Getreidehandel digital: Belebende Konkurrenz
Ein Thema bei den Runden-Tisch-Gesprächen auf der Farm & Food war: Welchen Mehrwert kann der digitale Getreidehandel dem Landwirt bieten? Und was sagt der Landhandel?
Fast 30 regionale Raiffeisen-Organisationen investieren aktuell in eine gemeinsame digitale Handelsinfrastruktur. Die Plattform soll nächstes Jahr starten. Außerdem gibt es mehrere Start-ups, die Portale für einen digitalen Getreidehandel aufbauen. Gründe genug, dass der Kongresses Farm & Food 4.0 das Thema zur Diskussion stellte.
Tobias Fallmeier, Geschäftsfüh-rer der digitalen Handelsplattform Cropspot, stellte die Frage: Warum geht es beim digitalen Getreidehandel so schleppend voran? Andere Bereiche der Landwirtschaft sind beim Einsatz digitaler Technik wesentlich weiter. Das Interesse an dieser Vermarktungsform nimmt aber langsam zu. Das spiegelte sich auch an der großen Teilnehmerzahl wider. Mehrere Start-ups und Unternehmen, von denen auch einige vor Ort waren, beschäftigen sich mit dem Thema.
Fallmeier nannte andere Beispiele aus der Wirtschaft, die digital wunderbar funktionieren, wie mobile.de oder Amazon.com. Warum aber kann der Landwirt sein Getreide oder seine Ackerbohnen nicht genauso effizient über das Internet vermarkten wie Autos oder Bücher? Trotz der geringen Verbreitung glauben Fallmeier und seine Kollegen, dass diese Art der Getreidevermarktung Zukunft hat. Vor Kurzem haben sie deshalb die Vermarktungsplattform Cropspot gegründet. Sie glauben, dass in fünf Jahren 60 % der landwirtschaftlichen Waren digital vermarktet oder beschafft werden. Ob das realistisch ist, wollte der junge Unternehmer mit den Anwesenden diskutieren.
Abhängigkeit brechen
Als erstes fragte er einen Vertreter der Agrarplattform 365farmnet, wie das Portal von den Landwirten angenommen wird. Dessen Antwort: „Bisher tun sich die Landwirte relativ schwer damit, die Dienstleistung von 365farmnet zu nutzen.“ Das Verhältnis von Mehrwert und zusätzlicher Arbeit passt anscheinend noch nicht zu-einander. Die Software müsste ebenfalls intuitiver zu bedienen sein. Das größte Problem in der Etablierung des digitalen Getreidehandels ist die Schwierigkeit, das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Landhändler und Landwirt zu brechen, denn der Landwirt verkauft auf der einen Seite sein Getreide an den Landhändler und bekommt aber gleichzeitig Betriebsmittel wie Futter, Dünger oder Pflanzenschutzmittel zurück. Wenn diese Betriebsmittel dann gleichzeitig vom Händler vorfinanziert wurden, sind die Möglichkeiten des Landwirts gering, das Getreide am Händler vorbei zu vermarkten.
Von anderer Seite wurde angemerkt, dass das größte Problem für den digitalen Getreidehandel die Logistik dahinter und eine ausreichend große Lagerkapazität seien. Hintergrund ist auch ein zunehmender Trend der Bäckereien hin zu Mehlen mit speziellen Qualitäten, die dann vorher auch separat erfasst und gelagert werden müssen. Aus diesem Grund müsse auch die genaue Rückverfolgbarkeit gegeben sein.
Bernhard von Weichs, Landwirt und Vater eines der Gründer von Cropspot, fügte hinzu, dass zur Vermarktung von zum Beispiel Getreide grundsätzlich folgende Voraussetzungen erfüllt sein müssen: Landwirte sind nur Marktteilnehmer, wenn ihnen die Ware gehört, wenn sie sie lagermäßig vorhalten können und wenn sie liquide genug sind, den Markt zu bedienen.
Ware, die über ein Portal verkauft werden soll, muss hinsichtlich ihrer Eigenschaften definiert werden. Möchte ein Landwirt zum Beispiel seinen Weizen vermarkten, muss er zuerst den Weizen hinsichtlich der Qualität definieren. Daraufhin muss der Weizen, egal wonach man sortiert, ob Eiweißgehalt oder Fallzahl, separat gelagert werden. Bei anderen Produkten wird nach anderen Eigen-schaften sortiert. Zur Vermarktung des Weizens muss sich der Landwirt anschließend aktiv mit dem Markt auseinandersetzen. Dabei soll ihm die Plattform Crop-spot helfen.
Die persönliche Komponente
Für Landhändler Grundmann aus Österreich ist der zentrale Punkt das Vertrauen zwischen den Handelspartnern. Im klassischen Agrarhandel kennen sich Verkäufer und Käufer meist persönlich und wissen damit in etwa, wie sicher sie ihr Geld bekommen. Außerdem weiß man bei etwaigen Streitpunkten, an wen man sich wenden kann. Auch für ihn ist die Logistik wichtig, denn dieser Posten macht bis zu 50 % des Preises aus. Das Wichtigste ist jedoch zu wissen: Mit wem mache ich das Geschäft, bekomme ich die zugesicherte Ware bzw. das Geld?
Als nächstes kam die Frage auf, von wo denn der Landwirt den Dünger bekomme, wenn das Getreide online verkauft wird und ob da nicht gleich der Betriebsmittel-einkauf mit digitalisiert werden sollte. Fallmeier räumte ein, dass das aus logistischer Sicht sicher von Vorteil wäre, aber das Ziel der Plattform ja nicht das Verdrängen des klassischen Landhandels sei. Der Landhandel sei zur Erfassung des Getreides sicher oft vonnöten, nur dass diese digitalisiert werden sollte.
Ein Teilnehmer fügte hinzu, dass der Trend sowieso dahin gehe, dass die großen Pflanzenschutzmittelhersteller ihre Produkte zunehmend im Direktvertrieb an den Landwirt bringen. Seiner Meinung nach stehen digitaler und konventioneller Handel in Zukunft in einem direkten Wettbewerb, wobei der digitale Agrar-handel nicht immer den besten Preis machen wird. So, wie bei der Plattform Amazon auch, wird sich der Marktteilnehmer mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis durchsetzen. Wie bei Konsumgütern oder Autos auch, kann der Käufer bzw. Verkäufer zum Händler seines Vertrauens gehen oder das Geschäft online abwickeln. Gewisse Unterschiede zwischen Konsumgüterhandel und Agrarhandel gibt es trotzdem. Während bei den Konsumgütern oft einmalige Geschäfte abgewickelt werden, stehen bei den Landwirten und dem Agrarhandel jedoch nachhaltige Geschäftsbeziehungen im Vordergrund, wobei sich die Landwirte nicht auf einen be-schränkten, sondern meist mehrere Geschäftspartner zur Auswahl haben.
Erweiterte Möglichkeiten des digitalen Handels
Eine Wortmeldung meinte, dass mit dem Einzug des digitalen Handels die bestehenden Geschäftsbeziehungen ja nicht aufgegeben werden. Von Vorteil seien zudem eine einfachere Informationsbeschaffung (online statt Telefon) und zusätzliche Möglichkeiten der Vermarktung im Sinne des Spruches „Konkurrenz belebt das Geschäft“.
Eine weitere Anregung war die Frage: Wie viel ist den Landwirten das Vertrauensverhältnis wert? Oder geht es den Landwirten nicht schlecht genug, da sie weiterhin bessere Angebote ausschlagen können? Auf der anderen Seite sollte nach Meinung eines Teilnehmers bedacht werden, dass die Onlineportale auch Geld verdienen wollen und dort nicht nur Gutmenschen sitzen. Der Landwirt kann zwar zehn gute Partien ernten, aber spätestens wenn die elfte Partie nicht den geforderten Qualitäten entspricht, ist wieder der Landhändler des Vertrauens gefragt.
Ein Landwirt hofft, über diese Plattformen ein besseres Gefühl für den Getreidemarkt zu bekommen, denn in den letzten Jahren sei es doch oft passiert, dass die Landwirte eingelagert hätten und es sich nicht gerechnet habe oder aber, dass sie zum falschen Zeitpunkt das Getreide verkauft hätten.
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