Nebenerwerbslandwirtschaft

Herefordzucht: Zu Hause bei Emil und Paul

Antje Kienow mit den Söhnen Emil und Paul bei ihren Herefordrindern auf der Weide. (c) Sabine Rübensaat
Reportage
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Familie Kienow in Grubo (Brandenburg) hat sich im Nebenerwerb auf die Zucht von Herefordrindern spezialisiert. Auch das Schlachten und Vermarkten liegt in ihren Händen.

Von Fritz Fleege
Fotos: Sabine Rübensaat

Wir stehen auf der Wiese zum Fototermin. Paul und Emil flachsen rum, setzen der Kuh Lissy ein Basecap auf. Mutter Antje bringt noch schnell eine Schärpe, während Vater Dirk die Szene mit einem Grinsen auf den Lippen beobachtet. Kein ganz normaler Tag bei Familie Kienow, denn wann kommt schon ein Team von der Bauernzeitung und will Fotos und Recherchen machen. Doch die Züchterfamilie Kienow in Grubo, einem Ortsteil der Gemeinde Wiesenburg/ Mark, im Hohen Fläming gelegen, ist schon außergewöhnlich. Sie haben geregelte Arbeitszeiten außerhalb der Landwirtschaft. Antje Kienow ist zur Zeit beim Bundesverwaltungsamt in der Corona-Erfassung tätig und Dirk Kienow ist Betriebsratsvorsitzender bei der Paul Hartmann AG in Brück. 

Ein Leben ohne Rinder konnten sich beide nicht vorstellen. Er lernte schon früh den Umgang mit Rindern auf dem elterlichen Hof. Nach der Ausbildung arbeitete er einige Jahre im Rinderstall der Agrargenossenschaft. 1995 war er dabei, als der Brandenburger Jungzüchterverein gegründet wurde. Mit dem Verein erlangte er auf Ausstellungen und Schauen diverse Auszeichnungen – damals noch mit schwarzbunten Milchkühen. Bald machte er sich selbstständig und war als Klauenpfleger auf diversen Betrieben im Umkreis von 200 km unterwegs. Antje Kienow – ebenfalls aus einer Bauernfamilie stammend, wurde Köchin und Hotelfachfrau.

Familie Kienow vor dem Hof auf ihren Zweirädern. Wenn sie in Richtung Weide starten, setzen die Motorisierten noch Helme auf.
Familie Kienow vor dem Hof auf ihren Zweirädern. Wenn sie in Richtung Weide starten, setzen die Motorisierten noch Helme auf. (c) Sabine Rübensaat

Für Rinder der Rasse Hereford entschieden

Schon bald nach der Hochzeit schafften sie sich Rinder an. Entgegen kam ihnen dazu ein Angebot, 15 ha Weideland zu nutzen. Gestartet wurde zwar noch mit Schwarzbunten, doch bald entschieden sie sich für Herefords. Dem Ehepaar gefiel, dass die Tiere sich durch Gutmütigkeit, ruhiges Wesen, Hornlosigkeit und Robustheit auszeichnen. Die Kühe sind leichtkalbig und haben einen ausgeprägten Mütterinstinkt. Der Vorteil dieser Rasse liegt auch darin, dass die Tiere genügsam und zur ganzjährigen Freilandhaltung geeignet sind. Nur von Gras und Heu können die Jungtiere je Tag zwischen 800 bis 1.200 g zunehmen. Diese Eigenschaften machen die Rinder für den Nebenerwerb so wertvoll. Außerdem zeichnen sie sich durch beste Fleischqualität aus.

Die Färsen und Jungbullen fi nden nach dem Absetzen von den Müttern ihr Futter auf separaten Weiden.
Die Färsen und Jungbullen finden nach dem Absetzen von den Müttern ihr Futter auf separaten Weiden. (c) Sabine Rübensaat

Nicht nur die Rinderherde vergrößerte sich. Auch bei Kienows stellte sich Nachwuchs ein. Sohn Paul kam 2001 zur Welt. Er wollte schon mit vier Jahren Bauer werden und macht nun eine Ausbildung zum Land- und Baumaschinenmechatroniker. Er hält die Technik am Hof in Ordnung, worunter sich drei alte Traktoren, ein Mähwerk, ein Heuwendegerät, ein Schwader und eine Ballenpresse befinden.

Mit dem guten alten Deutz-Traktor lässt sich noch so manche Arbeit auf dem Grünland erledigen.
Mit dem guten alten Deutz-Traktor lässt sich noch so manche Arbeit auf dem Grünland erledigen. (c) Sabine Rübensaat
Die Jungs basteln mit Leidenschaft am Traktor: Spannung messen, Glühlampen tauschen ...
Die Jungs basteln mit Leidenschaft am Traktor: Spannung messen, Glühlampen tauschen. (c) Sabine Rübensaat

Sohn Emil ist 2006 geboren. Er drückt noch die Schulbank und hilft, wo er kann. Auf Ausstellungen ist er für die Kälber zuständig. Beide Söhne sind engagierte Jungzüchter. Sie bereiten die Tiere auf Schauen vor und führen sie gelassen am Halfter durch den Ring. So wurde Paul 2016 mit einer Färse, ein Jahr später mit einer Kuh und Emil 2017 mit einem Kalb auf der BraLa (Brandenburger Landwirtschaftsausstellung) in Paaren im Glien ausgezeichnet. 2019 präsentierten die beiden auf dem Kreiserntefest in Niemegk ihre besten Kühe. Als Höhepunkt der Herefordzucht Kienow erwies sich die 4. Bundessschau Schwarz-Rot-Gold auf der Internationalen Grünen Woche 2020 in Berlin. Klassensieger wurde dort  ihre Kuh Lissi mit dem Kalb Leon. Zur großen Überraschung wurde sie dann unter allen Kühen mit Kalb von Preisrichter PJ Buddler aus Texas sogar zur Bundesreservesiegerin gekürt.

Zu Hause kümmern sich die Brüder nicht nur um die Tiere auf der Weide, sondern legen auch auf dem kleinen Hof und im Haus Hand an. Die Rinder sind bei Kienows ganzjährig auf der Weide. Die Flächen für die Mutterkühe sind in vier Koppeln unterteilt. Nach außen befindet sich ein vierdrähtiger Elektrozaun mit Flatterband zur Wolfsabwehr. Innen sind die Koppeln nur ein- oder zweidrähtig unterteilt. Vor allem die beiden Söhne Paul und Emil achten darauf, dass alles ordnungsgemäß funktioniert. Sie sind auch beim Umkoppeln dabei und mähen die abgehüteten Flächen nach. Die Absetzer kommen im Alter von sieben bis neun Monaten auf einer Extrakoppel unter, getrennt, nach Färsen und Bullen.

Paul Kienow versorgt die Rinder auf der Weide auch mit Wasser.
Paul Kienow versorgt die Rinder auf der Weide auch mit Wasser. (c) Sabine Rübensaat
Emil Kienow mäht das Gras unter dem Elektrozaun ab, damit keine Spannung verloren geht.
Emil Kienow mäht das Gras unter dem Elektrozaun ab, damit keine Spannung verloren geht. (c) Sabine Rübensaat

Auch im Winter bleiben alle Rinder draußen. Sie erhalten dann Heu, das im Sommer auf einer anderen Wiese gewonnen wird. Auch dabei ist die Hilfe der beiden Söhne gefragt. Da darf auch Emil mit seinen 15 Jahren mit dem Traktor fahren. Konzentrate werden weder im Sommer noch im Winter zugefüttert. Schließlich geht es Kienows nicht um höchste Tageszunahmen, sondern um robuste, langsam wachsende Tiere. Als Windschutz dient die mit einem Vlies zugedeckte Heumiete. Auf der Liegefläche wird im Winter ein dickes Strohpolster ausgebracht.

Großen Wert legen Kienows auf eine gute Zuchtarbeit. Sie verfügen zwar meistens über einen eigenen Deckbullen, doch gut vorangekommen sind sie mit Sperma von zuchtwertgeprüften Bullen. Dabei nutzen sie ihre Verbindungen zur Rinderproduktion Berlin- Brandenburg GmbH (RBB). Favoriten sind für sie mittelrahmige Vatertiere mit starker Hinterbeinbemuskelung, die aber vor allem Leichtkalbigkeit vererben. So haben sie bereits gute Erfahrungen mit Bullensperma aus einem irischen Zuchtbetrieb gemacht. Die Besamung nimmt Dirk Kienow selbst vor. Dazu hat er einen Lehrgang besucht.

Die Mutterkühe bringen in jedem Jahr ein Kalb. Sollte ein Tier nicht tragend werden oder aus anderen Gründen aus der Zucht ausscheiden, wird es vor Ort geschlachtet. Die besten weiblichen Jungtiere dienen zur Reproduktion der Mutterkuhherde bzw. werden zur Zucht verkauft. Die meisten männlichen Rinder werden im Alter von 15 bis 24 Monaten geschlachtet. Dies erfolgt neuerdings sogar auf der Weide, denn Kienows meinen: „Den Tieren soll es gut gehen von der Geburt bis zur Schlachtung ohne lange Transporte.“ Dazu ließ sich Dirk Kienow jüngst für die Weideschlachtung ausbilden und prüfen. Die Tiere bleiben also vom ersten bis zum letzten Tag in ihrer gewohnten Umgebung.

Im Fangstand auf der Weide werden sie dann mit dem Bolzenschussgerät getötet und anschließend schnell entblutet. Dann kommt der Schlachtkörper in eine nahegelegene Fleischerei, in der das Fell abgezogen wird. Der grob zerlegte Schlachtkörper kommt zurück nach Grubo. Dort sind dann die Zerlegungskünste von Dirk Kienow gefragt. Die Fleischteile werden zunächst in der Kühlzelle bei einer Lufttemperatur von 0,5 °C zum Reifen eingelagert. Je nach Alter des Rindes bleibt das Fleisch dort etwa vier bis sechs Wochen hängen, bis es zart ist. Erst dann werden die meisten Teile weiterverarbeitet und später vermarktet. 

Antje Kienow ist stolz auf ihre Rindersalami – eine ausgezeichnete.
Antje Kienow ist stolz auf ihre Rindersalami – eine ausgezeichnete. (c) Sabine Rübensaat

Direktvermarktung über den Hofladen

Die Fleischvermarktung ist vor allem die Aufgabe von Antje Kienow. Das Warenangebot ist überraschend groß. So gut wie alles wird vom Rind verwertet. Es reicht von Rinderbrat- und Grillwurst, Burger Patties bis hin zu Salami und dünnen Cabanossi. Außerdem gibt es Rinderhack, Gulasch, Rouladen und Festtagsbraten. Aber auch Beinscheiben und Knochen sowie Tafelspitz, Leber, Zunge, Sülze und Kraftbrühe sind im Angebot. Alles ist entsprechend mit einer Vielzahl von Gewürzen und Gemüse zubereitet und wird im Darm oder Glas angeboten. Von Spitzenqualität sind Rumpsteak, T-Bone-Steak und Filet.

Basis für dieses Gourmetangebot sind die Herefordrinder, deren Fleisch feinfaserig, gut marmoriert und aromatisch ist. Da allerdings nur etwa alle zwei Monate ein Rind geschlachtet wird, gibt es das volle Angebot nur auf Bestellung. Weitere Informationen findet man unter www.hereford-flaeming.de oder auf Instagram unter hereford_flaeming.

Nur in der Direktvermarktung werden Fleisch und verschiedene Wurstsorten sowie Eingewecktes in Gläsern angeboten.
Nur in der Direktvermarktung werden Fleisch und verschiedene Wurstsorten sowie Eingewecktes in Gläsern angeboten. (c) Sabine Rübensaat

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