Ein Herz für Adebar

Storchenhof in Loburg: Vogelschutzwarte hilft

Ein Herz für Störche hat die etwa drei Hektar große Vogelschutzwarte in Loburg. Verwaiste Jungstörche werden dort aufgepäppelt und möglichst shcnell wieder ausgewildert. (c) IMAGO/ imagebroker
Landleben
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Ist Adebar in Not, hilft die Vogelschutzwarte in Loburg (Sachsen-Anhalt). Dort werden kranke, verletzte und verwaiste Tiere wieder aufgepäppelt. Doch nicht nur die großen Vögel sind ein Fall für das Rettungsteam.

Von Bärbel Arlt

Ach ja, der Weißstorch. Sein Geklapper auf der Turmspitze, sein stolzes Waten über die feuchten Auenwiesen – Adebar weckt Kindheitserinnerungen. Bei uns im Dorf saß er abends auch auf einem morschen Eichenast am nahen Flussufer. Und wenn er mal nicht dort war, die bange Frage: Ihm wird doch nichts passiert sein?

Denn passieren kann dem beliebten Vogel viel. Das weiß Dr. Michael Kaatz von der Vogelschutzwarte Storchenhof Loburg nur zu gut. Denn nahezu täglich kommen verletzte oder verwaiste Störche in diese Notaufnahme.

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Tiernotrettung: Viele Gefahren für Störche

In Hakenstedt zum Beispiel lag ein Altstorch tot auf dem Dorfanger. Vermutlich war er gegen einen Koppelzaun geflogen und hatte sich das Genick gebrochen. Doch die Feuerwehr konnte drei Eier aus dem Nest bergen, die von Michael Kaatz, der sofort an den Ort des Geschehens geeilt war, in einem Brutapparat mit nach Loburg genommen wurden. Denn ein Elternstorch allein kann die Brut nicht mehr versorgen.

Und welch ein Glück – wenige Wochen später schlüpften aus zwei Eiern die Küken. Und erst kürzlich wurde in Cobbel bei Tangerhütte ein sechs Wochen alter, hilfloser Jungstorch gefunden. Kann sein, dass er beim Streit ums Futter aus dem Nest gedrängt wurde, oder eine starke Windböe hat ihn erwischt, oder die Eltern haben ihn rausgeworfen, was bei extremer Witterung durchaus passiert.

Tragisch auch die Geschichte vom Loburger Sendestorch Nobby, der Anfang Juni von einem Auto erfasst wurde und starb. Und die tragischen Schicksale – sie ließen sich fortführen. Doch auch Müll in der Landschaft ist für die klappernden Langschnäbel ein großes Problem. So kommt es nicht selten vor, dass Bindegarn, das Störche gern als Nistmaterial nutzen, die Beine abschnürt. Auch Glasscherben und Gummiringe, die für Würmer gehalten werden und den Verdauungstrakt verstopfen, oder Plastetüten, die sich um den Hals wickeln, sind für die Vögel lebensgefährlich.

Egal, was ihnen widerfährt, „sie alle würden sterben, wenn der Mensch ihnen nicht helfen würde“, so Michael Kaatz. Glück im Unglück für den Glücksbringer. Denn kaum ein anderer Vogel ist dem Menschen so ans Herz gewachsen und genießt seine Aufmerksamkeit. Letztlich auch Gründe, die vor über 40 Jahren zur Gründung des Storchenhofes in Loburg führten, worüber wir mehr erfahren möchten. Doch dann klingelt das Handy von Michael Kaatz. Mitarbeiter einer Loburger Baufirma haben im benachbarten Lübars einen kleinen flauschigen Vogel unter einem Baum entdeckt. Ein Bussard, ein Habicht? Sie wissen es nicht.

Dr. Christoph Kaatz hat den Loburger Storchenhof 1979 gegründet, sein Sohn, Dr. Michael Kaatz, führt das Werk des Vaters fort. (c) T. Uhlemann

Jungvögel schnell in Sicherheit bringen

Für Michael Kaatz – und auch für uns – beginnt sofort der Rettungseinsatz. Schnell werden Fangdecke und Käfig ins Auto gebracht, und los gehts. Und der kleine Kerl hockt auch noch im Gras und schaut verängstigt in die Runde. Ein Turmfalke, sagt Kaatz. Doch er ist nicht allein, ganz in der Nähe sind noch zwei seiner Geschwister, die versuchen zu flüchten. Aber es gelingt, die drei Nestlinge einzufangen.

Was kann passiert sein? Darüber kann man nur spekulieren, denn ein Nest ist nicht zu sehen, auch keine Elternvögel, die kreisen. „Vielleicht hat eine Krähe oder ein anderes Tier das Gelege angegriffen, und sie haben aus Panik die Flucht ergriffen“, vermutet Kaatz. Wir werden es nie erfahren. Doch das Wichtigste ist, die Kleinen sind in Sicherheit. Schnell fahren wir zurück zum Storchenhof, wo sich Antje Kaatz gleich um die Neuankömmlinge kümmert. Sie untersucht die kleinen Wuschel auf Parasiten und Verletzungen.

Dann werden sie beringt, registriert, gewogen (210 g, 160g, 140 g) und mit zerkleinertem Mäusefleisch gefüttert. Während zwei die Schnäbel weit aufreißen, stellt sich das Leichtgewicht erstmal tot. Antje Kaatz schmunzelt. „Der kriegt sich schon wieder ein.“ Tut er auch. Und dann ab mit ihnen ins Gehege, wo sie möglichst naturnah aufgepäppelt und dann wieder in die Freiheit entlassen werden.

Rettung der kleinen verwaisten Turmfalken durch Dr. Michael Kaatz (c) T. Uhlemann
Wenn sie in der Vogelschutzwarte angekommen sind, werden sie erst einmal untersucht. (c) T. Uhlemann
Dazu gehört auch das Dokumentieren des Gewichtes der Jungtiere. (c) T. Uhlemann

Schnelles Auswildern als Ziel

Denn der Storchenhof soll als Rettungsstelle „nur“ eine Zwischenstation sein. „Eine artgerechte Haltung ist von jeher das Anliegen unseres Storchenhofs“, sagt Michael Kaatz. So wird die Fütterung mit Fisch-, Mäusestücken und Hühnerklein ähnlich wie im echten Nest simuliert. Wasser fließt über den Schnabel eines Attrappenstorchs direkt in die kleinen Schnäbel, die überraschend kräftig klappern können. Gefüttert wird alle zwei bis drei Stunden von morgens fünf bis abends 21 Uhr. „Störche wachsen sehr schnell.

Jungstörche im Nest
Mitarbeiter Kevin Hoffmann an einem Nest mit etwa vier bis fünf Wochen alten Jungstörchen. (c) T. Uhlemann

Sie wiegen als Küken so um die 70 g und verfünfzigfachen ihr Gewicht in nur fünf Wochen“, erklärt Michael Kaatz. Sind sie dann gesund und stark, werden sie so schnell wie möglich ausgewildert – größere Störche in Gruppen auf einer Wiese, kleine Waisenkinder kommen als Adoptivkind ins Nest eines Storchenpaares, das nur ein oder zwei kleine Küken zu versorgen hat. Das hat sich bewährt, kann aber bei Futtermangel zum Problem werden – und wird es auch zunehmend. „Das Storchenjahr fing gut an, viele Nester wurden besetzt, denn viele Störche sind aus dem Süden zurückgekommen“, sagt Michael Kaatz.

Doch dann folgte auf einen feuchten April (der feuchteste in der Region um Loburg seit 25 Jahren) ein trockener Mai (der trockenste seit 25 Jahren). Und wenn Altstörche dann kein Futter mehr finden, werfen sie die Küken raus oder geben die Brut auf. Aufgrund der Trockenheit rechnet Kaatz zwar mit starken Ausfällen, aber dennoch mit einem mittleren, also durchschnittlichen Jahr. In Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen seien die Bestände stabil, in Thüringen wie in allen westlichen Bundesländern sogar steigend, rückläufig allerdings in Mecklenburg-Vorpommern.

Zwei Störche im Nest
Ein Herz für Störche hat die etwa drei Hektar große Vogelschutzwarte in Loburg. (c) Thomas Uhlemann
Fütterung der jungen Turmfalken (c) T. Uhlemann
Fütterung der jungen Turmfalken (c) T. Uhlemann

Aktiver Naturschutz in der Vogelschutzwarte Lohburg

Fütterung Jungstörche
Verwaiste Jungstörche werden dort möglichst wie im wahren Storchenleben gefüttert. (c) T. Uhlemann

Der Rückgang des Weißstorchbestandes war es auch, der vor über 40 Jahren zur Gründung der Loburger Auffangstation für verletzte Störche und andere Großvögel geführt hatte. Gründungsvater und Diplomlandwirt Dr. Christoph Kaatz, heute 85 Jahre alt, berichtet noch immer gern über diese Zeit. Bis 1988 betreute er ehrenamtlich mit Ehefrau und Tierärztin Mechthild, unterstützt von vielen freiwilligen Helfern, den Storchenhof, der dann zu einer staatlichen Vogelschutzwarte und nach der Wende eine Einrichtung des Landes Sachsen-Anhalt wurde.

Seit 2006 führt den Storchenhof ein gemeinnütziger Verein, dessen Vorsitzender Dr. Christoph Kaatz ist. Sohn Michael, der von Kindesbeinen mit den Störchen aufgewachsen ist, seine Diplom- und Doktorarbeit über den Großvogel geschrieben hat, führt seit 2006 als Geschäftsführer das Werk seines Vaters fort. Finanziert wird die Loburger Vogelschutzwarte über Spenden, Mitgliedsbeiträge, Verkaufserlöse, Tierpatenschaften, vom Land Sachsen-Anhalt fließen Fördermittel. Insgesamt wurden seit der Gründung des Hofes 2.028 verletzte Weißstörche, aber auch Schwarzstörche sowie zahlreiche andere Groß- und Raubvögel aufgenommen und gepflegt.

Jährlich kommen rund 10.000 bis 15.000 Besucher, vor allem Kinder und Jugendliche sind gern gesehene Gäste. Und es gäbe noch viel rund um den Storchenhof zu erzählen, aber die Geschichte von Prinzesschen muss noch sein. Denn die Loburger Storchendame hat Geschichte geschrieben, war sie doch der erste Storch, dessen Reise ins südliche Afrika und zurück mit einem Telemetriesender auf dem Rücken 16 Jahre wissenschaftlich verfolgt wurde. Gestorben ist sie 2006, wahrscheinlich an Altersschwäche, in Südafrika. Unter einem Baum auf der Farm, wo sie begraben wurde, steht sogar ein Gedenkstein für Prinzesschen, die die Herzen vieler Menschen berührte. Und so sind Christoph und Michael Kaatz überzeugt: Der Storch ist eine wunderbare Brücke, um das Interesse und das Engagement für die Natur zu wecken.

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Fette Beute hat dieser Weißstorch soeben gemacht. Mit Beginn der Wiesenmahd ist für ihn der Tisch mit Kleinsäugern reich gedeckt. (c) Sabine Rübensaat
Fette Beute hat dieser Weißstorch soeben gemacht. Mit Beginn der Wiesenmahd ist für ihn der Tisch mit Kleinsäugern reich gedeckt. (c) Sabine Rübensaat

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