Lust auf Natur

Um die Tiere auch in großer Entfernung beobachten zu können, nutzen die jungen Ranger Fernrohre. (c) Sabine Rübensaat
Landleben
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Wir waren in der Döberitzer Heide mit „Wieseln“ und „Frechdachsen“ unterwegs und erfuhren einiges über gefiederte Gesellen, vierbeinige Landschaftspfleger sowie eine Überraschung im Nistkasten.

Von Wolfgang Herklotz

Welche Vögel bleiben im Winter hier? Sofort gehen drei, vier Kinderarme hoch. „Die Kohlmeise.“ „Und der Zaunkönig auch!“ Richtig, lobt Daniela Erler. Sie zieht ihr Smartphone aus der Tasche, um die Stimmen einzelner Vögel vorzuspielen. „So hört sich der Zaunkönig an. Ist ein winzig kleiner Kerl, aber ein unglaublicher Schreihals!“ Gebannt lauschen die Mädchen und Jungen, was als Nächstes kommt. Dem Flöten des Rotkehlchens folgt das schnelle Trällern des Stieglitzes. „Ein richtiges Schnattermännchen“, befindet Daniela Erler und erntet zustimmendes Kopfnicken der kleinen Gemeinde, die sich vor einem Weißdorn-Strauch versammelt hat.

Mit den Natur-Rangern durch die döberitzer Heide

Döberitzer Heide, Junge mit Kohlmeisenbild in der Hand
„Kohlmeise“ Ollie (c) Sabine Rübensaat

Nachdem sie die Fotos von Rotkehlchen, Stieglitz & Co. hochgehalten hat, teilt Erler die aufgeweckte Kinderschar in fünf Gruppen ein. „Ihr seid die Blaumeisen, Ihr die Rotkehlchen …“ Erneut sind die Vogelstimmen per Smartphone zu hören. Wer sie der eigenen Gruppe zuordnen kann, ist aufgefordert, eine Runde um den Weißdorn zu laufen. Als das Tschilpen der Kohlmeise erklingt, sausen der fünfjährige Oliver alias „Ollie“ und sein älterer Bruder Benedikt sofort los. Respekt!

Wir sind an diesem kalten Februartag mit den jungen Natur-Rangern der Sielmann-Stiftung in der Döberitzer Heide unterwegs. Das mehrere Tausend Hektar große Naturschutzgebiet am Rande von Dallgow-Döberitz im brandenburgischen Landkreis Havelland ist nicht nur ein Refugium für seltene Pflanzen und Tiere. Es stellt auch so eine Art zweites Zuhause für naturbegeisterte Mädchen und Jungen aus Falkensee und Umgebung, aus Potsdam und Berlin dar. Fast jeden Samstag treffen sie sich, um die Flora und Fauna des ehemaligen Truppenübungsplatzes zu erkunden, auf dem sich seltene und vom Aussterben bedrohte Spezies wie das Sumpf-Knabenkraut oder der Lungen-Enzian entwickeln konnten. Überdies wurden allein 2.000 verschiedene Käferarten nachgewiesen.

Keine Sorge: Alle Finger bleiben heil beim Werkeln, auch wenn mal ein Nagel krumm wird. (c) Sabine Rübensaat

Keine Sorge: Alle Finger bleiben heil beim Werkeln, auch wenn mal ein Nagel krumm wird. (c) Sabine Rübensaat

Was ist das? Bodo Erler macht die Kinder auf Misteln aufmerksam und erklärt, warum sie Bäume besiedeln. (c) Sabine Rübensaat

Was ist das? Bodo Erler macht die Kinder auf Misteln aufmerksam und erklärt, warum sie Bäume besiedeln. (c) Sabine Rübensaat

Wer weiß, welche Vögel gen Süden ziehen und welche nicht? Diana Erler mit ihren jungen Rangern. (c) Sabine Rübensaat

Wer weiß, welche Vögel gen Süden ziehen und welche nicht? Diana Erler mit ihren jungen Rangern. (c) Sabine Rübensaat

Döberitzerheide, Natur-Ranger, Wiedekopf, Nistkasten

Ein neuer Nistkasten für den Wiedehopf wird angebracht. (c) Sabine Rübensaat

entdeckungstour für kinder und jugendliche

Seit fünf Jahren kümmert sich Daniela Erler, studierte Politikwissenschaftlerin aus Falkensee, um den Ranger-Nachwuchs. Zu dem hatte sie bereits vorher schon Kontakte, weil ihr ältester Sohn regelmäßig an den Expeditionen beteiligt war. „Unser Marlon berichtete immer voller Begeisterung, was er dabei alles entdecken konnte. Doch dann drohte plötzlich alles einzuschlafen. Also bin ich kurzfristig eingesprungen.“ Es bereitet ihr ganz offensichtlich viel Freude, mit den Kindern und Jugendlichen auf Erkundungstour zu gehen. Versteht sich, dass dabei Tochter Amelie (9) und Sohn Arthur (6) nicht fehlen dürfen.

Und auch Ehemann Bodo ist mit von der Partie. Denn mit fast zwei Dutzend quirliger Mädchen und Jungen in der Natur unterwegs zu sein, stellt schon eine Herausforderung dar. Da ist jede helfende Hand willkommen. Zumeist sind noch weitere Eltern dabei, die die muntere Schar begleiten. Damit sich niemand verletzt oder gar verloren geht. Schließlich handelt es sich um „Wiesel“ und „Frechdachse“ voller Bewegungsdrang, wie Erler die einen im Alter bis zehn und die anderen darüber scherzhaft in zwei Gruppen einteilt. Na klar, Arthur stürmt heute schon wieder mal voran!

Wer weiß, welche Vögel gen Süden ziehen und welche nicht? Diana Erler mit ihren jungen Rangern. (c) Sabine Rübensaat
Wer weiß, welche Vögel gen Süden ziehen und welche nicht? Diana Erler mit ihren jungen Rangern. (c) Sabine Rübensaat

wissen to go: warum fliegen Zugvögel nach süden?

An diesem Sonnabend steht zunächst das Thema Zugvögel auf der Agenda. Die jungen Ranger haben sofort eine ganze Liste parat: Störche und Kraniche, Gänse und Stare, Schwalben und Lerchen … „Der Steinschmätzer gehört auch dazu“, weiß ein Steppke zu berichten.

Daniela Erler präsentiert weitere Fotos, darunter eines, das einen auffällig befiederten Vogel mit imposantem Kopfschmuck zeigt. „Das ist ein Wiedehopf, natürlich.“ Warum eigentlich fliegen diese Tiere nach Süden? Kurzes Nachdenken, dann kommen die Antworten. Enno weist auf die höheren Temperaturen und das bessere Futterangebot als hierzulande hin. Das aber unterschiedlich ist, weshalb die Mauersegler bis Zentralafrika unterwegs sind, die Rauchschwalben sogar bis Südafrika, ergänzt Erler.

Anhand einer Karte zeigt sie unterschiedliche Flugrouten. Die verlaufen westlich oder östlich vom Mittelmeer, es gibt aber auch Vögel, die direkt darüber fliegen. „Das können nur jene, die nicht auf warmen Windströmen gleiten, vorwiegend kleine Singvögel also.“

(c) Sabine Rübensaat

Vierbeiner als Landschaftspfleger

Beim Rundgang über das Heidegelände kommen die Junior-Ranger an Zäunen vorbei, hinter denen Rinder und Wasserbüffel, aber auch Schafe weiden. Die Tiere gehören zum Landwirtschaftsbetrieb Querhammer, der hier Flächen bewirtschaftet. Längst wissen die Mädchen und Jungen, dass diese Vierbeiner hier als Landschaftspfleger im Einsatz sind. Sie halten die Flächen kurz und verhindern so, dass überall Sträucher, Büsche und Bäume wachsen. Denn sonst wäre die heidetypische Artenvielfalt an Pflanzen und Lebewesen in Gefahr. Schon erstaunlich, dass sich die imposanten Rinder und Heidschnucken von den kargen Gräsern ernähren können. Nun ja, hin und wieder sind auch große Ballen zu sehen, die als Winterfutter dienen.

HQ: das Hauptquartier des forschertrupp

Aber was fressen eigentlich die Vögel? Die Ranger durchkämmen das Gelände der Döberitzer Heide und werden schnell fündig: Hagebutten, Samen von Robinien und Königskerzen, diverse Kerne. Sonnenblumenkerne auch? Ja, aber die finden sich hier nicht. Dafür entdeckt Emil ein längliches Stück silbern glänzender Wolle. Das muss sich ein Schaf an einem Strauch abgerieben haben. Cool … Nachdem das Wissen auch über jene Vögel aufgefrischt ist, die im Unterschied zu ihren Artgenossen nicht gen Süden fliegen, erreicht der Forschertrupp sein Hauptquartier, kurz HQ genannt. Ein Häuschen, das viele Jahre lang leer stand. Es musste von allerhand altem Krempel beräumt und auf Vordermann gebracht werden.

Jugendförderpreis zugesprochen

Dabei packten die Kinder mit zu, und auch Eltern halfen mit. Nachdem eine Außentoilette installiert sowie eine Innenwand durchbrochen war, steht nun ein Unterschlupf zur Verfügung. Und wenn die Sonne herauskommt wie jetzt, sind schnell Klapptische und -bänke im Freien aufgebaut.

Einträchtig sitzen nun die kleinen Ranger nebeneinander und basteln sich ein kleines Merkheft über die Zugvögel. „Da könnt Ihr noch mal alles über die gefiederten Gesellen nachlesen. Denn beim nächsten Ausflug durch die Döberitzer Heide wollen wir wieder einen kleinen Film drehen.“ Kameratechnik steht bereit, nachdem die Falkenseer Gruppe der international aktiven Cluborganisation Lions den Junior-Rangern im vergangenen Jahr den Jugendförderpreis zugesprochen hatte. Von den damit verbundenen 2.000 Euro konnten vier Fernrohre mit Stativ für Tierbeobachtungen angeschafft werden, ebenso fünf Mikroskope und eine Kamera.

Inzwischen hantiert Bodo Erler in der kleinen Küche nebenan und wärmt einen Eintopf auf. Wer kein Fleisch mag, kann auf vegetarischen Salat aus dem Hause Erler zurückgreifen. Der gut zwei Stunden währende Marsch durch die Döberitzer Heide hat hungrig gemacht. Die Kinder langen beherzt zu, danach geht es an die nächste Aufgabe.

ran an den hammer: nistkästen bauen

Die Männer sägen Teile für Nistkästen zu, die nun zusammengenagelt werden. Unter Aufsicht, versteht sich. Der eine oder andere Nagel geht schon mal krumm, doch die Finger bleiben alle heil. Man ist ja schließlich in der Übung. Als zu den heftigsten Corona-Zeiten ein Treffen unmöglich war, hatte Diana Erler die jungen Leute mit Material und Bauzeichnungen versorgt, damit diese Nistkästen zu Hause bauen konnten. Einige davon hängen bereits an der mit dem Logo der Jung-Ranger verzierten Wand des Hauptquartiers, die nun mit weiteren Exemplaren bestückt werden soll. Auf der anderen Seite sind Mädchen beschäftigt, ein zweites Logo zu zeichnen. Zu ihnen gehört die 14-jährige Stella, die sehr geschickt mit dem Pinsel umzugehen weiß. „Das hat mir heute besonderen Spaß gemacht“, meint sie.

Keine Sorge: Alle Finger bleiben heil beim Werkeln, auch wenn mal ein Nagel krumm wird. (c) Sabine Rübensaat
Keine Sorge: Alle Finger bleiben heil beim Werkeln, auch wenn mal ein Nagel krumm wird. (c) Sabine Rübensaat

Überraschung im Nistkasten

Dem drei Jahre jüngeren Tobias imponierte vor allem der Überraschungsfund in einem der älteren Nistkästen. „Da lagen schon vier Eier zum Brüten drin.“ Für Daniela Erler die beste Bestätigung ihres ehrenamtlichen Engagements, das zweifellos viel Zeit und Energie kostet. Die Zusammenkünfte wollen gut vorbereitet sein, um auf möglichst anschauliche Weise Wissen über die Natur zu vermitteln. „Wenn das gelingt, kann man davon ausgehen, dass die Kinder später auch im Alltag behutsam mit der Natur umgehen.“

Zum Abschluss geht es gemeinsam durch den „Rotkäppchen-Wald“ zum Parkplatz an der Bundesstraße B5, wo schon die Eltern warten. Grimms Märchen diente wohl als Namensgeber für das Areal, denn stellenweise stehen die Bäume sehr dicht und geduckt. Wie geschaffen für neuzeitliche Entdecker!

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