Futtermittelkontrolle: Vom Reiz des Praktischen
Was fasziniert die Absolventin einer Agrarfakultät daran, Futtermittel zu kontrollieren? Wir begleiteten Ulrike Beuse aus Dessau-Roßlau, die uns Einblicke nicht nur in ihre Arbeit gewährte.
Das Gespräch führte Wolfgang Herklotz
Neben dem Schreibtisch steht schon alles griffbereit: der Werkzeugkoffer mit diversen Utensilien, robustes Schuhwerk, ein roter Plastikeimer und die Papphülse mit dem Probenstecher. Ulrike Beuse schnappt sich ihre Ausrüstung, verstaut sie im Kofferraum des Kleinwagens.
Dann geht es raus aus Roßlau Richtung Elbe. Ziel ist der Industriehafen am Nebenarm des Flusses, wo die Firma Geltinger Agrarhandel ihren Sitz hat. Nachdem sich die junge Frau im Büro angemeldet hat, öffnet sie das Rolltor einer Lagerhalle, im Fachjargon lapidar als Box bezeichnet. In dieser türmt sich tonnenweise Rapsschrot, meterhoch und einem zerklüfteten Bergmassiv gleichend.
Ulrike Beuse nimmt zunächst eine Handvoll des würzig duftenden, bräunlichen Mahlguts, dann bohrt sie die in mehrere Hohlkammern unterteilte Metallstange hinein. Die an verschiedenen Stellen so entnommenen Proben werden anschließend im Eimer vermischt. Ein Extrakt von mindestens 500 g landet dann in einer beschrifteten Zellophantüte. Diese geht mitsamt Protokoll ins Labor, um die Probe auf Rohfett und weitere Parameter zu untersuchen, erklärt die Frau mit der grünen Warnweste und dem Schriftzug auf dem Rücken, der sie als Futtermittelkontrolleurin ausweist.
Inzwischen hat sich Thomas Seidler hinzugesellt, der zuständige Silomeister. Obwohl die beiden bislang noch nicht miteinander zu tun hatten, begrüßen sie sich freundlich. Dabei kommt die Begegnung in jeder Hinsicht überraschend, denn derartige Kontrollen dürfen vorher nicht angekündigt werden. Muss da nicht zwangsläufig Misstrauen mit im Spiel sein? Seidler winkt ab. „Wir arbeiten doch nicht gegen-, sondern miteinander!“ Ulrike Beuse nickt. „So sehe ich das auch!“
Hätten Sie sich bei unserem letzten Gespräch vor mittlerweile sieben Jahren vorstellen können, mal als amtliche Futtermittelkontrolleurin unterwegs zu sein?
Nein, garantiert nicht. Wobei mir schon klar war, dass ich nach dem Studium der Agrarwissenschaften an der Berliner Humboldt-Uni in die Praxis möchte. Ich bin kein Typ, der den ganzen Tag im Büro hockt.
Sie hatten seinerzeit für Ihre Bachelorarbeit umfangreiche Untersuchungen in einem Brandenburger Agrarbetrieb angestellt und nachgewiesen, wie wichtig Regenwürmer für einen gut strukturierten Boden und damit für die Ertragssicherheit sind. Ihre Fleißarbeit fand Anerkennung und somit auch das Interesse der Bauernzeitung.
Für mich war das damals sehr spannend, weil ich erkannte, welche Prozesse im Boden ablaufen. Obwohl es sicherlich aufregendere Dinge gibt, als Regenwürmer zu zählen (lacht).
Akribie ist nun offensichtlich auch in Ihrem jetzigen Job gefragt. Aber wie sind Sie zu dem gekommen?
Bei einem Sommerfest der Uni kam ich mit einem Absolventen ins Gespräch, der nach dem Studium bei der Futtermittelüberwachung eingestiegen ist. Er konnte mich überzeugen, dass diese Arbeit viel abwechslungsreicher ist, als man sich vorstellt. Deshalb habe ich mich noch während meines Studiums gleich beim Brandenburger Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit beworben. Ich hatte Glück und wurde angenommen, obwohl meine Masterarbeit noch gar nicht verteidigt war …
Wie war der erste Arbeitstag?
Ich bin sehr freundlich aufgenommen worden, hatte sofort das Gefühl, gebraucht zu werden. Aber bevor ich richtig loslegen konnte, musste ich erst mal einen Sachkundelehrgang absolvieren. Das hieß, für eine Dauer von neun Monaten jeweils wöchentlich die zentrale Ausbildungsstätte auf der Burg Warberg in Niedersachsen zu besuchen. Am Ende, im Mai 2017, stand dann eine mündliche und praktische Abschlussprüfung an. Seitdem habe ich die Anerkennung als amtliche Futtermittelkontrolleurin.
Was reizt Sie an Ihrer Arbeit? Was nicht?
Dass sie so wichtig ist. Wenn belastete Futtermittel im Tiermagen landen, stellt das letztendlich auch ein Problem für den Verbraucher dar. Die Lebensmittel werden zwar auch sorgfältig überprüft, aber in vollem Umfang ist das nicht möglich. Deshalb muss schon im Vorfeld verhindert werden, dass kontaminiertes Futter in den Verkehr gelangt.
Mir gefällt an meinem Job aber auch, viel unterwegs zu sein, mit Leuten zu sprechen. Man erfährt immer wieder etwas Neues, kein Tag ist wie der andere … Natürlich wünsche ich mir weniger Papierkram. Den gibt es hier noch wortwörtlich, es muss sehr viel von Hand dokumentiert werden. In anderen Bereichen ist man in Sachen Digitalisierung da schon viel weiter.
Hand aufs Herz: Ist es nicht eher die Ausnahme, als die Regel, so freundlich wie vorhin begrüßt zu werden? Wer lässt sich schon gern in die Karten gucken, noch dazu ohne vorige Anmeldung?
Sicherlich gibt es unterschiedliche Reaktionen. Es ist natürlich wichtig, nicht wie ein Überfallkommando daherzukommen. Wenn ich feststelle, dass es gerade Stress in einem Betrieb gibt, beispielsweise durch Probleme bei der Ernte, dann verschiebe ich auch schon mal meinen Besuch. Aber in den allermeisten Fällen bin ich bisher auf Verständnis gestoßen. Händler wie Agrarbetriebe müssen doch ein natürliches Interesse daran haben, dass ihre Ware frei von Mykotoxinen, Salmonellen oder Schwermetallen ist.
Doch was geschieht, wenn das Labor Rückstände feststellt, die über dem zulässigen Wert liegen?
Dann wird das jeweilige Futtermittel erst einmal gesperrt und eine weitere Probe angeordnet. Bestätigt diese den Befund, wird die Ware aus dem Verkehr gezogen und gegebenenfalls vernichtet.
Haben Sie schon Proben beanstanden müssen?
Ja. Aber das war zu meiner Zeit in Brandenburg, ist schon etwas her. Es wurden Kornkäfer im Futter nachgewiesen, aber auch Salmonellen. Überdies war das Lager eines Herstellers mit PCB belastet. In anderen Fällen wurden Futtermittel nicht exakt deklariert. In Dessau-Roßlau hatte ich noch nicht damit zu tun. Dazu muss man aber wissen, dass ich hier erst seit Anfang Juli beim Amt für Gesundheit, Veterinärwesen und Verbraucherschutz arbeite.
Wie hat sich Corona auf Ihre Arbeit ausgewirkt?
Nicht so heftig wie bei meinen Kolleginnen und Kollegen, die pandemiebedingt extrem belastet waren und es zum Teil noch sind. Ich habe viel im Homeoffice gearbeitet, die Kontakte zu den Händlern und Betrieben deutlich reduziert. Außerdem hatte ich Schonzeit, weil im Dezember 2019 unsere Tochter Henriette geboren wurde. Aber schon deshalb achte ich sehr darauf, im Amt und auch außerhalb die Hygieneregeln einzuhalten. Ich möchte fit bleiben!
Was tun Sie dafür?
Ich treibe Sport, reite gern, spiele Volleyball. Außerdem haben mein Mann und ich ein Haus gebaut, nur wenige Kilometer von hier entfernt. Im Mai sind wir eingezogen, aber es gibt auch drumherum noch sehr viel zu tun. Ich möchte einen Garten anlegen, etwas Obst und Gemüse anbauen. Also für Betätigung ist reichlich gesorgt!
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Ich möchte mich weiter in meiner Stelle gut einarbeiten und offenbleiben für Neues. Das heißt auch, in puncto Gesetzesregeln auf dem Laufenden zu bleiben. Es gibt bereits jetzt einen Berg von EU-Verordnungen, die beachtet werden müssen. Und der wird, da bin ich mir ziemlich sicher, nicht kleiner werden.
Was wünschen Sie sich für Ihre Tochter?
Dass sie weiterhin gesund und geborgen aufwachsen kann. Dass sie zu einem selbstständigen Menschen heranwächst, der seinen Platz in der Gesellschaft und im Berufsleben mit viel Empathie für die Mitmenschen findet. Ich möchte ihr alles mitgeben, was sie dazu braucht.