Brennpunkt

ASP: Wettlauf gegen das Virus

Mitarbeiter vom Forst und örtliche Jäger markieren bei einer Vorstellung der Fallwildsuche vor der Presse den fiktiven Fund eines Wildschweinkadavers. (c) PICTURE ALLIANCE/DPA
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Die intensive Fallwildsuche sei das Gebot der Stunde im Kampf gegen die Afrikanische Schweinepest, so die verantwortliche Ministerin. Die Bauernvertreter vor Ort fordern darüber hinaus mehr Transparenz bei der Seuchenbekämpfung und Rücksichtnahme auf die betroffenen Landwirte.

Von Christoph Feyer und Heike Mildner

Werden sie es schaffen? Das fragen sich jetzt nicht nur die Brandenburger Landwirte und Jäger. Seit am 10. September in der Nähe von Schenkendöbern (Landkreis Spree-Neiße) der erste deutsche Fall von Afrikanischer Schweinepest (ASP) amtlich bestätigt wurde, blickt der gesamte Berufsstand auf diese Region.

Bis Redaktionsschluss stieg die Zahl der vom Nationalen Referenzlabor, dem Friedrich-Loeffler-Institut, bestätigten ASP-Funde dort um weitere sieben auf jetzt insgesamt 20 Fälle. Diese wurden innerhalb des schon bestehenden Kerngebiets gefunden, zehn bei Schenkendöbern im Landkreis Spree-Neiße und zehn nahe Neuzelle im Landkreis Oder-Spree. Hausschweinbestände sind nach wie vor nicht betroffen. „Zum aller größten Teil“ stehe inzwischen auch die Stromversorgung des Zauns, hieß es in einer Pressemitteilung am Sonntagabend.

Zudem wurde bekannt gegeben, dass mit Wochenbeginn die Suche nach Kadavern noch einmal intensiviert wurde. Neben geschulten Such- und Bergungsteams, die von Hubschraubern mit Wärmebildkameras und Drohnen unterstützt werden, sind seit Montag nun auch Hundestaffeln aus dem Rheinland-Pfalz und aus Schleswig-Holstein an der Suche nach Wildschweinkadavern beteiligt. Außerdem erhalten alle, die im gefährdeten Gebiet ein totes Wildschwein finden und den Behörden melden, eine Aufwandsentschädigung von 100 €.

Das sogenannte gefährdete Gebiet wurde Ende letzter Woche in Richtung Neuzelle im Landkreis Oder-Spree sowie in Teile der Gemarkungen Eisenhüttenstadt und Lawitz noch einmal vergrößert. Es hat nun einen Umfang von 58 km und umfasst eine Fläche von rund 150 km2.

Fiktiver Wilschweinkadaver
Wildschweinkadaver

Fester Zaun kommt noch

Laut Brandenburgs Verbraucherschutzministerin Ursula Nonnemacher habe man vor einer Woche damit begonnen, auch das erweiterte Kerngebiet mit mobilen elektrischen Weidezäunen einzuzäunen. „Wir werden mit hoher Wahrscheinlichkeit aber noch weitere infizierte Wildschweine finden. Solange sie in räumlicher Nähe liegen, haben wir damit keine neue Lage“, so die Ministerin. „Erst wenn wir das genaue Ausmaß des Hochrisikogebietes kennen, können wir die mobilen Weidezäune um das Kerngebiet durch einen festen Zaun ersetzen. Die drei betroffenen Landkreise haben zudem um das gefährdete Gebiet herum jetzt auch eine Pufferzone eingerichtet (Abb.).

Um die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass die Suche nach ASP-Kadavern im Seuchengebiet generalstabsmäßig angelaufen ist, wurden am Freitag letzter Woche interessierte Medien vom Landkreises Spree-Neiße zu einem Vor-Ort-Termin gebeten. Die Medienvertreter durften dann einer Simulation beiwohnen, die aber extra außerhalb des ASP-Gebietes stattfand, um eine Seuchenverbreitung durch die Journalisten zu verhindern. Wie dann zu erfahren war, bestehen die Suchtrupps aus 30 bis 40 Personen, hauptsächlich Mitarbeiter des Forstamts und einige Jäger. Zudem unterstützt ein Mitarbeiter des Vermessungsamts die Menschenkette. Er soll dafür sorgen, dass diese immer auf Kurs bleibt und keine Areale übersehen werden. Der Suchtrupp ist angewiesen, stets auf gleicher Höhe zu laufen und den Abstand zueinander nicht größer als fünf Meter werden zu lassen. Wird das Gelände unübersichtlich, rückt der Suchtrupp bis auf zwei Meter näher zusammen.

Im Falle eines Kadaverfundes wird die Kette durch ein lautes „Stopp!“-Signal angehalten und der Truppführer – ein Mitarbeiter des Veterinäramts, der Unteren Jagdbehörde oder des Katastrophenschutzes – begibt sich zu dem Kadaver, um die Fundstelle umgehend mit orangem Farbspray und einem Flatterband zu sichern und abzusperren. Anschließend informiert er den in Bereitschaft stehenden Bergetrupp. Den leitet das Veterinäramt und neben der Bergung ist dieser dann auch für die Probenahme am Kadaver zuständig. Anschließend erfolgt die Desinfektion des Fundortes. Zudem werde das Schuhwerk der Suchtruppe nach jeder Fläche gründlich desinfiziert, um ein Weitertragen der Seuche zu verhindern. Wenn das Kerngebiet durchkämmt ist, soll laut Veterinäramt die Suche auf jeden Fall fortgesetzt und auf den gefährdeten Bereich ausgeweitet werden.


Wildschweine als Überträger der Afrikanischen Schweinepest (ASP)

++ ASP-Newsticker: 9 weitere Fälle – insgesamt 29 ++

In Deutschland wurde die Afrikanische Schweinepest bei Wildschweinen in Brandenburg nachgewiesen. Fortlaufend aktualisierte Infos dazu können Sie in unserem ASP-Newsticker verfolgen. mehr


Aber ganz so reibungslos wie bei der Kadaversuche vor Pressevertretern scheint der Plan zur Seuchenbekämpfung in der Praxis dann doch nicht aufzugehen. „Bei vielen Landwirten und Jägern in der Kernzone und dem gefährdeten Gebiet liegen die Nerven blank“, sagte Dr. Karsten Lorenz, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Oder-Spree, am Montag auf Nachfrage der Bauernzeitung. Sie würden gern tätig werden und hätten nicht den Eindruck, dass die aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der ASP und zur Fallwildsuche optimal strukturiert und abgestimmt sind. Lorenz hat dann überschlagen, dass in den betroffenen Gebieten noch etwa 1.000 ha Mais stehen. Auf 6.000 bis 8.000 ha stehe die Herbstaussaat an, zudem warteten ungefähr 2.000 ha Grünland und Luzerne auf den letzten Schnitt. „Hinzu kommen kleinere Flächen Sudangras, Sonnenblumen und Kartoffeln, auf denen bald etwas passieren müsste“, schildert der Bauernvertreter die Situation vor Ort.

Übersichtskarte des Restriktionsgebietes

Eine Perspektive fehlt

Die regionalen Akteure wünschen sich deshalb, dass die Fallwildsuche systematisch erfolgt und auch transparent kommuniziert wird. Abgesuchte Flächen könnten dann schrittweise für ackerbauliche Maßnahmen wieder freigegeben werden. „Die Landwirte brauchen trotz der Ausnahmesituation eine planerische Perspektive“, erklärte Lorenz. Die betroffenen Tierhalter fragten sich nicht nur, wie der Absatz organisiert werden kann, sondern auch, wann sie wieder Gülle ausbringen können. Dabei verwies er auf die Fristen, die ihnen die Düngeverordnung setze. „Der Landkreis Oder-Spree hat gerade in der Milchviehhaltung hervorragende Betriebe. Sollte es zu einem weiteren Abbau der Milchviehbestände kommen, wäre das wohl kaum wieder gutzumachen“, sorgt sich Lorenz. Zwar sei die Versorgung der Tiere noch bis Dezember gesichert, aber allein die Agrargenossenschaft Neuzelle habe noch ca. 350 ha Mais im Feld stehen, die Bauerngesellschaft Ziltendorfer Niederung gut 500 ha. Aus dem Havelland, wo Betriebe die Milchviehhaltung aufgegeben haben, kamen bereits Hilfsangebote. Aber auch Biogasanlagenbetreiber im gefährdeten Gebiet stehen vor dem gleichen Problem.

Für Unverständnis in Berufsstand und Jägerschaft sorgen ebenfalls das Fehlen von Desinfektionsmitteln, die immer noch offenen Wildbrücken über die Autobahn sowie eine verworrene Kommunikation der Behörden untereinander sowie gegenüber der Presse, fasste Karsten Lorenz zusammen.

Klar scheint zudem, dass alle Anstrengungen langfristig nutzlos sein werden, wenn kein stabiler Zaun infiziertes Schwarzwild daran hindert, erneut über die Oder einzuwandern. Und auch die Erfahrungen in Belgien, wo es – fast auf den Tag genau – vor zwei Jahren zu einem ASP-Ausbruch kam, zeigen, dass uns noch ein weiter Weg bevorsteht: Das letzte infizierte Wildschwein wurde dort am 11. August 2019 erlegt, den letzten infizierten Kadaver fand man am 4. März 2020. Nach wie vor wird im betroffenen Gebiet systematisch nach Kadavern gesucht. Der gefährdete Bereich konnte erst im Mai 2020 verkleinert werden. Zudem hatte sich gezeigt, dass das Virus die Zäune zwar mehrfach überwunden hat, die Folgen aber gering blieben, weil die Jäger die Wildschweindichte schon sehr stark verringert hatten.