Reportage

Schafhaltung: Familiäre Leidenschaft

Starkes Team: Anke Buley und Ronald Rocher, umringt von den Söhnen Georg, Hannes, Willi und Max sowie Jannis, ein Freund und Nachbarsjunge. (c) Sabine Rübensaat
Landleben
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Mit Energie, Herz und Humor widmet sich Ronald Rocher aus dem brandenburgischen Möllendorf der Schafhaltung. Seine Frau und ihre vier Söhne stehen ihm fest zur Seite.

Von Wolfgang Herklotz

Wem geht die Schafschur schneller von der Hand – dem Vater oder dem Sohn? Hannes Rocher muss kurz überlegen. „Kommt ganz drauf an. Also wenn mein Papa einen schlechten Tag hat, habe ich natürlich die Nase vorn“, erklärt der 14-Jährige voller Selbstbewusstsein. Vater Ronald lächelt mit unverkennbarem Stolz. „Na klar doch!“ Immerhin habe sich Hannes schon als Achtjähriger sein erstes Schaf geschnappt und geschoren. „Das war sein eigener Wunsch, ich habe mich da völlig rausgehalten. Und war dann überrascht, wie souverän der Junge schon mit der Schere umgehen konnte.“

Dabei ist das, was bei den Profis so spielend aussieht, richtig harte Arbeit, für einen Jugendlichen obendrein. Die wolligen Vierbeiner müssen beherzt auf den Hintern gesetzt und fest zwischen die Knie geklemmt werden, damit sie die Prozedur über sich ergehen lassen und nicht ausbüxen. Hannes hatte erst eine Weile zugesehen, ehe er sich dann traute. „Ich wollte es einfach wissen, ob ich das auch schaffe. Na ja, ein Meisterstück war das damals wohl noch nicht und hat auch entsprechend gedauert!“ Seine persönliche Bestzeit bei der Schur eines Kreuzungslammes beträgt mittlerweile eine Minute und 15 Sekunden. „Manche Skudden schaffe ich in einer Minute, aber die sind ja auch kleiner!“

Genug zu tun

Wir sind zu Gast bei der Familie Rocher in Möllendorf, das zum brandenburgischen Storkow gehört. Hier am Rande des nur knapp 60 Einwohner zählenden Ortes leben Anke Buley und Ronald Rocher mit ihren Söhnen Max, Hannes, Georg und Willi. Nicht zu vergessen Jannis aus der Nachbarschaft, der mit den Großen eng befreundet ist und jede freie Minute auf dem Hof verbringt. Was freilich auch bedeutet, immer mit zuzupacken, denn zu tun gibt es hier mehr als genug.

Die Handgriffe sitzen: Ronald Rocher und Hannes (r.) beim Schafscheren
Die Handgriffe sitzen: Ronald Rocher und Hannes (r.) beim Schafscheren (c) Sabine Rübensaat

Vor 20 Jahren hatte Rocher das Grundstück gekauft, um eine Schafhaltung aufzubauen. Die Idee war nach der Wende geboren, als der gelernte Landwirt seine Arbeit verloren hatte und auf Entdeckungstour nach Irland und später nach Australien und Neuseeland ging. Dort hieß es, Schafe im Akkord zu scheren, und Rocher lernte nicht nur die Handgriffe, sondern erfuhr auch eine Menge über den richtigen Umgang mit den kleinen Wiederkäuern. Die waren wie geschaffen für die Landschaftspflege, da müsste sich doch auch im Osten Deutschlands etwas machen lassen statt auf die blühenden Landschaften zu warten …

Nur ein Zubrot

Der Start erfolgte 2002 mit ein paar zugekauften Lämmern und einem Suffolk-Bock. Die Herde wuchs allmählich, brachte aber lange Jahre kaum mehr als ein Zubrot ein. Um die Familie zu ernähren, arbeitete Rocher als Krankenpfleger in Berlin. „Ich habe zumeist Nachtschichten geschoben, um tagsüber auf dem Hof zu sein.“ Wie kommt man mit solch einer Doppelbelastung klar? Die habe er nie als solche empfunden, bekennt Rocher. „Draußen bei den Tieren zu sein und selber über den Tagesablauf bestimmen zu können, war und ist für mich ein Stück Freiheit! Die gibt man nicht auf!“ Andererseits sei damit auch eine gehörige Portion Verantwortung verbunden. „Irgendwie ist man auch so eine Art Knecht für die Tiere, denn man muss sich ständig um sie kümmern.“

Inzwischen gehören mehrere Herden mit mehr als 800 Mutterschafen, vornehmlich Suffolks und Skudden sowie Gebrauchskreuzungen, zum Betrieb, ebenso ein halbes Dutzend Border Collies. Die Schafe weiden auf Naturschutzflächen, Wintersaaten und stillgelegten Flugplätzen, halten Areale unter Solaranlagen kurz. Vereinbarungen über Landschaftspflege und Vertragsnaturschutz sichern ein gewisses Einkommen, zu dem der Lämmerverkauf an Händler kommt. „Eine goldene Nase lässt sich damit nicht verdienen, aber ich komme damit zurecht“, betont Ronald Rocher, um aber eines gleich klarzustellen: „Ohne die Hilfe meiner Frau Anke und meiner Jungs würde das nicht funktionieren!“

(c) Sabine Rübensaat

Seit fast zwei Jahren verstärkt nun auch der erfahrene Schäfer Matthias Zalenga mit seinen drei Altdeutschen Hütehunden das Team. Schäfers Albtraum sind die sich seit rund zehn Jahren mehrenden Wolfsattacken. Auch Rocher blieb davon nicht verschont. Die erste Attacke erfolgte im November 2013. Ein Dutzend Tiere fiel ihr zum Opfer, Canis lupus hatte unbarmherzig zugeschlagen. Dabei war die Weide vorschriftsmäßig mit einem Elektrozaun gesichert. „Danach habe ich aufgerüstet, stärkere Stromgeräte, höhere Elektronetze und ein Zaunsystem mit fünf Litzen sowie Herdenschutzhunde angeschafft.“

Friedlich wie Lämmer

Mittlerweile sind 16 der stattlichen Pyrenäen-Berghunde im Einsatz. Die hochgewachsenen hellfarbenen Tiere sind innerhalb der Herde friedlich wie die Lämmer, versichert Rocher. „Aber sie sind wachsam und zeigen Zähne, wenn es darauf ankommt.“ Der letzte Übergriff ist drei Jahre her, erklärt der Schäfer, der sich inzwischen zum Meister qualifizierte. Einen Schlüssel zum Erfolg sieht er in der kontinuierlich hohen Zaunspannung, da alle Batterien täglich durch Solarzellen nachgeladen werden. Nein, er sei kein Wolfshasser, auch wenn er den grausamen Anblick der vom grauen Räuber gerissenen Tiere nicht los werde. „Wir müssen lernen, mit dem Wolf zu leben. Das heißt, Vorsorge zu treffen, um unsere Weidetiere wirksam zu schützen. Es darf aber auch keinen absoluten Schutzstatus für den Wolf geben, genau wie bei anderen Wildtieren auch.“ Wenn die Bestände weiter so zunehmen, müssen sie reguliert werden, fordert Rocher. „Viele andere Tiere sind wirklich bedroht, ihre Zahlen nehmen besorgniserregend ab, während der Wolfsbestand kontinuierlich jedes Jahr um 30 Prozent wächst. Wo diese Reise hingehen soll, habe ich noch nicht verstanden!“

Routiniert führt Hannes die Herde.
Routiniert führt Hannes die Herde. (c) Sabine Rübensaat

Nicht jammern …

Sein Credo ohnehin: Nicht jammern, sondern das Beste draus machen! Sich über niedrige Preise für Fleisch und Wolle zu ärgern sei das eine, nach Alternativen für ein sicheres Einkommen zu suchen das andere. Eine Chance sieht Ronald Rocher in der Produktion von Qualitätslammfleisch.

Die Kunst bestehe darin, die geeigneten Rassen zu finden und anzupaaren, die für hohe Fruchtbarkeit, gute Zunahmen stehen und überdies robust sind. Rocher schwärmt von Böcken der englischen Rasse Bluefaced Leicester, die sich aufgrund ihres exzellenten Fleisches, aber auch ihrer hochwertigen Wolle für die Einkreuzung eignen. Dabei werden sogenannte Mules, also Muttertiere, erzeugt, die sehr gute Ergebnisse bei der Lämmermast versprechen. „Was auf den Inseln so klasse funktioniert, müsste doch auch hier klappen.“

Das A und O bleibt jedoch eine ordentliche Futtergrundlage. Rocher plant, noch weitere Flächen zu pachten, um dort Ackergräser anzubauen. Dies müsse aber nach dem Rotationsprinzip geschehen. „Denn sonst werden die Flächen nach fünf Jahren als Grünland eingestuft und dürfen quasi nicht mehr beackert werden. Die Bauernzeitung hat ja rechtzeitig auf diese Falle hingewiesen.“

Verkehrt herum

Für den inzwischen 51-Jährigen ist die Lektüre des Wochenblattes seit vielen Jahren ein Muss. Aber auch die Jungs interessieren sich dafür. „Unser Max hatte die schon in den Händen, als er noch gar nicht lesen konnte. Allerdings hielt er sie verkehrt herum“, erinnert sich der Familienvater schmunzelnd. Seit 2013 melden er und seine Frau sich unter der Rubrik „Schafsmeldungen“ in der Bauernzeitung regelmäßig zu Wort. Sie geben interessante Einblicke, was aktuell auf dem Hof geschieht, berichten anschaulich über den Schäferalltag. Was angesichts der immensen Arbeitsbelastung keine Selbstverständlichkeit ist. Ronald Rocher winkt ab. „Wir geben gern etwas von dem zurück, was uns die Bauernzeitung über all die Zeit an Informationen und Tipps vermittelt hat.“ Präziser lässt sich eine Leser-Blatt-Bindung wohl kaum definieren. Und angesichts des 60. Geburtstages der Bauernzeitung die Gelegenheit, an dieser Stelle den Rochers und all den Lesern herzlich Dank zu sagen.


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