Landfrauen nähen gegen Corona

Die fleißigen Schneiderlein der Gesichtsmasken

Sie nähen fleißig Gesichtsmasken gegen Corona: Birgit Czarschka (r.) und Petra Kuhrt. (c) privat
Landleben
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In diesen Tagen werden Gesichtsmasken dringend gebraucht. Und auch die Landfrauen sind landauf landab fleißig am Nähen – doch nicht nur sie.

Von Bärbel Arlt und Heike Mildner

Eine unglaubliche Welle der Nachbarschaftshilfe schwappt derzeit bis ins kleinste Dorf. Die einen gehen für Menschen, die zur Risikogruppe gehören, einkaufen, andere nähen Gesichtsmasken, weil diese überall dringend gebraucht werden – ob in Krankenhäusern, Pflegheimen, in der Familie oder in der Nachbarschaft. Wir haben uns bei den Landfrauen umgehört und ergreifende Geschichten erfahren.

Sächsische Landfrauen fackelten nicht lang

So hat uns Raina Mratzek aus dem sächsischen Börnichen erzählt, dass die 18 Landfrauen des Ortsvereins, die sich ansonsten gern beim Sticken, Klöppeln und anderen Handarbeiten und Themen treffen, nicht lange gefackelt haben, als eine Physiotherapie nach Masken anfragte. „Wir sind alle keine gelernten Schneiderinnen, aber haben alle ein großes Herz und einen großen Gemeinschaftssinn. Und wo wir helfen können, helfen wir“, sagt die 71-Jährige.

Ihre Mitstreiterin Barbara Wahl hat sogar die Nähmaschine, die 30 Jahre auf dem Boden stand, wieder zum Leben erweckt. „Ich kann nicht rumsitzen, muss immer was tun und bring mich gern mit ein, um zu helfen“, sagt die 66-jährige pensionierte Grundschullehrerin. Und aktiviert haben die Börnichener Landfrauen mit ihrem Engagement auch den Oederaner Bürgermeister und rührige Händler, die die Landfrauen mit Materialien wie Stoff, Gummiband und Zwirn unterstützen und zum Teil auch die Verteilung organisieren. „Trotz Distanz funktioniert das Netzwerk super. Jedes Vereinsmitglied bringt sich seinen Möglichkeiten entsprechend ein“, so die sächsischen Landfrauen.

Auch in Sachsen-Anhalt rattern die Maschinen

Auch in Sachsen-Anhalt sind die Landfrauen fleißig mit dabei „und nähen bis die Maschinen glühen“, sagt Landesvorsitzende Sibylle Klug, die von der Dynamik, die sich entwickelt hat, begeistert ist. Doch bei aller Ernsthaftigkeit sollte man auch den Spaß nicht ganz verlieren und positiv denken. In ihrem Milchviehbetrieb, so die Landwirtin, laufe alles normal. Die Tiere werden gefüttert, gemolken, das Milchauto kommt und der Tierarzt auch. Nur regnen müsste es mal.

Potsdam-Mittelmarker Landfrauen nähen Gesichtsmasken fürs Klinikum

Mit an Bord sind auch die Landfrauen vom Kreisverband Potsdam-Mittelmark. Da wird emsig Stoff gewaschen, genäht, gebügelt – für die Familie, die Dorfbewohner, aber auch für soziale Einrichtungen und zum Beispiel fürs Potsdamer Bergmann-Klinikum. Geschäftsführerin Kornelia Hurttig spricht dabei von „kleinen bescheidenen Helden“, die um das, was sie tun, kein großes Aufheben machen wollen. Und sie betont, dass es nicht nur wichtig ist, Hilfe zu geben, sondern auch, Hilfe anzunehmen.

In Thüringen macht Not ebenfalls erfinderisch

Auch in Thüringen wollen die Landfrauen die Nähmaschinen rattern lassen, denn die Nachfrage in den Kommunen, bei ländlichen Vereinen ist groß und die Landfrauen helfen da gern mit. Und neben dem Engagement sollte es auch an Materialien nicht mangeln. „Ich denke, dass viele unserer Mitglieder noch Baumwollbettwäsche haben, die man verwenden und bei 90 Grad waschen kann“, so Landesgeschäftsführerin Christine Schwarzbach. Denn viele der Thüringer Landfrauen sind im Seniorenalter und kennen „Mangelwirtschaft“. „Da werden Dinge nicht so schnell weggeworfen.“ Und Not macht ja bekanntlich erfinderisch.

Gesichtsmasken aus dem Brandenburger Havelland

Keine Schule, das Spielen mit den Freundinnen ist auch nicht erlaubt. Und so hört Antje Schulze vom Landfrauenverband Havelland in diesen Tagen sehr oft von ihrer Tochter Johanna: „Corona ist doof.“ Doch die Achtjährige sucht sich neue Herausforderungen. Und ihre Leidenschaft fürs Nähen kommt ihr da gerade recht. Denn jetzt werden für die Familie Masken genäht. Antje Schulze hofft wie ihre Tochter, dass die Coronazeit bald vorbei ist. „Dann werden wir Landfrauen vor neuen Herausforderungen stehen und uns sicherlich auch gegenseitig wieder aufbauen müssen.“

Studentinnen nähen gegen die „Corona-Langeweile“

Auch die Universitäten haben geschlossen und so sind Victoria Thron (22), BWL- Studentin in Wismar, und ihre Schwester Henriette Thron (19), Studentin der Ernährungswissenschaften in Jena, derzeit zu Hause in Hohenleipisch im Elbe-Elster-Kreis. Um etwas gegen die, wie sie selbst sagen, „Corona-Langeweile“ zu tun, haben sie sich entschlossen, Gesichtsmasken zu nähen, um mitzuhelfen, berichtet uns Veit Rösler aus Hohenleipisch.  Und so nähen und geben die Studentinnen derzeit zwischen 40 und 50 Stück pro Tag ab.

Nähmaschinen reaktiviert und ein neues Hilfsprodukt im Visier

In Bützow (Mecklenburg-Vorpommern) wurden die Nähmaschinen aus ABM-Zeiten reaktiviert. In der Miniaturstadt, einem touristischen Anziehungspunkt der Kleinstadt, 40 km südlich von Rostock, nähen seit Montag (30. März) fünf Frauen rund 80 bis 90 Masken am Tag. Birgit Czarschka (F. r.) , Chefin der Miniaturstadt sowie der regionalen Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft und ehrenamtliche Bürgermeisterin von Bernitt, erzählt, wie schnell man hier von der Idee ins Handeln kam: „Den Impuls gab eine Telefonkonferenz des Städte- und Gemeindetages am Donnerstag (26. März). Am Freitag haben wir anhand von Internetanleitungen unseren Prototyp entwickelt, und seit Montag ein Artikel in der Bützower Zeitung stand, bringen die Bützower Stoffe und Gummilitze vorbei und nehmen sich ein, zwei Masken dafür mit.“

Drei Frauen nähen (Foto Petra Kuhrt l.), zwei arbeiten zu: reißen den Stoff (das geht besser als mit der Schere), bügeln, heften mit Stecknadeln vor. Volkssolidarität und Pflegedienste, die teils auch über die Dörfer fahren und dringend Masken brauchen, sind dankbare Abnehmer. Verkauft werden die Masken nicht, Spenden für die Miniaturstadt sind aber willkommen. Schließlich darf auch sie nicht öffnen, Einnahmen durch Eintritt fallen aus. Inzwischen seien zwei Frauen in Heimarbeit in die Produktion eingestiegen. Auf Anregung einer Ärztin sei bereits ein neues Produkt in Entwicklung: Visiere aus 125-Gramm-Laminierfolie. mil


Das alles sind nur einige Beispiele, die stellvertretend für viele fleißige Helfer und Helferinnen stehen und denen auch wir als Bauernzeitung für ihr Engagement danken. Denn genäht und verteilt werden die Masken kostenlos, wobei eine kleine Spende für die Vereinsarbeit gern gesehen ist. Haben auch Sie engagierte Mitstreiter in Ihrem Dorf – dann mailen Sie uns: bauernzeitung@bauernverlag.de