Betriebsnachfolge: Platz da, jetzt kommen die Nachfolger

Sprung vom Heuballen v.l: Kevin Jauer, Olivert Sovart, Robert Ilttner © Sabine Rübnesaat
Junges Land
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Verpassen Sie nicht die Betriebsnachfolge. Gewinnen Sie den nächsten Betriebsnachwuchs,um am Ende alle Verantwortung abgeben zu können.

von Annekatrin Pischelt

Die Betriebsübergabe von der älteren an die jüngere Generation ist zu jeder Zeit ein wichtiges Thema, vor allem für diejenigen, die es betrifft. Die Realität zeigt jedoch, dass einige Betriebsleiter erfolgreich ignorieren, dass sie ihr Unternehmen eines Tages über- und manchmal aufgeben müssen. So kommt es zu sich in Abständen wiederholenden Übergabeschüben. Denn wenn Betriebsleiter sich zu lange an der Geschäftsführung festhalten, entsteht ein Stau in der Leitung, der am Ende zur Leere führt. Das ist der Fall, wenn verpasst wurde Betriebsleitungsnachwuchs zur rechten Zeit zu gewinnen, ihn auszubilden, zu motivieren, an den Betrieb zu binden und am Ende natürlich auch selbst wirklich aufzuhören zu arbeiten und alle Verantwortung möglichst vorher Stück für Stück und schön geordnet an den Nachfolgekandidaten zu übergeben. 

Einen solchen Übergabeschub haben wir derzeit mal wieder in der Agrarbranche – und was faszinierend ist, ganz unabhängig von Himmelsrichtung, Betriebsgröße, politischer oder produktionstechnischer Ausrichtung. Das Gute: Junge Berufstätige, Absolventen, Studierende und Auszubildende im Agrarbreich oder Jugendliche mit einem Faible für die Landwirtschaft haben heute gute Chancen, eine Arbeit in der Branche zu bekommen. Wenn man sich auf den zahlreichen Agrarveranstaltungen umhört, scheint ein junger Mensch mit guter Agrarausbildung – welcher auch immer – nicht lange nach einem Job auf dem Lande suchen zu müssen. 

Wer sich für diesen Beruf entscheidet, sollte wissen, dass man in anderen Branchen weit mehr verdienen kann. Doch die Landwirtschaft ist wegen ihrer Tätigkeit mit und in der Natur sowie unter freiem Himmel etwas Besonderes, und vor allem auch wegen ihrer Vielfalt attraktiv. Bloß wird der Lohn in der Zukunft sicher eine deutlich größere Rolle für junge Agrarier spielen müssen. Denn der Anspruch an sie ist schließlich gestiegen. Und auch sie erwarten mehr vom Job, als dass sich nur der Geldbeutel füllt. Auf dem Land muss wie in der Stadt das soziale Umfeld stimmen, sind die Möglichkeiten für Familie und Entfaltung der Persönlichkeit in Beruf und Freizeit zu schaffen. Gelingt das nicht, bietet die Stadt weitaus mehr Chancen, die von den Jugendlichen gern genutzt werden.

Der Reiz und das Besondere des Ostens

„Allein aufgrund der Altersstrukturen in der Landwirtschaft steht der Generationswechsel an“, erklärt Mathias Kley, Geschäftsführer der Congrano GmbH in Halle, auf den diesjährigen DLG-Unternehmertagen im September in Magdeburg. Der aus Thüringen stammende Diplomagraringenieur wies darauf hin, dass 60 Prozent aller Erwerbstätigen älter sind als 45 Jahre, aber nur 30 Prozent der Betriebe hätten eine gesicherte Hofnachfolge. Kley erinnerte zudem an eine Besonderheit des Ostens: „Zur Wende waren die meisten Verantwortlichen um die 40 Jahre alt, sie sind also heute im Renteneintrittsalter.“

Mathias Kley
Mathias Kley, Geschäftsführer der Congrano GmbH in Halle

Im westlichen Teil Deutschlands sieht der Unternehmensberater Strukturprobleme bei den Betriebsübernahmen: „Eine Eigentumsfläche von 80 Prozent in Westdeutschland lässt die Entwicklung wachstumswilliger Betriebe nur schwer zu.“ Außerdem sind die Preise für Boden dort deutlich höher als im Osten: „Für einen Hektar in Westdeutschland (Ø 22 267 €/ha) kann man rechnerisch 2,3 Hektar in Ostdeutschland (Ø 9 593 €/ha) kaufen.“ Der Wachstumsdruck treibt die jungen Leute also in den Osten. Kley beschäftigt sich zudem mit der Frage, welche Betriebe zum Verkauf stehen. Seine Antworten: „Wirtschaftlich schwache Unternehmen ohne eigene Zukunftsstrategie, Unternehmen ohne geregelte Nachfolge, Familienbetriebe/Unternehmen mit großen Unterschieden in Verständnis und Vorstellung der einzelnen Mitglieder/Gesellschafter zur weiteren Entwicklung.“ Die jungen Zuhörer schauen mit großen Augen, hören mit offenen Ohren und überlegen schon, was sie nach ihrer Ausbildung machen werden – auch gen Osten ziehen? Oder ist das Land, wo die Sonne aufgeht, schon ihre Heimat, in der sie gerne bleiben wollen?

So leicht sind ostdeutsche Betriebe gar nicht zu haben, macht Kley am Beispiel einer Genossenschaft deutlich. Diese juristischen Personen haben im Mittel 28 Mitglieder, das sind im Ernstfall genauso viele Verhandlungspartner! Ein Mitglied hat eine Stimme und die Stimmenverteilung entspricht nicht der Anteilsverteilung. Eine sogenannte feindliche Übernahme sei deshalb nicht möglich, weil eine Genehmigung der Anteilsübertragung durch Vorstand bzw. durch Vorstand und Aufsichtsrat (teils sogar Generalversammlung) nötig sei. Mathias Kley kennt sich da aus, schließlich arbeitet er seit 2004 in der Arbeitsgruppe Betriebswirtschaft des Fachprüfungsverbands von Produk­tivgenossenschaften in Mitteldeutschland e. V. mit. Eine Umwandlung geht nur mit der ­Dreiviertelmehrheit laut Umwandlungsgesetz (UmwG, z. T. sogar Neunzehntelmehrheit lt. Satzungsregelung). Der ostdeutsche Agrarberater macht außerdem darauf aufmerksam, dass nur derjenige bei der Übernahme eine Chance haben dürfte, der ein überzeugendes und an die Region angepasstes Bewirtschaftungskonzept vorweisen kann, da Mitglieder der Genossenschaft oft gleichzeitig Mitarbeiter und Verpächter sind.

Einen interessanten Hinweis hat der 34-Jährige zum Schluss:

„Beschäftigen Sie sich intensiv mit der eigenen Wirtschaftlichkeit und vor allem mit den zukünftigen Herausforderungen. Öffentliche Meinungen und politische Vorstellungen haben eine kurze Halbwertszeit.“

Agrarpioniere und ihre Kinder

Den Weg von West nach Ost haben in den vergangenen Jahren viele Landwirte gemacht. Darunter regelrechte Pioniere, die Anfang der 1990er Jahre ihre landwirtschaftlichen Familienbetriebe in Ostdeutschland aufbauten. Der Vater von Henning Köcher und dessen Unter­neh­mens­partner gehörten dazu. Sie kamen aus Nordrhein-Westfalen und Hessen und schufen – damals „mitteljung“ und voller Elan und Tatendrang – in Kleinwanzleben in Sachsen-Anhalt Schritt für Schritt die Köcher- und Meuser GbR. Im Jahr 2000 kam Junior Henning Köcher ­dazu. 

Henning Köcher
Henning Köcher, Köcher & Meuser, Badeleben

Er erzählt den jungen Agrariern auf den DLG-Unternehmertagen, dass er schon viel früher und woanders in die Arbeitswelt eingestiegen ist. Er hatte sich nach der Schule mehr für die Welt der großen Landtechnik interessiert. War nach dem Studium als Assistent der Geschäftsführung einer „riesigen“ Agrarholdinggesellschaft auch international unterwegs und später auf einem Großbetrieb bei Rostock Betriebsleiter. Dort lernte er etwas ganz wichtiges: Vertrauensvorschuss und Herausforderung. „Ich bekam die Chance, Fehler machen zu dürfen. Das brachte mir viel Erfahrung und Selbstsicherheit, was für Betriebsnachfolger enorm wichtig ist“, sagt Köcher. 

„Als der Ruf des Vaters immer stärker wurde, folgte ich ihm auf den Betrieb.“

Das war zur Jahrhundertwende. Damit Henning Köcher sich nicht gleich wieder abwendete, brauchte er eine eigene Aufgabe. Denn das Unternehmen war eigentlich fertig, es funktionierte und die Senioren waren sehr fit und noch gar nicht bereit, ihr Geschäft aus der Hand zu geben. So baute Junior einen weiteren Betriebsteil auf und war damit derartig beschäftigt, dass keine Zeit zum Erbsenzählen blieb und man sich innerhalb der Generationen nicht in die Haare kriegte, wie er mit einem Augenzwinkern erzählt. Deshalb empfiehlt er potenziellen Betriebsübergebern, den Nachfolgern unbedingt eine neue, sinnvolle Aufgabe zu geben, die die junge Menschen ausfüllt und das Unternehmen weiterbringt. 

Aus der Pionier-GbR der Väter ist mithilfe des Juniors ein großes Unternehmen geworden, das heute nicht nur Ackerbau auf 1 500 ha und Schweinehaltung im großen Stil betreibt, die Verwertung von Nebenprodukten aus der Nahrungs- und Futter­mittel­in­dus­trie, die Getreidelagerung und die Lagerung von Ölsaaten, die Biogaserzeugung an drei Standorten sowie die Aufbereitung und Beizung von Getreide gehören ebenso dazu.

Außerdem ist eine klare Aufgabenteilung wichtig, ist Köchers Erfahrung, denn so lassen sich Zusammenstöße der Chefs vermeiden. Der 34-Jährige gibt zu bedenken, dass es für jeden übergebenden Betriebsleiter ein großes emotionales Problem ist, sich von seinem „Baby“ zu trennen. Das ist natürlich für einen „Aufbauunternehmerpionier“ ganz besonders schwer und kann zu einem Interessenskonflikt zwischen Vater und Sohn führen: Der Junior fordert mehr Verantwortung, doch der Senior empfindet bei der Betriebsaufgabe einen Verlust von Identität und Einfluss. Im Grunde sind hier sachliche und emotionale Fragen zu klären. Bei der Betriebsübergabe sollte der Betriebsabgeber deshalb unbedingt eine Vertrauensperson haben, an die er sich mit allen Problemen wenden kann. Das könne beispielsweise der über viele Jahre vertraute Steuer- oder Betriebsberater sein, der bei schwierigen Fragen zwischen der übernehmenden und übergebenden Partei vermitteln kann. Gelingt es nicht, diese Übergabezeit sehr sensibel und mit dem erforderlichen Sachverstand zu meistern, kann es in den Familien – denn oft gibt es ja die elterliche und die des Juniors – schon mal richtig knallen. 

Henning Köcher empfiehlt jedem Betriebsnachfolger, sich eine Strategie für seinen künftigen Weg zu überlegen. Dazu sollte er sich seine eigenen Stärken bewusst machen und sich vor allem fragen: Will ich wirklich den Betrieb übernehmen? Als ganz wichtig stellt er heraus, dass der Partner oder die Partnerin immer auf „die Reise“ mitgenommen wird. 

Der junge Mann schaut sich heute im Unternehmen um und sieht eine „Struktur auf dem Höhepunkt der Managementkapazität“, wie er sagt. „Dahinter steht eine beachtliche Fremdfinanzierung und damit ein erhebliches Risiko.“ Nun fragt er sich, wo die Reise künftig hingehen wird und er denkt schon an die nachkommende Generation. Er meint, dass die Kinder vielseitig geprägt sein sollten, statt sie gleich an das Unternehmen zu ketten. Er will die eigenen Interessen und Entscheidungen der Nachkommen akzeptieren, auch wenn der Weg (zunächst) nicht ins Unternehmen führt.

Mit den Leuten in der Region

Dr. Johann-Christoph Meyer zu Bentrup
Dr. Johann-Christoph Meyer zu Bentrup, einer der beiden geschäftsführenden Gesellschafter der Unternehmensgruppe Landboden Glasin in Nordwestmecklenburg

Dr. Johann-Christoph Meyer zu Bentrup, einer der beiden geschäftsführenden Gesellschafter der Unternehmensgruppe Landboden Glasin in Nordwestmecklenburg wollte eigentlich in den Landwirtschaftbetrieb seines Vaters in Westdeutschland einsteigen. Doch mit dem Agrarstudium in Göttingen entwickelte sich sein Berufsweg etwas anders als geplant: Studienbegleitende Praktika auf Großbetrieben in Ungarn, Tschechien und Thüringen prägten seine Berufsentscheidungen. 

Während viele agrarische Glücksritter Anfang der 2000er Jahre in den osteuropäischen Ländern unternehmerisch mehr oder weniger erfolgreich tätig wurden, war für ihn nach dieser Zeit klar, dass er das nicht wollte. Mit den dortigen Strukturen, der Rechtsunsicherheit und der Korruption will er nichts zu tun haben. Im Osten Deutschlands gefällt es ihm viel besser. Er promoviert und sucht dort derweil in Ruhe und gezielt nach einem Betrieb, in den er mit unternehmerischer Verantwortung einsteigen kann. In Glasin hat er ihn längst gefunden. Gemeinsam mit einer einheimischen Geschäftsführerin leitet er ein komplexes Unternehmen mit Ackerbau und unter anderem Bioputenhaltung. Bei seiner Arbeit ist es ihm wichtig, dass das Unternehmen in die Region passt und die Arbeit zu den Menschen. 

FAZIT

Zeit, an die Übergabe des Betriebes zu denken, sollte man sich immer mal nehmen. Ab dem Alter, das in der Regel viel zu schnell auf die Rente zugeht, viel öfter und viel intensiver, denn gut qualifizierte junge Menschen gibt es auch heute, und wenn nicht, muss man dafür sorgen. Doch dass sie in Ihren Betrieb kommen oder bleiben, darum müssen Sie sich kümmern. Prima Beispiele für einen geglückten Generationswechsel werden unter anderem in diesem Heft auf S. 44 und in der Ausgabe 42/2013 ebenfalls auf S. 44 im Bericht über den DBK-Landwirtschaftspreis vorgestellt.