„Aus dem Dilemma führt nur ein radikaler agrarpolitischer Schnitt“

Schluss mit den Direktzahlungen: Arno Reis fordert einen radikalen Wandel bei der EU-Finanzierung (c) Imago Images/Steinach

Unternehmensberater Arno Reis ist bekannt für klare Worte. Im Interview mit der Bauernzeitung fordert er die Abschaffung aller Direktzahlungen aus Brüssel – und damit einen radikalen Umbruch in der Landwirtschaft.

Herr Reis, wer Ihre Beiträge liest, könnte meinen, Sie geben der Landwirtschaft nur in Konzernstrukturen eine Zukunft.

Dann hat er (oder sie) nicht gründlich gelesen. Ich bin Betriebs- und Volkswirt. Für mich zählt die Ökonomie, im Kleinen wie im Großen. Und deshalb wehre ich mich dagegen, wenn man Unwahres über bestimmte Betriebsstrukturen behauptet, nur weil man sie politisch nicht mag. 

Sie vermissen klare Ziele, die die Agrarpolitik vorrangig verfolgt. Was schlagen Sie denn vor? 

Wenn wir offen reden wollen, dann führt kein Weg daran vorbei, alle Direktzahlungen zu streichen, einschließlich der für Umweltleistungen. Landwirte haben wenig davon, im Gegenteil: Die Direktzahlungen sind Treiber der Boden- und Pachtpreise. Zugleich sind sie eine Lebensmittelsubvention mit der Gießkanne. Jeder in der EU kauft Nahrungsmittel, die mit ihnen subventioniert werden, ob er bedürftig ist oder nicht.


Zur Person

Arno Reis ist Inhaber der „DenkFabrik“ in Elmenhorst bei Rostock und seit der Wende als Unternehmensberater in Ostdeutschland tätig.

Zur Webseite


Aber wie lassen sich denn ohne Greening Umweltziele mit der Agrarpolitik erreichen? 

Die Frage ist, ob Agrarpolitik das muss. Sicher sind Anreize wichtig, aber zunächst muss das Ordnungsrecht funktionieren. Bestehende Gesetze müssen strafbewehrt sein und angewendet werden. Neue Gesetze sind in Abstimmung mit der betroffenen Landwirtschaft zu beschließen, ihre Einhaltung ist zu kontrollieren. Mit dem Wegfall der Direktzahlungen werden Agrarministerien überflüssig. Die nötigen Aufgaben können andere Ressorts übernehmen. Entscheidend für die Zuordnung ist dann die Frage, welche Aufgabe die Landwirtschaft jeweils erfüllen soll. Die Produk­tion von Nahrung, Rohstoffen und Energie wäre Sache des Wirtschaftsministeriums, das Entwicklungsministerium könnte den Beitrag der hiesigen Landwirte zur weltweiten Ernährungssicherung steuern und das Umweltministerium die Umweltaufgaben regeln. Wichtig ist letztendlich die klare wirtschaftliche Perspektive für die Betriebe.

Für viele sind Direktzahlungen lebenswichtig. 

Mindestens ebenso viele wollen ihr Einkommen lieber am Markt erzielen. Das könnten sie dann. Die Produkte werden zu Vollkosten verkauft und eingekauft. Dar­aus ergibt sich in den Betrieben der Zwang zu mehr Wirtschaftlichkeit, was einen Innovationsschub auslösen und das Management qualifizieren wird. Bezieht der Handel Importe aus Ländern, die ihre Landwirtschaft weiter subventionieren, werden diese Spannen an den EU-Außengrenzen abgeschöpft. Zugleich stützt Brüssel Exporte in subventionierte Länder in Höhe der dortigen Subventionen. Geld dafür und ebenso für Zuschüsse an bedürftige Verbraucher ist reichlich vorhanden, zum einen aus dem bisherigen EU-Agrarhaushalt und zum anderen aus den eingesparten Bürokratiekosten.



Da fallen uns sofort viele Wenns und Abers ein.Was steht aus Ihrer Sicht solchen radikalen Veränderungen am meisten entgegen? 

Zunächst die fehlende Unterstützung in der Bevölkerung, weil Lebensmittel teurer werden könnten, wenn auch nur geringfügig. Dann aber schon die Furcht vieler Landwirte vor dem Markt. Sie haben sich – von immer noch überschaubaren Ausnahmen abgesehen – an das Abliefern gewöhnt und müssten das Vermarkten lernen. Ein echtes Hindernis ist die mangelnde Marktmacht der Primärproduzenten gegenüber den Einkäufern des Handels. Und nicht zu unterschätzen ist der Widerstand der Agrarbürokratie, die viel Geld verteilen darf, in der EU und in den Mitgliedsstaaten bis hin zu den Bundesländern. Vor allem aber fehlt es an politischen Visionären, die es verstehen, mit einem klaren Bild von der Zukunft der Landwirtschaft andere zu überzeugen.

Interview: Ralf Stephan