Agrarstruktur – Wissen, wo es hingehen soll
In nächster Zeit dürften im Osten heftige Debatten über die Agrarstruktur geführt werden. In Brandenburg und Sachsen, wo CDU, Grüne und SPD gerade gemeinsame Regierungen bilden wollen, ist es bzw. wird es Thema der Koalitionsverhandlungen. In Sachsen-Anhalt arbeiten die Regierungsfraktionen im Landtag (ebenfalls „Kenia“) am Entwurf eines Agrarstruktursicherungsgesetzes. Thüringen befindet sich im Wahlkampf, da kündigen Linke und Grüne jeweils eigene Gesetze für die nächste Legislaturperiode an. In Mecklenburg-Vorpommern legte das Landwirtschaftsministerium etwaige Ideen zwar auf Eis, wartet aber mit Interesse ab, was sich in den anderen Ländern tut.
Mit steigenden Pacht- und Bodenpreisen sowie dem großen Engagement von Investoren werden die Initiativen begründet. Beides bedrohe die hiesige Agrarstruktur. Im Landtagswahlkampf präsentierten die Brandenburger Grünen den Entwurf für ein Agrarstrukturgesetz. Der lehnt sich an einen Vorschlag des Deutschen Bauernbundes (DBB) an, der wiederum die ursprünglichen Ideen von Sachsen-Anhalts einstigem Agrarminister Hermann Onko Aeikens (CDU) aufgreift. Grundstücksverkehrs-, Landpacht- und Reichssiedlungsgesetz – alle mit Länderkompetenz – werden darin zusammengefasst und um Regeln zum Kauf von Gesellschaftsanteilen ergänzt.
Bei den Brandenburger Grünen heißt es, nur Landwirte/Betriebe oder jene, die welche werden wollen, können Boden kaufen. Zählt ein Betrieb bereits mehr als 750 ha Eigentum, wird der Kauf versagt. Ortsansässige Landwirte besäßen dann ein Vorkaufsrecht. Als ortsansässig gilt, wer seinen Betriebssitz im Umkreis von zehn Kilometern zum Grundstück hat. Liegt der Kaufpreis zehn Prozent über dem Ortsüblichen, wird die Genehmigung verwehrt. Geht es nach dem Bauernbund, kann derjenige keinen Boden mehr erwerben, dem danach mehr als die Hälfte der Flächen oder mehr als 300 ha in einer Gemarkung gehören. Der Kaufpreis darf das örtliche Niveau nicht um mehr als 20 % überschreiten. Grenzen ziehen beide Vorschläge bei der betrieblichen Gesamtpachtfläche (max. 1.000 ha bzw. 2.000 ha) und beim Pachtpreis (max. 30 % bzw. 20 % über örtlichem Niveau) ein. Übt die Landgesellschaft ihr Vorkaufsrecht aus und steht kein kaufwilliger Landwirt bereit, kann sie die Flächen sechs Jahre vorhalten. Ähnliches gibt es in Baden-Württemberg, wo die Haltefrist zehn Jahre betragen kann. In den Entwürfen von DBB und Grünen unterliegt der Erwerb von Gesellschaftsanteilen der Genehmigung. Unter anderem, wenn der Käufer dadurch einen „bestimmenden Einfluss“ erhält und die Nutzfläche (Eigentum und Pacht) den Wert des Unternehmens zu mindestens 40 % bzw. 25 % bestimmt.
Aufrichtige Motive sollte man den Vorschlägen nicht absprechen. Ungewiss ist, ob sie vor höchsten Gerichten standhalten. Kritikpunkte gibt es allemal. Man redet über die Agrarstruktur und müsste sie doch erst einmal genau kennen. Zu benennen sind die Ursachen, die dazu führten, was man jetzt heilen will. Bevor derartige Gesetze überhaupt gestrickt werden, braucht es ein Leitbild. Ein solches ist im Konsens zu entwickeln, was richtig kompliziert ist, wie man in Sachsen-Anhalt schmerzvoll erfuhr. Es gibt viele berechtigte Interessen, reale wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Zwänge, die man schlichtweg nicht ausblenden kann. Das betrifft den Landwirt im Familienbetrieb, der wachsen will oder der keinen Nachfolger findet, ebenso wie den Großbetrieb, der in Schwierigkeiten steckt oder der die Eigentümernachfolge regeln muss. Letzteres ist ein Problem, das zu lösen verschlafen wurde: Die einen fanden keine Antworten, andere suchten erst gar nicht nach ihnen.
Herzlichst
Ihr Frank Hartmann