Gleichberechtigung von Frauen in der Landwirtschaft

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Landleben
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Wie steht es in der Landwirtschaft um die Gleichberechtigung der Frauen? Wir sprachen darüber mit Prof. Dr. Claudia Neu vom Forscherteam der bundesweiten Studie „Lebenssituation von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben“.

Die Fragen stellte Bärbel Arlt

Frau Professor Neu rund um den Frauentag geht es immer wieder um die Gleichberechtigung. Wie sehen Sie die Situation der ostdeutschen Frauen?
Ostdeutsche Frauen haben auch gut 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ein anderes Selbstverständnis als westdeutsche. Das moderne Leitbild der Vollzeit berufstätigen Mutter wird von vielen Frauen befürwortet und gelebt. Gerade in der ostdeutschen Landwirtschaft kenne ich viele selbstbewusste und erfolgreiche Frauen. Zugleich gibt es in Sachen Gleichberechtigung durchaus noch einigen Nachholbedarf. Frauen leiten oder gründen sehr viel seltener einen landwirtschaftlichen Betrieb als Männer. Wie ist es um gleiche Entlohnung bestellt? Wie steht es um die gleichberechtigte Haushalts- und Familienarbeit zwischen Männern und Frauen? Leider ist hier die Datenlage sehr dürftig, vor allem im Hinblick auf die Situation von Angestellten in der Landwirtschaft. Ich freue mich, dass wir in unserer großen bundesweiten BMEL-Studie „Lebenssituation von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben“ die landwirtschaftlichen Angestellten besonders im Blick haben. Hier wird es eigene Fallstudien und viele Interviews geben.

Prof. Dr. Claudia Neu
Prof. Dr. Claudia Neu Universität Göttingen; Lehrstuhl Soziologie ländlicher Räume (c) privat

Die Bedeutung der Frau in der Landwirtschaft wird oft unterschätzt, was heißt das konkret?
Frauen übernehmen in der Landwirtschaft die unterschiedlichsten Rollen: Die einen sind Betriebsleiterinnen – wobei lediglich zehn Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe von Frauen geführt werden. Andere teilen sich diese Verantwortung mit einem Partner oder einer Partnerin. Wieder andere sind auf einem landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Betrieb angestellt. Viele Frauen helfen auch nur ab und zu im Betrieb mit. Frauen sind der rettende Stabilitätsanker, müssen dafür ständig einsatzbereit sein und springen für unzählige verschiedene Arbeiten ein. Zudem sind sie häufig die Initiatorinnen für neue Ideen und Betriebsdiversifikationen (Direktvermarktung, Urlaub auf dem Bauernhof, soziale Dienste). Und sie managen den Haushalt, die Erziehung der Kinder oder die Pflege der Eltern. Da kommt viel zusammen, das oft so gar nicht gesehen wird. Und es gibt Nachholebedarf, das alles wertzuschätzen.

Ist die BMEL-Studie ein Baustein, um das herauszufinden?
Unser Forscherinnenteam möchte die unterschiedlichen Arbeitszusammenhänge und Lebenswirklichkeiten von Frauen in der Landwirtschaft abbilden, eben hinter das Klischee der Bilderbuchidyllen schauen. Bei unseren Interviews sind Winzerinnen und Schäferinnen dabei, Altenteilerinnen und Angestellte, Betriebsleiterinnen und Herdenmanagerinnen. Alle haben viel zu erzählen. So können wir am Ende hoffentlich die Licht- und Schattenseiten des Lebens in der Landwirtschaft besser ausleuchten.

Worin besteht der Unterschied zu bisherigen Studien?
Unsere Studie ist nicht nur auf eine Region oder ein Bundesland ausgerichtet, sondern erlaubt Vergleiche zwischen Regionen, Betriebsformen und Lebensmodellen. Angestellte Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben kommen hier genauso zu Wort wie Altenteilerinnen oder ehemalige Angestellte. Wir wollen aber auch wissen, wie sich Veränderungen in Landwirtschaft und Gesellschaft auf das Leben der Frauen auswirken. Schließlich sollen aus den gewonnenen Ergebnissen Schlussfolgerungen für die Politik und die Arbeit der Verbände wie Bauernverband oder Land-Frauenverband gezogen werden.

Welche Zwischenbilanz können Sie ziehen?
In den bisherigen Interviews dreht es sich häufig um Arbeitsbelastungen, Familienarbeit und Rollenkonflikte, aber auch Gesundheit und Ehrenamt kommen zur Sprache. Und so unterschiedlich die Arbeitsabläufe auch sein mögen, die Nöte und Sorgen der Frauen unterscheiden sich kaum. Sie leiden unter der hohen Arbeitsbelastung, der Vielzahl ihrer Aufgaben sowie der Sorge um die Zukunft des Betriebes. Ein bisschen mehr Zeit für sich wünschen sich nahezu alle Frauen.

Umfrage

Noch bis Mitte April läuft eine bundesweite Online–Umfrage zur Studie. Welchen Stellenwert hat sie?
Sie steht gleichberechtigt neben den Interviews und Gruppengesprächen. Die große Zahl der Teilnehmerinnen erlaubt es, allgemeingültigere Aussagen zu treffen. Zentrale Fragestellungen sind Arbeitsbereiche, Haushalt und Familie, aber auch Gesundheit und Arbeitsbelastung.

Welche Veränderungen ergeben sich aufgrund von Corona und fließen diese mit in die Studie ein?
Für viele Frauen in der Landwirtschaft hat sich in ihren Arbeits- und Lebensabläufen nicht so viel verändert, das Vieh will versorgt sein, die Büroarbeiten müssen erledigt und die Felder bestellt werden – und Homeschooling kam hinzu. Insgesamt scheint die Pandemie im ländlichen Raum besser verkraftbar, da ausreichend Platz und Natur zur Verfügung stehen. Allerdings konnten wir aufgrund der Pandemie bisher nur wenige persönliche Gepräche führen. Das wollen wir im Sommer nachholen.

Wie ist die bisherige Reaktion auf die Online-Umfrage?
Die Pandemie hat uns massiv ausgebremst. Wir hätten auf den großen Agrarmessen oder der Grünen Woche in Berlin direkt mit den Frauen Kontakt gesucht. Trotzdem sind die Reaktionen positiv. Bisher haben rund 3.500 Frauen den Fragebogen beantwortet. In den fünf östlichen Bundesländern, aber auch dem Saarland könnten es noch mehr Frauen sein. Es wäre großartig, wenn sich vor allem auch die angestellten Frauen auf den großen Betrieben beteiligen. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes tragen dazu bei, die Belange von Frauen in der Landwirtschaft sichtbarer zu machen, die Vielfalt ihrer Lebensentwürfe abzubilden und ihren Forderungen Wahrnehmbarkeit und Raum zu geben.