Herdenmanagerin mit 25 Jahren
Beruf Herdenmanagerin: Als Leiterin der Tierproduktion betreut die 25-jährige Janina Schulz einen Bestand von mehr als 1.000 Milchkühen.
Autorin: Karina Hoppe
Vielleicht gab es mal den Gedanken, nicht in die Landwirtschaft zu gehen. Aber er muss nur kurz da gewesen sein, jedenfalls von so wenig Bedeutung, dass Janina Schulz sich nicht mehr genau daran erinnern kann. „Es war eigentlich immer klar“, sagt die 25-Jährige. Der Weg vom elterlichen Landwirtschaftsbetrieb, der GbR Dolsleben bei Dähre, in ein Leben mit, von und für die Landwirtschaft war vorgezeichnet. Quasi in die Wiege gelegt. Dass Janina Schulz aber gleich den Hut für 1.070 Milchkühe plus Nachzucht aufhaben würde, nein, das hätte sie sich nicht träumen lassen. Und doch: Vor knapp einem Jahr unterschrieb sie den Vertrag bei der Milchproduktion Lindtorf eG – als Herdenmanagerin beziehungsweise Leiterin der Tierproduktion, als Herrin über mehr als 1.000 Kühe, doch das ist eher Poesie.
Das Melkkarussell ist von 1976, ein neues befindet sich bereits im Bau. Gemolken wird zweimal täglich. ©Karina Hoppe
Im Stall, einer 1930er-Anlage aus dem Jahr 1976, hat die heutige Hindenburgerin ganz viel mit Zahlen zu tun. „Die fünf darf raus“, heißt es da am Melkkarussell. Oder: die Kuh mit der fünfstelligen Ohrmarkennummer muss noch in der Gruppe der „frischen Muttis“ bleiben. Die Milch, die die Kühe in den Tagen nach dem Abkalben geben, das sogenannte Kolostrum, kommt in den Milchtank für die Kälber. Diese werden eine halbe Stunde nach der Geburt von ihren Müttern getrennt. „Das stört die Muttertiere nicht. Nach drei Tagen wäre es etwas anderes, dann hat sich eine Bindung aufgebaut“, sagt Janina Schulz. Die Holsteinkühe sind alle 21 Tage brünstig und müssen einmal im Jahr kalben, um Milch zu geben. Auf gut und gerne zwölf Laktationen kann es eine Milchkuh bringen. 60 Tage vor dem Kalben werden die Kühe trockengestellt. Jede Menge Zahlen und Fakten hat die 25-Jährige parat – ein Zeichen dafür, dass sie ihr Fach versteht.
Gute Milchleistung nur im Team zu erreichen
Aber ganz ohne sei es dann doch nicht gewesen, sich als „Jungspund“ zu behaupten. Immerhin ist das Team aus Melkern, Fütterern, Kälberpersonal, Kräften für die Jungrinder, Boxeneinstreuer plus Lehrlingen inklusive ihr selbst 26 Leute stark. Zusammen mit dem Feldbau beschäftigt die Genossenschaft im Landkreis Stendal 45 Mitarbeiter. Was Janina Schulz nicht hören mag, sind Sätze wie: „Das haben wir immer so gemacht.“ oder „Das geht nicht.“ Denn es gehe ja doch. Als Janina Schulz nach Lindtorf kam, lag das mittlere Tagesgemelk bei einem Wert von 30 Liter Milch pro Tier. „Bei der letzten Kontrolle hatten wir 35,3.“ Das habe sie aber natürlich nicht alleine geschafft, das sei eine Gemeinschaftsleistung, unterstreicht die Herdenmanagerin.
Die meiste Zeit ihrer täglichen Arbeit von etwa 6 bis 16/17 Uhr verbringt Janina Schulz bei der sensiblen Frischabkalbergruppe, jenen Kühen also, die gerade abgekalbt haben. Überhaupt geht es im Stall ganz viel um Gruppen, werden die Kühe doch je nach Laktationsphase der Startrations-, der Hochleistungs- oder Altmelkergruppe zugeordnet, wobei jede das zu ihr passende Futter erhält. Die Rationen bestehen aus Mais und Grassilage, einer hofeigenen Kraftfuttermischung (Getreide, Rapsschrot), Sojaschrot als Eiweißlieferant sowie Stroh und silierter Luzerne.
» Bild rechts: Die Kälberfütterung in Lindtorf war schon Teil ihrer Bachelorarbeit. ©Karina Hoppe
Über das Futter, wenn man so will, ist Janina Schulz überhaupt nach Lindtorf gekommen. Nach dem Abitur in Salzwedel und der Ausbildung zur Landwirtin an der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau in Iden studierte sie Landwirtschaft an der Hochschule in Bernburg. Im Rahmen ihrer Bachelorarbeit machte sie in der Lindtorfer Genossenschaft einen Versuch mit einem pflanzlichen Futterzusatzstoff aus Federmohn. „Da geht es um die Vitalhaltung der Kälber, die Stärkung des Immunsystems. In Wahrheit entfernt sich die Landwirtschaft immer weiter vom Antibiotikum“, sagt Janina Schulz. Jedenfalls habe es nicht lange gedauert, bis die Lindtorfer bohrten, ob sie nicht bleiben wolle. Ja, sie wollte.
Tierbeobachtung ist sehr wichtig
»Bild links: Frisch abgekalbten Kühen gilt besonderes Augenmerk. ©Karina Hoppe
Als Herdenmanagerin hat Janina Schulz die Tiere immer im Blick. „Tierbeobachtung ist ganz wichtig.“ Nur gesunde Tiere könnten Leistung bringen. Und im Zweifelsfall gelte: „Lieber mal 40 Liter weniger im Tank, aber dem Tier geht’s gut.“ Und falls doch mal was ist, ruft Janina Schulz den Tierarzt.
» Bild rechts: Wertvoll: Das Bullensperma lagert in flüssigem Stickstoff. ©Karina Hoppe
In ihrer Hand liegt es darüber hinaus, welche Tiere in Lindtorf geboren werden, will sagen, mit welcher Genetik. Die Genossenschaft kümmert sich selbst um die Nachzucht des Milchviehs. Janina Schulz bestellt den Samen, schätzt in Anbetracht von Merkmalen wie Strichplatzierung, Größe, Hinterbeinstellung, Tiefe und Stärke der Tiere ab, welcher Zuchtbulle am besten zu welcher Kuh passt. Das Bullensperma lagert dann in einem Behälter mit flüssigem Stickstoff, bis die Kuh brünstig ist und der Besamer kommt. Männliche Jungtiere werden später an Mäster verkauft, die Milchkühe kommen in den eigenen Bestand oder gehen auch zur Zucht weg.
Fast wäre Janina Schulz, 2014 Siegerin des Landesmelkwettbewerbes in der Kategorie Melkstand, auch Bundessiegerin geworden. Ein Fehler beim Zelltest kostete sie damals womoglich den Titel. Seit zwei Jahren ist die junge Frau selbst Richterin bei den Landesmelkwettbewerben. Sie, die die Kühe auch mal mit „Mausi“, „mein Schnuppel“ oder „na, du alte Schnepfe“ anredet, und deren Bruder jetzt auch studiert: Landwirtschaft.