Bürgerinitiative im Vogtlandkreis

Blühwiesen und Obstbäume statt Steinbruch

Reportage
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Aus einer Protestbewegung gegen Gesteinsabbau entstand im sächsischen Vogtlandkreis eine Bürgerinitiative, die sich vor allem für alte Obstsorten engagiert. Ihr jüngstes Projekt ist der Bau einer Feldscheune.

Text und Fotos von Silvia Kölbel

Eigentlich wollten sich die Bürger aus Kloschwitz, Rößnitz und Rodersdorf im sächsischen Vogtland 1993 nur dagegen wehren, dass direkt vor ihrer Haustür ein 90 Hektar großer Steinbruch entsteht und gründeten eine Bürgerinitiative. Nach zähem Ringen wurden die Pläne zum Gesteinsabbau fallengelassen. Die Bürgerinitiative jedoch blieb. Es entstand der Verein „Bürgerinitiative zum Schutz der Natur und Umwelt von Rosenbach bis Goldbach“. Dieser zählt heute 326 Mitglieder. Aus der einstigen Protestbewegung entstand ein Zusammenschluss von Menschen, die sich in vielfältiger Weise dem Erhalt der Natur verschrieben haben.

Der Verein kaufte eine 2,4 ha große Fläche, pflanzte 220 Obstbäume – alles alte Sorten – organisiert Kräuterwanderungen und pflanzt seit 2011 den Baum des Jahres auf das Vereinsgelände, immer mithilfe der Kinder aus den umliegenden Orten.

Lutz Höhne
Lutz Höhne ist Vereinsmitglied und Geschäftsführer der Agrarproduktions- und Handels GmbH Kröstau, die an der Streuobstwiese, auf der auch Schafe weiden, einen Blühstreifen angelegt hat.

Jüngstes Projekt ist der Bau einer Feldscheune. Dafür sammelte der Verein Spenden über die von der Landesstiftung Natur und Umwelt betreute Plattform Regiocrowd. 440 Spender steuerten dem Projekt insgesamt 39.000 Euro bei. Pünktlich im März fiel der Startschuss für die Bauarbeiten, die jetzt kurz vor dem Abschluss stehen. Im September wollen die Vereinsmitglieder die Einweihung mit einem Fest feiern.

Genreserve für Züchtungen

Das aktuelle Scheunenprojekt entstand aus der Not heraus. „Für jede Veranstaltung und für jeden Arbeitseinsatz mussten wir Tische, Bänke und Werkzeug hierher transportieren. Und was passt besser zu einer Streuobstwiese als eine Feldscheune. So entstand unser jüngstes Projekt“, berichtet der Vereinsvorsitzende, Peter Luban.

Neben dem Scheunenbau steht zurzeit die Betreuung der Streuobstwiese an erster Stelle, denn es sind nicht irgendwelche Bäume, die oben auf dem Berg in den Himmel wachsen, sondern alles alte Sorten, die aus Sicht von Katrin Weiner, einer Koordinatorin des Netzwerkes Natur Sachsen der Landesstiftung Natur und Umwelt, eine wichtige Genereserve darstellen.

Die Wiese am Ortsrand von Kloschwitz ist die größte von insgesamt sechs Sortenwiesen, die verteilt in Sachsen und Tschechien mit insgesamt 400 Bäumen entstanden. Dieser Pflanzaktion vor fünf Jahren im Rahmen des Projektes „Erhalt sächsischer und tschechischer Obstsorten mit neuen Konzepten“ ging eine umfangreiche Sortenbestimmung von 2.000 Obstbäumen diesseits und jenseits der Grenze voraus. „Wir haben bei dieser Sortenbestimmung sieben verschollen geglaubte Sorten gefunden“, erklärt Katrin Weiner. Die Bäume seien einerseits erhaltenswertes Kulturgut und andererseits eine wichtige Genreserve für künftige Züchtungen. Mithilfe der Baumschule Scharz aus aus Löbau und weiteren Helfern, die Edelreiser sammelten, gelang innerhalb der zweieinhalbjährigen Projektlaufzeit von 2018 bis 2020 das Veredeln der für die Pflanzung benötigten Hochstammbäume.

Neben den Bäumen, die über das Projekt der Landesstiftung nach Kloschwitz gelangten, gelang es Vereinsmitglied André Bauer 2016 über die Allianz-Aktion „Bäume für die Zukunft“, die ersten 60 Obstbäume für die Streuobstwiese zu generieren. Alle Bäume sind mit einer Metallplakette markiert mit eingravierter Nummer. In einer Datenbank sind alle Sortennamen den Nummern zugeordnet.

Agrarunternehmen sorgt für Gießwasser

Die jungen Obstbäume hatten einen schwierigen Start. Zwei Jahre nach der Pflanzung folgten drei Trockenjahre. Das erwies sich auf einem trockenen, windexponierten Standort als nachteilig. Ohne ständiges Gießen hätten es die Bäume kaum bis ins Jahr 2021 geschafft. An dieser Stelle kommt Vereinsmitglied Lutz Höhne ins Spiel. Er ist zugleich der Geschäftsführer der Agrarproduktions- und Handels GmbH Kröstau. Mit dem Schlepper bringt er regelmäßig den Tankwagen mit dem Wasser auf den Berg, welches die Vereinsmitglieder einem Gießplan folgend, mit Gießkannen an die Bäume verteilen. Höhne hat zudem im vergangenen Jahr am Rand der Streuobstwiese einen aus 40 verschiedenen Arten bestehenden dreijährigen Blühstreifen als Nektar- und Pollenweide für Insekten angelegt.

Die Agrargenossenschaft mäht die langen Bahnen zwischen den Streuobstreihen zweimal jährlich, lässt aber den Bewuchs zwischen den Bäumen stehen, was auf der Wiese zu einem großen Artenreichtum von rund 50 verschiedenen Wildpflanzen führt. Dieser Artenreichtum verschaffte dem Verein dieses Jahr den dritten Platz bei einem Streuobstwiesenwettbewerb des Landschaftspflegeverbandes Oberes Vogtland und verhalf zu einer Einstufung der Fläche als Vorranggebiet für Natur und Umwelt im Landesentwicklungsplan.

Am Rand der Streuobstwiese hat sich eine vor ein paar Jahren angelegte Hecke aus Wildsträuchern gut etabliert. Dasselbe hofft die Projektleiterin des Vereins, Gisela Tempel, auch von der Beeren-obsthecke, die am entgegengesetzten Ende gepflanzt wurde. „Hier wachsen Johannisbeeren, Sanddorn, Stachelbeeren, Aroniabeeren und andere, dazwischen stehen Vogelbeerbäume. Das Beerenobst soll vor allem die Kinder zum Naschen animieren“, so die Projektleiterin.

Streuobst macht Schule

Trotz regelmäßiger Wassergaben und Pflegeschnitte an den Obstbäumen durch Katrin Weiner und ihren Mann Holger, der als freiberuflicher Berater und Planer die Servicestelle Streuobst leitet, ließen sich Baumverluste nicht ganz vermeiden. Sechs Bäume pro Jahr musste der Verein bisher ersetzen. Dieses Jahr bekamen es die Vereinsmitglieder zusätzlich mit einem krabbelnden Gegner zu tun, einem Insekt, das die Blätter abfrisst und dessen Larven die Wurzeln schädigen. 25 Bäume kostete dieser Insektenbefall das Leben. Nach und nach sollen sie ersetzt werden. Die gefräßigen Insekten bekämpft der Verein mit Mitteln des Neembaumes. Bei der Verteilung des Präparates auf den Boden unter den Obstbäumen hilft eine Schulkasse des Plauener Diesterweg-Gymnasiums.

Bei der Pflege der Streuobstwiese bekommt der Verein jüngst Unterstützung von der Behindertenwerkstatt der Lebenshilfe aus Plauen. „Während zweier Arbeitseinsätze haben wir gemeinsam die Holzverstrebungen zum Schutz der Bäume ausgebessert und erneuert“, berichtet Jörg Tempel. Er gehört der Arbeitsgruppe Medien an und kümmert sich auch um die Öffentlichkeitsarbeit.

Das Anlegen einer Streuobstwiese macht in der Umgebung Schule. Ein junger Mann aus dem Nachbarort Tobertitz hat bei sich zu Hause bereits 60 Obstbäume gepflanzt. Weitere Bürger haben ihr Interesse am Pflanzen alter Obstsorten bekundet, so Peter Luban.

Da das Ende des Scheunenbaus greifbar nah ist, richtet sich der Blick der Vereinsmitglieder jetzt auf die Einweihung. Am 11. September wollen sie gemeinsam mit vielen Gästen ein buntes Programm gestalten – mit Kräuterwanderungen, Nistkastenbau und vielen anderen interessanten Höhepunkten.

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