Henrik Wendorff, Chef des Landesbauernverbandes Brandenburg, pflichtete ihm bei: Um über einen Kompromiss zu diskutieren, müssten erst einmal Angebote auf dem Tisch liegen, über die man – wie in demokratischen Prozessen üblich – diskutieren könne. „Die gibt es aber nicht, deshalb rücken wir von unserer Forderung keinen Millimeter ab“, sagte Wendorff. Beim Landesbauerntag erklärte auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD): „Wir als Landesregierung werden weiter unterstützen, dass die falschen Kürzungen aus dem Dezember vollständig zurückgenommen werden.“
Bereits in der Vorwoche hatten die ostdeutschen Ministerpräsidenten einschließlich des Regierenden Bürgermeisters von Berlin ihre Forderung bekräftigt, die vorgesehenen Kürzungen bei der Agrardieselsteuerrückerstattung zurückzunehmen. Diese seien „kurzfristig falsch“, hieß es in einer Erklärung nach dem Treffen der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler. Die Agrardieselrückvergütung sei als wichtiger Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen zu gewähren, „bis ein wirtschaftlich tragbarer Umstieg auf praxistaugliche alternative Kraftstoffe und Antriebstechnologien, basierend auf der Produktion nachwachsender Rohstoffe, möglich ist“, so die Ost-Länderchefs in ihrer Protokollerklärung.
Bei dem Treffen forderten die Ministerpräsidenten außerdem Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen für eine zukunftsfeste Landwirtschaft. Erforderlich seien neben einem Verzicht auf weitere Belastungen Maßnahmen, um die Landwirtschaft schnellstmöglich „effektiv und substanziell“ zu entlasten, hieß es in einem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz.
Ferner forderten die Regierungschefs die Bundesregierung dazu auf, aktiv zu werden, wenn rechtliche Vorschriften auf EU-Ebene zu unverhältnismäßigen Belastungen führen. Sie soll sich dabei für die Schaffung weitergehender nationaler Handlungsspielräume einsetzen.
Das Thema Bürokratieabbau habe auch bei dem Telefonat mit dem Bundeskanzler eine Rolle gespielt, erklärte Rukwied. Scholz habe wissen wollen, welches Signal er in Richtung Entbürokratisierung setzen könne. Rukwied habe gesagt: „Stoffstrombilanz sofort streichen.“ Das wolle Scholz jetzt prüfen.
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Auf dem 19. Verbandstag des Kreisbauernverbandes Elbe-Elster ging es auch um die Arbeit der Interessenvertretung der Landwirte im Nachklang der Bauernproteste sowie um Forderungen an die Politik. Die Südbrandenburger verabschiedeten dazu einstimmig ihre „Falkenberger Erklärung“.
Zuerst ließ Kerstin Hennig von der Agrar GmbH Elstertal-Plessa das Wort „Kuschelkurs“ fallen: auf den hätten sich Landesbauernverband (LBV) und Deutscher Bauernverband (DBV) mit den Regierenden beider Ebenen nach den großen Demonstrationen eingelassen. „Damit können wir uns nicht identifizieren, wir fühlen uns weiterhin alleingelassen“, so Hennig, die mit ihrem kurzen Beitrag ein Stichwort für die Diskussion geliefert hatte, das fast alle Redner, die nach ihr ans Pult traten, aufgriffen.
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„Das Gegenteil von Kuschelkurs ist: Man haut sich die Köpfe ein“, benennt LBV-Präsident Henrik Wendorff die Extreme. „Wir sind natürlich immer in der Zwickmühle.“ Einerseits gehe es darum, die Ansichten der Landwirte deutlich nach vorne zu bringen, andererseits wollen Hintergründe, Fachlichkeit und Lösungsmöglichkeiten eingebracht sein. „Wir hätten keine grünen Kennzeichen mehr, wenn wir nicht auf die Straße gegangen wären. Und wir hätten auch keine Diskussion und Verständnis in der Öffentlichkeit“, so Wendorff, er sei allen dankbar, die zu einem neuen Grundverständnis gegenüber den Problemen der Landwirtschaft beigetragen haben.
Man habe auch erreicht, dass wieder über benachteiligte Gebiete gesprochen werde, ein Erfolg, der sich finanziell messen lasse. Auch das 15-Minuten-Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister Habeck am 27. Februar in Cottbus wertet Wendorff als erfolgreiche Verbandsarbeit. Er habe ihm auf den Weg gegeben, dass es viele Dinge gebe, die den Staat kein Geld kosten, die Landwirte aber entlasten würden. Auf Landesebene habe es Gespräche mit Landräten und Banken gegeben.
Detlef Kurreck, LBV-Präsident in Mecklenburg-Vorpommern und einer der fünf Vizepräsidenten des DBV, lobte die gute Zusammenarbeit der ostdeutschen Verbände innerhalb des DBV, die eine nicht zu unterschätzende Kraft seien. Und er lobte die gute Zusammenarbeit mit Land schafft Verbindung bei der Vorbereitung der Proteste. Als DBV habe man sich bei den Demonstrationen auf die Kernforderungen der Landwirte konzentriert.
Wer sich den Bauernprotesten nur anschließe, „weil alles Scheiße ist“, käme so schnell aus dem Demonstrieren nicht heraus. Der Verband sei demokratisch legitimiert und leiste mit gut ausgebildeten Fachreferenten horizontal vernetzt mit Ämtern und Ministerien Sach- und Facharbeit. Das sei es, was nach außen vielleicht wie Kuschelkurs aussehe, so Kurreck.
Auch Dr. Martin Kruse, seit Juni 2023 Abteilungsleiter im Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK), ging auf den vermeintlichen „Kuschelkurs“ ein: Der LBV habe in den jüngsten Gesprächen mit dem Ministerium „wahrlich keinen Kuschelkurs, sondern zurecht einen fordernden, konstruktiven Kurs gefahren“. Mitte März werde es eine weitere Runde zu den 55 Forderungen des LBV geben. Mit der Ermutigung, ihn persönlich anzusprechen, endet Kruse und bekommt gleich eine Frage des Versammlungsleiters Axel Mohr auf den Weg: „Warum kann ein Milchviehbetrieb, der auch Mutterkühe hält, für letztere keine Mutterkuhprämie beantragen? Warum müsste er einen eigenen Betrieb für die Mutterkühe gründen?“ Kruses Mitarbeiter notiert die Frage.
Landrat Christian Jaschinski (CDU) bestätigte dem Kreisverband Elbe-Elster, dass es auch auf der Landkreisebene keinen Kuschelkurs gebe. Vieles, was man den Landwirten zu verdanken habe, sei zu selbstverständlich geworden. Die Proteste seien berechtigt, Sprachlosigkeit zwischen Regierung und Landwirten schade allen Beteiligten.
Bereits im nicht öffentlichen Teil des Kreisverbandstages hatten die Landwirte ihre Sicht in der „Falkenberger Erklärung“ zusammengefasst. Darin fordert der KBV u. a. die Wiederherstellung fairer Wettbewerbsbedingungen, Entbürokratisierung der GAP, eine Gleichbehandlung aller Betriebsformen und Betriebsgrößen sowie die einkommensorientierte Förderung für Maßnahmen zum Umwelt-, Klima- und Naturschutz als einen weiteren Betriebszweig.
Außerdem wurde ein neuer Vorstand gewählt. Vorsitzender bleibt Dorsten Höhne, der zu seiner großen Verblüffung und Freude mit der Ehrennadel des LBV ausgezeichnet wurde. Neu im Vorstand sind Michael Marth (Geschäftsführer der AG Mühlberg eG), Dr. Ulrike Heyde (Vorstandsvorsitzende AG Werzenzhain eG) sowie Diana Irtmann, die für Katarina Stahr als Büroleiterin des KBV nachgerückt ist. Uve Gliemann und Reinhard Claus sind nicht mehr zur Wahl angetreten.
Übrigens: Über das Problem der Agrar GmbH Elstertal-Plessa, das mit Entwertung der Betriebsfläche durch Vernässung zu tun hat, berichten wir in der nächsten Woche.
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Außergewöhnliche Wetterextreme haben 2023 Unwetter-Schäden in der Landwirtschaft in bislang Rekordhöhe verursacht. Der Osten Deutschlands war besonders betroffen. Welche Auswirkungen hat das auf die Versicherung?
Wetter-Extreme wie Hagel, Sturm und Starkregen, aber auch Frost und Dürre haben im vorigen Jahr in der Landwirtschaft einen Rekord-Schaden angerichtet. Die Vereinigte Hagelversicherung (VH) bilanzierte auf ihren Bezirksversammlungen zum Jahresende Schadenzahlungen in noch nie gesehenem Ausmaß.
In Deutschland – mit 4,9 Millionen Hektar versicherter Fläche der wichtigste Markt – wurden fast 123 Millionen Euro Entschädigungsleistungen an betroffene Betriebe ausgereicht. Das entspricht einer Schadenquote von fast 81 %.
In Europa, wo 6,2 Mio. Hektar unter Vertrag sind, leistete die Vereinigte Hagel mit insgesamt 313 Millionen Euro sogar die höchste Schaden-Auszahlung ihrer Geschichte, bei einer Schadenquote von 100 %. Hier halten sich von den Versicherungsnehmern eingezahlte Vorbeiträge und Entschädigungen die Waage. Dass 2023 dennoch zu einem deutlichen Überschaden-Jahr wurde, liegt an den Schadenregulierungs- und eigenen Verwaltungskosten, die zusätzlich zu tragen sind.
Bundesweit am stärksten betroffene Kulturartengruppen waren Getreide/Hülsenfrüchte (33,5 Millionen Euro Schaden, 78 % Schadenquote), Mais (29,2 Millionen Euro, 124 %), Ölfrüchte/Gras (22,7 Millionen Euro, 74 %) sowie Wein (12,1 Millionen Euro, 70 %). Spitzenreiter bei den Zahlungen war die für Bayern zuständige Bezirksdirektion (BD) Nürnberg mit fast 39 Mio. Euro (112 % Schadenquote).
Für die ganz oder in Teilen für die ostdeutschen Länder zuständigen Direktionen stehen folgende Gesamtsummen bzw. -quoten zu Buche: BD Berlin (Brandenburg, Sachsen, südliches Sachsen-Anhalt, Altenburger Land) rund 7,4 Millionen Euro (52 %), BD Gießen (Thüringen) knapp 13 Millionen Euro (121 %), BD Hannover (nördliches Sachsen-Anhalt) 10,6 Millionen Euro (69 %) und BD Rendsburg (Mecklenburg-Vorpommern) knapp 6 Millionen Euro (89 %).
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Die BD Berlin weist für Brandenburg für 2023 396.965 Hektar versicherte bzw. 17.855 Hektar geschädigte Fläche (in 130 Betrieben) aus. Mit einer Schadensumme von rund 4,75 Millionen Euro bildet das Land den Schwerpunkt innerhalb der BD. Für Sachsen wurden 398.808 Hektar versicherte und 6.954 Hektar geschädigte Fläche (bei 107 Vertragspartnern) gemeldet. Der Gesamtschaden beläuft sich im Freistaat auf 1,57 Millionen Euro. Aus Sachsen-Anhalt gehört der Bezirksverein Halle zur BD Berlin. Hier waren 177.255 Hektar versichert, 6.475 Hektar in 49 Betrieben wurden geschädigt. Die Entschädigungszahlungen belaufen sich auf insgesamt 0,96 Millionen Euro.
Im Vorjahr gab es nach Auskunft von Bezirksdirektor Dr. Daniel Hillert in diesen Regionen vier besonders auffällige Schadentage: Am 27.Juni wurden etwa 200 Feldstücke durch Hagel unterschiedlicher Intensität getroffen, regional weit gestreut über das östliche Sachsen-Anhalt und das westliche Brandenburg.
Hagel schädigte am 24. Juli rund 550 Feldstücke im Landkreis Märkisch-Oderland in Brandenburg. Dies war zugleich der schwerste Schadentag innerhalb der BD mit ca. 4,7 Millionen Euro Schadensumme. Am 14. August wüteten intensive Unwetter mit Hagel, Sturm und Starkregen im sachsen-anhaltischen Saalekreis, wo 140 Feldstücke, vor allem mit Mais, betroffen waren. Tags darauf traf ein starkes Unwetter wiederum 140 Feldstücke vor allem mit Mais im Erzgebirgs- und im Vogtlandkreis (Sachsen).
Daneben gab es in der BD Berlin, die bis in die zweite Julihälfte von ausgeprägter Trockenheit gekennzeichnet war, auf leichten Standorten Dürreschäden in Getreide, Raps und Mais.
Aus den Bezirksvereinen Börde und Altmark in Sachsen-Anhalt, für die die BD Hannover zuständig ist, wurden Schäden auf rund 18.500 Hektar gemeldet, es waren 75 Unternehmen betroffen. Die Schadensumme liegt bei insgesamt rund 3,8 Millionen Euro, was einer Schadenquote von ca. 65 % entspricht. Ein besonders betroffenes Gebiet war Bezirksdirektor Peter H. Schemmel zufolge die Börde südlich der Autobahn A2, an Kulturen traf es vor allem Getreide, Mais und Winterraps. Als besonderer Schadentag wurde hier der 22.Juni ausgewiesen.
Nach Angaben der BD Gießen waren in Thüringen, einschließlich des von der BD Berlin betreuten Landkreises Altenburg, bei der Vereinigten Hagel 390.422 Hektar Fläche versichert. 14.029 Hektar in 87 Betrieben wurden geschädigt. Die Schadensumme im Freistaat beträgt insgesamt 2,47 Millionen Euro. Wie Bezirksdirektor Jürgen Schuldig-Fritsch informierte, gab es in Thüringen 29 Schadentage; die Schäden waren über das gesamte Land verteilt. Mitte August wurden 6.000 Hektar rund um Erfurt direkt in der Ernte stark getroffen.
Schuldig-Fritsch zufolge wurden in Thüringen ab Juni 2023 erste Verträge über eine geförderte Mehrgefahren-Versicherung abgeschlossen. Der Freistaat bezuschusst die Prämien bis 50 %, förderfähige Kulturen sind Wein, Obst, Gemüse, Hopfen sowie Arznei- und Gewürz-Pflanzen.
Auch in Sachsen wird laut der BD Berlin unter Federführung des Landesbauernverbandes und der Vereinigten Hagel im Auftrag des Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft an einem Konzept zur Einführung einer geförderten Mehrgefahrenversicherung gearbeitet. Ziel sei es, die Entscheidungsgrundlagen für das Ministerium zu liefern – dies mit Vorbildcharakter für eine einheitliche, geförderte Mehrgefahrenversicherung in ganz Deutschland.
In Mecklenburg-Vorpommern (MV) wurden laut der zuständigen BD Rendsburg insgesamt 23.013 Hektar Fläche von 163 versicherten Betrieben als geschädigt gemeldet. Die Schäden waren über das gesamte Landesgebiet verstreut. Nach Auskunft von Bezirksdirektor Derk Westphal zählte der 24. Juni im Nordosten zu den schwersten Schadentagen, an dem auch mehrere Totalverluste zu verzeichnen waren. Zwischen dem 1. bis 15. August gingen täglich Schadenmeldungen ein, da es landesweit immer wieder starke Regenschauer mit Hagel gab.
Am 7. und 8. August kamen noch orkanartige Stürme dazu, durch die erntereife Raps- und Getreide-Bestände teilweise erhebliche Ernte-Ausfälle erlitten. Insgesamt wurden in Mecklenburg-Vorpommern Entschädigungsleistungen von 4,8 Millionen Euro an die Betriebe ausgezahlt, was einer Schadenquote von 101 % entspricht.
Am 24. Juli war die Vereinigte Hagel sogar selbst von einem UnwetterEreignis in Brandenburg betroffen: Dieses zerstörte teilweise Versuchsflächen in Müncheberg, die der Versicherer in Zusammenarbeit mit dem dortigen Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) angelegt hatte.
Anlass war der von der Vereinigten Hagel organisierte Kongress der Internationalen Vereinigung der Versicherer in der landwirtschaftlichen Produktion (AIAG), der vom 30. August bis 1. September 2023 in Berlin stattfand. Die rund 150 Teilnehmenden aus insgesamt 21 Ländern widmeten sich auf dem Expertenseminar dem Themenschwerpunkt Mais.
Darüber hinaus baute die Vereinigte Hagelversicherung im vergangenen Jahr in Kooperation mit der Kachelmann GmbH ihren Agrarwetterservice meteosol und das Netz der Wetterstationen weiter aus. Mittlerweile betreibt das Unternehmen damit das größte privat getragene Messnetz mit wissenschaftlich validen Wetterdaten in der Bundesrepublik.
Bundesweit sind es bereits über 1.000 meteosol-Stationen, davon ein Fünftel in Mitteldeutschland. Die 200. Station nahm Wetterexperte Jörg Kachelmann kurz vor dem Jahresende 2023 zusammen mit Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und VH-Vorstandsmitglied Thomas Gehrke auf dem Gelände der Agrargenossenschaft Kahla im Saale-Holzland-Kreis in Betrieb.
Deren Vorstandsvorsitzender Udo Große, der zudem die Agrargenossenschaft Reinstädt leitet, kann zusammen mit den Teams beider Betriebe nun auf die Mess-Ergebnisse von zwei Stationen zurückgreifen. Nach seinen Erfahrungen kann es auf der 3.000 Hektar großen Fläche des Agrarverbundes „selbst auf engstem Raum verschiedene Wetterverhältnisse geben“. Auf Grundlage guter Daten könne man zielgerichtet entscheiden, welche Arbeitsprozesse an einem Tag sinnvoll sind – beispielsweise, ob sich Aussaat und Ernte lohnen oder die Wind-Verhältnisse das Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln zulassen.
Das Jahr 2024 wird für die Vereinigte Hagel ein ganz besonderes, denn das Unternehmen kann nunmehr auf eine 200-jährige Geschichte zurückblicken. 1824 wurde auf dem Rittergut Rüdigsdorf nahe Leipzig von Dr. Wilhelm Leberecht Crusius und weiteren Mitstreitern die „Hagelschädenversicherungsgesellschaft im Königreich Sachsen“ ins Leben gerufen, die später als Leipziger Hagelversicherung Bekanntheit erlangte. Im Jahr 1993 verschmolz diese mit der 1889 in Berlin gegründeten Norddeutschen Hagelversicherung zur Vereinigten Hagel, dem heutigen Marktführer unter den deutschen und europäischen Ernteversicherungen.
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Früher in Pelztierfarmen gehalten, werden Nutrias als gebietsfremde, invasive Art heute vielerorts bejagt, vor allem um Schäden an Deichen und Uferbefestigungen zu verhindern. Ihr zartes Fleisch überzeugte in der Prüfung.
Von Dr. Manfred F. Golze
Nutria (Myocastor Coypus) oder Sumpfbiber sind die gebräuchlichsten Namen für die aus Südamerika stammenden Nagetiere. Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Südamerika mit deren Zucht in Farmen begonnen, Anfang des 20. Jahrhunderts auch in Europa. In der Rauchwarenindustrie nahmen Sumpfbiberfelle einen wichtigen Platz ein. Sie gehörten zu den Edelpelzen. Das Fell war in der Zucht das wichtigste, ja das Hauptprodukt.
Parallel dazu wurde ein wertvolles Fleisch erzeugt, das als Neben- oder Zusatzprodukt galt. In ihrem Herkunftsgebiet gilt die Nutria, traditionell mit Öl und Pfeffer im Ofen zubereitet, schon lange als Delikatesse. In Deutschland spielte die Fleischverwertung indes lange Zeit keine große Rolle.
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Mittlerweile wird Nutria-Fleisch auch hier vor allem unter Feinschmeckern geschätzt. Vom Geschmack erinnert es am ehesten an eine Mischung aus Kaninchen und Spanferkel. Nutria-Rezepte finden sich vor allem in alten DDR-Kochbüchern. Dort wurde auch das Fleisch der für den Fellexport gezüchteten Tiere verwertet.
Der Bezug des Fleisches ist heutzutage allerdings nicht einfach, da kaum noch Haltungen von Nutria vorhanden sind. Vielmehr kommen die Tiere nunmehr über die Jagdstrecken auf den Markt. In der Jagdsaison 2020/21 haben Jägerinnen und Jäger in Deutschland nach Angaben des Deutschen Jagdverbandes (DJV) erstmals mehr als 100.000 Nutrias erbeutet. Nach jener Strecke von 101.500 Tieren waren es in den beiden darauffolgenden Jagdjahren 94.251 bzw. 90.814 Nutrias.
Erhältlich ist das Fleisch vor allem in spezialisierten Fleischerfachgeschäften, im Wildhandel oder beim Jäger des Vertrauens.
Die Felle sind heute teilweise nicht einmal mehr Nebenprodukt, sondern werden mitunter als Abfall betrachtet und auch so behandelt. Es ist eigentlich traurig, dass dieses Naturprodukt, das quasi einen nachwachsenden Rohstoff darstellt, in der Bundesrepublik keine Rolle mehr spielt.
In den folgenden Ausführungen werden Ergebnisse zur Mast- und Schlachtleistung, zum Schlachtkörperwert sowie zur Fleischqualität der Nutria vorgestellt. Die für diese Auswertungen herangezogenen Tiere wurden in einem Alter von 240 Tagen geschlachtet. Das Gewicht bei der Schlachtung betrug 5.340 g. Die täglichen Zunahmen in den acht Lebensmonaten lagen bei 21,8 g.
Die Schlachtausbeute konnte mit 56,4 % ermittelt werden, was zu Schlachtkörpergewichten (warm) von 3.010 g führte. Die weiblichen Tiere erreichten in nahezu der gleichen Zeit ca. 500 g mehr an Gewicht. Da die Felle bei diesen Tieren gleichfalls um 288 g schwerer waren, betrug die Differenz bei den Schlachtkörpergewichten (warm) nur noch 250 g zugunsten der weiblichen Tiere (Metzen).
Das Schlachtkörpergewicht (kalt) betrug im Durchschnitt 2.954 g, – 2.776 g bei den männlichen (Böcke) bzw. 3.055 g bei den weiblichen Tieren. Der Kühlverlust war sehr gering, er lag knapp unter einem Prozent.
Die bedeutendsten Teilstücke sind mit 1.031 g (35 %) die Vorderhand, mit 816 g (27,8 %) die Keule und mit 655 g (22,1 %) der Rücken. Diese spielen beim Verzehr auch die größte Rolle. Prozentual ist der Keulenanteil bei weiblichen Tieren höher als bei männlichen Nutria. Dafür sind Vorderhand und Rücken bei männlichen Tieren stärker ausgebildet als bei ihren weiblichen Artgenossen.
Bezüglich der Innereien ist die Leber mit 174 g als bedeutendes Organ zu nennen. Das Gewicht der Nieren betrug 27 g, und die Herzen wogen 14 g.
Der Fleischanteil am Rücken der Nutrias beträgt 68,9 % und an der Keule 74 %. Der Rücken hatte 17 % Auflagefett, die Keule sieben Prozent. Dieser große Unterschied ist bei anderen Tierarten kaum vorhanden. Unterschiede im Fettanteil sind beim Geflügel mit knapp 50 % zwischen Brustmuskulatur und Keulenmuskel sonst schon bedeutend. Diese werden hier aber noch übertroffen. Der Knochenanteil am Rücken der Nutria betrug 13 % und an der Keule 17,4 %.
Der Fleischanteil war bei weiblichen Tieren leicht geringer, der Fettanteil dafür aber höher. Dies ist bei vielen anderen landwirtschaftlichen Nutztieren bei Schlachtung mit gleichem Alter gleichfalls ausgeprägt. Weibliche Tiere hatten einen um zwei Prozent geringeren Knochenanteil als männliche.
Die untersuchten Tiere wurden stressarm geschlachtet (pH 5,9). Darauf weisen auch der geringe Dripverlust (Wasserbindevermögen) und der geringe Grillverlust hin. Die weiblichen Tiere liegen dabei leicht hinter dem Wert der männlichen Tiere zurück. Insgesamt sind diese Werte aber ein Hinweis bereits an dieser Stelle für eine sehr gute Fleischqualität. Die Nutria realisierten ein kräftig rotes Fleisch (L-Wert 39,2), das bezüglich der Fleischfarbe nicht mit „Weißfleisch“, also dem Fleisch von Broilern, Puten oder Kaninchen, gleichzusetzen ist.
Die Zartheit des Nutria-Fleisches ist überdurchschnittlich. Von der Bundesanstalt für Fleisch-Forschung, heute Institut für Sicherheit und Qualität beim Fleisch im Max-Rubner-Institut (MRI) wurde für Rindfleisch, vergleichbar auch für andere Tier-Arten, die Zartheit des Fleisches instrumentell über die Scherkraft mit einem Wert von ≤4 kg ermittelt. Mit 2,2 kg liegen diese Werte bezüglich der Zartheit beim Nutria weit darunter.
Bei den Fleischinhaltstoffen konnte ein Rohproteingehalt von 20,2 % in der Keule und 21,1 % im Rücken gemessen werden. Interessant ist der große Unterschied beim Rohfettgehalt, auf den schon hingewiesen wurde. Hier wurden 8,5 % in der Keule und nur knapp ein Prozent im Rücken ermittelt.
Die hervorragende Fleischqualität wird durch die Werte aus der sensorischen Prüfung unterstrichen. Das Fleisch machte einen „guten“ bis „sehr guten“ Gesamteindruck. Das Aroma war sehr gut. Auch die sensorische Prüfung bestätigte noch einmal die gute Zartheit. Dabei ist das Fleisch sehr saftig.
Um den Wert des Fleisches noch weiter zu bewerten, wurde das Fettsäuremuster des Fleisches bestimmt. Wie bei anderen Tierarten auch, die im Wesentlichen Grün- und Grundfutter in der Ration haben, ist im Nutriafleisch ein hoher Anteil ungesättigter und teils auch mehrfach ungesättigter Fettsäuren nachzuweisen. Dies kann positiv für die menschliche Ernährung gewertet werden.
In den Untersuchungen erreichten die Nutrias in acht Monaten Aufzucht und Mast Lebendgewichte von 5–5,5 kg. Bei einer Schlachtausbeuten von über 56 % werden damit Schlachtkörpergewichte von rund 3 kg realisiert. Der Anteil Teilstücke hohen Wertes wie Vorhand, Rücken und Keule ist hoch.
Feingeweblich ergibt sich ein Fleischanteil der Teilstücke von 70–75 %. Der Knochenanteil von 13–17 % ist relativ gering. Besonders überzeugend ist die Fleischqualität des Nutriafleisches. Ein schön intensiv gefärbtes Fleisch mit überdurchschnittlicher Zartheit, geringem Drip- und Grillverlust ist charakteristisch.
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Die Familie, die Kolleginnen und Kollegen des Paulinenauer Arbeitskreises Grünland und Futterwirtschaft sowie die Bauernzeitung trauern um Dr. agr. Rudolf Schuppenies aus Paulinenaue. Der Futterbau- und Grünland-Experte verstarb am 20. Februar 2024 im 90. Lebensjahr.
Von Dr. Jürgen Pickert
In einer Bauernfamilie nahe Königsberg in Ostpreußen geboren und nach der Flucht in Mecklenburg aufgewachsen, studierte er nach der Landwirtschaftslehre Landwirtschaft. Nach seiner Promotion kam Dr. Schuppenies 1968 nach Paulinenaue in das Institut für Grünland- und Moorforschung, später Institut für Futterproduktion.
Dort übernahm er die Leitung der Arbeitsgruppe Versuchswesen und entwickelte sie schon im Institut für Futterproduktion vor 1990 und danach an der Lehr- und Versuchsanstalt für Grünland und Futterwirtschaft (heute Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung) bis zu seinem Ruhestand im Jahre 1997 zu einer der leistungsstärksten Einrichtungen des Feldversuchswesens im Ackerfutterbau und auf dem Grünland in Deutschland. Für ihn war der Feldversuch die Basis aller wissenschaftlichen Arbeiten im Pflanzenbau.
Die langjährige Feldversuchstätigkeit von Rudolf Schuppenies umfasste nahezu das gesamte Spektrum pflanzenbaulicher Versuchsfaktoren bei Mais, Luzerne und Ackergras sowie beim Grünland auf organischen Böden. Feldversuche auf Niedermoorgrünland stellen besondere Anforderungen an die Versuchstechnik und waren eine große Herausforderung, der er sich mit viel Engagement erfolgreich stellte.
Die Ergebnisse flossen in zahlreiche Veröffentlichungen ein und sind als Empfehlungen und Richtwerte die Basis für Standardwerke des Grünland- und Futterbaus, wie das unter Federführung von Günther Wacker erschienene Handbuch Futter sowie Futterpflanzenbau von Wolfgang Kreil, Wilhelm Simon und Eberhard Wojahn.
Über 20 Jahre war er wissenschaftlicher Koordinator eines großen Ringversuches mit Forschungseinrichtungen aus allen ostdeutschen Bundesländern zur Grünlanddüngung mit Kalium und Phosphor und wirkte immer noch als Mitautor, wenn entsprechende wissenschaftliche Publikationen herausgegeben werden sollten.
Den Feldversuchen zum Mais-Anbaus galt das besondere Augenmerk von Dr. Schuppenies. Nicht nur in Nordostdeutschland war er einer der bekanntesten Mais-Experten. Über viele Jahre, bis zuletzt 2023, engagierte er sich in der Ernteberatung von Silomais, für die er Daten verschiedener Standorte aus Brandenburg erfasste und über Wachstumsmodelle auswertete. Seine Leistungen auf dem Gebiet des Maisanbaues wurden 2004 mit der Ehrenmitgliedschaft des Deutschen Maiskomitees gewürdigt.
Für viele Grünlandwissenschaftler in Deutschland und insbesondere für Leiter landwirtschaftlicher Betriebe war Dr. Schuppenies ein gefragter Gesprächspartner, der Wissen und Erfahrungsschatz in die Arbeit des Paulinenauer Arbeitskreises Grünland und Futterwirtschaft einbrachte, dessen Gründungsmitglied er 1997 war. Dr. Rudolf Schuppenies hat in der Grünland- und Futterbauforschung in Deutschland Großes geleistet und nun eine große Lücke hinterlassen.
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Der Kreistag des Landkreises Börde hat am Mittwoch nach einem Veto des Landrates seinen Beschluss zur Wiedervernässung des Grünlandes im Großen Bruch bei Wulferstedt endgültig zurückgezogen.
Umwelt- und Hauptausschuss des Kreistages des Landkeises Börde zogen einen entsprechenden Beschluss des Kreisparlaments vom 6. Dezember 2023 (Nr. 0608/D3/2023) zur Wiedervernässung des Moores im Großen Bruch bereits kürzlich zurück. Auch ein abgeschwächtes Vorhaben – nämlich die Durchführung einer Machbarkeitsstudie zur Revitalisierung dieses Niedermoorgebietes – ist nach Informationen dieser Zeitung vom Tisch.
Hintergrund ist der enorme öffentliche Druck, der sich nach dem Kreistagsbeschluss mit denkbar knappem Ergebnis gegen dieses fast ausschließlich behördenintern vorangetriebene „Leuchtturm-Projekt“ zum Klimaschutz aufbaute. Die betroffenen, aber im Vorfeld nicht einbezogenen Landnutzer, Flächen- und Grundstückseigentümer sowie Gemeinden im Gebiet begehrten nach dem Bekanntwerden der Pläne zur Wiedervernässung auf, was auch ein großes, überregionales mediales Echo fand.
Außerdem hatte Börde-Landrat Martin Stichnoth (CDU) Widerspruch gegen den aus seiner Sicht rechtswidrigen Kreistagsbeschluss vom vergangenen Dezember zur Wiedervernässung des Großen Bruchs eingelegt. Hintergrund ist, dass sich ein Kreistagsmitglied an der damaligen Abstimmung beteiligte, obwohl es beruflich in die künftige Umsetzung des Wiedervernässungsprojektes involviert gewesen wäre. Entsprechende Regelungen für solche Fälle trifft das Kommunalverfassungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt.
Die abschließende Entscheidung zur weiteren Verfahrensweise im Großen Bruch traf der Kreistag des Landkreises Börde in seiner ordentlichen Sitzung am Mittwochnachmittag (28.2.) in Haldensleben. Mit großer Mehrheit folgten die Mitglieder des Gremiums dem vom Landrat eingelegten Veto. Damit ist der damalige Beschluss des Kreistages unwirksam.
Die Wasserregulierung im Großen Bruch zum Erhalt des Moorkörpers wird nach Aussage von Kreistagsmitgliedern ungeachtet dessen auch in Zukunft ein Thema in der Region bleiben. Dann aber unter Einbindung der betroffenen Land- und Grundstückseigentümer, landwirtschaftlichen Betriebe sowie Kommunen. Ausdrücklich soll bei künftigen Maßnahmen auch der Erhalt der extensiven Landbewirtschaftung der Flächen im Großen Bruch gewährleistet werden.
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Was treibt Landfrauen in diesen Zeiten um? Wir sprachen mit Elfi Fischer und Manuela Scheil aus Brandenburg über eine spannende Schlepperfahrt im Konvoi nach Berlin und das dringende Bedürfnis, Klartext zu reden.
Von Wolfgang Herklotz
An einem kalten Freitagmorgen machen sich Elfi Fischer und Manuela Scheil auf den Weg. Mit dem Traktor geht es vom brandenburgischen Teschendorf nach einem Treff mit anderen Landwirten gemeinsam Richtung Berlin. Routiniert steuert Manuela Scheil den Schlepper, mit dem sie sonst das von ihrem Mann geerntete Getreide abfährt oder Futter für die Kühe heranschafft. Aber in das rund 50 km entfernte Zentrum der Großstadt zu tuckern, stand bislang noch nicht auf dem Programm.
„Das ist schon ein bisschen aufregend“, meint die Landfrau zu ihrer Beifahrerin, die auf dem engen Klappsitz Platz genommen hat. Doch sie fühlen sich sicher im Konvoi mit den anderen Schleppern aus dem Landkreis Oberhavel, deren Fahrer Unterstützung beim Navigieren angeboten haben. Damit das Frauenteam bei dem mitunter chaotischen Großstadtverkehr nicht abhandenkommt. Also immer schön dranbleiben!
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Nach etwa anderthalb Stunden rollt der Protestzug der Landwirte hupend durch die Reinhardtstraße, vorbei am Hans-Dietrich-Genscher-Haus, Sitz der FDP. Vor der Parteizentrale der Grünen stoppt der Konvoi. In klaren Worten macht Brandenburgs Landesbauernverbandspräsident Henrik Wendorff die Forderung der Landwirte deutlich, die Sparmaßnahmen zurückzunehmen. Doch die Hoffnung, mit verantwortlichen Politikern der Ampelkoalition ins Gespräch zu kommen, erfüllt sich nicht. Es gibt nur ein paar beschwichtigende Aussagen der Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen. Ein Hupkonzert und jede Menge Zwischenrufe sind die Reaktion darauf. Elfi Fischer: „In Deutschland macht man die Landwirtschaft kaputt, das kann doch nicht wahr sein!“
Nächster Halt sollte das Willy-Brandt-Haus der SPD sein, doch die Straßen sind dicht, knapp anderthalb Kilometer davor leitet die Polizei den Verkehr um. Stadtauswärts führt die Route durch den Tiergarten und auf die Siegessäule zu. Es regnet nun unentwegt, der Scheibenwischer läuft im Dauerbetrieb. „Da vorn ist schon die Goldelse zu sehen“, ruft Elfi Fischer. Und ist fasziniert von den vielen Leuten, die ungeachtet des Wetters am Straßenrand stehen und den Fahrzeugen zuwinken. „Einfach toll, das erleben zu können.“ Manuela Scheil pflichtet ihr bei: „Und wir Landfrauen aus Oberhavel sind in der ersten Reihe mit dabei!“ Die Botschaft sei eindeutig gewesen, dass sich der Berufsstand so geschlossen wie lange nicht mehr gegen den Sparkurs auf Kosten der Landwirte wehrt. „Es geht nicht nur um den Agrardiesel, sondern auch um die Zukunft unserer Kinder. Deshalb müssen wir Klartext reden! …“
Manuela Scheil ist nicht das Klagen, sondern das Zupacken in die Wiege gelegt worden. Nach der Wende hatte die gelernte Rinderzüchterin zusammen mit ihrem Mann den elterlichen Betrieb in Teschendorf wieder eingerichtet. Auf knapp 90 Hektar werden Getreide, Kartoffeln und Gemüse angebaut, auf den Wiesen weiden Mutterkühe und etwas Federvieh. Die ehemalige Kutscherstube wurde zum Hofladen umgebaut, um frisches Gemüse direkt vom Feld zu vermarkten.
„Es hat uns immer angespornt, die Tradition des Hofes fortzusetzen“, berichtet Manuela Scheil. Die ersten Jahre seien mühsam gewesen, es habe lange gedauert, bis der Verbraucher die Qualität der regionalen Produkte zu schätzen wusste. Es ging aufwärts, doch dann kam Corona mit vielen Auflagen. Wegen Bauarbeiten wurde schließlich auch noch für längere Zeit die Straße in Teschendorf gesperrt, was weniger Kundschaft und damit geringere Einnahmen bedeutete. Dafür stiegen die Betriebskosten durch höhere Preise für Dünger und Kraftstoff, hinzu kam noch eine höhere Gewerbesteuer.
Vor allem aber das jüngste Sparpaket der Ampelregierung, das neben der Verteuerung von Agrardiesel ursprünglich auch noch eine Steuerpflicht für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge vorsah, sorgte für heftige Diskussionen im Hause Scheil. „So kann das nicht mehr weitergehen“, befand die resolute Landfrau. Als sich bereits im Dezember die ersten Proteste der Landwirte formierten, stand für sie nach kurzer Abstimmung mit ihrem Mann fest: „Ich bin mit dabei!“
Keine Frage auch für Elfi Fischer. Nach der Berufsausbildung als Rinderzüchterin und dem Abitur hatte sie Tierproduktion studiert und in der Genossenschaft sowie in der Agrarverwaltung gearbeitet. Mehr als drei Jahrzehnte war sie im Landwirtschaftsamt des Landkreises für Förderfragen der ländlichen Entwicklung zuständig. Ein Ressort oder eher ein Dschungel angesichts der vielen Regularien?
„Ja, aber zugleich auch eine Chance, etwas für den ländlichen Raum zu bewirken“, erklärt Elfi Fischer. Ihre Maxime für die Arbeit in der Agrarverwaltung: „Wir sind nicht da, um am Schreibtisch zu kleben, sondern etwas vor Ort zu verändern.“ Zahlreiche Höfe und Einrichtungen der Dorfgemeinschaft im Landkreis, vor der Wende in einem eher maroden Zustand, erfuhren dank der Zuschüsse aus den Fördertöpfen von EU, Bund und Land eine Verjüngungskur. Gelder flossen auch, um die Direktvermarktung und den Urlaub auf dem Lande anzukurbeln. Doch wenn die Landwirtschaft wie derzeit in eine Schieflage gerät, ist der gesamte ländliche Raum in Gefahr, so Elfi Fischer. „Deshalb müssen wir davor warnen und uns Gehör verschaffen.“
Sie denkt dabei auch an ihren Sohn Nils, der Geschäftsführer eines Agrarunternehmens im nur wenige Kilometer entfernten Neuholland ist, wo 20 Mitarbeiter mit ihren Familien in Lohn und Brot stehen. „Nur wenn die Betriebe wettbewerbsfähig bleiben, hat auch der ländliche Raum eine Zukunft“, erklärt Elfi Fischer mit aller Leidenschaft.
Kennengelernt haben sich die beiden Frauen vor vielen Jahren. Es war keineswegs nur die berufliche Ausbildung, die sie miteinander verband, sondern auch das gemeinsame Bedürfnis, sich zu engagieren. Manuela Scheil steht dem vor drei Jahrzehnten gegründeten Kreislandfrauenverein Oberhavel vor, Elfi Fischer ist ihre Stellvertreterin.
„Unser Ziel war und ist es, den Mitgliedern eine Heimat zu geben“, betont Manuela Scheil. Ländliches Brauchtum zu pflegen gehöre ebenso dazu wie Bildungsveranstaltungen und Reisen zu organisieren. Treffpunkt für die regelmäßigen Zusammenkünfte war viele Jahre das Landfrauenstübchen in Löwenberg, dank weiblicher Eigeninitiative und Fördergelder in ein gemütliches Domizil verwandelt. Hier wurde auch die Idee geboren, ländliche Damenmoden zu kreieren. Die von den Landfrauen selbst entworfenen und geschneiderten Kostüme, Westen und Hosen aus Tweed waren viele Jahre lang ein Blickfang auf der Grünen Woche, aber auch bei Erntefesten und Landpartie-Aktionen.
Die Landfrauen aus Oberhavel ließen es sich nicht nehmen, ihre Modelle selbstbewusst auf dem Laufsteg zu präsentieren. „Ein bisschen Aufregung war natürlich immer damit verbunden“, erinnert sich Elfi Fischer, „aber das haben wir uns nicht anmerken lassen.“ Das Gemeinschaftsgefühl sei nach all den Jahren sehr stark ausgeprägt und besonders für alleinstehende Landfrauen ganz wichtig. „Wir sind auch sehr stolz darauf, dass die Erntefeste in unseren Dörfern wieder zu einer festen Tradition geworden sind.“
Denn die dazugehörigen Erntekronen sind eine weitere Leidenschaft der Landfrauen. Frühzeitig wird das Getreide dazu ausgesucht, geschnitten und in der Scheune von Manuela Scheil getrocknet sowie gebunden, mit Schleifen und den verschiedensten Accessoires verziert. Bis zu 120 Arbeitsstunden sind dafür nötig, erklärt die Vorsitzende, wobei kein Exemplar dem vorherigen ähneln dürfe.
„Wir legen großen Wert auch darauf, dass die Krone genau die Qualität der Ernte widerspiegelt. In einem guten Jahr fällt sie natürlich viel üppiger aus als in einem verregneten.“ Spannend werde es dann immer beim landesweiten Wettbewerb um die schönste Erntekrone, ergänzt Elfi Fischer. „Wir haben den Ehrgeiz, da ganz vorne mitzumischen.“ Was schon häufige Male gelang. Beim Landeserntefest 2023 in Kremmen belegten die Landfrauen aus Oberhavel mit ihrer prächtigen Krone den ersten Platz.
Wenn man den beiden zuhört, wird ein hohes Maß an gegenseitigem Verständnis und Vertrauen spürbar. Es komme schon vor, dass man sie für Schwestern halte, erzählt Elfi Fischer und schmunzelt. „Im Geiste sind wir es sowieso!“ Was schätzen die beiden an einander besonders?
„Elfi hat keine Scheu, auch Politiker anzusprechen. Dann traue ich mich auch, meinen Senf dazuzugeben“, meint Manuela Scheil. Erst jüngst auf der Grünen Woche sei Elfi auf Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir zugegangen und habe sich nicht abwimmeln lassen, um ihre Meinung in Sachen Agrardiesel kundzutun.
Und was imponiert der Löwenbergerin vor allem an ihrer „Schwester“ aus Teschendorf? „Manuela ist ein Pfundskerl“, versichert Elfi Fischer, „man kann sich jederzeit auf sie verlassen. Und es passiert oft, dass wir zur fast gleichen Zeit den gleichen Gedanken haben.“ Denkbar, dass sich die beiden demnächst wieder zu einer Demonstration verabreden? Was für eine Frage …
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Die Datengrundlage zur Landwirtschaft im Nebenerwerb ist ziemlich dünn. Eine Umfrage der Hochschule Neubrandenburg soll dazu beitragen, neue Erkenntnisse zu gewinnen und Anregungen zu liefern. Fragen dazu beantwortet Prof. Dr. Theodor Fock im Interview.
Das Gespräch führte Erik Pilgermann
Herr Prof. Fock, wie lange forschen Sie schon im Bereich der Nebenerwerbslandwirtschaft?
Vor etwa 25 Jahren haben wir die ersten Untersuchungen und Studien zum Nebenerwerb gestartet.
Wie sind Sie seinerzeit auf dieses Forschungsfeld gekommen?
Aus zwei Gründen: Zum einen ist mir damals aufgefallen, dass es wenig Aussagen und Untersuchungen zu diesem Themenfeld gab. Zum anderen gab es in meiner persönlichen Nachbarschaft, ich wohne ja auch auf dem Dorf, eben einige Nachbarn, die als Nebenerwerbslandwirte unterwegs waren und immer noch sind. Die Tatsache, dass sie hier auch wirtschaften, war der Anstoß für mich, dies etwas breiter zu untersuchen.
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Sie haben 2021 die letzte Umfrage zum Nebenerwerb durchgeführt und werden diese jetzt wiederholen. Wie sahen seinerzeit die Ergebnisse aus und worin unterscheidet sich die neue Umfrage von der vorherigen?
Für mich wurden 2021 ein paar ganz überraschende Informationen und Erkenntnisse gewonnen. Zum Beispiel gab es in der damaligen Umfrage eine ganze Reihe von Betrieben, die erst in den letzten Jahren, sagen wir in den 2010er-Jahren, gegründet wurden.
Die Vermutung vorher war, dass die meisten Betriebe eher in den 1990er-Jahren entstanden sind. Offensichtlich gibt es ein Gründungsgeschehen, was unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung stattfindet. Wenn wir jetzt auf Heute gucken, ist es natürlich spannend, wie sich die allgemein schwierigen Rahmenbedingungen mit Inflation, Pandemie und den Energiepreisschocks seit 2021 auf die Situation der Landwirte und Landwirtinnen im Nebenerwerb auswirken.
Lassen sich mit so umfangreichen Erfahrungen Trends in der Entwicklung des nebenberuflichen landwirtschaftlichen Sektors ableiten?
Ich habe die Erwartung, dass sich diese Form der Landwirtschaft stabilisiert und auch weiter positiv entwickelt. Ein wenig weisen die Zahlen von statistischen Landes- und Bundesämtern darauf hin. Das sind aber nur reine Zahlen. Wir versuchen hier, etwas tiefer zu gehen, indem wir die Landwirte beispielsweise fragen, wie sie ihren Arbeitsalltag bewältigen, was ihre Motivationen sind und was sie als Herausforderungen und Probleme ansehen.
Welche Erkenntnisse haben Sie über die Motivationen gewonnen, Nebenerwerb zu betreiben? Hobby/Liebhaberei, Familientradition/Erbe, Traum von Haupterwerb mit Gewinnerzielungsabsicht? Gibt es bei der Produktionsausrichtung im Nebenerwerb Schwerpunkte wie Ackerbau oder Verbund von Acker, Futter und Vieh?
Wenn man sich rückblickend die letzten 25 Jahre anschaut, verstärkt sich meiner Meinung nach der Trend, dass viele Nebenerwerbslandwirte das Ganze aus einer hohen intrinsischen Motivation heraus tun. Es macht ihnen offensichtlich Freude und bringt Abwechslung in den Alltag. Das sind Dinge, die hoffentlich auch in Krisensituationen erhalten bleiben.
Was die Produktionsrichtungen betrifft, kann man ziemlich deutlich erkennen, dass es zwei Schwerpunkte gibt. Das ist zum einen der klassische Ackerbau, allerdings eher ohne die „Spezialkultur“ Kartoffeln. Zum anderen ist es die Rinderhaltung, sprich die Mutterkuhhaltung, mit der das vorhandene Grünland verwertet und der tägliche Arbeitsanfall überschaubar gehalten wird. Die Schafhaltung spielt natürlich auch eine gewisse Rolle, ist aber ökonomisch noch schwieriger.
Also sind Mutterkühe die Nutztierart, die im Nebenerwerb hauptsächlich gehalten wird?
Ja. Auf vielen Betrieben gibt es natürlich auch Legehennen und Gänse, aber diese dienen dann eher zur Eigenversorgung statt zur Marktproduktion. Zumindest sind in unseren Befragungen Betriebe, die Geflügel zur Marktproduktion halten, nur sehr selten aufgetaucht. Gestatten Sie mir aber noch eine Anmerkung.
Hobby-Landwirtschaft hat in den Ohren von manchen Menschen einen eher negativen Klang. Ich glaube aber, dass der Gedanke, dass man es aus Überzeugung macht, weil man Spaß an der Landwirtschaft hat und es als eine schöne und erfüllende Tätigkeit sieht, sollte sehr ernst genommen werden. Denn das kann eine ganz starke Motivation für Menschen sein. In den USA gibt es den schönen Begriff des Lifestyle-Farmings. Das ist deutlich mehr als Hobby.
Nebenerwerb in Ost und West: Wo sehen Sie die grundlegenden Unterschiede und was sind die Gründe dafür?
Ich befasse mich wie gesagt ja schon etwas länger mit dem Thema. Die Unterschiede waren vor 20 Jahren größer, als sie heute sind. Die Entwicklung geht in Ost und West in eine ähnliche Richtung. In Westdeutschland entstand ein Nebenerwerbsbetrieb häufig so, dass die Eltern oder Großeltern den Betrieb im Haupterwerb hatten. Mit dem Generationswechsel ging man dann in den Nebenerwerb über. Deshalb findet man dort, wenn man in die Statistik schaut, eher Betriebe, die noch eine kleine Milchviehhaltung betreiben, da die Stallungen und die Erfahrungen da sind. Dasselbe gilt vielleicht auch für 150 Mastplätze in der Schweinemast.
Das findet man bei ostdeutschen Nebenerwerbsbetrieben praktisch nicht. Die Nebenerwerbsbetriebe hier wurden alle nach der LPG-Zeit, nach der Kollektivierung neu gegründet. Natürlich knüpfen einige Betriebe an die Zeit vor der Kollektivierung an, aber hier gab es eine Spanne von mindestens 30 Jahren, wo man nicht privat Landwirtschaft betreiben konnte. Funktional ist es also eine Neugründung, bei der es wirtschaftlich keinen Sinn ergibt, in die Haltung von 20 Milchkühen zu investieren.
Wenn man heute Befragungen von süddeutschen Kollegen anschaut, sieht man, dass sich die Frage der Motivation sehr stark annähert. Der Aspekt Tradition nahm früher in Westdeutschland eine sehr viel größere Rolle ein. Das hat sich gewandelt. Auch im Westen macht man heute eher aus einer inneren Überzeugung Landwirtschaft.
Es gibt zum Nebenerwerb kaum betriebswirtschaftliche Zahlen. Wo bekommen Nebenerwerbler verlässliche Zahlen zu dieser Betriebsform her, etwa für Betriebsvergleiche? Wie sieht es mit Steuermodellen aus?
Es gibt über das Bundeslandwirtschaftsministerium die Testbetriebsstatistik. Dort gibt es die sogenannten kleinen und Nebenerwerbsbetriebe als eigene Gruppe. Im Situationsbericht des Bauernverbandes mit den Land-Data-Daten gibt es auch ein paar Zahlen. Diese Zahlen haben aber ein wenig das Problem, dass sie auf klassischen Buchführungsdaten beruhen. Doch gerade kleinere Nebenerwerbsbetriebe werden häufig keine klassische Buchführung durchführen, zu der sie im übrigen auch nicht verpflichtet sind. Auch bei den KTBL-Zahlen gibt es nichts Differenziertes für Nebenerwerbsbetriebe. Eigentlich stochert man ein wenig im Nebel.
Was die steuerliche Einordnung betrifft, gibt es sicherlich verschiedenste Gestaltungsmöglichkeiten, wie man positive außerlandwirtschaftliche Einkünfte mit Abschreibungen oder negativen landwirtschaftlichen Einkünften verrechnen kann. Aber wenn man das auf Dauer macht, würde die Finanzverwaltung irgendwann sagen, dass es eben Hobby ohne Gewinnerzielungsabsicht ist. Es hängt in jedem Fall davon ab, wie sich die außerlandwirtschaftlichen Einkünfte gestalten.
Bei Paaren, die gemeinsam veranlagt werden, kommen vielleicht anderthalb außerlandwirtschaftliche Einkünfte zusammen plus einem halben landwirtschaftlichen Einkommen. Da gibt es sicherlich auch Möglichkeiten, das ordentlich zu verrechnen, aber konkret benannt wurde dies bis jetzt noch nicht. Hier lohnt es sich in jedem Fall, mit einem Steuerberater zu sprechen.
Welche Infokanäle nutzen Ihrer Meinung nach die Nebenerwerbslandwirte und welche inhaltlichen Erwartungen haben die Praktiker an diese Medien?
Wir haben das auch schon in unsere letzte Befragung als Fragenkomplex integriert, allerdings nicht zu den inhaltlichen Erwartungen. Das haben wir in die neue Befragung aufgenommen. Eigentlich würde ich sagen, dass Nebenerwerbler das klassische Spektrum von der Fachzeitung über das Internet bis hin zu Informationen aus Handel und Industrie nutzen.
Auch ein Nebenerwerbslandwirt muss von Agar-Antrag über die Dokumentationspflichten bis zum Sachkundenachweis Pflanzenschutz alles erfüllen. Wir haben dann gefragt, wie die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Landwirtschaftsamt oder der Landwirtschaftsbehörde aussieht. Das wurde 2021 insgesamt positiv bewertet. Niemand kam sich hier als Nebenerwerbsbetrieb vernachlässigt vor.
Wie beurteilen Nebenerwerbslandwirte und -landwirtinnen ihre Situation und wie steht es um die Nebenerwerbslandwirtschaft?
Dazu wird eine neue Befragung durch die Hochschule Neubrandenburg gestartet. Wir wollen in Erfahrung bringen, wie sich Ihre Betriebe in den vergangenen Jahren entwickelt haben und wie Sie Ihre zukünftigen Perspektiven beurteilen. Statistisch gesehen hat die Anzahl der Nebenerwerbsbetriebe in den letzten Jahren zugenommen. Viele Probleme und Herausforderungen, aber auch die aktuellen Konflikte und Diskussionen über die Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland besitzen für Landwirte im Nebenerwerb die gleiche Bedeutung wie für ihre Berufskollegen im Haupterwerb. Leider erfährt Nebenerwerbslandwirtschaft aber vielfach weniger Beachtung in Politik und Wissenschaft.
Insgesamt gibt es wenig fundierte Aussagen zur aktuellen Lage. Ein Schritt, dies zu ändern, ist es, mit dieser Befragung Ihre betrieblichen und persönlichen Einschätzungen in Erfahrung zu bringen und so mehr Aufmerksamkeit zu gewinnen. Außerdem können Sie Ihre eigene Situation mit der von anderen Berufskollegen vergleichen.
Die Bauernzeitung unterstützt diese Untersuchung und wird in wenigen Monaten ausführlich über die Ergebnisse berichten.
Falls Sie Fragen oder Anregungen haben sollten, schicken Sie diese bitte per E-Mail an: fock@hs-nb.de.
Beteiligen Sie sich daher gerne an der Online-Befragung unter www.hs-nb.de/nebenerwerb. Wir sind auf Ihre Angaben und Aussagen gespannt!
Wissenschaftliche Erkenntnisse dienen immer auch als Entscheidungsgrundlage für die Politik. Welche Konsequenzen müssten aus Ihrer Sicht für den Nebenerwerb gezogen werden?
Eigentlich finde ich es überraschend, das sich die Politik relativ wenig mit dieser Gruppe beschäftigt, die von der Anzahl her immerhin gut die Hälfte aller Betriebe ausmacht. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung taucht im Agrarteil nicht ein Mal das Wort Nebenerwerbslandwirtschaft auf. Das überrascht insofern, da von den politischen Zielen her, wie man sich dort Landwirtschaft vorstellt, passt die Nebenerwerbslandwirtschaft definitiv ideal rein. Sie ruft eigentlich von allen Dingen die wenigsten Probleme, die Politiker sehen können, hervor. Trotzdem findet die Nebenerwerbslandwirtschaft in der Politik fast nicht statt.
Es gibt Bundesländer, in denen die Nebenerwerbslandwirtschaft traditionell eine große Bedeutung hat, vor allem in Süddeutschland. Dort ist der Blick vielleicht ein wenig offener. Schauen Sie aber zum Beispiel nach Mecklenburg-Vorpommern, dann werden dort Nebenerwerbsbetriebe bei der Verpachtung der landeseigenen Flächen inzwischen an die letzte Stelle gestellt. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass Nebenerwerbsbetriebe eine Quelle für Betriebsneugründungen als Einstiegsmöglichkeit in die Landwirtschaft für jüngere Leute sein können, halte ich den Aufbau solcher Hürden strategisch für nicht besonders weitsichtig. Andere ostdeutsche Bundesländer geben inzwischen eigenständige Neugründdungs- und Niederlassungsprämien aus. Das Land Mecklenburg-Vorpommern macht das nicht und behindert sogar noch aktiv Nebenerwerbsbetriebe. Ich bin überzeugt, das man mit wenig Aufwand einige spezifische Punkte von Nebenerwerbsbetrieben adressieren kann, zum Beispiel die Frage, wie sie mit den Dokumentations- und sonstigen Pflichten umgehen können. Vielleicht sollte man dafür ein spezielles Beratungsangebot entwickeln.
Auch das Thema Weiterbildung sollte gezielter angegangen werden, weil wir zunehmend auch Menschen haben, die keine landwirtschaftliche Berufsausbildung mehr haben und trotzdem die Landwirtschaft nebenher machen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist aus meiner Sicht die Investitionsförderung. Früher gab es in der Förderpolitik in der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur- und Küstenschutz die kleine und die große Investitionsförderung. Heute ist das nicht mehr so. Man sollte vielleicht wieder ein Förderinstrument wie die kleine Investitionsförderung etablieren, bei der zum Beispiel keine Vorweg-Buchführung und zig andere Dinge verpflichtend sind. So ein angepasstes Instrument könnte Nebenerwerbsbetrieben, vielleicht sogar kleineren Haupterwerbsbetrieben helfen.
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Mit Verwunderung reagieren viele Landwirte auf die Flexibilisierung des GLÖZ-8-Standards. Denn Deutschland setzt die EU-Vorgaben nun 1:1 um. Ursprünglich geplant hatten das Bundesagrar- und das Bundesumweltministerium Kürzungen der Basisprämie und neue Ökoregelungen, das kommentiert Frank Hartmann.
Ende voriger Woche mochten es viele Landwirte gar nicht glauben, was da im Entwurf der Zweiten GAP-Ausnahme-Verordnung des Bundesagrarministeriums steht: Die von der EU-Kommission Ende Januar überraschend auf den Weg gebrachte Flexibilisierung des GLÖZ-8-Standards, der die obligatorische Stilllegung von 4 % des Ackerlandes regelt, wird hierzulande 1 : 1 umgesetzt: ohne bürokratische Finessen, ohne zusätzliche Auflagen und ohne finanzielle Nachteile. Da Landwirte in Deutschland derartiges lange schon nicht mehr erlebten, verwundert das ungläubige Staunen darüber nicht.
Zumal es Erinnerungen an die Erste GAP-Ausnahme-Verordnung im vorigen Jahr gibt, ebenfalls zur Stilllegung, bei der selbst Agrarverwaltungen und Fachberater Mühe hatten, die Konditionen aufzudröseln. Und nicht zuletzt weil es Pläne gab, wieder einmal nicht den einfachen Weg zu gehen: Für das Aufweichen ei-
nes (!) Umweltstandards wollten das Bundesumwelt- und das Bundesagrarministerium die Basisprämie kürzen und damit fix mal zusätzliche Ökoregelungen finanzieren.
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Das entspricht der politischen Agenda der beiden von den Grünen geführten Ministerien und hätte die Umwelt- und Naturschutzverbände milde gestimmt. Für Bundesminister Cem Özdemir wären die flexiblen GLÖZ-8-Standards auch ein unerwartetes politisches Geschenk gewesen. Denn er will unabhängig davon zügig neue Ökoregelungen einführen. Die Mehrzahl seiner Länderkollegen, darunter auch Parteifreunde, lehnte das auf der Sonder-Agrarministerkonferenz (AMK) Ende Januar allerdings mit der Begründung ab, dass erstmal Ruhe in den GAP-Strategieplan kommen muss.
Erste Bundesländer und Verbände fordern bereits, dass die Flexibilisierung der GLÖZ-8-Standards nicht erneute Ausnahme für ein Jahr bleibt, sondern zur Regel in der laufenden Förderperiode wird. Dass sich die EU-Kommission darauf einlässt, ist nicht ausgeschlossen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) kündigte an, weitere Vereinfachungen auf den Weg bringen zu wollen.
Die jüngsten Proteste der europäischen Landwirte, die bevorstehenden EU-Parlamentswahlen und die im Jahr 2023 ins Negative gerutschten wirtschaftlichen Daten der Branche in 19 Mitgliedstaaten – darunter Deutschland – sprechen dafür, dass Brüssel ernsthafte Angebote macht. Ob und welche es in Deutschland geben wird, diskutiert nächste Woche die Frühjahrs-AMK in Erfurt mit Özdemir.
Nach den hiesigen Protesten gab es die Zusage der Bundesregierung, dass da etwas kommt: Ob sich Substanzielles darunter findet oder doch nur ein Kuhhandel stattfindet, ist angesichts des Klimas in der Ampel und dem umweltpolitischen Ehrgeiz von Özdemir und seiner Kabinettskollegin Steffi Lemke völlig offen.
Dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) die beiden in der GLÖZ-8-Frage zum Einlenken gedrängt hat, ist möglich. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die keine ganz schlechten Beziehungen zur BMEL-Spitze haben dürfte, erweckte vorige Woche zumindest den Eindruck. Der Verband brachte seine Enttäuschung über die 1 : 1-Umsetzung und das Ausbleiben neuer Ökoregelungen mit übertriebener Kritik („massive Aufweichung des Umwelt- und Klimaschutzes“) zum Ausdruck. Scholz hätte sich dem Druck der „Strippenzieher“ Friedrich Merz (CDU) und Joachim Rukwied gebeugt. Der DBV-Präsident wird das als Lob verbuchen: Für die kritischen Mitglieder in den Bauernverbänden zieht der DBV zu selten die politischen Strippen.
Kommentar aus der Ausgabe 10/2024
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