EEG 2021: Recht(lich) bedenklich
Bereits flexible Biogasanlagen müssen seit Inkrafttreten des EEG 2021 zwar künftig weiterhin bedarfsangepasst Strom erzeugen, sollen dafür aber keinen Flexibilitätszuschlag mehr erhalten. Juristen sehen in dieser Regelung eine Ungleichbehandlung.
Von RA Dr. Helmut Loibl, Regensburg
Jahrelang wurde den Biogasbetreibern zu verstehen gegeben, dass der Strom, den sie produzieren, viel zu teuer sei und die EEG-Umlage für die Verbraucher hochtreibe. Daher sollten sie zumindest das machen, was sie können: flexibel Strom produzieren, nämlich dann, wenn er gebraucht wird, schließlich ist Biogas speicherbar. Dafür müssen die Betreiber dann allerdings in mehr und größere Blockheizkraftwerke investierten, was mit erheblichen Kosten verbunden ist. Als Gegenleistung können sie während ihrer Vergütungsdauer, die grundsätzlich 20 Jahre beträgt, für maximal zehn Jahre eine sogenannte Flexibilitätsprämie geltend machen. Diese gleicht in der Regel zumindest die meisten Kosten, die mit den zusätzlichen und größeren BHKW verbunden sind, aus.
Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2017 wurde eingeführt, dass nach den 20 Jahren Erstvergütungsdauer Biogasanlagen für weitere zehn Jahre eine Vergütung erhalten können, wenn sie erfolgreich an einer Ausschreibung teilnehmen. In diesem Fall müssen sie ab dem Wechsel in diese Folgevergütung zwingend flexibel fahren: Bisher haben sie nur noch für 50 Prozent ihrer installierten Leistung eine EEG-Vergütung erhalten, das neue EEG 2021 gewährt diese sogar nur noch für 45 Prozent. Als „Gegenleistung“ für diese Flexibilisierung sollten die Anlagen den sogenannten Flexibilitätszuschlag erhalten für die zehn Jahre der Folgeausschreibung.
Unterstützung erscheint zwingend notwendig
Diese weitere finanzielle Unterstützung erscheint auch zwingend notwendig: BHKW haben nun einmal keine unbegrenzte Lebensdauer, regelmäßig müssen sie spätestens nach 60.000 bis 80.000 Betriebsstunden teuer generalüberholt oder gar komplett ausgetauscht werden. Das ist also regelmäßig nach sechs bis neun Jahren der Fall.
Wenn also für maximal zehn Jahre die Flexibilitätsprämie in Anspruch genommen ist, wurde diese letztlich für das bisherige BHKW „aufgebraucht“. Um ein neues oder das generalüberholte alte BHKW also für die Folgeausschreibung bereitzuhalten, sind massive Zusatzinvestitionen nötig, die von der Flexibilitätsprämie sicher nicht mehr abgedeckt sind. Genau dafür war der Flexibilitätszuschlag vorgesehen. Nun hat der Gesetzgeber in einer Art „Hau-Ruck-Aktion“ wenige Tage vor Verabschiedung des Gesetzes den aus Biogasbetreibersicht eigentlich ganz positiven EEG-Entwurf an vielen Stellen in geradezu dramatischer Weise verschlechtert.
Einer dieser dramatischen Punkte ist der, dass alle Biogasanlagen, die während ihrer Erstlaufzeit eine Flexibilitätsprämie bekommen haben, für diese Leistung keinen Flexibilitätszuschlag während der Folgeausschreibung erhalten können.
Refinanzierung des Flexbetriebes entfällt
Mit anderen Worten: In der Folgeausschreibung muss die Anlage zwar trotzdem flexibel fahren, weil sie ja nur für 45/50 Prozent der installierten Leistung Geld erhält, eine Refinanzierung dieser Leistung der Biogasbetreiber erfolgt jedoch nicht mehr. Das ist aus Sicht vieler Biogasbetreiber ein Desaster: Für viele ist damit der Weg in die Folgeausschreibung versperrt, weil sie finanziell nicht in der Lage sind, mit der ohnehin während der Folgeausschreibung stark abgesenkten Vergütung nunmehr
ohne Flexibilitätszuschlag auszukommen. Damit steht zahlreichen Biogasanlagen bevor, dass sie – statt weiter in ihren bestehenden Anlagen Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren und zum Erfolg der Energiewende beizutragen – schlicht und einfach „das Licht ausmachen“ müssen!
Aus rechtlicher Sicht bestehen erhebliche Bedenken, ob diese gesetzliche Neuregelung mit unserem Grundgesetz vereinbar ist, wie ein konkreter Beispielfall belegt:
Eine Biogasanlage mit 500 kW installierter Leistung hat, kurz vor Ablauf ihrer 20-jährigen Erstvergütungsdauer, an der Folgeausschreibung für Biogasanlagen mit Erfolg teilgenommen. Weil die Anlage bisher nicht flexibilisiert hatte, also letztlich versucht hat, ihre installierte Leistung permanent zu erzeugen und einzuspeisen, hat sie in der Folgeausschreibung für die doppelte Leistung (1.000 kW) geboten: Hintergrund ist, dass sie im Falle eines Zuschlags künftig ja nur noch 50 Prozent der installierten Leistung produzieren durfte, deshalb war also ein Zubau weiterer 500 kW nötig. Nach dem erfolgten Zuschlag wurde das weitere BHKW hinzugebaut und – weil noch etwas Zeit war, um in die neue Vergütung zu wechseln – wurde lediglich für einen einzigen Monat(!) die Flexibilitätsprämie in der Erstlaufzeit geltend gemacht, bevor die Anlage in die Folgevergütung gewechselt ist.
Die Probleme auf den Punkt gebracht
Dieser Fall bringt die verfassungsrechtlichen Probleme auf den Punkt:
- Die Anlage ist noch zu Zeiten des EEG 2017 in die Ausschreibung gegangen, damals war die Gesetzeslage so, dass der Betreiber einerseits seinen Zuschlagswert, den er geboten hat, aber auch zusätzlich den Flexibilitätszuschlag erlangen konnte. Das war letztlich die Geschäftsgrundlage für den Betreiber: Nur mit dem Flexibilitätszuschlag, der damals im Gesetz stand, war die Investition in das weitere 500-kWBHKW möglich. Damit konnte und durfte der Betreiber, der ja bereits nach altem Recht einen Zuschlag zur alten Rechtslage hatte, rechnen.
Auf dieser Basis hat er jetzt mehrere Hunderttausend Euro investiert. Gleichwohl erhält er infolge der gesetzlichen Neuregelung zukünftig, weil er für einen Monat die Flexibilitätsprämie geltend gemacht hat, für die Folgeausschreibung keinen Flexibilitätszuschlag. Aus finanzieller Sicht macht das in der Summe 400.000 Euro aus, die dem Betreiber jetzt fehlen und die das gesamte Projekt der Folgeausschreibung damit komplett unwirtschaftlich machen. Hierin kann man einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sehen, der von Art. 14 Grundgesetz geschützt wird. - Dieser Fall zeigt auch sehr anschaulich, dass gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz verstoßen wird: Dieser verbietet, dass gleiche Sachverhalte ungleich und ungleiche Sachverhalte gleich behandelt werden. Das neue Gesetz erklärt völlig unterschiedslos, dass alle, die Flexibilitätsprämie erhalten haben, keinen Flexibilitätszuschlag in der Folgevergütung bekommen. Dies gilt völlig unterschiedslos, ob nun jemand für einen Monat mit wenigen Tausend Euro die Flexibilitätsprämie erhalten hat oder einen Millionenbetrag über volle zehn Kalenderjahre. Dabei dürfte es doch offensichtlich sein, dass diese beiden Fälle keinesfalls gleich behandelt werden können! Erschwerend kommt hinzu, dass die Flexibilitätsprämie erst mit dem EEG 2012 eingeführt wurde. Alle Biogasanlagen, die also vor dem Jahr 2022 an einer Folgeausschreibung teilnehmen oder teilgenommen haben, könnten also schon rechnerisch nie den vollen Betrag einer zehnjährigen Flexibilitätsprämie erhalten haben.
EEG 2021: Bedenken werden von vielen geteilt
Diese verfassungsrechtlichen Bedenken werden von vielen – und nicht nur von Anlagenbetreibern – geteilt: So hat beispielsweise das Netzwerk Fl(ex)perten letzte Woche ein ausführliches Rechtsgutachten veröffentlicht, das ebenfalls die Neuregelung als nicht verfassungsgemäß einstuft (Meldungsspalte rechts). Es hat sich zudem bereits eine „Interessengemeinschaft Flexzuschlag“ gegründet, die für einen konkret betroffenen Anlagenbetreiber als Musterkläger eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht einreichen wird.
Hierfür werden nach wie vor Unterstützer gesucht, die mit einem einmaligen Pauschalbetrag dieses Verfahren unterstützen und damit zur Aufhebung dieser gesetzlichen Neuregelung beitragen möchten (Kasten). Parallel dazu versuchen Verbände wie der Fachverband Biogas, auf politischem Weg eine Änderung dieser für die Biogasbranche dramatischen Regelung herbeizuführen.
EEG 2021: Änderungen im EEG sind essenziell
Letztlich ist egal, welcher Weg zum Erfolg führt, für die Biogasbranche ist es essenziell, dass dieser Erfolg – wann und wie auch immer – tatsächlich herbeigeführt wird: Die meisten Biogasanlagen haben zwischenzeitlich flexibilisiert und nehmen damit die Flexibilitätsprämie während ihrer Erstlaufzeit in Anspruch. Das entspricht auch dem, was den Biogasbetreibern stets vermittelt wurde: Aus dem speicherbaren Biogas sollte dann der Strom produziert werden, wenn er gebraucht wird. Betreiber, die dem nachgekommen sind, haben sich jetzt vielleicht damit selbst um ihre eigene Zukunft gebracht.
Daher bleibt nur zu hoffen: Diese Regelung muss rückgängig gemacht werden. Ob die Politik hier selbst einsieht, dass diese Neuregelung völlig neben der Sache ist, oder ob das durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt wird, ist egal.