Kommentar zur Kitz-Rettung

Kitz-Retter: Unverzichtbare Helfer für den Naturschutz

Gruppenbild mit Drohne und Sonnenaufgang (v.l.): Fred, Claus, Markus, Thomas, Anne und Rainer waren in dieser Nacht das Team. © Sabine Rübensaat
Landleben
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Kitz-Retter wurden früher oft belächelt, heute sind sie gleich in mehrfacher Hinsicht wirkungsvolle Unterstützer der Landwirtschaft. Doch werden ihr persönlicher Einsatz und ihre konkret messbaren Leistungen schon genügend wertgeschätzt?, fragt sich Kommentator Ralf Stephan.

Von Ralf Stephan

Mit Beginn der Mahd auf dem Grünland wächst für Landwirte das Risiko, mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Zwar gibt es keine Vorschrift, Wiesen vor dem Mähen nach Jungwild abzusuchen. Aber seit der Tierschutz im Artikel 20 a des Grundgesetzes verankert ist, beschäftigt die tierschutzgerechte Grünfutter-Ernte die Veterinärämter intensiver – und immer wieder auch die Gerichte.

Da mit den Drohnen praktikable Suchtechnik zur Verfügung steht, sind die Erwartungen an die Vorsorge durch den Landwirtschaftsbetrieb sehr konkret. Ohne Absuche keine Mahd – diese Regel gilt zumindest für Flächen, auf denen Rehwild zu erwarten ist. Also in unseren Regionen bis auf wenige Ausnahmen praktisch überall.

Kitzretter – Helfer in ohnehin stressiger Phase

Wie Pilze schossen in den letzten vier, fünf Jahren Kitzretter-Teams aus dem Boden. Oft wurden sie von den Jagdpächtern initiiert. Sie sind meist die ersten, die vor den Folgen der Unfälle mit versteckten Jungtieren stehen. Bilder davon, die ebenfalls dank moderner Technik schnell weite Runden machen, tragen nicht zum positiven Ansehen der Landwirtschaft bei. Insofern ist es geradezu ein Segen, dass Tierhaltern in einer der stressigsten Phasen des Frühjahrs Helfer zur Seite stehen möchten, die das Absuchen übernehmen. Ihr Einsatz schlägt sich gleich mehrfach positiv nieder.

Zuallererst natürlich im guten Gefühl beim Losfahren der Maschinen, maximal vorgesorgt zu haben. Zum anderen sind Rehe als Sympathieträger fast unübertreffbar. Dass der Bambi-Kult auf dem wildbiologischen Irrtum eines amerikanischen Trickfilmers beruht, lässt sich hinnehmen, wenn Zeitungen und Nachrichten voll von Bildern mit niedlichen Rehbabys sind, um deren Wohl sich auch die Bauern tatkräftig sorgen.

Engagierte Freiwillige gut fürs Image

Nicht zu unterschätzen ist ein dritter Aspekt: Die Freiwilligen, die mit den Organisatoren der Teams zum ersten Grasschnitt Nacht für Nacht über die Wiesen ziehen, sind oft Menschen, die zur Landwirtschaft bislang wenig Zugang fanden. Sie wollen sich aber persönlich für Natur- und Tierschutz engagieren. Wohltuend unterscheiden sie sich damit von jenen, deren Engagement darauf beschränkt bleibt, für zweifelhafte Vereine zu spenden und sich an agrarkritischen Unterschriftensammlungen zu beteiligen.

Kitzretter nehmen ihren Urlaub, fahren auf eigene Kosten kilometerweit zum Einsatz und finanzieren ihren Verein, damit er Ausrüstung beschaffen und Versicherungen bezahlen kann. Und zu guter Letzt berichten sie von ihren Aktivitäten auf angesagten Social-Media-Kanälen. Viel günstiger ist gute Öffentlichkeitsarbeit nicht zu kriegen.

Barnim: Keine Tierschutz-Verstöße bei der Mahd gegen Landwirte

Die Wertschätzung, die Kitzretter von den Landwirtschaftsbetrieben erfahren, wächst erfreulicherweise stetig. Mögen sie anfangs belächelt oder bestenfalls geduldet worden sein, hat sich vielerorts eine fast schon professionelle Zusammenarbeit entwickelt.

Die kleine Einschränkung ist wichtig, denn zur wirklich professionellen Kooperation auf Augenhöhe fehlt leider oft ein wichtiges Detail: Die materielle Anerkennung für die Teams entspricht noch längst nicht überall den von ihnen erbrachten Leistungen. Und die sind messbar: Im brandenburgischen Landkreis Barnim etwa gab es 2023 erstmals keine Verfahren gegen Landwirtschaftsbetriebe wegen Tierschutzverstößen bei der Mahd.

Ehrenamt hin oder her – wer sein Bestes gibt, um unterm Strich einen Betrieb vor vier- bis fünfstelligen Geldstrafen zu bewahren, der hat sich ein Frühstück oder ein Lunchpaket aus dem Hofladen, das Benzingeld und dazu eine nennenswerte Spende für den Verein mehr als redlich verdient. Günstiger als eine eigene Drohne ist das ohnehin, und ein positives Bild nach außen gibt es noch obendrauf.

Kommentar aus der Ausgabe 21/2024

Ausgabe 21/24
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