BUGA in Erfurt

Bundesgartenschau 2021: Gewachsene Gartenliebe

Trotz Corona steht einem Besuch der BUGA nichts im Wege, sofern man vorab ein Online-Ticket erwirbt. (c) IMAGO / ari
Reportage
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Noch 159 Tage lädt die BuGa in Erfurt Besucher zu einem Spaziergang durch Vergangenheit und Gegenwart ein. Denn der Pflanzenanbau hat in der thüringischen Landeshauptstadt eine lange Tradition – an die auch das Unternehmen von Andreas Palinske anknüpft.

Von Birgitt Schunk

Am 23. April gaben Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein und Ministerpräsident Bodo Ramelow die Bundesgartenschau für die Besucher frei. Am ersten Wochenende kamen rund 15.000 Menschen in den ega-Park und auf den Petersberg (Foto) im Zentrum der Landeshauptstadt. Inzwischen haben bereits 30.000 Menschen den Weg dorthin gefunden.

Trotz Corona steht einem Besuch der BUGA nichts im Wege, sofern man vorab ein Online-Ticket erwirbt. Besucher müssen einen negativen Corona-Test vorlegen, den man auch im eigens geschaffenen Testzentrum an der Messe Erfurt durchführen kann. Bis zum 10. Oktober ist die Buga in Erfurt und an thüringenweit 25 Außenstandorten zu erleben.


In den letzten Tagen vor der Eröffnung pendelte Andreas Palinske immer wieder zwischen seinem Gartenbaubetrieb und dem Petersberg am Rande der Erfurter Altstadt hin und her. Schritt für Schritt werden die Konzepte der Bundesgartenschau umgesetzt. Wenn die große Schau am 23. April ihre Pforten öffnet, muss alles fertig sein. Der Diplomgartenbauingenieur hat die Verantwortung für einen ganz besonderen Teil der großen Gartenzeitreise – genau dort, wo über den Dächern der Altstadt der Petersberg mit seiner barocken Festungsanlage thront.

Hier werden die Besucher mit auf eine Reise in die Vergangenheit genommen und an die reiche Gartenbautradition der Blumenstadt erinnert. Im Festungsgraben werden „Erfurter Gartenschätze“ von einst und heute gezeigt. Hier ist Palinske in den nächsten Wochen zu Hause.

Mehr als 100 verschiedene Gemüsesorten und andere Nutzpflanzen werden auf besondere Art und Weise in Szene gesetzt. In schmalen langen Reihen nebeneinander soll so die duftende, heilende und schmackhafte Vielfalt sichtbar werden – dazwischen Blühendes aus Tulpen oder Stiefmütterchen.

Die Gäste lernen so bekannte Aushängeschilder wie den Blumenkohl „Erfurter Zwerg“, die Buschbohne „Ruhm von Erfurt“ oder den Kopfsalat „Brauner Trotzkopf“ kennen. „Und natürlich wird man auch Färberwaid-Pflanzen sehen, die einst der Stadt im Mittelalter viel Reichtum, Wohlstand und Ansehen bescherten“, sagt Palinske. Sie sorgten für jenes tiefe Blau, das Stoffe in großem Stil färben konnte.

Bundesgartenschau 2021: Klinge für die Kresse

Zu sehen bekommen die BUGA-Gäste auch das Modell einer Klinge, in der Brunnenkresse produziert wird. Palinske hat ein solches Wasserbecken nachgebaut, um so den Besuchern ein weiteres Kapitel der reichen Erfurter Gartengeschichte nahe zu bringen.
In nur wenigen Zentimetern frischem Wasser wächst die Kresse heran. Der Gärtner spricht vom „gesündesten Kraut der Welt“, das sogar Napoleon zu schätzen wusste. „Im Dreienbrunnen-Gebiet sind heute noch die letzten Original-Klingen erhalten, die auf althergebrachte Weise produzieren“, sagt der Unternehmer. „In Blütezeiten wurden in Erfurt 80 Tonnen Brunnenkresse im Jahr geerntet.“

Palinske hat das Ganze weiterentwickelt, viele Versuche gestartet und ist heute in der Lage, die Delikatesse sogar im Gewächshaus heranwachsen zu lassen – und das mit einer stabilen Produktion das ganze Jahr über.

Die würzige Kresse findet sich in seinem Hofladen sogar in Salz, Senf, Crackern oder Schnaps wieder. Und so ist selbst er, der erst über Umwege die Liebe zum Gartenbau entdeckte, Schritt für Schritt immer mehr mit den Erfurter Traditionen im Bunde.
Den Besuchern der BUGA kann er von Christian Reichart (1685–1775), dem Begründer des deutschen Gartenbaus, erzählen. „Er hatte einst den Anbau von Brunnenkresse perfektioniert und die Wasserläufe sogar mit dem Gemüseanbau kombiniert und so für höhere Erträge gesorgt.“

Der Erfurter steuert nicht nur Thüringer Minze sowie Paprika- und Tomatenpflanzen für den Festungsgraben bei. Er und sein Team besorgen auch die Pflege des gesamten Areals während der BUGA. Ist ein Kopf Salat abgeerntet, wird neu gepflanzt. Eine intelligente Tröpfchenbewässerung, die per Computer gesteuert wird, ist installiert. Überdachte Flächen im Festungsgraben gibt es nicht. Das Gemüse muss mit jedem Wetter klarkommen – auch wenn es mal recht kühl und nass werden sollte.

Der Festungsgraben ist gesäumt von hohen Sandsteinmauern, die die Wärme speichern werden“, ist Palinske optimistisch, dass alles gelingt. Einen festen Zeitplan für die einzelnen Arbeitsschritte gibt es ohnehin nicht, hier muss immer wieder neu entschieden werden, wo geerntet, neu gepflanzt oder gejätet wird.
Einen Markt für regionale Produkte soll es ebenso auf dem Petersberg geben.

im hofladen Direkt vermarkten

Und während die BUGA über 171 Tage läuft, muss auch in Palinskes Gartenbaubetrieb die Arbeit weitergehen. Zwischen 20 und 30 Mitarbeiter sind dort je nach Saison tätig.
Neben dem Gemüsepflanzen- und Kräuteranbau hat er in den letzten beiden Jahren seinen Hofladen entwickelt, um immer mehr auf Direktvermarktung zu setzen.

Zu seiner Philosophie passt, dass er Tomaten, Gurken, Paprika, Auberginen und Bohnen als Gemüse selbst produziert und anbietet. „Die Kunden kommen immer mehr auf den Geschmack und merken, dass eine voll ausgereifte Tomate aus meinem Betrieb einfach besser schmeckt als eine vom Discounter, die oft noch grün geerntet und unter Schutzatmosphäre gelagert wurde“, sagt er und verweist auch auf das Mehr an Inhaltsstoffen bei der natürlichen Produktion. „Nur wenn viel Sonne getankt wird, können die Stoffwechselprozesse auch optimal ablaufen.“

Kunden seien inzwischen auch bereit, für ein gutes Produkt mehr auf den Tisch zu legen. Dabei setzt er auf den biologischen Anbau, auch wenn er keine Zertifizierung hierfür hat. „Es geht vor allem um gute, regionale Produkte.“ So kooperiert der Betrieb auch mit Gärtnereien der Region, die mit ähnlichem Anspruch arbeiten, eng zusammen. Von dort kommen für den eigenen Hofladen Obst und Gemüse, die Palinske selbst nicht anbaut. Schritt für Schritt soll das Angebot erweitert werden.

Frisches Brot und wildangebot geplant

Gibt es neben den eigenen Produkten bereits Liköre, Marmeladen, Wurst, Öle oder Senf aus der Region, so sollen künftig auch frisches Brot oder Wild ebenso im Angebot sein.

Liebevoll eingerichtet ist zudem das Verkaufsareal, das neben dem großen Marktplatz in viele kleine Geschäfte mit ganz besonderer Note aufgeteilt ist – hier werden Töpferwaren feilgeboten, dort Sämereien und in der Schmiede nebenan sind Gartengeräte zu haben.

Palinske will nicht nur seine Produkte an den Mann oder die Frau bringen, sondern auch Erlebnisse schaffen. „Die Menschen sollen sich dafür interessieren, wo die Lebensmittel herkommen“, sagt er. Da immer alles im Überfluss vorhanden sei, machten sich viel zu viele Leute keine Gedanken mehr darum. Gute Inhaltsstoffe seien wegen der Haltbarkeit weggezüchtet worden, immer mehr Menschen hätten mit Allergien zu tun und klagten über gesundheitliche Probleme.

Palinske weiß, wovon er spricht und will eigentlich nichts Neues erfinden. „Wir sollten nur wieder mehr zurück zu den Wurzeln gehen“, sagt er. Die BUGA sieht er als gute Möglichkeit, auch eine solche Denke zu vermitteln und die heimischen Gartenbaubetriebe noch bekannter zu machen, die eine Zukunft haben müssen. Schließlich will auch die Bundesgartenschau 2021 an die Ursprünge erinnern.

Thüringer Kräuter aus der Gärtnerei von Palinske, darunter auch Minze.
Thüringer Kräuter aus der Gärtnerei von Palinske, darunter auch Minze. (c) Birgitt Schunk

zurück zu den wurzeln

1865 fand immerhin in Erfurt die erste Internationale Land- und Gartenbauausstellung statt – insofern kehrt die bundesweite Gartenschau wieder heim. Mit dem egapark besitzt die Blumenstadt seit Jahren den größten Garten Thüringens mit jährlich über 500.000 Besuchern. Und so schließt sich für Andreas Palinske, der einst als Kind hier viele Stunden mit der Familie verbrachte, irgendwie auch der Kreis zu seinen eigenen Wurzeln. Denn aufgewachsen ist er zwischen Blumen und Gemüse. Die Liebe zum Gartenbau wurde ihm allerdings damit nicht automatisch in die Wiege gelegt. „Ehrlich gesagt, hat es mich als Kind oft genervt, wenn es sonntags immer wieder raus auf die ‚iga‘ ging“, sagt er. „Wenigstens gab es dort aber einen schönen Spielplatz und gutes Softeis.“

Die drei Buchstaben „iga“ standen seinerzeit für die „Internationale Gartenbauausstellung“ vor den Toren Erfurts, die seit Beginn der 1960er-Jahre ausgebaut wurde und seither immer wieder Anziehungspunkt für ausländische Gäste und Einheimische war.
Palinskes Vater arbeitete zu DDR-Zeiten im Volkseigenen Betrieb Erfurter Saatgut und Zierpflanzen. Deshalb die enge Verbindung zum Gartenbau und seine dienstlichen Termine auf der „iga“, die nach 1990 in Erfurter Gartenbauausstellung „ega“ umbenannt wurde.

Mit der Wiedervereinigung kam wie vielerorts auch für die berufliche Heimat von Palinskes Vater das Aus. Teile des Betriebes wurden privatisiert. „Er übernahm zwei Hektar der Gewächshausfläche und gründete sein eigenes Zierpflanzen-Unternehmen.“ Da war der Sohn gerade mal 16, immer noch nicht mit dem Gartenbau auf du und du und lernte erst einmal Automechaniker. Doch der Vater drängte und wünschte sich, dass eines seiner drei Kinder mal in seine Fußstapfen treten würde. „Meine Schwestern winkten gleich ab. Mich aber reizte eine eigene Firma schon, auch wenn ich mich damals für Blumen und Gemüse immer noch nicht begeistern konnte.“

Liebe auf den dritten Blick

Dennoch begann der junge Mann – inzwischen mit dem Fachabi in der Tasche – ein Gartenbau-Studium in Erfurt. Doch das riss ihn nicht vom Hocker, Palinske schmiss hin. Zwei Jahre später startet er neu, zog die Sache durch und machte sein Diplom mit „sehr gut“. Selbst da war der Knoten noch nicht geplatzt. Es dauerte noch einige Jahre, ehe er sich „im Gartenbau richtig wohlfühlte“ und Feuer fing.

Heute führt der 47-Jährige den Gartenbaubetrieb, den er 2005 vom Vater übernommen hatte. Damals musste er die Weichen in vielerlei Hinsicht neu stellen. Von Chrysanthemen, Pelargonien, Primeln und Weihnachtssternen im großen Stil verabschiedete er sich. Hinzu kamen schwierige Jahre wegen rasant gestiegener Heizkosten für die Gewächshäuser. „Ich habe damals ein Blockheizkraftwerk gebaut und seither mit Pflanzenöl geheizt. Wir gehörten damit zu den Ersten in Thüringen.“
Die Zierpflanzensparte wurde zurückgefahren und der Kräuter- sowie Gemüsepflanzenanbau entwickelt. Und je mehr der Erfurter seine eigenen Ideen einbrachte, umso mehr fühlt er sich dem Gartenbau nun verbunden – Liebe auf den dritten Blick also.