"Pomme de Meck" aus Mecklenburg

Apfelcider aus Diemitz: Auf die feine englische Art

Das kleine, aber feine Sortiment von "Pomme de Meck". (c) Sabine Rübensaat
Landleben
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Das Beste, was einem Apfel passieren könne, so heißt es, sei seine Verwandlung in Cider. Die Normannen brachten einst das Getränk nach Britannien, wo es bis heute populär ist. Tobias Müller-Deku holte den sprudelnden Sekt aus 100 Prozent Saft in die mecklenburgische Provinz.

Von Jutta Heise

Preisfrage: Welche Vorteile bringt es, wenn man einen Töpfer zum Nachbarn hat? Bei einer handfesten Art, gegensätzliche Argumente auszutauschen, wäre schnell Tellerersatz zu beschaffen? Das lassen wir gelten. Ein Tonkünstler könnte uns aber auch beziehungsreiche Wegweiser fabrizieren.

Etwa: Äpfel! Große, kleine, rote, grüne, braune, Symbole des Sündenfalls, Abbilder der Lieblingsfrucht der Deutschen thronen auf der Grundstücksmauer, am Eingangstor, verstecken sich auf dem Anwesen von Heike und Tobias Müller-Deku.

Wir sind im knapp 100-Seelen-Ort Diemitz in der Mitte der mecklenburgischen Kleinseenplatte. Der Hausherr heißt uns willkommen: randlose Brille; Gatsby-Flatcap, landläufig Schiebermütze genannt; (Schaf-)Wollweste. Ein Statement? Ein Stück britischer Lebensart? Anyway, wie auch immer, bitte subito auf die kleine Streuobstwiese hinterm Haus. Die zweite Pressung der Saison 2023 steht an. Geerntet wurde schon ordentlich. Info unterwegs: Müller-Deku besitzt auch zwei Apfel-Plantagen in der Nähe, die derzeit auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt werden und hat drei Streuobstwiesen mit alten Sorten in gebotener Varietät neu angelegt.

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Apfelcider: Was reif ist, fällt vom Stamm

Er und Fabian Malt, sein einziger Angestellter, der auch einen kleinen Gallowayrinder-Betrieb führt, machen sich an die Arbeit: Unter einem etwa 50 Jahre alten Baum, der geschätzt um die 120 Kilo Äpfel bringen wird, Plane ausbreiten, auf die Leiter, die Zweige beherzt, aber nicht brutal rütteln. Was reif ist für die Presse – fällt. Äpfel einsammeln. Druckstellen, Kleingetier oder Schorf tun dem späteren Cider nichts, Exemplare mit Faulstellen müssen zurückbleiben. 2022 galt als Apfeljahr an sich. Man hat deutschlandweit 1,1 Millionen Tonnen eingebracht, zehn Prozent über dem langjährigen Mittel.

Dieses Jahr wird man sich mit einer 17 Prozent niedrigeren Ernte bescheiden müssen. Müller-Deku rechnet runter. „Wir brauchen sechs bis sieben Tonnen Äpfel, um daraus 6.000 Flaschen Cider á 0,33 Liter, 800 Liter Apfelsaft und 80 Liter Brand herzustellen.“ Womit wir bereits bei den Kernprodukten der Manufaktur sind. Apfelkraut-Gelee kommt dazu und – neu auf dem Markt 2023: Cider-Likör. Während der pure Cider und der Saft vor Ort hergestellt werden, übernimmt die Veredelung derzeit eine Stralsunder Brennerei.

Das Label „Pomme de Meck“, frei übersetzt mit „Apfel aus Mecklenburg“, ist per Brainstorming mit Freunden ausgedacht (unter Zusatz welcher inspirierenden Droge, blieb geheim). Im Raum steht erst mal: Wie kommt einer wie Müller-Deku, gebürtiger Kölner, zum Cider, was hat ihn getrieben, sich mit Apfelsekt in der mecklenburgischen Provinz niederzulassen? „Cider begleitet mich durchs Leben“, sagt der Mann mit der Schiebermütze. Er ist in England zur Schule gegangen, folgerichtig war Apfelsekt (und nicht etwa Cola-Korn) das erste alkoholische Getränk, das er mit 16 legal zu sich nehmen durfte.

Neue Herausforderung in Mecklenburg

Cider gehört zum Lifestyle im Vereinigten Königreich, prägt die Trinkkultur mit. Nach dem Studium arbeitete Müller-Deku 22 Jahre als Rechtsanwalt in einer deutsch-britischen Wirtschaftskanzlei, war in Russland, im Mittleren Osten tätig.

Vor acht Jahren ist er dort ausgestiegen und hat sich angesiedelt, wo See an See grenzt. Das Ländchen, das sich Brandenburg und Mecklenburg teilen, hatte man zuvor im Urlaub kennengelernt. Hier könnte man gut den nächsten Abschnitt seines Lebens mit einer neuen Herausforderung verbringen, war sich das Paar einig und erwarb vor 20 Jahren Haus samt Grundstück.

„In dieser Region stehen in jedem Garten Apfelbäume. Die Früchte werden oftmals nicht verwertet, sie auf den Kompost werfen möchten die Leute aber auch nicht.“ Hier setzt Müller-Dekus Idee an, aus der wird ein Projekt, geboren aus Vergangenheit und Zukunft, sozusagen. Er absolviert die Cider-Academy in England, beginnt zu experimentieren. Anfangs sammelte man Früchte von Nachbarn ein, bewahrte damit manchen Baum vor der Axt, produziert zunächst in Provisorien. „Inzwischen haben wir selbst ausreichend Früchte, wollen das Einsammeln aber nicht aufgeben. Es hat einen sozialen Aspekt, man lernt Leute kennen. Jetzt sind wir schon in der siebten Saison.

Eine Frage des Blickwinkels: Die Äpfel werden in einer Art Drehkorb gewaschen. (c) Sabine Rübensaat

In dem Drehkorb werden die Äpfel gewaschen um auf die Herstellung vorbereitet zu werden. (c) Sabine Rübensaat

Der nach dem Pressen anfallende Trester wird zu Tierfutter oder kompostiert. (c) Sabine Rübensaat

Der Saft, der in 120-Liter-Fässern gärt, wird im Februar/März abgefüllt. (c) Sabine Rübensaat

Dem Apfelsekt „verfallen“: Tobias Müller-Deku und seine Frau Heike, die sich als Architektin im Dorf beruflich einbringt. (c) Sabine Rübensaat

Tönerne Wegweiser: Symbole des Sündenfalls (und des Cider) in vielen Variationen. (c) Sabine Rübensaat

Die Äpfel werden per Hand eingesammelt. Früchte mit faulen Stellen müssen leider zurück bleiben. (c) Sabine Rübensaat

Cider aus Mecklenburg: Regional und frisch hergestellt

Die Äpfel kommen in einen Drehkorb, der wohl mal zum Säubern von Kartoffeln diente. Blank gewaschen geht es zum Pressen. In einer Art Mühle wird das Obst soweit zerkleinert, dass eine breiige Masse entsteht, aus der unter 200 bis 300 bar der Saft herausgepresst wird. Aus 100 Kilo Frucht werden 60 Liter. Die braunrote Flüssigkeit wird in Fässer zu je 120 Liter gefüllt und später fermentiert: Chemie-Einser vor! Richtig, Hefepilze zerlegen den Fruchtzucker in Alkohol und Kohlensäure. Der Gärprozess im Fass dauert bis zu fünf Monate.

Die Abstimmung des Geschmacks erfolgt bei beiden Varianten, „Trocken“ bzw. „Halbtrocken“, vor allem mit eigenem Apfelsaft, „den wir zu einem dickflüssigen Sirup einkochen und zufügen.“ Dieser ist auch der Rohstoff für das Gelee und der Geschmacksgeber beim Likör. „Nur beim halbtrockenen Cider geben wir zusätzlich etwas Zucker zu.“ Mehr Details ersparen wir euch nun doch.

Ohnehin hält der Markt Kits und Boxen zum Cider-Selbermachen samt Anleitung bereit! Also ran? „Wenn man experimentierfreudig ist und Überraschungen mag, warum nicht?“, grinst Müller-Deku süffisant. Kleine Warnung: Wie man das Produkt zum Sprudeln bringt und zugleich ordnungsgemäß abfüllt, sei nicht so leicht in der häuslichen Küche zu imitieren.

Modegetränk Cider

Cider ist hierzulande wieder in Mode, hat etwa den Gin im Beliebtheitsranking abgelöst. Die Hersteller-Szene ist noch überschaubar, die Nachfrage groß. Müller-Deku vermarktet ab Hof, online, ist in Restaurants vertreten, belebt das eher schmale Segment regionaler Produkte. „Wir haben 2014 das ehemalige Diemitzer Kulturhaus gekauft, als Ruine. Mit Leader-Mitteln und der Hilfe von Freunden haben wir es saniert, Gastronomie plus Kultur etabliert.“ (Wir schlussfolgern, dass es dem Paar nicht allein um den Cider geht, sondern wohl auch um mehr Vitalität für den ländlichen Raum.)

„Von Anfang an wird unser Cider im Dorfkrug geführt. Wer ihn kostet, driftet schnell mal rüber zu uns und kauft ein paar Flaschen für zu Hause. Eine Nachbarin vermietet Ferienwohnungen, als Willkommensgruß steht unser Produkt auf dem Tisch. Auch das zeigt Wirkung. Seit April haben wir 650 Käufe registriert.“ Man möchte die Produktion ausweiten, Räumlichkeiten und Equipment sind zu klein dimensioniert. „Wir werden mit einer größeren Anlage 100 kg statt 60 kg pro Arbeitsgang pressen und fermentieren können. Technologische Abläufe gehen parallel vonstatten.“

Auch die Anlage zum Brennen von Apfelweinbrand auf Cider-Basis ist bestellt. Die Arbeitsstätte samt Warenlager wird in eine Scheune im Nachbarort verlagert. „Dann können wir sogar Lohnmosten anbieten.“ Müller-Deku sprudelt – Cidergleich. Unsereinen beschleicht die leise Furcht, der Charme einer kleinen Manufaktur könnte leiden. Weg mit jeglichem Hauch von Zweifel! Wer möchte schon auf der Stelle treten! Cheers!


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