Skadi Petermann: Die mit dem Netz tanzt
Ihr „Leben zwischen Landwirtschaft, Trouble, Alltag und Blödsinn“ auf Instagram überzeugte beim Wettbewerb der Digital-Aktiven. Auf der Grünen Woche wurde Skadi Petermann „Youngster des Jahres 2020“.
Von Silke Bärisch-Müller
Auf den ersten Blick brauchte Skadi Petermann nicht viel, um für den „digital future award 2020“ von agrarheute.com nominiert und zum „Youngster des Jahres“ gekürt zu werden: ein Smartphone, einen Instagram-Account und ein Ypsilon, „weil so ziemlich jeder meinen Namen falsch schreibt“. Auf „skadysfarmlife“ verfolgen mittlerweile 16.400 Abonnenten das Leben der 22-Jährigen „zwischen Landwirtschaft, Trouble, Alltag und Blödsinn“ in der elterlichen Produktivgesellschaft Dannenberg (Märkisch-Oderland).
Auf den zweiten Blick gehört eine Menge mehr dazu: Ideen, Ausdauer und Zeit, vor allem Zeit. Zwei bis fünf Stunden am Tag braucht Skadi Petermann unterm Strich, um Fotos und Videos aufzunehmen, zu bearbeiten oder zu schneiden, zu posten, zu kommentieren und auf Kommentare anderer zu reagieren. Das erledigt sie „wenn Zeit ist zwischendurch, morgens, in den Pausen, unterwegs, auch mal nachts“. Ein Full-Time-Job nebenbei, der ursprünglich eine Art Social-Media-Tagebuch werden sollte, um irgendwie dabei zu sein, wenn Freunde am Badesee waren, während sie ackern musste.
Das war 2016, als es nach dem Abitur mit dem Grafikdesign-Studium in Hannover nicht klappte und sie deshalb zunächst an ein freiwilliges ökologisches Jahr im Betrieb ihrer Eltern dachte. Dann aber entschied sie sich, stattdessen besser gleich die – dank Abi – nur zweijährige Ausbildung zur Landwirtin machen. Kaum war das mit Bestnoten geschafft, begann sie die Meisterausbildung, die sie in diesem Jahr abschließen will.
Viel Aufmerksamkeit
Und als wäre das noch nicht genug, wurden andere auf Skadi Petermann aufmerksam. Das gibts ja nicht so oft: Landwirtschaftlicher Nachwuchs, zumal eine Frau, dazu Landesbeste im Berufswettbewerb und dann noch cool im Netz unterwegs. Der rbb begleitete sie für eine landwirtschaftliche Doku-Serie, Vereine und Verbände holten sie für Podiumsdiskussionen auf die Bühne, Zeitungen schrieben seitenweise. „Sie bringt zusammen, was der unter Nachwuchssorgen leidenden Branche oft fehlt: Digitale Präsenz und jugendlichen Übermut, eine gute Portion Selbstironie bei gleichzeitiger Liebe zu diesem ältesten aller Berufe“, konnte sie über sich lesen. Oder: „… eine der frischesten Botschafterinnen der Brandenburger Landwirtschaft.“
Dabei war das alles keine Selbstverständlichkeit. „Ganz ehrlich: Ich hatte wenig Ambitionen für einen Beruf in der Landwirtschaft“, gesteht Skadi Petermann. Das Vorbild ihrer Eltern – viel harte Arbeit, wenig Freizeit – habe sie eher abgeschreckt. „Aber bei der Ausbildung und danach ist meine Arbeit für mich echt zur Leidenschaft geworden.“ Auch dank Florian, erst Praktikant, dann Azubi und heute ebenfalls angehender Landwirtschaftsmeister im Dannenberger Agrarbetrieb. Als sich Skadi prompt in diesen jungen Mann verliebte, war Hannover keine Option mehr.
Heute sind die beiden ein kongeniales Duo, bei der Arbeit und auch danach: „Er kocht, während ich am Handy daddele, oder er sitzt auf dem Weg zur Landwirtschaftsschule hinterm Lenkrad, damit ich neben ihm unterwegs Kommentare beantworten kann.“
Die meisten Abonnenten, sagt Skadi Petermann, seien so bis 35 Jahre alt. Die Comments sind oft auch fachlicher Austausch. Kein Beitrag ohne Likes in vierstelliger Zahl, ihr Bauerndemo-Video holte sogar fast 30.000 Herzchen! Wer je selbst auf Instagram-Herzenjagd gegangen ist, kann darüber nur staunen. Zumal Skadi Petermann auf jene berüchtigten Filmchen mit gekünsteltem Gepose, Gehabe und Getue verzichtet, wie es sie zigfach im Netz gibt, und sehr entschieden sagt: „Nennt mich bloß nicht Influencerin!“ Sie sieht sich als Bloggerin: viele Infos, keine platte Werbung.
Dabei böte sich die stattliche Reichweite ihres Accounts geradezu dafür an: Die Produktivgesellschaft Dannenberg, ein Demeterbetrieb, in dem sie für Marketing und Vertrieb zuständig ist, setzt auch auf Direktvermarktung. 650 ha Fläche, darunter 50 ha Dauergrünland, werden bewirtschaftet. 300 Rinder, darunter 140 Milchkühe, und 30 Mastrinder stehen in Stallungen und auf der Weide. Der Hofladen ist seit Jahren umfassend bestückt, seit vier Jahren auch der Regiomat. Die Milchtankstelle war eine der ersten in Brandenburg.
Fakten und Sprüche
Und tatsächlich zapft sich dort die Milch bewusster, wenn man im Video gesehen hat, wie Skadi Petermann sich zur besten Partyzeit für den Stalldienst aus den Kissen quält: „Was mache ich hier eigentlich?“ Oder wenn sie eine Kuh filmt, die ihr minutenaltes Kälbchen trockenleckt, und das herzerwärmende Motiv eiskalt kommentiert, dass sie nun – brrr! – im strömenden Regen schnell ein paar weitere Kälberboxen auskärchern müsse, weil mehr „Babys“ als erwartet gekommen sind. Das schafft Bilder im Kopf, jeder Schluck Milch verbindet sich damit, jeder Biss in Wurst und Fleisch.
Auch wer kein „Dorfkind“ ist (das Wort prangt auf Shirts und Hoodies aus ihrem Onlineshop), wird mit ihr zum Experten. Etwa wenn sie erklärt, dass die Frucht der Lupine an eine Nierenschale erinnere. Oder wenn sie ihren Florian zum Kerntemperaturmessen auf den Lagergetreideberg schickt und beim Aufkritzeln der Daten über Korngesundheit doziert.
Sie macht Klimmzüge an der Strohballengabel, vermummt sich fürs Saubermachen des Getreidelagers, modelt sich graziös in einen viel zu großen Ganzkörperanzug. Sie jammert kichernd über die Düfte beim Siloaufdecken und mault so mitreißend über den Gestank bei der Vorbereitung von Hornmist, dass auch der Zuschauer unwillkürlich die Nase rümpft. Sie cruist mit inbrünstigem Schlepper-Karaoke über den Acker – mal in DSDS-Manier, mal mit grinsender Empörung, weil das Radio gerade nur den Sender mit 80er-Jahre-Schnulzen empfangen kann.
Der Abonnent wird im musikbeschallten Traktorcockpit virtuell durchgeschüttelt oder erlebt stille Momente, wenn Skadi Petermann die zartgrünen Spitzen der Wintersaat formatfüllend ins Bild rückt. Er klopft ihr symbolisch auf die Schulter, wenn sie mächtig stolz vom gutstehenden Roggen schwärmt. Und er lacht sich mit ihr schlapp, wenn sie Kälber filmt, die sich den Tränkeimer über den Kopf stülpen, als wollten sie den Teller ablecken und erfährt – noch bevor er „Süüüß!“ denken kann – knallharte Fakten über Biestmilch.
Leidenschaft fürs Land
Skadi Petermann präsentiert romantische Sonnenuntergangsmotive, als ob der Acker auf der Barnimer Höhe die beste Alternative zum Karibikurlaub wäre, und kontert die trügerische Bilderbuchidylle – schwer schnaufend – mit dem Schrauben am großen Landwirtschaftsgerät. Sie vergleicht Grünfutter-Silage mit dem „Prinzip Sauerkraut“, räumt mit staubverschmiertem, aber stahlend-fröhlichem Gesicht die Technikhalle samt mannshoher Reifen auf, zeigt, wie übermütig und kuschelbedürftig Jungrinder sind (Kuhknutsch inklusive) oder spricht vom Güllefahren, als wäre es echt eine dufte Sache. Oder, oder, oder …
Fast 500 Beiträge sind es inzwischen, und bei jedem einzelnen nimmt man Skadi Petermann ab, dass für sie Landwirtschaft Leidenschaft ist, Landleben lohnt und der Beruf „definitiv auch was für Mädchen“ ist. Nur dass sie dafür einmal einen Medienpreis erhalten würde, damit hat sie nicht gerechnet. „Es gibt ja viele von uns, die wie ich auf Instagram unterwegs sind“, wiegelt sie ab. Na, wenn sie sich da mal nicht irrt.