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Ackerbaustrategie: Zurück aus der Zukunft

Blick in die Zukunft? Julia Klöckner bei der Vorstellung ihrer Ackerbaustrategie in Berlin (c) Imago Images/Photothek
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Sie kam wie versprochen noch im Jahr 2019: die Ackerbaustrategie aus dem Hause Julia Klöckner. Immerhin: Mit „heißer Nadel“ wurde das Diskussionspapier nicht gestrickt – doch reicht das schon aus, um zielführend zu sein?

Von David Benzin

Machen wir eine kleine Zeitreise. Ein Gedankenexperiment, das zeigen soll, wie sie aussehen kann – die Landwirtschaft in Deutschland im Jahr 2035. Geht es nach der Vision von Agrarministerin Julia Klöckner, wird 2035 ein Fünftel der Agrarflächen ökologisch bewirtschaftet. Insekten gibt es in Hülle und Fülle und alle bestäuben fleißig. Die Verbraucher sind bereit, angemessene Preise für heimische Lebensmittel zu bezahlen und kaufen ganz bewusst regional erzeugte Produkte passend zur jeweiligen Saison ein. Auch der konventionelle Anbau hat 2035 vom Wachstum des Ökolandbaus profitiert und ist ackerbaulich an ihn herangerückt. Es wird viel gehackt und gestriegelt, Pflanzenschutz und Düngung erfolgen nur nach punktuellem Bedarf. Auf der anderen Seite hat der Ökolandbau einen Produktivitätsschub bekommen und schloss bei den Erträgen auf. So steht es jedenfalls im Diskussionspapier zur Ackerbaustrategie des Agrarministeriums, das kurz vor Weihnachten präsentiert wurde. Aber reisen wir weiter.

Schöne neue Welt auf dem Acker

Auch Artenvielfalt und Biodiversität haben im Jahr 2035 enorm zugelegt. Umweltbelastungen sind noch weniger geworden. An jedem Acker gibt es schnelles Internet und viele Sensoren sind miteinander verknüpft. Trotzdem bestehen weiterhin große und kleinere Betriebe nebeneinander, die ihre Produkte im Hofladen, auf dem Wochenmarkt und online vermarkten. Und auch der Weltmarkt wird weiterhin bedient. Landwirte auf dem Schlepper werden durch autonome Traktoren unterstützt. Außerdem drehen kleine Roboter ihre Runden auf den Feldern und nehmen Proben, nur bei Bedarf behandeln sie die Pflanzen. Fruchtfolgen sind breiter denn je, und Leguminosen machen unabhängig von Importeiweiß. Die Böden sind humusreich und der chemische Pflanzenschutz ist um die Hälfte reduziert, verglichen mit 2019. Ganzjährige Bodenbedeckung schützt vor Erosion durch Wind und Wasser.

David Benzin
David Benzin, Redakteur für Acker- und Pflanzenbau (c) Sabine Rübensaat

Noch Jemand ohne Ackerbaustrategie?

Doch Zeitreisen sind utopisch. Marty McFly aus der Film-Trilogie „Zurück in die Zukunft“ können wir es mangels seiner Hilfsmittel nicht gleichtun. Sehen wir uns also an, wie die nächsten 15 Jahre gestaltet werden sollen. Ackerbaustrategien gibt es, gerade jüngst, in großer Zahl – egal ob vom Bauernverband, dem Umweltbundesamt oder NGOs. Wenn nur halb so viele Lösungen umgesetzt werden, wie in ihnen vorgeschlagen, wäre für jeden etwas dabei. Was ist also das Besondere an Klöckners neuem Papier? 

Nicht nur Lösungen werden gepredigt, sondern auch kritisch hinterfragt und Anbausysteme ganzheitlich betrachtet. So beleuchtet die Ackerbaustrategie des BMEL Leitlinien, an deren vorderer Front die sichere Lebensmittelversorgung steht. Auch die zwölf ausgefilterten Handlungsfelder betrachten neben Zielen und Maßnahmenvorschlägen auch Konflikte, die auf dem Weg zum Ziel im Wege stehen. Als Kirsche obendrauf garnieren die Verfasser die Diskussionspunkte, indem sie die Wirtschaftlichkeit ansprechen und konkrete Beispiele aus der Praxis, etwa Demonstrationsvorhaben und Förderprojekte, erwähnen.

Optimistisch bleiben

Und das ist ein großer Unterschied zu bestehenden Strategiepapieren. Durch dieses Systemdenken werden Schnellschüsse, die zu sehr in eine vorgefasste Richtung gehen, vermieden. Dadurch sind die Maßnahmenvorschläge gleich viel praxisbezogener und weniger abschreckend. Sie nehmen eher an die Hand als dass sie die Pistole auf die Brust setzen. Bleibt nur zu hoffen, dass die dafür nötigen Projekte weiter gefördert werden oder neue Programme mit starkem Praxisbezug entstehen. Nach dem Motto: „Was lange währt, wird endlich gut“, bin ich aber ziemlich optimistisch. Sie auch?


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