Reitstall Waldhof Dammer: Beruf mit Berufung
Der Reitstall Waldhof Dammer im thüringischen Stedten ist „Ausbildungsbetrieb des Jahres in den grünen Berufen“. Chefin Birgit Dammer legt die Latte für die Ausbildung junger Pferdewirte hoch – für ihre Azubis ein Grund, den Betrieb für die Auszeichnung vorzuschlagen.
Von Birgitt Schunk
Wer bei Birgit Dammer ankommen möchte, muss ein paar Umwege gehen. Von schnellen Hengsten und Stuten, Schlössern oder gar betuchten Prinzen zu träumen, reicht für eine Ausbildung bei ihr nicht aus. Die Chefin des Reitstalls Waldhof Dammer im thüringischen Stedten hat für ihre Pferdewirt-Azubis die Hürden hoch gelegt. „Der Beruf ist mehr als Streicheln, Heu reichen und durch die Flur reiten – die Wirklichkeit ist anders. Ich bestehe in der Regel auf einem Vorbereitungsjahr, um zu sehen, ob die jungen Leute sich wirklich eignen“, sagt die 55-Jährige. „Der bequemste und geradlinigste Weg ist nicht immer der beste.“ Wer wüsste das besser als sie selbst?
Der Betrieb, den sie aufgebaut hat, wurde ihr nicht in den Schoß gelegt. Eigentlich kam sie einst nach Weimar, um Architektur zu studieren. Doch die Pferdeliebhaberin hörte nach einem Semester auf und machte gemeinsam mit ihrem Mann, einem gelernten Hufbeschlag-Schmiedemeister, aus dem Hobby den Beruf – und begann quasi bei null.
Sie erwarb den Abschluss als Pferdewirtschaftsmeisterin, nahm Kredite auf, kaufte einen alten Milchviehstall mit 200 Plätzen. Parallel dazu gründete sei den Reit- und Fahrverein Waldhof. „Wenn es sich lohnt, etwas zu tun, dann lohnt es sich auch, das richtig zu tun“, beschreibt sie die Ansprüche an sich selbst. „Halbe Sachen kann ich nicht.“ So hält sie es auch mit ihren Azubis. „Ich will sie nicht irgendwie durch die Prüfung bringen, sondern sie auf Beruf und Leben vorbereiten.“ Beides gehört für sie eng zusammen.
Reitstall Waldhof Dammer: Hochgelegte Hürden
Jedes Jahr nimmt Birgit Dammer einen Lehrling unter Vertrag. Mehr gebe die Größe ihres Betriebes nicht her. Insofern wüssten die Azubis auch, dass sie nicht übernommen werden könnten. Sie hält sechs eigene Pferde, 30 Tiere sind in Pensionshaltung. Ein Stallarbeiter gehört neben den Azubis zudem zur kleinen Mannschaft.
Die Chefin weiß, dass kleinen Ausbildungsbetrieben gern mal unterstellt wird, nur auf den Berufsnachwuchs zu setzen, weil es günstige Arbeitskräfte sind. „Wer die Ausbildung der jungen Leute ernst nimmt, investiert jedoch erst einmal viel, viel Zeit“, sagt sie.
Hinzu kämen Schulphasen, Feiertage oder Krankheiten, in denen das Entgelt gezahlt werden müsse, die Lehrlinge aber nicht im Betrieb seien. Wenn die Jugendlichen auf den Hof kommen, sind sie zudem erst 17, wenn es hochkommt 20 Jahre alt. Anfangs also noch ohne Fahrerlaubnis sind sogar die An- und Rückfahrt tagsüber ein Problem. „Da fehlt noch ganz, ganz viel, um von Fachkräften zu sprechen“, sagt sie. Eine Unterkunft auf dem Hof als Wohngemeinschaft für die Azubis könnte sich Birgit Dammer irgendwann einmal vorstellen, doch dafür müsste erst einmal kräftig investiert werden. „Derzeit ist das finanziell nicht machbar.“ Wegen Corona gab es auch im Reiterhof Einschnitte.
azubis reichten vorschlag ein
Trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer hohen Ansprüche an die jungen Leute ist eine Ausbildung bei ihr gefragt. Die Azubis – ehemalige und aktuelle – waren es sogar, die die Auszeichnung „Ausbildungsbetrieb des Jahres 2020“ für die Pferdewirtschaftsmeisterin in Thüringen auf den Weg brachten. Sie hatten selbst den Vorschlag eingereicht. „Ich habe das erst im Nachhinein erfahren und die Begründung gehört – das war schon rührend“, sagt die Ausbilderin. „Da habe ich wahrscheinlich doch viel richtig gemacht.“ Und sie freut sich, weil nicht nur große Unternehmen mit solch einer Ehrung bedacht werden, sondern auch kleinere Betriebe.
Wegen Corona wurde die Ehrung aus dem letzten Jahr erst im Sommer 2021 verliehen. Pferdewirt oder Pferdewirtin werden zu wollen, ist aus Dammers Sicht Berufung. „Das Pferd muss dem Menschen gegenüber Respekt haben und viel Vertrauen“, sagt sie. Doch im Selbstlauf gelinge dies nicht. Jeder, der Pferde führt und ausbildet, müsse eine fundierte Ausbildung haben. „Viel zu viele dürfen sich heutzutage Reitlehrer nennen – die Bezeichnung ist nicht geschützt.“ Ihren Azubis will sie vermitteln, „wie man Pferde versteht“. Die Ausbildung ist zudem mit Vielseitigkeit, Springreiten, Dressurreiten und Fahrsport sehr umfangreich und geht weit über Füttern, Misten und Striegeln hinaus.
Ausbildungsbetrieb des Jahres 2020 geehrt
Der Reitstall „Waldhof Dammer“ in Stedten am Ettersberg ist als landwirtschaftlicher „Ausbildungsbetrieb des Jahres 2020“ ausgezeichnet worden. mehr
Keiner wird ins kalte Wasser geworfen
Zoe-Mar Plucis ist eine der Azubis, die den Vorschlag für die Auszeichnung mit befürwortet hatten. Die 18-Jährige reitet seit zehn Jahren und hatte Birgit Dammer vor dem Ausbildungsbeginn bereits bei Turnieren als Richterin kennengelernt. „Ich hatte in verschiedenen Ställen Praktika absolviert, doch dort gefiel es mir nicht so“, erzählt sie. Ihre damalige Trainerin legte bei der Chefin des Reitstalls Waldhof Dammer ein gutes Wort ein und fragte, ob eine Ausbildung möglich sei. Dennoch stand auch hier erst einmal ein Praktikum an – die junge Frau wurde angenommen.
Ihre Ausbilderin sieht sie „als tolle, erwachsene Frau, die wahnsinnig viel gemacht hat in ihrem Leben“. Aber sie kennt auch deren Konsequenz und Strenge. „Wenn sie mal nicht Recht hat, gibt sie das aber auch zu und entschuldigt sich – das schätze ich“, sagt Zoe-Mar und erinnert sich an einen Tag, an dem es ziemlich stressig zuging. Die Gerätschaften waren noch nicht weggeräumt, wie es nach getaner Arbeit sein müsste. Dafür gab es von Birgit Dammer eine Ansage. Doch sie habe der Chefin die Situation erklärt. Damit sei alles erledigt gewesen – Haken dran also.
Auch Tabea Meyer erfüllt sich hier ihren Traumberuf und sitzt schon lange auf dem Pferderücken. Auch sie hat schon Praktika absolviert und schätzt bei Birgit Dammer, dass man selbst in solch einer Schnupperzeit immens viel lernt. Statt nur kehren und ausmisten, erhalten die jungen Leute Reitunterricht und dürfen bereits mit Kindern arbeiten, wenn sie das Zeug dazu haben. „Sogar mit Kunden kann man schon reden – auf all das wurden wir aber vorbereitet, ins kalte Wasser geworfen wird man hier nicht“, erzählen die Azubis.
Ehemalige Azubine bei Olympiaden dabei
Als es vor Jahren darum ging, die grünen Berufe attraktiver zu machen, kam in einer Beratung der Vorschlag, materielle Anreize zu setzen. „Wenn VW kleine Autos oder Handys vergibt, dann soll ich wohl ein Pony verschenken“, fragte Dammer damals ironisch in die Runde. Sie sprach sich gegen Geschenke aus. „Da können wir nicht mithalten. Und ehrlich gesagt, will ich das auch nicht. Die jungen Leute müssen erst mal sehen, wie hart Geld erarbeitet werden muss.“
In der Begründung zur Auszeichnung war von der „Ausbildung als Herzensangelegenheit“ die Rede. Der Betriebschefin vom Reitstall Waldhof Dammer wurde bescheinigt, junge Menschen zu selbstbewussten Persönlichkeiten auszubilden, denen deshalb alle beruflichen Wege offenstehen. Ausschlaggebend sei für die Jury-Entscheidung neben der individuellen und vielseitigen Ausbildung junger Menschen auch deren Förderung mit Zusatzqualifikationen, Trainerzertifikaten und Leistungsabzeichen gewesen, hieß es. Stolz ist Birgit Dammer, dass beispielsweise eine ihrer ersten Azubis schon bei zwei Olympiaden als Chefpflegerin für einen bekannten Reitstall mit dabei war.
Geschenkt bekommen die Lehringe nichts
Obgleich sie die Auszeichnung als „Bester Ausbildungsbetrieb“ im Land bekommen hat, hält sie mit Kritik nicht hinterm Berg. Sie will, dass es vorwärtsgeht. Dammer ist natürlich froh, dass die schulische Ausbildung ihrer Lehrlinge in Thüringen geblieben ist. „Ich habe mit dafür gekämpft“, sagt sie. Aber sie wünscht sich mitunter mehr Hintergrund mit Blick auf „reitfachliche Dinge“.
Auch in der coronabedingten Schließzeit der Berufsschule in Rudolstadt hatte sie mehr erwartet. „Die jungen Leute bekamen seitenweise Aufgaben fürs Selbststudium übermittelt, ohne auf die Fragen gleich Antworten zu bekommen.“ Birgit Dammer war das zu wenig. „Das hatte mit Ausbildung nichts mehr zu tun. Ich habe deshalb darauf bestanden, dass ich die Aufgaben auch zugeschickt bekomme.“
Viel Stoff hat sie dann selbst mit ihren Azubis besprochen, war somit praktische und theoretische Ausbilderin zugleich. Lehrling Zoe-Mar Plucis sieht das nicht anders. „Da waren sogar Aufgaben dabei, die wir in der Berufsschule noch gar nicht durchgearbeitet hatten. Und wenn ich mit dem Schulzeug nicht weiter wusste, hat Birgit mir das alles erklärt.“
tochter war „Beste Auszubildende“ 2017
Dass der kleine Betrieb eine sehr gute Ausbildung vermittelt, stellte nicht zuletzt Ann-Marie Dammer, die Tochter der Reiterhof-Chefin, unter Beweis. Sie war 2017 die „Beste Auszubildende“ in der Pferdewirtschaft in Thüringen. Die praktische Prüfung hatte sie komplett mit 100 Prozent gemeistert – mehr ging also nicht.
Geschenkt hat die Mutter in der Ausbildung auch ihr damals nichts. „Sie war strenger als bei den anderen Lehrlingen“, sagt die heute 27-Jährige. Aber das müsse nicht von Nachteil sein. „Besser als eine zu lässige Ausbildung.“ Ann-Marie Dammer will irgendwann ebenso ihren Meisterabschluss machen – und wahrscheinlich auch den Hof übernehmen, aber mit eigenen Konzepten und Ideen.
„Gott hat vergessen, mir eine Hand mehr zu geben“
Urlaub hat die Pferdewirtschaftsmeisterin schon seit 1985 nicht mehr gemacht. In jungen Jahren fehlten während Schule und Studium Zeit und Geld. Heute kann sie nicht weg, weil die Pferde 365 Tage im Jahr betreut werden müssen. „Gott hat vergessen, mir eine Hand mehr zu geben.“
Dennoch war sie einmal an einem Punkt, als sie dachte, es gehe nicht mehr weiter. 2014 hatte ein Starkregen den Hof überspült. Die Reithalle war wie ein Schwimmbecken, die Pferde standen überall in Wasser und Schlamm. Doch weil nur Niederschläge die Überflutung verursachten, zahlte die Versicherung nicht. „Da blieb mir nichts anderes übrig, als mich selbst wieder rauszuziehen – eine solche Situation möchte ich nicht noch einmal erleben.“
Reitstall Waldhof Dammer: Mittags kocht die Chefin für alle
Kurz vorm Mittag ist die Chefin des Betriebes in der Regel nicht auf dem Hof zu sehen, sondern kocht für alle. „Wer körperlich arbeitet, kann mittags nicht von Nougat-Brot leben“ sagt sie. Egal, ob Rosenkohl, Kartoffeln und Schnitzel oder Curry-Reis – das Essen ist kostenlos. „Wichtig ist ihr, dass man zusammensitzt. „Wir sind schließlich ein Familienbetrieb – und da gehören meine Mitarbeiter dazu.“