Green Deal: Weder einfach noch preiswert

Die Landwirtschaft leidet unter dem Wandel des Klimas und zugleich ist sie ein Teil der Lösung bei dessen Schutz. (c) Sabine Rübensaat
Hintergrund
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Er gilt als der Masterplan der Europäischen Union für den Klima- und Umweltschutz: der Green Deal. Und dieser verlangt Landwirten eine Menge ab, wie Studien zeigen.

Sicherlich: Längst nicht in allen Regionen der Welt wird derzeit ein gesellschaftlicher Konsens über den notwendigen Klimaschutz gesucht. Aber selbst im entfernten Neuseeland, für viele Europäer Sehnsuchtsort und Naturparadies zugleich, hält man Klimaschutzmaßnahmen für notwendig.

Neuseeland baut Tierbestände ab

Gerade erst hat die unabhängige Klimakommission des Landes ihren Abschlussbericht veröffentlicht. Sie schlägt teilweise einschneidende Maßnahmen für Industrie, Energiewirtschaft und Verkehr vor, die sich von hierzulande diskutierten kaum unterscheiden. Für die Landwirtschaft lautet eine Idee, die Viehbestände bis 2030 im Vergleich zu 2018 um rund 14 % abzubauen, um die biogenen Methanemissionen bis dahin um ein Zehntel zu senken. Die Milch- und Fleischerzeugung, prognostiziert die neuseeländische Kommission, werde durch Produktivitätsfortschritte jedoch sehr viel weniger abnehmen und ihr Niveau weitgehend beibehalten. Einige Betriebe könnten die Tierhaltung auch zugunsten des Gartenbaus aufgeben. Zuchtfortschritte vesprechen Schafe und Kühe, die weniger Methan ausstoßen.

Mineralische Stickstoffdünger sollen in den Emissionshandel integriert und bepreist werden. Für die Emissionen der Viehhaltung und des Primärsektors insgesamt ist bereits ein eigenes System des Emissionshandels vorgesehen.

Die neuseeländischen Landwirte sind alles andere als begeistert. Der Chef des ntionalen Bauernverbandes, Andrew Hoggard, hofft, dass der bis Ende des Jahres fällige Maßnahmenplan der Regierung „uns gemeinsam weiterbringen kann, ohne die Landwirte überhart zu belasten“. Die europäischen Landwirte stehen ähnlichen Herausforderungen gegenüber – potenziert in Deutschland noch mit dem geforderten Umbau hin zu einer „gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“. Die Maßstäbe setzt die Europäischen Union mit ihrem geplanten Green Deal. Und der wird weder einfach noch preiswert und braucht neue Instrumente, um dieWettbewerbsfähigkeit und die Wertschöpfung in der Landwirtschaft zu erhalten. Das ist beim diesjährigen Online-Symposium der EdmundRehwinkel-Stiftung der Landwirtschaftlichen Rentenbank deutlich geworden.

Anfang Juni wurden mehrere von der Stiftung geförderte Studien vorgestellt, die die Auswirkungen des Green Deal auf die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft beleuchten. Der Vorsitzende des Stiftungs-Vorstands, Dr. Horst Reinhardt, machte anlässlich des Symposiums deutlich, dass angesichts der großen Herausforderungen beim Klima- und Umweltschutz gehandelt werden müsse, in der Landwirtschaft wie auch in allen Unternehmens- und Lebensbereichen. Und die Landwirtschaft handele bereits, denn für sie gehe es um den Erhalt ihrer Produktionsgrundlagen und damit verbunden um die langfristige Sicherung der Lebensmittelversorgung. „Die Landwirtschaft ist Betroffene der Klimaveränderungen. Sie ist aber zugleich ein wesentlicher Baustein in der neuen Klimapolitik“, betonte Reinhardt.

Green Deal der Europäischen Union: Mit dem Green Deal will die Europäische Union Maßnahmen auf den Weg bringen, um Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Ursprünglich vorgesehen war, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um mindestens 40 % (gegenüber 1990) zu reduzieren. Nach zähen Verhandlungen einigten sich vor Kurzem Kommission, Parlament und Mitgliedsstaaten auf eine Quote von 55 %. Die EU-Abgeordneten hatten 60 % gefordert.

Die vor einem Jahr veröffentlichten Vorschläge für eine Biodiversitätsstrategie und die Strategie „Farm-to-Fork“ versteht die EU-Kommission als Teile dieses Green Deal. Beide Strategien beziehen sich aufeinander und haben insbesondere die Landwirtschaft und die Lebensmittelerzeugung im Blick. Die Vorstellungen reichen dabei unter anderem von einer massiven Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes, dem Ausbau des Ökolandbaus oder der Ausweitung von Schutzgebieten. Die Farm-to-Fork-Strategie bezeichnet die Kommission als Kernstück des Green Deal. Instrumente dazu sollen sich bereits in der neuen GAP-Periode wiederfinden. fh

Eine um zehn Prozent geringere Produktion

Prof. Rainer Kühl (Uni Gießen)
Prof. Rainer Kühl (c) Uni Gießen

Die Realisierung des Green Deal in Deutschland wird nicht ohne erhebliche ökonomische Folgen für die Landwirtschaft gelingen. Laut einer Studie von Wissenschaftlern um Prof. Rainer Kühl von der Universität Gießen ist davon auszugehen, dass die vollständige Umsetzung der zum Green Deal gehörenden Farm-to-Fork-Strategie und der Biodiversitätsstrategie zu einer Einschränkung der konventionellen pflanzlichen Agrarproduktion um etwa 10 % führen würde. Der Grund für den Produktionseinbruch seien die geplante Ausweitung der ökologisch bewirtschafteten Anbauflächen auf einen Anteil von 25 % und die vorgesehene Reduzierung des Dünger- und Pflanzenschutzeinsatzes, erläuterte Kühl bei der Vorstellung der Studie.

Der Deckungsbeitrag im konventionellen Ackerbau werde unter dieser Voraussetzung bei konstanten Preisen über alle Kulturen hinweg voraussichtlich um rund 40 €/ha sinken. Zudem rechnen die Gießener Agrarökonomen mit einem zusätzlichen Investitionsbedarf von 3,1 Mrd. €, der zur Effizienzsteigerung im Dünge- und Pflanzenschutzmitteleinsatz fällig würde. Kühl gibt darüber hinaus zu bedenken, dass mit dem Rückgang der konventionellen Produktion ein steigender Importbedarf verbunden sein könnte. Dies berge die Gefahr direkter und indirekter Landnutzungsänderungen und damit den möglichen „Export von Umweltproblemen“.

Auch am Markt für Bioprodukte seien Auswirkungen durch das steigende Angebot zu erwarten, erklärte der Gießener Wissenschaftler. Diese könnten von wirtschaftlich erfreulichen Skaleneffekten in der Wertschöpfungskette bis hin zu einem Preisdruck durch Überangebote reichen. Nach Einschätzung von Kühl stellt sich deshalb die Frage, wie die zu erwartenden Lasten des Green Deal am Agrarmarkt beziehungsweise in der Warenkette verteilt werden können.

Denkbar seien entweder Importbarrieren zum Schutz des EU-Marktes vor Waren mit niedrigeren Umweltstandards oder eine finanzielle Kompensation der Landwirte für ihre höheren Kosten. Während Einfuhrzölle oder andere Handelsbarrieren erfahrungsgemäß über höhere Nahrungsmittelpreise die Verbraucher belasteten, müsse die finanzielle Entschädigung der höheren Produktionskosten über einen entsprechend angepassten Agrarhaushalt und damit letztlich über Steuern erfolgen, so der Agrarökonom

Uwe Latacz-Lohmann
Prof. Uwe Latacz-Lohmann (c) privat

Bei der Umsetzung des Green Deal setzt das derzeit dafür vorgesehene Budget enge Grenzen für die Honorierung von Eco-Schemes. Laut der Studie eines Forscherteams um Prof. Uwe Latacz-Lohmann von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist es grundsätzlich möglich, die Green Deal-Ziele über freiwillige Maßnahmen, verbunden mit Kompensationszahlungen anzusteuern. In einer Umfrage für seine Untersuchung zeigte sich nach Angaben von Latacz-Lohmann eine hohe Bereitschaft der Landwirte zur Einführung von Eco-Schemes wie Grünbrachen, vielfältige Ackerkulturen, Altgrasstreifen oder die Verringerung des Mineraldüngereinsatzes. Dabei sei etwa jeder zweite Teilnehmer damit einverstanden gewesen, dass 20 % bis 30 % der Ersten Säule-Gelder für diesen Zweck bereitgestellt würden.

Für das Eco-Scheme „Grünbrache“ errechneten die Forscher aus den Angaben der an der Umfrage beteiligten Landwirte beispielsweise eine mittlere notwendige Kompensationszahlung für 7 % der deutschen Ackerfläche von 733 €/ha. Für die Senkung des Düngereinsatzes um ein Fünftel auf 60 % aller Flächen wäre eine Kompensation von 315 €/ha erforderlich. Je nach regionaler Flächenverfügbarkeit gingen die vorausgesetzten Förderhöhen aber deutlich auseinander.

Wie Latacz-Lohmann darüber hinaus feststellte, wären bei einer vollständigen Umsetzung des Green-DealZiels für einen Bracheanteil von bundesweit 10 % insgesamt rund 820 Mio. €, für die Reduzierung des Düngereinsatzes auf 60 % der Fläche etwa 3,2 Mrd. € und für breitere Fruchtfolgen auf der Hälfte der deutschen Ackerfläche 1,0 Mrd. € an staatlichen Beihilfen erforderlich. Verfügbar zur Finanzierung der Eco-Schemes seien absehbar aber nur etwa 1,1 Mrd. €/ Jahr, gab der Kieler Agrarökonom zu bedenken.

Deshalb seien mit dem derzeitigen Agrarhaushalt nicht mehrere Ziele des Green Deal finanzierbar. Für deren Erreichung hält Latacz-Lohmann daher flankierende Maßnahmen wie die Agrarumweltprogramme im Rahmen der Zweiten Säule für erforderlich, schließt aber auch ordnungsrechtliche Vorgaben nicht aus. AgE/red

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