Steffen Pempe züchtet erfolgreich Toulouser Gänse, die einst in Frankreich als reine Nutztiere gehalten und später in England zu Rassegeflügel veredelt wurden. (c) Sabine Rübensaat

Toulouser Gänse: Züchter Steffen Pempe aus Luckenwalde

Steffen Pempe aus dem brandenburgischen Luckenwalde ist ein leidenschaftlicher Züchter von Toulouser Gänsen – und tut alles für die Schönheit seiner gefiederten Tiere, die es sogar bis aufs höchste europäische Treppchen geschafft haben.

Von Bärbel Arlt

Fuchs, du hast die Gans gestohlen – für Steffen Pempe aus Luckenwalde ist das fröhliche Kinderlied traurige Realität geworden und der Schock sitzt bei unserem Besuch noch immer tief. Denn am Abend zuvor hatte Reineke seine Zuchttiere als Abendschmaus auserwählt und in der Herde für Angst und Schrecken gesorgt. Kurz nach dem abendlichen Füttern der Tiere war es passiert, erzählt der Züchter. Ein Zuchtganter fiel dem Angriff zum Opfer, andere Gänse haben sich beim panischen Fluchtversuch zum Teil schwer verletzt.

Der „Gänsevater“ schüttelt fassungslos den Kopf, denn so eine Fuchsattacke hat er bei seinen Toulouser Gänsen das erste Mal erlebt. „Und deshalb reagieren die Tiere jetzt auch ängstlich und entgegen ihrem Wesen sehr zurückhaltend“, erklärt der 54-Jährige fast entschuldigend, während er uns zu seinen gefiederten Schönheiten führt, die er seit sieben Jahren züchtet. Und das sehr erfolgreich.

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Toulouser Gänse: „Deutscher Meister“ der gänsezucht

Steffen Pempe
Die Gänse sind Steffen Pempes ganzer Stolz. (c) Sabine Rübensaat

So ließen Preise nicht lange auf sich warten und spornten den gelernten Forstfacharbeiter, Zapfenpflücker und Harzer immer wieder an, noch mehr Schönheit aus den Tieren herauszuholen. Das wurde im vergangenen Jahr mit dem Titel „Deutscher Meister“ in Leipzig belohnt.

Und vor fast genau zwei Jahren kletterten im dänischen Herning die Luckenwalder Schönheiten sogar auf das höchste europäische Treppchen: Mit 97 Punkten wurde ein einjähriger Ganter Europachampion, eine Vierer-Kollektion errang mit 380 Punkten den Europameistertitel.

Mit einem solchen Erfolg hatte Steffen Pempe, der auch Vizevorsitzender des über 100-jährigen GeflügelZuchtVereins Luckenwalde und Mitglied im Verband der Hühner-, Groß- und Wassergeflügelzüchtervereine ist, nicht gerechnet, wie er sagt. Aber er sei natürlich stolz darauf. Immerhin hatten auf der Schau 78 Toulouser Gänse um den europäischen Schönheitstitel gewetteifert.

Feuer und Flamme für die Jugendliebe

Doch nun mal langsam und schön der Reihe nach, denn die Leidenschaft für diese Gänserasse kam nicht über Nacht, sondern hat schon vor vielen Jahren Wurzeln geschlagen. „Ich bin mit Tieren aufgewachsen“, sagt der Luckenwalder und erzählt von Opas Kaninchen, von Hamstern, Meerschweinchen und weißen Mäusen.

Nach der Lehre machte ihm dann ein früherer Schulkumpel Lust auf schnatternde Zweibeiner. Und Steffen Pempe sagte sich: Warum eigentlich nicht? Denn Gänse waren ein schönes finanzielles Zubrot. Abgegeben hat er sie im damaligen Geflügelschlachtkombinat Borkheide, das übrigens die in der DDR beliebten Broiler produzierte. Und so schaffte sich er sich als junger Spund auf einen Schlag 30 Gössel an und in Hochzeiten schnatterten an die 100 Tiere auf dem Gehöft in der Luckenwalder Kleiststraße. „Sehr zum Leidwesen mancher Nachbarn“, gibt Pempe zu.

Doch insgeheim liebäugelte er schon immer mit Toulouser Gänsen, von deren Ausstrahlung und Wesen er begeistert ist. Aber zu DDR-Zeiten, so erzählt er, waren sie schwer zu bekommen, und es gab nur wenige Züchter. In Ermanglung dessen hat er dann erstmal Emdener- mit Pommerngänsen gekreuzt und als Weihnachtsgänse verkauft. Das Feuer für die gefiederte Jugendliebe aber ist nie erloschen und vor sieben Jahren erfüllte sich der Luckenwalder dann endlich den Traum von der eigenen Zucht Toulouser Gänse.

Toulouser Gänse – Ausstrahlung zählt

Und während er uns diese Historie erzählt, nimmt er seine gefiederten massigen und behäbigen Tiere kritisch unter die Lupe, hat er doch inzwischen einen sehr geschulten Blick für die rassigen Schönheitsmerkmale, die sie haben müssen, um auf den Ausstellungen zu den Schönsten zu gehören.

Steffen Pempe zählt auf: Wichtig sind neben Ausstrahlung vor allem ein kräftiger, massiver Eindruck. Dazu gehören zum Beispiel eine kräftige Kehlwamme, ein kräftiger, gut geformter Hals, ein möglichst großer, gerade verlaufender Brustkehl und eine doppelte Bauchwamme. Und im dunklen Gefieder sollte eine schöne weiße und leuchtende Federsäumung zum Tragen kommen.

Der Schnabel und die Läufe sollten kräftig orange leuchten, wofür nicht zuletzt auch Möhren sorgen, die mit auf den reichlich gedeckten Gänsetisch kommen, denn die gefiederten Prachtexemplare haben durchaus einen gesunden Appetit. Außerdem gibt es Obst, Getreide, Kartoffeln, Sonnenblumen, rote Bete, Schrotgemisch und einmal täglich Kraftfutter. Auch eiweißhaltiges Erbsenschrot macht er seinen Gänsen mit einem kleinen Trick schmackhaft. Nicht zu vergessen sind die rund 2.000 Quadratmeter Weidewiesen, auf denen die Gänse fast das ganze Jahr, sofern der Winter nicht mit Schnee und Eis zuschlägt, Grünes zupfen können.

Was wiegen die Toulouser?

Zwischen neun und elf Kilo kann ein Ganter auf die Waage bringen, die Gans etwa acht bis neun. Ganz schöne Schwergewichte, diese Toulouser. Doch Züchter Pempe mag an ihnen nicht nur das massige Aussehen, sondern auch den Charakter. „Sie sind ruhig, nicht angriffslustig und damit auch nachbarschaftsfreundlich.“

Hans – Der Älteste unte der Gänse-Schar

Älteste Schönheit in der derzeit 16-köpfigen Gänseschar ist der sechsjährige Hans. Ein rassiger Kerl und der Einzige, der einen Namen hat. „Er war mein erster hochwertiger Bursche“, sagt Pempe, hat etliche Preise eingefahren und für erstklassigen Nachwuchs gesorgt. Was heißt, hat: Hans ist noch immer gut drauf und zum Beispiel Vater des amtierenden Europameisters. „Doch der Bursche hat manchmal auch ganz schöne Allüren“, erzählt Steffen Pempe. So beißt er gern mal zu und verschafft seinem Züchter manchen blauen Fleck. Dennoch nimmt Hans einen Sonderplatz ein. „Er wird weder verkauft, noch landet er in der Pfanne“, sagt sein Züchter. „Er bleibt bei uns, bekommt hier sein Gnadenbrot und seine Rente.“

Das erinnert uns gleich an die Geschichte von der Weihnachtsgans Auguste, die eigentlich ein Ganter war, auch nicht als Weihnachtsbraten verspeist wurde und letztlich ein stolzes Alter von 26 Jahren erreichte. Doch bis zur Rente hat Ganter Hans noch viel Zeit und muss noch für so manchen schönen Nachwuchs sorgen.

Toulouser Gänse: Zucht mit Augenmaß und Erfahrung

Apropos Nachwuchs. Das ist bei den Toulouser Gänsen gar nicht so einfach, erzählt der Züchter. Denn von den etwa 20 bis 30 Eiern, die eine Gans im Jahr legt, ist nur etwa die Hälfte befruchtet. Und auch das Ausbrüten ist aufgrund des mütterlichen Schwergewichts oft nicht möglich, und die etwa 200 Gramm schweren Eier müssen in den Brutkasten.

Überhaupt erfordere die Zucht von Toulouser Gänsen viel Augenmaß, Wissen und Erfahrung, fasst Steffen Pempe kurz zusammen und bedauert sehr, dass er seine Tiere in diesem Jahr auf kaum einer Ausstellung zur Schau stellen konnte. Denn aufgrund der Corona-Pandemie sind nahezu alle Termine ins Wasser gefallen. Gefreut hatte sich Steffen Pempe zum Beispiel auf die Ausstellungen im November in Erfurt und im Dezember in Leipzig. Auch die Europameisterschaft im kommenden Jahr in Österreich wurde bereits abgesagt.

Gefahr vor Fuchs und Vogelgrippe

Und zu all dem Übel hat nun auch noch der Fuchs zugeschlagen und jetzt beunruhigt Steffen Pempe die zunehmende Zahl der an Vogelgrippe erkrankten Tiere auch in Brandenburg. Sie war Anfang November bei einem verendeten Kranich im Landkreis Ostprignitz-Ruppin nachgewiesen worden. Und auch ein verendeter Mäusebussard und eine Saatgans in der Prignitz wurden positiv auf den H5N8-Erreger getestet. Für den Züchter heißt das, darauf zu achten, dass seine Tiere und auch das Futter nicht mit Wildvögeln in Kontakt kommen. Und für die Toulouser bedeutet das, öfter in den Stall zu müssen, was sie nicht wirklich mögen.

Toulouser Gänse: Für Fans oder als Weihnachtsgans

Bei all den Problemen traue ich mich gar nicht zu fragen, ob denn eine der Toulouser Schönheiten auch auf dem weihnachtlichen Festtisch landet. Aber Steffen Pempe hat mit der Frage kein Problem: „Wer nicht schön genug ist, wird entweder an Liebhaber verkauft oder landet im Bräter, was bei der Größe der Tiere allerdings zur Herausforderung werden kann.“ Und so liegt die diesjährige Weihnachtsgans schon in der Tiefkühltruhe, wenngleich bei den Pempes auch die Neujahrsgans Tradition hat – am ersten Januar wird sie mit den befreundeten Nachbarn verspeist. Na, dann guten Appetit!

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