Die Malerin Theresa Beitl mit einem ihrer Rinder-Porträts. (c) Sabine Rübensaat

Malerin Theresa Beitl: Aus Kuh wird Kunst

Oft bunt, aber immer ausdrucksstark und mit viel Charakter: Die Berliner Malerin Theresa Beitl porträtiert Rinder, hinterfragt Landwirtschaft und unsere Art und Weise zu leben. 

Agrarpaket, Bauernproteste, Tierwohl-Initiative, Julia Klöckner. Glyphosat, Bienensterben – solch Vokabular aus dem Mund einer Künstlerin? Ja, Theresa Beitl beherrscht es und die Fakten dahinter auch. Wie eine, die sich ihr Bild macht von unserer Gesellschaft und ihrem Zustand. Von der Landwirtschaft als Teil davon, einer Branche, die sich mehr und mehr Fragen gefallen lassen muss und ihrerseits Fragen stellt. Rosarot ist dieses Bild nicht, mitunter sogar ein wenig düster. Bei dieser oder jener Facette des Themas, spüren wir später, gehen wir nicht konform. So etwas muss man ­aushalten, eigene Erfahrungen, Wissen, Draufsichten in die De­batte werfen. Dem Gegenüber ­Gelegenheit geben, das Gleiche zu tun. Seit über 15 Jahren sind Kühe das Objekt ihrer Kunst, inspiriert durch eine Reise  durch Vorarlberg, diese Gebirgsregion in Westösterreich, wo ihr Vater Richard Beitl herstammt, Germanist und Autor. 

Theresa Beitl: „Diesem Tier haben wir viel zu verdanken“

Beitl empfindet die Kuh als Phänomen: friedvoll, zugleich kampfbereit, wenn es sein muss, Sinnbild des Archaischen, Kraftvollen, eine Mischung aus Urgewalt und Sanftheit, kein Haustier, nicht manipulierbar, Abbild der ursprünglich engen Beziehung zwischen Mensch und Tier, derer wir, sagt sie, inzwischen verlustig gegangen seien. „Kühe erinnern uns heute an Zeiten und eine Welt, in der wir noch stark miteinander verbunden waren.“ Nicht von ungefähr sei die Kuh in allen Schöpfungsmythen zu finden: als eine gütige, nährende, Leben spendende Gestalt: an der Seite von Göttern; der Tropfen Milch als Beginn allen Seins; große Religionsbegründer als Hirten dargestellt. „Diesem Tier haben wir bis heute viel zu verdanken. Fleisch, dessen Überkonsum wir gerade überdenken, Milch, Fell, natürliche Dünger. Aber wir wertschätzen es zu wenig.“ 


Bitte recht freundlich


Eine dieser Konzeptkünstler, die eine Idee, ein (moralisches) Anliegen in den Vordergrund ihres Schaffens rücken, sei sie nicht. Eine Botschaft will sie dennoch transportieren, ausgedrückt durch starkfarbige Porträts von Rindern. Die lautet, haben wir sie richtig verstanden: Zeigt mehr Respekt vor allem, was um uns herum lebt, vor der Natur in ihrer Gesamtheit – in einem Umfeld, das Egomanentum, übermäßige Selbstbezogenheit also, zu einem seiner Leitbilder erklärt habe: „Wir wollen gut leben und interpretieren das auf merkwürdige Weise. Dinge werden als Luxus angesehen und erstrebt, die nichts als schöner Schein sind.“ Einzige Möglichkeit, dagegenzuhalten: Als Individuum seine eigenen Prioritäten setzen, sagt sie. Denn politisch werde solcher Glücksauffassung in keiner Weise gegengesteuert. 

Mit Rindermotiven einzigartig in der Kunstszene

Die Darstellung von Tieren in der Malerei hat eine lange Tradition, geht bis ins 16. Jahrhundert zurück und blieb einziges Genre, das sich der Kreatur widmete, bis die Fotografie den Auftrag übernahm, deren Abbild zu zeichnen. Heute ist Beitl mit Rindern als ihrem bevorzugten Sujet in dieser Spezialisierung einzigartig in der Kunstszene. Herangearbeitet hat sie sich über die Landschaftsmalerei. Darin auszudrücken, was sie umtreibt, dem Verhältnis des Menschen zu allen Dingen der Schöpfung per Malerei ein Bild zu geben, bevorzugte sie bereits während ihres Studiums in Paris, später in Berlin. 


Im Atelier


Dort auch geboren und heute lebend, erzählt sie von ihrer europaweit verstreuten Familie. Bei Besuchen einer Halbschwester in Ungarn habe sie insbesondere im Kontakt zu Bauern die Umbrüche wahrgenommen in einem Land, das wie Deutschland eine politische und wirtschaftliche Wende durchlebte. Soziale Verwerfungen, was geschieht, wenn eine alte und eine neue Welt sich gegenüberstehen, aufeinanderprallen, stellte sie dar, was nicht jedem schmeckte. 

Theresa Beitl: Das Melken gelang auf Anhieb

Die Modelle für ihre Malerei in Acryl oder Öl fand sie bisher in  Österreich oder der Schweiz, in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Dort seien Individualität, Eigenart, Charakter, auch das Geheimnisvolle, das Unbekannte der Tiere noch unverfälschter, authentischer als in einem Stall mit 300 Kopf. Stopp, da haben wir Diskussionsbedarf, wir kennen es anders. Theresa Beitl grübelt, vielleicht reise sie auch deshalb besonders gern in die Heimat ihrer Vorfahren, weil sie sich ihren Wurzeln dort am engsten verbunden fühlt, ihr die Mentalität der Bauern und ihr fast stur zu nennendes Festhalten an Traditionen besonders vertraut sind. Dort habe sie sich das erste Mal unter eine Kuh gesetzt: Das Melken gelang auf Anhieb. 


Wie alles begann


Zugleich bekomme, das gesteht sie, diese Sichtweise derzeit einen neuen Horizont: Auftraggeber für die Kuhporträts stammen – dank mehrerer Ausstellungen – auch aus dem Brandenburger Umland. Sie hat Kühe einiger Nebenerwerbslandwirte gemalt, die Wasserbüffel des Fernsehmoderators Max Moor und seiner Frau im Barnim, hält (losen) Kontakt zu Biohöfen im Oderland. Und meint inzwischen, sich Stück für Stück „mit einem Umfeld neu verbinden zu können, das ich auch hier finde, in Brandenburg, ohne die Bergkulisse Österreichs.“ Für die Porträts fährt sie, selbstverständlich, vor Ort, macht anatomische Studien mit Kohle oder Wachs, sehr gründlich. Manchmal übermale sie ein Motiv bis zu 20 Mal, weil „mich immer wieder ein neuer Impuls antreibt“ und so auch Räumlichkeit entsteht.

Ein Atelier unter freiem Himmel?

Längst kann sie Rassen unterscheiden, deren Merkmale beschreiben, nennt das Schottische Highland-Cattle nicht mehr wie beim ersten Anblick Flokatiträger, sondern Landschaftspfleger. Und: „Als ich in der Schweiz, wo das Braunvieh zu Hause ist, zum ersten Mal Holstein-Friesen sah, habe ich nicht schlecht gestaunt. Rassen sind nicht mehr regional gebunden.“ 


Theresa Beitl, Künstlerin aus Berlin

Theresa Beitl

Malerei | Grafik | Objekt

Theresa Beitl arbeitet als Künstlerin in Berlin

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Am Ende unseres Besuchs schlägt Theresa Beitl uns vor, gemeinsam ein Pleinair zu veranstalten, ein Atelier unter freiem Himmel, sagen wir im Mai, wenn die Weiden wieder satt und grün stehen, auf einem landwirtschaftlichen Betrieb – mit Rinderhaltung, logisch. Eine bessere Gelegenheit kann es nicht geben, um: sich gegenseitig bei der Arbeit zuzusehen, Fragen zu stellen, Antworten zu geben, zu disputieren, zu feiern, vielleicht Positionen neu zu überdenken, weil zu lange nicht hinterfragt, Brücken zu bauen und sich auf deren Mitte zu treffen, um weiter zu reden. Wir schlagen ein! Jutta Heise