Landwirtschaft in heißen Zeiten

Waldpferdehof in Dahmsdorf: Dürreprävention und Klimapraxis

Der Waldpferdehof in Dahmsdorf baut auf 70 ha Gemüse und Brotgetreide an. Zur Dürreprävention setzt der Hof, der nach Demeter-Richtlinien produziert, auf Pferdestärken und ein Wassermanagement mit Gehölzpflanzung. (c) Sabine Rübensaat
Landleben
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Dürrejahre, Starkregen, sinkender Grundwasserspiegel, vermehrte Verdunstungsraten – wie lässt sich gegensteuern? Auf dem Waldpferdehof im brandenburgischen Dahmsdorf fanden wir interessante Ansätze.

Von Jutta Heise

Wir sehen wohl erneut einem heißen Sommer entgegen: Der Gesundheitsminister stellt Hitze-Schutzkonzepte für alte und vulnerable Gruppen vor. Es gibt Ideen, das Gießen in Gärten strikt zu beschränken, auch könne man bei Bedarf entsalztes Ostseewasser in Ballungsgebiete leiten oder – gar – nach Einkommen gestaffelte Wasserpreise einführen! Die Grünen haben im Brandenburger Landtag eine aktuelle Stunde einberufen: zur Wasserkrise …

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Waldpferdehof in Dahmsdorf: Gemüseanbau

Es ist noch früh am Morgen und warm, es wird heißer werden in diesem Tag. Johanna und Lina, Studentinnen der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde im Fach Ökologie und Marketing, die auf dem Waldpferdehof ihr Praxissemester absolvieren sowie die beiden FÖJlerinnen Charlotte und Eva haben bis spät in die Nacht mit Jan Sommer und Carmen Becker gearbeitet. Für die Anteilsnehmer der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) waren 230 Schalen mit Erdbeeren zu füllen. Die Früchte mussten rasch geerntet werden. Bei 20 bis 24 °C gedeihen sie am besten, wir haben seit Tagen 30 °C und mehr. Teils werden Erdbeeren nicht groß genug – Wasser fehlt.

Es ist das Element der Stunde, das auch das Gemüse und die Kräuter benötigen, die Sommer und Becker auf fünf Hektar nach Demeter-Richtlinien anbauen. Das Spektrum ist riesig: Kohlarten, Fenchel, Möhren, Kürbis, Porree, Zwiebeln, Pastinaken, ganz neu stehen Kichererbsen im Feld und Auberginen.

Waldpferdehof in Dahmsdorf
Der Waldpferdehof am Rande des Naturparks Märkische Schweiz. Die 70 ha umfassende Pachtfläche ist um den Hof arrondiert. (c) Sabine Rübensaat

Die Gründung

Der gebürtige Rheinländer Sommer hat Agrarwissenschaften an der Humboldt-Uni studiert, Erfahrungen als Mitarbeiter prominenter Grüner im EU-Parlament gesammelt, bis er sich zunächst als selbstständiger Forstunternehmer mit Rückepferden im Naturpark Märkische Schweiz etablierte. Mit diesen Erfahrungen und Unterstützung anderer Betriebe in der Region gründete er 2009 zusammen mit Carmen Becker den Waldpferdehof.

Sie ist ausgebildete Gärtnerin, leidenschaftliche Arbeitspferde-Fuhrfrau und verantwortlich für die Ausbildung der Pferde – und auch der Menschen auf dem Hof. Daneben bietet sie in ihrer Zukunftswerkstatt Arbeitspferde-Kurse rund um den Einsatz dieser Tiere an. Zunächst im Nebenerwerb auf zwei Hektar, wirtschaftet man heute auf 70 ha, die Flächen sind arrondiert um den Hof herum: Die Bodenqualität ist mit „herausfordernd“ beschönigend beschrieben, zumal, wenn man Gemüsebau betreibt. Sandkuppen, Lehm, trocken ist er allemal.

Zugpferde auf einem Zwiebelfeld
Jan Sommer demonstriert den Einsatz seiner Zugpferde auf einem Zwiebelfeld. Angehängt ein Gerät zur flachen Bodenbearbeitung. (c) Sabine Rübensaat

Effizient gegen die Trockenheit: Wasserverteilung mit Leitsystem

„Ohne Zusatzwasser geht es nicht. Aber man kann sich Gedanken machen, wie man der Trockenheit effizient begegnet. „Fruchtfolgewechsel (die Luzerne hat uns noch nie im Stich gelassen), Mulcheinsatz in Pflanzkulturen, trockenheitsresistente Sorten wir probieren viel“, sagt Sommer. Aktuell bringt sich der Waldpferdehof mit einer Beispielfläche in ein Projekt von Klimapraxis ein. Es geht im Kern um Wasserrückhaltung und Verdunstungskühlung – durch Landschaftsveränderung.

Man will Wasser auf der Fläche halten, anstatt es abfließen zu lassen. Keyline-Design inklusive Baumpflanzungen heißt die Methodik. Sommer erläutert: „Vor zwei Jahren haben wir eine geeignete, leicht hängige Teilfläche mit Konturen strukturiert und entlang der neu gezogenen Linien Baumpflanzungen angelegt.“ 158 Bäume wurden in vier Reihen nahezu hangparallel in die Erde gebracht: Wal- und Haselnuss, Esskastanie. Sie stehen auf einem kleinen Wall, umgeben von einer Senke.

Sommer bringt es nochmal auf den Punkt: „Es ist ein Leitsystem zur Verteilung des Wassers, indem der gesamte Boden zur Versickerung bereit steht. Dies kann eine noch bessere Wirkung entfalten, wenn gleichzeitig Agroforststreifen zur Windbrechung und zur Verminderung der Verdunstung angelegt werden.“ In unserem Fall handelt es sich um vierreihige, einen Kilometer lange Landschaftshecke mit 4.400 Bäumen.

Keyline-Design
Keyline-Design in der offenen Landschaft. Die Anlage steht auch für mehr Biodiversität. Charlotte Trampota ist mit dem Schwadmäher und 1 PS unterwegs. (c) Sabine Rübensaat

Klimaanpassung so geht’s

Das Projekt mit einer Laufzeit von 3,5 Jahren wird vom Europäischen Landwirtschaftsfonds sowie mit Mitteln des Landes Brandenburg gefördert. „Ziel ist es, praktische Anpassungsstrategien und solche Erfahrungen der Landwirtschaft zugänglich zu machen.“

Sommers Part ist es, ganz empirisch Erfahrungen zu sammeln, ob und wie das Konzept funktioniert, wie man es in die Fläche bekommt und andere Interessierte daran teilhaben zu lassen. Wir haben hier ein Beispiel, wie eine konkrete Klimaanpassung funktionieren könnte.

Bis die Bäume groß sind, werden zwar noch Jahre vergehen, aber ich denke, wir werden schon viel früher sehen, welches Potenzial darin für uns Landwirte liegt.“ Er sagt, in den lang anhaltenden Trockenperioden ist deutlich geworden: „Die Bäume müssen wegen des trockenen Unterbodens öfter und intensiver gegossen werden. Wir setzen auf Sicherheit und wässern mittlerweile mit 60 Litern pro Baum in einem Durchgang.“

Video: Keyline Design auf dem Waldpferdehof in Dahmsdorf

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Rheinische Kaltblüter – Dämme zur Orientierung

Die Arbeit mit Zugpferden (Sommer unterrichtet das Fach an der Eberswalder Hochschule, überdies ist man Demeter-Demonstrationsbetrieb) ist von Anfang an Teil des Betriebskonzepts. Sieben Rheinische Kaltblüter sind auf dem Hof zu Hause, zwei von ihnen erst seit vorigem Jahr, müssen teils noch ausgebildet werden. „Ihr Einsatz zur Unkrautregulierung im Gemüse ist ideal“, sagt Sommer. Er wirkt sich nachweisbar positiv auf die Bodenstruktur aus. Pferde müssen genauso exakt arbeiten wie eine Maschine.

„Zu ihrer Orientierung haben wir Dämme angelegt, 70 Zentimeter von Damm zu Damm.“ Am besten funktioniere der Einsatz der Kaltblüter in der Kombination mit Maschinen. „Wenn wir Einzelkulturen intensiver anbauen, etwa den Porree, ist der Geräteeinsatz sinnvoll.“ Dann wird zum Beispiel der Jäteflieger flottgemacht (wovon es sogar solargetriebene Modelle gibt).

Rheinischer Kaltblüter
Eva und Liane, die Dienstälteste der sieben Rheinischen Kaltblüter, bei der Arbeit. Die Pferde werden auch zur Unkrautregulierung eingesetzt. (c) Sabine Rübensaat

Die Absatzstruktur ist vielfältig. Man beliefert die Abokiste Apfeltraum in Müncheberg, und 270 Anteile hat Solawi gezeichnet. Ein wichtiger Partner ist Märkisches Landbrot, wohin man Lichtkornroggen liefert, auch Möhren für Spezial-brote (maschinell gewaschen und geköpft auf dem Hof). Man baut samenfeste Sorten wegen des intensiveren Geschmacks und der Frische an. Vorkontrakte und Abnahmegarantien zu Jahresanfang sichern den Absatz. Der eigene Hofladen ist jeden Samstag geöffnet.

„Wir haben uns von verschwommenen Zukunftsvorstellungen hin zu einem Vollerwerbsbetrieb entwickelt“, sagt Jan Sommer noch, der für die Grünen im Kreistag sitzt. „Von diesen Leistungen wollten wir feste Mitarbeiter binden, die den Betrieb später weiterführen.“ Gelungen ist es nicht. Nach wie vor hofft man, dass sich irgendwann eine oder einer der vielen jungen Leute, die auf dem Waldpferdehof Erfahrungen sammeln konnten, für die Hofnachfolge interessiert.

Bildergalerie: Waldpferdehof in Dahmsdorf – Helfende Hände

Charlotte Trampota

Charlotte Trampota, 18, mit dem Schwadwender: Ich komme von einem sehr kleinen Hof in Mecklenburg, wollte den Umgang mit Zugpferden erlernen und mir ein bisschen mehr Disziplin für den Arbeitsalltag zulegen. Beides hat geklappt. Zu Hause kann man sich schnell mal rausschleichen. Ich gehe ein Jahr auf eine Pferdefarm in Neuseeland. Danach sehen wir weiter. (c) Sabine Rübensaat

Eva Blumentritt

Eva Blumentritt, 19, mit der Scheibenegge im Agroforst: Es ist eine ziemliche Verantwortung, zweispännig mit Pferden zu arbeiten. Gar nicht so easy, wenn man in der Hecke in der Reihe bleiben muss. Ich war froh, dass ich auf zehn Jahre Mitgliedschaft im Reitverein in Leipzig aufbauen konnte. Ab Herbst will ich ein umweltwissenschaftliches Studium aufnehmen. (c) Sabine Rübensaat

Johanna von Hobe

Johanna von Hobe, 23, beim Hacken im Erdbeerfeld, barfuß – des Erdkontaktes wegen: Auf einem Biobetrieb in Kanada habe ich zum ersten Mal entdeckt, wie sehr mir die vielseitige Arbeit in der Landwirtschaft zusagt. Ich bin im Agroforst eingesetzt oder im Gemüse. Schraube auch gern an einem Trecker in der Werkstatt herum. Mein Ziel ist ein eigener Hof. Nicht nur zu Hause in Schleswig-Holstein steht hier und da ein Generationswechsel an. (c) Sabine Rübensaat

Lina Watzke

Lina Watzke, 22, bei der Hufpflege: Ich finde hier viele Aspekte moderner Landwirtschaft wieder. Nach dem Abitur bin ich für ein halbes Jahr nach Neuseeland gegangen und habe auf einem Pferdehof gearbeitet. Corona hat mich länger festgehalten als geplant. Ich habe währenddessen dort einen Kurs zur Barhufpflege absolviert. Besagter Reiterhof hat mir einen Vollzeit-Job in diesem Fach angeboten. Ich setze mein Studium ein Jahr aus. (c) Sabine Rübensaat

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