Blauzungenkrankheit: Weidetierhalter mit der Seuche nicht alleinlassen
Die günstige Witterung für Gnitzen als Überträger der Blauzungenkrankheit und eine noch sehr geringe Impfdichte sind Anzeichen dafür, dass sich die Seuche noch mehrere Monate massiv ausbreiten wird. Tausende Tiere drohen zu verenden. Das Impfen ist die derzeit einzig wirksame Maßnahme. Auf sich allein gestellt, droht eine Überforderung vieler Tierhalter, kommentiert Frank Hartmann.
In Mitteleuropa wütet die Blauzungenkrankheit (BT): Zum Ende dieser Woche (Freitag, 23. August, 12 Uhr) meldete Belgien mehr als 1.000 Fälle, die Niederlande 5.200 und Deutschland 4.800. Hierzulande stiegen die Zahlen allein in den ersten drei Augustwochen um 3.500 Fälle rasant an. Mit einem ersten Verdachtsfall am 23. August bei einem Rind im Vogtland ist die Seuche jetzt auch in Sachsen angekommen – dem bislang letzten BT-freien Flächenland.
Dass die BT-übertragenden Gnitzen ihre Aktivitäten frühzeitig einstellen, davon ist derzeit nicht auszugehen. Viel wahrscheinlicher ist, dass sie noch mindestens drei Monate das Virus in die Wiederkäuerbestände tragen. Zur Erinnerung: Als BT die niederländischen Tierhalter im Vorjahr überraschte, war es gerade einmal Anfang September. Erst zum Jahresende schwächte sich die Ausbreitung spürbar ab. Bis dahin summierten sich im Nachbarland die Fälle auf 6.000: Rund 55.000 Tiere verendeten, etwa 5 % der Schaf- und 0,2 % der Rinderpopulation. Milde Winter, auch das zeigt das aktuelle Geschehen, beflügeln eine erneute Seuchenausbreitung.
Jetzt dringend gegen Blauzungenkrankheit Impfen
Als einzig wirksame Maßnahme gegen die Blauzungenkrankheit erweist sich das Impfen. Gegen den neuartigen Virus-Serotyp 3 (BTV-3) gibt es drei Impfstoffe, die nach Angaben der zuständigen Bundesbehörden die Sterblichkeit durch die Infektion und auch Symptome reduzieren.
Erste Erfahrungen aus den Niederlanden würden zudem belegen, dass die Anwendung sicher sei und von den Tieren gut vertragen werde. Dass es in wenigen Einzelfällen anders ist, sollte Tierhalter nicht vom Impfen abhalten. Einschließlich der Tiergesundheitsdienste in den Ländern wird daher dringlich dafür geworben, empfängliche Wiederkäuer zu immunisieren.
Immunisierung drängte 2008 die Blauzungenkrankheit zurück
Veterinärmediziner, die 2007 und 2008 beim großen Blauzungenkrankheits-Ausbruch in die Bekämpfung mit eingebunden waren, sind überzeugt davon, dass das Impfen, das mit einem erstmals zur Verfügung stehenden Wirkstoff erfolgte, die Seuche in den Folgejahren zurückdrängen konnte. 2007 wurden bundesweit 21.000 Fälle registriert, mit dem Start des Impfens 2008 „nur“ noch 5.100.
Dass das Impfen seinerzeit angeordnet und jeder Tierhalter dazu verpflichtet wurde, widerstrebte etlichen Tierhaltern, was eine heute noch vorhandene Impfskepsis erklären könnte. Ostdeutsche Schaf-, Ziegen- und Rinderhalter sollten nicht darauf hoffen, dass es die Gnitzen nicht bis auf ihre Weiden und in ihre Ställe schaffen, auch wenn die Betroffenheit 2007/2008 im Osten mit 265 Fällen verhältnismäßig gering war. Das derzeitige Vorrücken spricht nicht für ein Abwarten. Aktuell (Stand Freitag, 23. August, 12 Uhr) weist das Friedrich-Loeffler-Institut 54 ostdeutsche Fälle in 14 Landkreisen* aus.
Bei Ausbruch der Blauzungenkrankheit droht Überforderung
Die hohen Impfkosten – bei unterschiedlich ausgereichten Zuschüssen durch die Länder bzw. Tierseuchenkassen – belasten insbesondere Schafhalter stark. Wer argumentiert, dass es doch seit vorigem Jahr die neue Weidetierprämie gibt, der verkennt, dass sie dafür nicht geschaffen wurde. Das Impfen großer Herden verschlingt einen beträchtlichen Teil dieser Prämie. Zucht- und die Bauernverbände sind daher angehalten, zu diskutieren, wie mit BT – die keine bekämpfungspflichtige Tierseuche ist – künftig verfahren wird. Denn abgesehen von fachlicher Unterstützung durch die Tiergesundheitsdienste, müssen die Betriebe heute nicht nur das Impfen, sondern auch im Falle des Seuchenausbruchs die Maßnahmen allein managen und bezahlen, was überfordern kann.
Zu überlegen wäre etwa, ob über eine moderate Erhöhung der Beiträge für die Tierseuchenkassen präventive Hilfen wie das Impfen reguliert werden können. Angesichts der wirtschaftlichen Lage besteht die reale Gefahr, dass ein Seuchenfall den Schäfer zur Aufgabe zwingt.
*Brandenburg: Prignitz (3 Fälle), Potsdam-Mittelmark (1); Mecklenburg-Vorpommern: Ludwigslust-Parchim (6); Sachsen: Vogtlandkreis (1, Verdacht); Sachsen-Anhalt: Altmarkkreis Salzwedel (15); Börde (7); Harz (5); Jerichower Land (2); Mansfeld-Südharz (1); Salzlandkreis (1); Stendal (2); Thüringen: Eichsfeld (6); Nordhausen (1); Wartburgkreis (4). Stand: 23. August, 12 Uhr. Quelle: FLI
Kommentar aus der Ausgabe 34/2024
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