Brandenburger Jersey Eis: Genuss und regionale Kreisläufe
Im brandenburgischen Baruth produziert Loreen Herrmann ein besonderes Eis – denn die Milch dafür stammt von reinrassigen Jersey-Kühen, die nur wenige Kilometer von der Manufaktur entfernt auf saftigen Wiesen grasen.
Nein, auf der Kanalinsel Jersey sind wir nicht, wenngleich die grünen Wiesen im Baruther Urstomtal, das nach der letzten Eiszeit durch das Abschmelzen der Eismassen entstand, durchaus etwas an die Insellandschaft erinnern, auf der die Wiege der inzwischen weltweit verbreiteten Jersey-Kühe steht.
Am Rande des Dorfes Schöbendorf im Landkreis Teltow-Fläming sind es an diesem sonnigen Frühlingstag 170 Milchkühe, darunter „Mega Girl“, die einfach mega ist.
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Brandenburger Jersey Eis: Jersey-Milchkühe
Sie sucht unsere Nähe, begrüßt uns neugierig und freundlich. Ihre Schwestern, die übrigens auch alle einen Namen haben, tun es ihr gleich. Mit ihren großen dunklen Augen schauen uns die Kühe an, beschnuppern und beschlecken uns, selbst die Kamera unserer Fotografin wird untersucht. Doch ganz plötzlich verlieren die Mädels das Interesse an uns, zeigen nur noch ihr Hinterteil und trotten gemütlich davon. Was ist passiert?
Rainer Schmitt, der Herr der Herde, schaut seinen hübschen vierbeinigen Damen schmunzelnd hinterher: „Sie sind heute das erste Mal auf dieser Weide und checken alles nach den besten Futterplätzen ab. Ist einer gefunden, zieht es sie alle dorthin, und wir sind halt nur noch Nebensache.“
Rainer Schmitt, seit 2015 Geschäftsführer der Agrargesellschaft Baruther Urstromtal, ist wie er selbst sagt „Jersey-Züchter mit Herz, Verstand und Seele“. Dafür sorgen aber nicht nur das hübsche Aussehen und das friedfertige Wesen der Kühe. Sie sind gegenüber anderen Rinderrassen auch gesünder, fruchtbarer, eignen sich hervorragend als Weidetiere, haben bessere Fundamente und liefern vor allem eine qualitativ hochwertige Milch – mit sechs Prozent Fett- und vier Prozent Eiweißgehalt.
Eismanufaktur im Alten Schloss von Baruth
Auch Loreen Herrmann ist vernarrt in die braunen Jersey-Rinder, liefern sie ihr doch die Milch für ihr Urstrom-Jersey-Eis. 500 Liter sind es, die pro Woche in einer kleinen Eismanufaktur im Alten Schloss von Baruth verarbeitet werden. An unserem Besuchstag wird Holunder-Sahne-Eis produziert. Insgesamt sind es stolze 70 Geschmacksrichtungen, darunter neben Milcheis auch fruchtiges und cremiges Sorbet, Stiel-und Softeis.
Abnehmer sind regionale Supermärkte, Eiscafés und Hofläden. Auch im Café „Alte Rösterei“ im Alten Schloss von Baruth, das auch als Frauenhaus bekannt ist, kann man das köstliche Eis genießen – bei schönem Wetter von einer Terrasse aus mit einem traumhaften Blick in den fast 200-jährigen und 22 Hektar großen Lenné-Park mit seinen mächtigen Bäumen, Wiesen, Teichen und Brücken.
Bildergalerie: Urstrom Jersey’s Eismanufaktur
Eismacherin für das Besondere
Selbst Eis zu machen – davon träumt Loreen Herrmann seit ihrem 14. Lebensjahr. Als Schülerin, so erzählt sie, hat sie bei einem Italiener in ihrer mecklenburg-vorpommerschen Heimat Softeis verkauft. So hat sie sich nicht nur das erste eigene Geld verdient, sondern auch erste handwerkliche Fähigkeiten abgeschaut. Nach dem Betriebswirtschaftsstudium sei dann das Feuer fürs Eisige wieder entfacht.
In ihrer neuen brandenburgischen Heimat hat sie sich dann 2021 – und das mitten in der Coronazeit – ihren Wunsch erfüllen können. „In einer Garage ging es los“, sagt sie, was uns schmunzeln lässt, gibt es doch viele Unternehmer, die es von der Garage aus zu Weltruhm gebracht haben. Nun ja, weltbekannt ist Loreen Herrmann (noch) nicht – aber sie hat sich in kurzer Zeit durchaus einen Namen gemacht, nicht nur in der Region, sondern deutschlandweit.
Denn bei der deutschen Meisterschaft der Eismacher 2022 hat sie es mit einer Macadamia-Caramel-Eiskreation zum Vize-Gelatierchampion geschafft – und sich erfolgreich zwischen zwei Italienern namens Giovannni platziert und für die Weltmeisterschaft im nächsten Jahr im italienischen Rimini qualifiziert. „Ich hoffe natürlich sehr, dass ich den Titel nach Baruth holen kann.“
Doch wie kommen denn nun das Eis und die Jersey-Kühe zusammen? Während wir vom prämierten cremigen Macadamia-Caramel-Eis probieren, erzählt Loreen, dass sie viel recherchiert habe. Denn Eis machen, könne schließlich jeder. Sie wolle sich aber abheben und ein ganz besonderes Eis kreieren.
Dabei sei sie auf die Jersey-Kühe gestoßen, die bekannt sind für ihre hochwertige, reichhaltige und cremige Milch, und auch auf Rainer Schmitt von der Agrargesellschaft Baruther Urstromtal, deren insgesamt 420 Milchkühe und rund 350 Jungrinder nur wenige Kilometer vom Schloss Baruth entfernt auf den Graswiesen weiden, und der Idee offen gegenüberstand.
Selbstvermarktung mit regionalen Kreisläufen
„Die liebevolle Haltung der Tiere, ihr wunderbares Leben, ihr gutmütiger Charakter – dieses Konzept passt genau zu meinem Produkt, das Menschen glücklich machen soll“, sagt die 33-jährige Eismacherin, die konsequent auf Nachhaltigkeit und damit zu 100 Prozent auf natürliche Zutaten setzt. Das heißt, ins Eis kommen weder Aroma-, Konservierungs-und Farbstoffe, Stabilisatoren noch Emulgatoren, die übrigens für so manche aufgetürmten Eisberge in so mancher Eisdiele sorgen.
Zudem setzt sie auf Regionalität und Kreativität. Aus einer Idee Produkte zu entwickeln, das mag sie. Und als vor wenigen Tagen die unbefristete Zulassung als Lebensmittelbetrieb ins Haus flatterte, war die Freude natürlich groß, denn die junge Frau hat noch viele Ideen und Pläne, zumal die Nachfrage nach ihrem Urstrom-Jersey-Eis stetig steigt.
Dennoch tut es gut, mal den Kopf frei zu bekommen. Und wo klappt das am besten? Natürlich bei den Jersey-Kühen. „Sie lassen sich durch nichts aus der Ruhe bringen und wirken meditativ“, weiß Rainer Schmitt, der nach einem anstrengenden Arbeitstag mitunter in die Herde geht, mit den Kühen, wie er sagt, atmet, ihre Energie aufnimmt.
„Da kommt man runter“, versichert der 48-jährige Geschäftsführer, der auf langlebige, leistungsstarke und reinrassige Jersey-Kühe setzt und die Rasse auch in Deutschland weiter im Aufwind sieht. So sei in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Tiere auf 10.000 gestiegen und zwar rasant. Längst sei die Zeit vorbei, wo Landwirte verlacht worden sind mit den Worten: Du mit deinen Ziegen. Ein großer Bauer hat große Kühe.
Bio Acker- und Grünland
Seit Anfang des Jahres ist die Agrargesellschaft in Schöbendorf, zu der noch je 250 ha Grün- und Ackerland gehören, biozertifiziert. „Vor zwei Jahren haben wir diese Entscheidung getroffen. Heute weiß ich, dass es die richtige war. Ich bin sehr glücklich und stehe voll dahinter. Die Milch wird anständig honoriert, und man hat Planungssicherheit“, resümiert der Geschäftsführer, der in der Selbstvermarktung auf regionale Kreisläufe setzt. So sind Abnehmer der Jersey-Milch neben der Baruther Eismanufaktur unter anderem auch die Gläserne Molkerei in Münchehofe sowie die Urstromkäse GmbH in Schöbendorf.
Zum Abschied zeigt uns Rainer Schmitt noch eine Ein-Pfund-Banknote, die er von der Kanalinsel mitgebracht hat und immer bei sich trägt. Wenn’s Glück bringt …