Engagierte Landfrauen: Elfi Fischer (r.) und Manuela Scheil scheuten sich nicht, mit dem Schlepper zu den Bauernprotesten nach Berlin zu fahren. © Sabine Rübensaat

Landfrauen aus Brandenburg: Bei den Bauernprotesten in der ersten Reihe

Was treibt Landfrauen in diesen Zeiten um? Wir sprachen mit Elfi Fischer und Manuela Scheil aus Brandenburg über eine spannende Schlepperfahrt im Konvoi nach Berlin und das dringende Bedürfnis, Klartext zu reden.

Von Wolfgang Herklotz

An einem kalten Freitagmorgen machen sich Elfi Fischer und Manuela Scheil auf den Weg. Mit dem Traktor geht es vom brandenburgischen Teschendorf nach einem Treff mit anderen Landwirten gemeinsam Richtung Berlin. Routiniert steuert Manuela Scheil den Schlepper, mit dem sie sonst das von ihrem Mann geerntete Getreide abfährt oder Futter für die Kühe heranschafft. Aber in das rund 50 km entfernte Zentrum der Großstadt zu tuckern, stand bislang noch nicht auf dem Programm.

„Das ist schon ein bisschen aufregend“, meint die Landfrau zu ihrer Beifahrerin, die auf dem engen Klappsitz Platz genommen hat. Doch sie fühlen sich sicher im Konvoi mit den anderen Schleppern aus dem Landkreis Oberhavel, deren Fahrer Unterstützung beim Navigieren angeboten haben. Damit das Frauenteam bei dem mitunter chaotischen Großstadtverkehr nicht abhandenkommt. Also immer schön dranbleiben!

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Landfrauen aus Brandenburg: Bauernprotest vor den Partei-Zentralen in Berlin

Nach etwa anderthalb Stunden rollt der Protestzug der Landwirte hupend durch die Reinhardtstraße, vorbei am Hans-Dietrich-Genscher-Haus, Sitz der FDP. Vor der Parteizentrale der Grünen stoppt der Konvoi. In klaren Worten macht Brandenburgs Landesbauernverbandspräsident Henrik Wendorff die Forderung der Landwirte deutlich, die Sparmaßnahmen zurückzunehmen. Doch die Hoffnung, mit verantwortlichen Politikern der Ampelkoalition ins Gespräch zu kommen, erfüllt sich nicht. Es gibt nur ein paar beschwichtigende Aussagen der Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen. Ein Hupkonzert und jede Menge Zwischenrufe sind die Reaktion darauf. Elfi Fischer: „In Deutschland macht man die Landwirtschaft kaputt, das kann doch nicht wahr sein!“

Nächster Halt sollte das Willy-Brandt-Haus der SPD sein, doch die Straßen sind dicht, knapp anderthalb Kilometer davor leitet die Polizei den Verkehr um. Stadtauswärts führt die Route durch den Tiergarten und auf die Siegessäule zu. Es regnet nun unentwegt, der Scheibenwischer läuft im Dauerbetrieb. „Da vorn ist schon die Goldelse zu sehen“, ruft Elfi Fischer. Und ist fasziniert von den vielen Leuten, die ungeachtet des Wetters am Straßenrand stehen und den Fahrzeugen zuwinken. „Einfach toll, das erleben zu können.“ Manuela Scheil pflichtet ihr bei: „Und wir Landfrauen aus Oberhavel sind in der ersten Reihe mit dabei!“ Die Botschaft sei eindeutig gewesen, dass sich der Berufsstand so geschlossen wie lange nicht mehr gegen den Sparkurs auf Kosten der Landwirte wehrt. „Es geht nicht nur um den Agrardiesel, sondern auch um die Zukunft unserer Kinder. Deshalb müssen wir Klartext reden! …“

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Im Gespräch mit den Landfrauen: Autor Wolfgang Herklotz. © Sabine Rübensaat

Landfrau Manuela Scheil: „Wir sind da, um etwas zu verändern“

Manuela Scheil ist nicht das Klagen, sondern das Zupacken in die Wiege gelegt worden. Nach der Wende hatte die gelernte Rinderzüchterin zusammen mit ihrem Mann den elterlichen Betrieb in Teschendorf wieder eingerichtet. Auf knapp 90 Hektar werden Getreide, Kartoffeln und Gemüse angebaut, auf den Wiesen weiden Mutterkühe und etwas Federvieh. Die ehemalige Kutscherstube wurde zum Hofladen umgebaut, um frisches Gemüse direkt vom Feld zu vermarkten.

„Es hat uns immer angespornt, die Tradition des Hofes fortzusetzen“, berichtet Manuela Scheil. Die ersten Jahre seien mühsam gewesen, es habe lange gedauert, bis der Verbraucher die Qualität der regionalen Produkte zu schätzen wusste. Es ging aufwärts, doch dann kam Corona mit vielen Auflagen. Wegen Bauarbeiten wurde schließlich auch noch für längere Zeit die Straße in Teschendorf gesperrt, was weniger Kundschaft und damit geringere Einnahmen bedeutete. Dafür stiegen die Betriebskosten durch höhere Preise für Dünger und Kraftstoff, hinzu kam noch eine höhere Gewerbesteuer.

Vor allem aber das jüngste Sparpaket der Ampelregierung, das neben der Verteuerung von Agrardiesel ursprünglich auch noch eine Steuerpflicht für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge vorsah, sorgte für heftige Diskussionen im Hause Scheil. „So kann das nicht mehr weitergehen“, befand die resolute Landfrau. Als sich bereits im Dezember die ersten Proteste der Landwirte formierten, stand für sie nach kurzer Abstimmung mit ihrem Mann fest: „Ich bin mit dabei!“

Landwirtin Manuela Scheil in Teschendorf
Manuela Scheil, Landwirtin und Vorsitzende vom Kreislandfrauenverein Oberhavel, im Kuhstall ihres Betriebes in Teschendorf. © Sabine Rübensaat

Landfrau Elfi Fischer: „Wir sind nicht da, um am Schreibtisch zu kleben“

Keine Frage auch für Elfi Fischer. Nach der Berufsausbildung als Rinderzüchterin und dem Abitur hatte sie Tierproduktion studiert und in der Genossenschaft sowie in der Agrarverwaltung gearbeitet. Mehr als drei Jahrzehnte war sie im Landwirtschaftsamt des Landkreises für Förderfragen der ländlichen Entwicklung zuständig. Ein Ressort oder eher ein Dschungel angesichts der vielen Regularien?

„Ja, aber zugleich auch eine Chance, etwas für den ländlichen Raum zu bewirken“, erklärt Elfi Fischer. Ihre Maxime für die Arbeit in der Agrarverwaltung: „Wir sind nicht da, um am Schreibtisch zu kleben, sondern etwas vor Ort zu verändern.“ Zahlreiche Höfe und Einrichtungen der Dorfgemeinschaft im Landkreis, vor der Wende in einem eher maroden Zustand, erfuhren dank der Zuschüsse aus den Fördertöpfen von EU, Bund und Land eine Verjüngungskur. Gelder flossen auch, um die Direktvermarktung und den Urlaub auf dem Lande anzukurbeln. Doch wenn die Landwirtschaft wie derzeit in eine Schieflage gerät, ist der gesamte ländliche Raum in Gefahr, so Elfi Fischer. „Deshalb müssen wir davor warnen und uns Gehör verschaffen.“

Sie denkt dabei auch an ihren Sohn Nils, der Geschäftsführer eines Agrarunternehmens im nur wenige Kilometer entfernten Neuholland ist, wo 20 Mitarbeiter mit ihren Familien in Lohn und Brot stehen. „Nur wenn die Betriebe wettbewerbsfähig bleiben, hat auch der ländliche Raum eine Zukunft“, erklärt Elfi Fischer mit aller Leidenschaft.

Elfi Fischer Gummistiefel Protest
Elfi Fischer hängt einen Gummistiefel an – das Symbol für die Bauernproteste. (c) Sabine Rübensaat

Landfrauen aus Brandenburg: Engagement im Verein und auf dem Laufsteg

Kennengelernt haben sich die beiden Frauen vor vielen Jahren. Es war keineswegs nur die berufliche Ausbildung, die sie miteinander verband, sondern auch das gemeinsame Bedürfnis, sich zu engagieren. Manuela Scheil steht dem vor drei Jahrzehnten gegründeten Kreislandfrauenverein Oberhavel vor, Elfi Fischer ist ihre Stellvertreterin.

„Unser Ziel war und ist es, den Mitgliedern eine Heimat zu geben“, betont Manuela Scheil. Ländliches Brauchtum zu pflegen gehöre ebenso dazu wie Bildungsveranstaltungen und Reisen zu organisieren. Treffpunkt für die regelmäßigen Zusammenkünfte war viele Jahre das Landfrauenstübchen in Löwenberg, dank weiblicher Eigeninitiative und Fördergelder in ein gemütliches Domizil verwandelt. Hier wurde auch die Idee geboren, ländliche Damenmoden zu kreieren. Die von den Landfrauen selbst entworfenen und geschneiderten Kostüme, Westen und Hosen aus Tweed waren viele Jahre lang ein Blickfang auf der Grünen Woche, aber auch bei Erntefesten und Landpartie-Aktionen.

Die Landfrauen aus Oberhavel ließen es sich nicht nehmen, ihre Modelle selbstbewusst auf dem Laufsteg zu präsentieren. „Ein bisschen Aufregung war natürlich immer damit verbunden“, erinnert sich Elfi Fischer, „aber das haben wir uns nicht anmerken lassen.“ Das Gemeinschaftsgefühl sei nach all den Jahren sehr stark ausgeprägt und besonders für alleinstehende Landfrauen ganz wichtig. „Wir sind auch sehr stolz darauf, dass die Erntefeste in unseren Dörfern wieder zu einer festen Tradition geworden sind.“

Erntekronen-Leidenschaft, die sich auszahlt

Denn die dazugehörigen Erntekronen sind eine weitere Leidenschaft der Landfrauen. Frühzeitig wird das Getreide dazu ausgesucht, geschnitten und in der Scheune von Manuela Scheil getrocknet sowie gebunden, mit Schleifen und den verschiedensten Accessoires verziert. Bis zu 120 Arbeitsstunden sind dafür nötig, erklärt die Vorsitzende, wobei kein Exemplar dem vorherigen ähneln dürfe.

Übergabe der Erntekrone 2022 an Dietmar Woidke mit den Landbrauen aus Brandenburg
Übergabe der Erntekrone 2022 an Dietmar Woidke (r.): Andreas Paries vom KBV Oberhavel, Manuela Scheil und Elfi Fischer (v. l.). © Katja Häse / Staatskanzlei Brandenburg

„Wir legen großen Wert auch darauf, dass die Krone genau die Qualität der Ernte widerspiegelt. In einem guten Jahr fällt sie natürlich viel üppiger aus als in einem verregneten.“ Spannend werde es dann immer beim landesweiten Wettbewerb um die schönste Erntekrone, ergänzt Elfi Fischer. „Wir haben den Ehrgeiz, da ganz vorne mitzumischen.“ Was schon häufige Male gelang. Beim Landeserntefest 2023 in Kremmen belegten die Landfrauen aus Oberhavel mit ihrer prächtigen Krone den ersten Platz.

Özdemir auf der Grüne Woche: Landrauen lassen sich nicht abwimmeln

Wenn man den beiden zuhört, wird ein hohes Maß an gegenseitigem Verständnis und Vertrauen spürbar. Es komme schon vor, dass man sie für Schwestern halte, erzählt Elfi Fischer und schmunzelt. „Im Geiste sind wir es sowieso!“ Was schätzen die beiden an einander besonders?

„Elfi hat keine Scheu, auch Politiker anzusprechen. Dann traue ich mich auch, meinen Senf dazuzugeben“, meint Manuela Scheil. Erst jüngst auf der Grünen Woche sei Elfi auf Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir zugegangen und habe sich nicht abwimmeln lassen, um ihre Meinung in Sachen Agrardiesel kundzutun.

Und was imponiert der Löwenbergerin vor allem an ihrer „Schwester“ aus Teschendorf? „Manuela ist ein Pfundskerl“, versichert Elfi Fischer, „man kann sich jederzeit auf sie verlassen. Und es passiert oft, dass wir zur fast gleichen Zeit den gleichen Gedanken haben.“ Denkbar, dass sich die beiden demnächst wieder zu einer Demonstration verabreden? Was für eine Frage …

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