Walpurgisnacht im Spreewald: Hexen am Fließ
Von wegen nur am Brocken! Auch im Spreewald wird Walpurgis gefeiert, und das mit traditionellen Sitten und Bräuchen – und natürlich mit sehr viel Engagement der Organisatoren.
Sie ist die wohl mystischste aller Nächte – die sagenumwobene Walpurgisnacht, in der die Hexen fliegen, tanzen und feiern. Doch nicht nur auf dem Harzer Brocken ist in dieser Nacht der Nächte die Hölle los. Denn die Ursprünge dieser Hexerei reichen bis in die vorchristliche Zeit zurück – und führen auch in den Spreewald.
„Das Hexenbrennen“, erklärt die Lübbenauer Oberhexe Walpurga, „ist das große altslawische Fest zur Begrüßung des jungen Frühlings. Mit großen Feuern werden dunkle Mächte des Winters verbrannt. Somit werden die dunklen Kräfte vernichtet, die unser Volk umklammern. Lassen wir Jubel und neues Leben in unsere Herzen, in unsere Seele und in den Geist unseres sorbischen Volkes.“
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Walpurgisnacht im Spreewald: ein Blick in die Geschichte
Doch bevor wir dem Hexengetümmel in Lübbenau und Lehde auf den Besen fühlen, erst mal ein Blick hinter die Kulissen und in die Geschichte. Denn der Spreewald ist bekannt für seine reiche Sagenwelt, für seine Sitten und Bräuche, von denen zum Glück bis heute noch so einige bewahrt werden konnten. Eine Aufgabe, der sich seit 25 Jahren auch der Lübbenauer Verein Rubisko stellt.
„Das wendische Wort steht für Halstuch, das Bestandteil der niedersorbischen Trachten ist“, erklärt Vereinsvorsitzende Andrea Pursche. Die Pflege dieser niedersorbischen Trachten, die noch bis weit ins 19. Jahrhundert zum alltäglichen Leben gehörten, steht auch im Mittelpunkt der Vereinsarbeit.
Sie werden bei Festen mit Stolz und Würde getragen und präsentiert. Und genau zehn Jahre ist es her, da gab für die Vereinsmitglieder von Rubisko eine besondere Auszeichnung: Die niedersorbische Festtracht wurde beim Deutschen Trachtentag in Lübbenau zur Tracht des Jahres gekürt. „Damit hat sich für unseren Verein viel verändert.
Zum einen hat die Auszeichnung unsere Arbeit bereichert, zum anderen bekam der Spreewald bundesweit viel Aufmerksamkeit“, sagt Andrea Pursche, die den Verein mit gegründet hat und ihm seit 15 Jahren vorsteht.
Sie selbst ist in Lübbenau aufgewachsen, kennt die wendisch-sorbischen Bräuche also von Kindesbeinen an. Zudem ist die studierte Meliorationsingenieurin seit vielen Jahren in der Lübbenauer Touristeninformation fürs Marketing zuständig. „Wer seine Heimat liebt, mit ihr fest verwurzelt ist, der engagiert sich auch mit Leidenschaft für den Erhalt dieses einzigartigen Kulturgutes“, sagt sie.
Verein bewahrt Traditionen
Wenngleich dieses ehrenamtliche Engagement nicht immer einfach ist, Kraft und familiäre Zeit kostet. Und sie spricht dabei von Überzeugungsarbeit, Organisation und Koordination, von Diplomatie und Verlässlichkeit. So sei das Tragen einer Tracht eben keine Kostümierung, sondern mit Verantwortung und Ehrgefühl verbunden, auch wenn der Spaß natürlich nicht zu kurz kommen dürfe. Das gelte auch für die anderen Bruche, die der Verein, der aktuell 23 Mitglieder zählt, am Leben erhalten möchte.
Dazu gehört vor allem das jährliche Zampern in Lübbenau, bei dem mit historischen Sagengestalten wie Wurstbruder, Eierweib, Storch und Schimmelreiter dem Winter der Garaus gemacht wird. „Traditionen wie diese dürfen nicht in Vergessenheit geraten und müssen der nächsten Generation mit auf den Weg gegeben werden“, so Andrea Pursche.
Doch auch bei so traditionellen Veranstaltungen wie dem Kahnkorso, dem Spreewaldmarathon oder dem Markt der Traditionen mischt der Verein Rubisko mit – und seit nunmehr 20 Jahren auch bei der Walpurgisnacht, die der Verein gemeinsam mit der Lübbenauer Kahnfährgenossenschaft, dem Freilandmuseum in Lehde und Gasthexen stemmt. Denn die Botschaft dieses heidnischen Festes, alles Böse und auch den Winter zu vertreiben, hat auch im Spreewald eine lange Tradition.
Walpurgisnacht: Vom Geschichtsvortrag zum verhexten Abend
„Allerdings waren die Anfänge der Lübbenauer Walpurgisnacht vor 20 Jahren eher erste Schritte zu einem neuen Angebot für Gäste und Einheimische, welche steter Fortentwicklung bedürfen sollten“, erinnert sich Steffen Franke, Vorstandsvorsitzender der Lübbenauer Kahnfährgenossenschaft. Im Großen Spreewaldhafen gab es einen ethnologischen Vortrag über die Spreewälder Geschichte mit ihren Bräuchen und Riten, und die Hexen waren damals nur Beiwerk.
Doch die Gäste wollten mehr als nur die theoretische geschichtliche Abhandlung, sie wollten dabei sein, etwas erleben. Also wurde das Konzept verändert – sozusagen Wissenschaft mit einem Spaßfaktor verbunden.
So startet der verhexte Abend nun mit einer Kahnfahrt vom Großen Spreewaldhafen nach Lehde ins Freilandmuseum, das eine Einrichtung des Landkreises Oberspreewald-Lausitz ist.
Und während der stakende Fährmann seine Geschichten erzählt, tauchen an den Ufern der Fließe – wie die Flussarme im Spreewald bezeichnet werden –, aber auch auf Brücken und hinter Bäumen plötzlich mystische Gestalten auf – Hexen! Manchmal still, vor allem aber mit kreischendem Gelächter. Und hübsch haben sie sich herausgeputzt! Jede Hexentracht sei selbst genäht, versichert Andrea Pursche.
Freilichtmuseum Lehde mit traditionellen Ritualen
Ja, Hexen können kreativ sein. Und mit veganer Hexenküche und Speedway-Besen, der mit stolzen 220 Sachen durch die Lüfte fliegt, gehen sie sogar mit der Zeit.
Dank solch neumoderner und schneller Fortbewegungsmittel sind die Zauberweiber dann auch ruckzuck im Freilandmuseum, wo sie mit ihren Gästen Bräuche wie das Maibaumaufstellen aufleben lassen und die Bauernhäuser mit schützenden Kreuzen versehen.
Auch wird wie anno dunnemals Wasser aus dem Fließ geschöpft. Beim Eierlaufen ist Geschicklichkeit gefragt und Kraft beim Tauziehen. Doch bei allem Spaß – das Museum zeigt den Besuchern auch das einst harte reale Leben der Familien vor über 100 Jahren, und es lohnt auf jeden Fall, einen Blick in die Häuser der alten originalen Spreewälder Bauerngehöfte zu werfen.
Walpurgisnacht im Spreewald mit Hexenbrennen
Nach dieser Zeitreise geht es dann mit dem Kahn zurück nach Lübbenau, wo mit beginnender Dunkelheit das slawische Fest des Hexenbrennens seinen Anfang nimmt. Oberhexe Walpurga, alias Andrea Pursche, gleitet im Spreewaldkahn mit Fackeln in den Großen Hafen in Begleitung der Hexen – und des Teufels.
Schließlich ist er es ja, der den Spreewald erschaffen haben soll. Daher sei es ihm mit einem Augenzwinkern gestattet, die Sagenwelt kurz zu verlassen und die guten Hexen des Spreewaldes an diesem Abend zu begleiten. Bei Glockengeläut und Gewitter wird dann das Feuer entfacht, und Walpurga ruft den Hexen zu: „Kommt herbei, tanzt ums Feuer wild und frei!“ Ein Spektakel, das bis in den Morgen dauert.
Doch am besten ist es, selbst mal dabei zu sein. Philipp Schütze von der Kahnfährgenossenschaft versichert, dass es auch am Tag des Geschehens, am 30. April, im Büro des großen Spreewaldhafens noch Karten gibt. Infos: grosser-hafen.de
Spreewald auch außerhalb von Walpurgis ein beliebtes Ziel
Übrigens gehört der Spreewaldkahn seit Kurzen zum immateriellen Kulturerbe. Einst war er das einzige Fortbewegung- und Transportmittel. Heute gleitet er vor allem mit Besuchern über die Fließe. Im vergangenen Jahr haben die Fährmänner der 1954 gegründeten Lübbenauer Kahnfährgenossenschaft gut 120.000 Gäste durch die einzigartige Kulturlandschaft gestakt. Zwar liege das Durchschnittsalter bei 55 plus, wie Steffen Franke sagt, doch in der Coronazeit hätten auch viele junge Menschen den Spreewald für sich entdeckt.
Auch mit weiteren Schul-und Familienprojekten sollen das Interesse für die Kulturlandschaft geweckt, Traditionen bewahrt werden. Wenngleich – ein Teil dieser Landschaft mit ihren Schwarzerlenwäldern soll in Wildnisgebiete verwandelt werden.
Das heißt, die Natur bleibt sich selbst überlassen, der Mensch ist raus. Doch von diesen Plänen sind nicht alle Spreewälder begeistert, auch viele Kahnfährleute nicht. Denn der Kahn gehört nun mal in den Spreewald, ist seit Jahrhunderten mit dem Leben er Menschen verbunden und heutzutage zudem eine wichtige Einkommensquelle. Allerdings hat der Metallkahn den Holzkahn längst überholt.
Gründe sieht Steffen Franke darin, dass der Metallkahn Fahrten ganzjährig möglich macht und das alte Handwerk des Holzkahnbauers leider ausstirbt. „Doch bekanntlich ist Retro, also die Sehnsucht nach dem Vergangenen, im Trend, und so wird es vielleicht irgendwann auch eine Renaissance für den Holzkahn geben.“