In eine Backstube verwandeln Kitakinder aus Zahna das Vereinshaus in Jahmo. Mithilfe von Thomas Thiele kommen die Laibe in den Backofen. (c) Bärbel Arlt

Mehr als nur Brot: Das große Backen in Jahmo

In dem kleinen Dorf Jahmo in Sachsen-Anhalt schlägt das Herz der Tradition. Hier wird Brot noch wie früher im Holzofen gebacken und das Dorfleben von einem engagierten Verein gestaltet. Am Wochenende wird das Backofenfest gefeiert.

Von Bärbel Arlt

Das Land Sachsen-Anhalt wirbt aktuell mit der Kampagne „moderndenken“. Was nicht ausschließt, dass Traditionen und Bräuche aus alten Zeiten hoch- und wachgehalten werden – wie im kleinen Dorf Jahmo im Landkreis Wittenberg. Der gerade mal knapp 150 Einwohner zählende Ort ist umgeben von viel Wald und Feld und gefühlt weit entfernt von der Hektik des modernen Alltags. Die Uhren scheinen hier, so jedenfalls der erste Eindruck, langsamer zu ticken.

Trubel im Dorfgemeinschaftshaus

Doch wie so oft trügt der Schein, denn im Dorfgemeinschaftshaus namens Erna herrscht schon früh am Morgen Trubel. Es wird gebacken – mit Kindern des Evangelischen Kinderzentrums Sankt Marien aus dem etwa acht Kilometer entfernten Städtchen Zahna. „Wir feiern heute Zuckertütenfest, und da sollen die Kinder etwas ganz Besonders erleben“, sagt Erzieherin Jana Schläppi.

Und so wird Brot gebacken, das in Jahmo eine wichtige Rolle spielte – und wieder spielt. Denn der Verein zur Förderung des Dorfgemeinschaftslebens hat es sich auch zur Aufgabe gemacht, das traditionsreiche Handwerk des Brotbackens im Ort wachzuhalten. Doch dazu später mehr.

Selbst gebackenes Brot mit nach Hause nehmen

Nun könnte man meinen, dass sich die Sechs- und Siebenjährigen für ihr Zuckertütenfest etwas anderes gewünscht hätten. Großer Irrtum! Die Kinder sind mit Eifer bei der Sache, kneten fleißig und kräftig den Roggenteig, den Vereinsmitglied Christa Kettner schon vorbereitet hatte, und erfahren dabei auch so einiges über den Bäckerberuf und dass Brot früher bei keiner Mahlzeit fehlte.

Dann wird der Laib noch geformt und mit einem Namensbuchstaben versehen, schließlich will jeder sein eigenes und selbst gebackenes Brot mit nach Hause nehmen. Doch bevor die kleinen Runden in den Backofen kommen, müssen sie ruhen und gehen.

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Mit Kraft und Energie kneten die Kitakinder den Teig. (c) Bärbel Arlt

Diese Zeit nutzt Doreen Berger, die Vorsitzende des Fördervereins, um den Kindern vom Biber zu erzählen, der im nahe fließenden Zahnabach seine Burg hat und Staudämme baut. Die Kinder staunen über die riesigen, scharfen Zähne, das weiche Fell und sind begeistert von Plüsch-Biber Bruno, der unbedingt mit auf die Waldwanderung muss, denn vielleicht trifft er ja seinen Artgenossen. Doch der zeigt sich als nachtaktiver Nager natürlich nicht.

Dafür entdecken die Kinder gemeinsam mit Doreen Berger und ihrer Erzieherin die Biberburg, das Zuhause der Biberfamilie, sowie Biberfraßspuren an den Bäumen, aber auch Käfer, Pilze, Schnecken und sogar eine Wolflosung und ­einen Fuchsbau.

Zurück im Dorfgemeinschaftshaus werden die Brote nun endlich in den Backofen geschoben – gemeinsam mit Vizevereinschef Thomas Thiele, der zwar kein Bäcker ist, sich aber der Backkunst angenommen hat und auch beim jährlichen Backofenfest alle Hände voll zu tun haben wird, schließlich kommen dann an die 250 Brote und Kuchen in den Ofen, der dafür schon Tage zuvor mit Reisig angeheizt wird und eng mit der Geschichte des Fördervereins verbunden ist.

Kein Konsum, Gasthaus und Waldbad mehr

Und diese Geschichte beginnt vor über 20 Jahren. „Der einzige soziale Treffpunkt war damals der Friedhof beim Blumengießen“, blickt Doreen Berger zurück. Denn in den 1990er-Jahren schlossen der Konsum, das Gasthaus und auch das Waldbad, das über die Dorfgrenzen hinaus bekannt und beliebt war und Jahmo sowie die Umgebung zu einem Naherholungsgebiet gemacht hatte.

Dieser Verlust nagte am einst aktiven Dorfleben, und für die Dorfgemeinschaft gab es keinen sozialen Treffpunkt mehr. Was tun? Das Dorfleben einschlafen lassen?

Verein zur Förderung des Lebens im Dorf

Das wollten engagierte Einwohner nicht zulassen, haben sich zusammengetan und 2004 den Verein zur Förderung des Dorfgemeinschaftslebens gegründet. „Wir wollten damit etwas für den Ort bewegen, das Miteinander wachhalten und etwas schaffen für alle Generationen“, so Doreen Berger.

Und weil es kein Gemeindeeigentum gab, wurde von Privat ein altes Stallgebäude, in dem früher Tiere und ein Waschhaus untergebracht waren, zur Verfügung gestellt, und von den ehrenamtlichen Vereinsmitgliedern und Helfern saniert.

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Das ehemalige Stall­gebäude, heute Vereinshaus, trägt den Namen seiner einstigen Besitzerin – Erna. (c) Bärbel Arlt

Entstanden ist ein liebevoll eingerichtetes Haus mit einem ebenso liebevoll gestalteten Hof, der durchaus in alte Zeiten versetzt, und dessen Herzstück der Backofen ist, der nach historischem Vorbild gebaut wurde. Denn das Backen gehört seit Jahrhunderten zu Jahmo – und das sollte auch so bleiben. „An diese Tradition anknüpfend, wollten wir als Verein nicht nur ein Dorffest mit Bier und Bratwurst feiern. Das kann jeder. Wir wollten uns abheben, wollten inhaltlich etwas vermitteln und weitergeben“, erklärt Doreen Berger.

Backofenfest wird am 10. August gefeiert

Und weil das Backen im Holzbackofen im Dorf Tradition hatte, entstand die Idee vom Backofenfest, das inzwischen Besucher aus nah und fern anzieht. In diesem Jahr wird es am 10. August gefeiert, verbunden mit dem 20-jährigen Bestehen des Vereins.

Es wird aber nicht nur gebacken, sondern auch gefilzt und musiziert. Und die Fläminger Landfrauen reißen Federn. Vorbereitet und durchgeführt wird das Fest vom Verein, der 16 Mitglieder hat, und weiteren ehrenamtlichen Unterstützern, von denen sich viele auch sonst aktiv am Vereinsleben beteiligen.

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Stolz können die Kinder auf ihre Brotlaibe sein. (c) Bärbel Arlt

Und das besteht natürlich nicht nur aus Brot- und Kuchenbacken. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurde so einiges auf die Beine gestellt, einiges ist in Planung. Doreen Berger berichtet vom Erzählcafé, von Dorfgesprächen, Seniorennachmittagen, Dorfflohmarkt, Frauentagsfeiern, Osterfesten, Herbstfeuer, Halloweenpartys, Stollenbacken, von geplanten Wanderungen mit dem Ortschronisten und der Mitmach-Backstube mit Café, die Ende des Jahres eröffnen soll und wofür Spenden willkommen sind.

Nicht zu vergessen ist das Jahmoer Kindersachbuch mit dem zauberhaften Titel „Die unelektrische Oma“, das im Rahmen eines Schulprojektes erarbeitet wurde. Darin sind alte Rezepte der Dorfbewohner festgehalten wie der typische Fläminger Kartoffelkuchen. Der Backtag, so erfährt man dort, war auf dem Hof einst ein herausragendes Erlebnis. Auch die Kinder wurden zur Wertschätzung des Brotes angehalten.

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Vereinsvorsitzende Doreen Berger (r.) freut sich, dass altes Handwerk den jungen Bäckermeistern sehr viel Spaß macht. (c) Bärbel Arlt

Und in Jahmo, so erzählt Doreen Berger, war das Backen eng auch verbunden mit der Gaebler’schen Mühle am Zahnabach, die einen Backofen besaß, wo die Dorfbewohner ihre Kuchen und Brote zum Abbacken hinbringen konnten – und sich zu einem Schwätzchen trafen. „So haben wir uns entschlossen, das alte Handwerk wiederzubeleben und weiterzugeben – an Alt und Jung.“ Wie zum Beispiel an die Zahnaer Kitakinder, die stolz ihr Brot mit nach Hause nehmen.

Infos zum Verein und Backofenfest: www.foerderverein-jahmo.de

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