Fachkraft Agrarservice: Nicht nur Trecker fahren

Kevin Borm (l.) aus Neuendorf lernt Landwirt. Florian Schmiedel aus Schwiesau macht eine Ausbildung zur Fachkraft Agrarservice. © Sabine Rübensaat
Junges Land
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Idylle pur. Von Wegen! Der Beruf Fachkraft Agrarservice heißt eben nicht nur Trecker fahren. Was hat es damit auf sich?

von Sabine Rübensaat

Donnerstag, halb elf. Unterwegs in der Altmark. Noch einmal um die Kurve und die Milcherzeugergenossenschaft Klötze eG rückt ins Blickfeld, auf einer leichten Anhöhe, von der Sonne beschienen, Idylle pur.

Von wegen! Es herrscht Hochbetrieb auf dem Gelände, Weidezäune werden repariert, Maschinen brummen, Schlepper fahren hin und her … nur einer fehlt: Pflanzenbauleiter Ronald Haase, er ist noch auf den Feldern unterwegs. Wir sind mit ihm und zwei seiner Auszubildenden zum Interview verabredet. Es soll um die Ausbildung zur Fachkraft Agrarservice gehen. Wo liegen die Unterschiede zur Ausbildung zum Landwirt? Denn Lehrlinge, die den Beruf Fachkraft Agrarservice in einem landwirtschaftlichen Betrieb erlernen, sind nicht die Regel. Eigentlich ist das der typische Ausbildungsberuf in Lohnunternehmen.

Ronald Haase kommt, wir können starten.

Herr Haase, wer leitet in Ihrem Unternehmen die Lehrausbildung?

■ Ronald Haase: Das übernehmen unser Geschäftsführer Raimund Punke und ich. Wir versuchen, jedes Jahr einen Lehrling in den Berufen Landwirt, Tierwirt und Fachkraft Agrarservice auszubilden. Im Moment haben wir allerdings nur sieben.

Fachkraft Agrarservice? Die werden doch bei Lohnunternehmen und Maschinenringen gebraucht, Sie sind ja ein Gemischtbetrieb mit Milchviehhaltung und Ackerbau.

■ Haase: Stimmt, aber wir haben auch eine eigene Werkstatt. Bei einem so großen Betrieb wie unserem geht es gar nicht ohne. Früher, zu DDR-Zeiten, haben wir Schlosser und Landwirte ausgebildet, aber heutzutage umfasst die Fachkraft Agrarservice sowohl die Schlosserarbeiten als auch die Arbeiten auf dem Feld. Außerdem gehen viele ältere Mitarbeiter jetzt in Rente und wir brauchen den Nachwuchs. Unsere Werkstattmeister sind Eberhard Lenz und Günther Lüdecke. Toni Linnow kümmert sich um die Biogasanlage.

Was wird denn alles in der Werkstatt gemacht?

■ Haase: Sämtliche kleinere Reparaturarbeiten an den Arbeitsgeräten. Räder wechseln, Schare am Pflug austauschen, Schweißerarbeiten, an Hängern die Bleche erneuern usw. Über den Winter werden alle Maschinen gewartet und überholt. Spezifische Arbeiten, wie zum Beispiel die Elektronik, lassen wir in unserer Fachwerkstatt reparieren.

Dürfen die Lehrlinge auch selbstständig Schweißerarbeiten durchführen?

■ Haase: Nein, nur unter Aufsicht eines Werkstattmeisters. Im dritten Lehrjahr besuchen die Azubis einen fachspezifischen Lehrgang in Iden. Im ersten oder zweiten Ausbildungsjahr werden aber bereits die Grundbegriffe vermittelt. Der Arbeitsschutz spielt dabei eine wichtige Rolle, auf den auch wir besonderen Wert legen.

Erledigen die Lehrlinge auch schwierige Arbeiten wie zum Beispiel teilflächenspezifisches Düngerstreuen oder Mähdrescher fahren?

■ Haase: Ja. Düngen mithilfe des N-Sensors, Gärsubstrat ausbringen. Mähdrescher fahren aber nur unter Anleitung, da die Maschinen doch einen enormen Wert haben.

Was unterscheidet denn dann überhaupt die beiden Berufe Landwirt und Fachkraft Agrarservice?

■ Haase: Beim Landwirt gehört noch die Tierproduktion dazu, während bei der Fachkraft Agrarservice zusätzlich Grundkenntnisse im Bereich Biogas verlangt werden, aber sonst machen beide genau dasselbe, da gibt es keine gravierenden Unterschiede.

Wie werden die Themen Kommunikation und Buchhaltung, beziehungsweise Auftragserfassung vermittelt, Sie sind ja kein Lohnunternehmen?

■ Haase: Die Lehrlinge müssen mindestens einen Tag im Büro „mitlaufen“, damit sie begreifen, wie das ganze System funktioniert. Eine Aufgabe ist es zum Beispiel, die Kosten zu berechnen, die für das Pflügen einer bestimmten Fläche anfallen. Das gehört zum Berufsbild einer Fachkraft Agrarservice auf jeden Fall dazu.

Welche Voraussetzungen sollte ein Lehrling mitbringen?

■ Haase: Er sollte echtes Interesse und Begeisterung für den Beruf zeigen, selbst wenn seine schulischen Noten nicht ganz so gut sind. Aber er muss wollen! Wir gehen zusammen mit anderen Berufsgruppen an die Schulen und werben für unseren Berufsstand, so sind auch die beiden Auszubildenden Florian Schmiedel und Kevin Borm auf uns aufmerksam geworden.

Wie aufs Stichwort kommen die beiden Auszubildenden ins Büro. Florian Schmiedel (18) lernt Fachkraft Agrarservice und hat gerade Gärreste auf die Wiesen gefahren, während Kevin Borm (18) eben noch die Zäune für die Jungviehweide repariert hat, er lernt Landwirt. Beide sind bereits im zweiten Lehrjahr.

Kevin, warum wolltest Du Landwirt werden?

■ Kevin: Weil’s mir Spaß macht. Bei meinem Opa habe ich früher schon oft mitgeholfen. Als ich in der neunten Klasse war, hat sich die Milcherzeugergenossenschaft Klötze bei uns an der Schule vorgestellt. Ich habe über Herrn Haase den Betrieb kennengelernt und anschließend ein zweiwöchiges Schülerpraktikum gemacht. Das hat mir gefallen.
■ Haase: Bei Florian, kann ich mich entsinnen, wollten seine Eltern, dass er etwas anderes lernt, aber Florian wollte mit aller Gewalt Landwirt werden!

Florian, du lernst Fachkraft Agrarservice, was sind denn hier deine typischen Aufgaben?

■ Florian: Das Pflegen, Warten und Führen landwirtschaftlicher Maschinen sowie Disposition und Buchhaltung.

Oh, das klingt ja wie auswendig gelernt?

■ Florian: (grinst) Naja, das gehört alles dazu, aber ich bin ja erst im zweiten Lehrjahr. Wiesen walzen, Gärreste ausbringen, und auch in der Werkstatt kann ich mithelfen. Heute haben wir ein Güllefass mit Schleppschläuchen ausgerüstet, da müssen nachher noch die Hydraulikschläuche angeschraubt werden. Und auch die Häckselmesser für die Grasernte sollen heute noch eingestellt werden.

Okay, noch ordentlich viel zu tun. Wenn ihr schon die Schlepper fahren dürft, müsst ihr ja auch die Fahrerlaubnis haben?

■ Florian: Ja, die hatten wir bereits sechs Wochen nach Beginn der Lehrzeit in der Tasche, Klasse T.

Was macht euch denn am meisten Spaß?

■ Kevin: Eigentlich alles! Es sind so viele abwechslungsreiche Tätigkeiten. Mal ist man in der Natur unterwegs, mal in der Werkstatt, dann kommt bei mir ja auch noch die Tierhaltung dazu.

Aber zum Kühe melken muss man doch sehr früh aufstehen?

■ Kevin: Das macht mir nichts aus. Wir melken in zwei Schichten, von 4.30 bis 13 Uhr und von 16.30 bis 1 Uhr. Nein, das hat immer Spaß gemacht, auch die Kälberaufzucht.

Was macht euch denn nicht so viel Spaß?

■ Florian/Kevin: … Hmmmm? Fegen!
■ Haase: (lacht) Ja, ja, alles was mit der Hand zu tun ist, zum Beispiel das Silo abdecken.

… und wie ist es mit Berichtsheft schreiben?

Florian und Kevin lachen.
■ Haase: Oh ja, das ist ein gutes Thema. Raimund Punke und ich legen allerdings sehr großen Wert darauf, besonders auf die Erfahrungsberichte und Leittexte. Die Auszubildenden dürfen ihre Berichtshefte auch in den Prüfungen benutzen, und alles, was man schon mal aufgeschrieben hat, bleibt länger im Kopf. Je ausführlicher, desto besser! Um Kräuter von Unkräutern besser unterscheiden zu können, müssen die Lehrlinge im Rahmen der schulischen Ausbildung auch ein Herbarium anlegen.

Haase steht auf, geht zum Regal, zieht einen dicken Aktenordner heraus und zeigt ihn den Auszubildenden. Gleich daneben stehen etliche Proben mit verschiedenem Saatgut.

■ Haase: Machen wir doch gleich mal den Test. Mal sehen, ob ihr ein paar Proben erkennt?
■ Florian: Gerste.
■ Haase: Richtig, und das hier? Das ist schwierig, weil es heutzutage anders aussieht?
■ Kevin: Rübensaatgut, nicht pilliert, das kenne ich noch von meinem Opa.
■ Haase: Sehr gut.

Habt ihr Pläne nach der Ausbildung?

■ Kevin: Nein, eigentlich noch nicht. Erstmal die Ausbildung abschließen.
■ Florian: Vielleicht noch ein Fachstudium anschließen?

Herr Haase, Sie haben einen Wissenstest entwickelt, der auch im Internet, auf Ihrer Homepage, zu finden ist. Für wen ist der gedacht?

■ Haase: In erster Linie für unsere eigenen Lehrlinge. Damit sie wissen, wo sie stehen, je nachdem, wie viele Fragen sie richtig beantworten können. Aber auch für Schüler ist der Test geeignet.

Was sind das für Fragen?

■ Haase: Ganz einfache und allgemeine Fragen rund um die Landwirtschaft. Ein paar Bilder sind auch drin. Zum Beispiel muss man Getreidesorten erkennen. Im Winter habe ich über 80 Testfragen entwickelt, und es kommen täglich neue dazu. Das Ganze ist noch im Aufbau.

Welche Frage würden Sie als einfach einstufen?

■ Haase: Die Frage zum pH-Wert zum Beispiel. Von wo bis wo geht der pH-Wert, wo ist er neutral? Das müsste normalerweise jeder Schüler beantworten können, das ist Stoffaus der Mittelstufe.

Und welche Fragen sind schwierig?

■ Haase: Naja, zum Beispiel, was bedeutet der BBCH-Code? Als Schüler kann man damit natürlich nichts anfangen. Die Abkürzung steht für die Biologische Bundesanstalt, das Bundessortenamt und die chemische Industrie. Der Code gibt Auskunft über das morphologische Entwicklungsstadium einer Pflanze.

Sie sind zum besten Ausbildungsbetrieb im Altmarkkreis gewählt worden, hat das mit Ihrem besonderen Engagement zu tun?

■ Haase: Davon weiß ich gar nichts? Stimmt das wirklich? Die Ausbildung der Lehrlinge ist uns eine Herzensangelegenheit, für die man 24 Stunden – rund um die Uhr – Zeit haben muss. Alles, bloß keine Nebensache!

Mehr Infos zur Ausbildung der drei Berufe Landwirt, Tierwirt und Fachkraft Agrarservice sowie der Wissenstest der Milcherzeugergenossenschaft Klötze eG unter www.meg-klz.de.