Die fünfte Spalte und andere Zahlen im Spiel
Das Stocken der GAP-Reform ist insbesondere zurückzuführen auf ihre besondere Konstellation. Neue Kommissionen bringen meist auch neue Ziele mit sich – doch für die Länder wird die Zeit langsam knapp.
Was macht eigentlich die GAP-Reform? Ohne „richtige“ Grüne Woche, bei der Verfechter aller denkbaren Positionen leibhaftig aufeinandertreffen, erhält sie in diesem Entscheidungsjahr viel zu wenig Aufmerksamkeit. Zwar mangelt es nicht an Onlinekonferenzen, aber ehrlich: Nicht nur Meinungen, sonst auf großer Bühne furios vorgetragen, selbst simple Fakten verlieren an Strahlkraft, wenn sie emotionsfrei aus den Lautsprecherchen des Laptops knarzen.
Besondere Form der Agrarreform
Dennoch wird es gerade sehr spannend. Denn der Zeitplan sieht vor, bis April einen Kompromiss zwischen den drei auf dem Tisch liegenden Papieren zu finden: dem Vorschlag der EU-Kommission sowie den Stellungnahmen von Europaparlament und Mitgliedstaaten dazu. Plantreue wäre gut, denn wir befinden uns bereits in der Verlängerung. Damit das Regelwerk der „GAP 2020“ wenigstens ab Anfang 2023 gelten kann, müssen die Mitgliedstaaten bis Jahresende ihre nationalen Strategiepläne einreichen. Derzeit mehren sich Zweifel, dass im Frühjahr weißer Rauch aus dem Kommissionsgebäude aufsteigen wird. Schon ist der Sommer als neue Zielmarke im Gespräch. Für die Länder wird dann die Zeit knapp.
Am Stocken schuld ist auch die besondere Konstellation für diese Agrarreform. Normalerweise, so verriet jetzt einer der Verhandlungsführer, habe er eine vierspaltige Tabelle auf seinem Spickzettel: zu jedem offenen Punkt die Position der Kommission, des Parlaments und des Agrarrates sowie am Ende ein leeres Feld für den Kompromiss. In diesem Jahr sei es aber eine Spalte mehr: Zur Position der „Kommission Juncker“, die den Vorschlag eingebracht hatte, kommt die der „Kommission von der Leyen“ hinzu – mit ihren strategischen Plänen rund um den Green Deal. Der Agrarkommissar bestritt gerade, dass die neue Kommission grundsätzlich neue Ziele einbringen möchte. Es gehe lediglich um „Feinjustierungen und technische Nachbesserungen“, damit die Ziele des Green Deal erreichbar bleiben. Nicht alle Mitgliedstaaten sehen das so. Beim Agrarrat am Montag dieser Woche rückten sie jedenfalls noch keinen Deut von ihrer gemeinsamen Position ab.
Druck rausnehmen
Verhärtet ist die Front auch in der Frage, ob es reicht, 20 % der Zahlungen aus der Ersten Säule mit zusätzlichen Auflagen – den neuen EcoSchemes – zu verknüpfen. Kommission und Agrarrat befürworten das so. Das EU-Parlament fordert aber, vor allem auf Druck von Grünen und Sozialdemokraten, 30 % an Extraleistungen zu binden. Das politische Geschäft liebt solche Zahlen, weil am Ende einfach zu erkennen ist, wer gewonnen hat. Um Druck vom Kessel zu nehmen, wollen die Verhandlungsführer erst einmal klären, welche Maßnahmen im Rahmen der Konditionalität verpflichtend für die Basisprämie werden und welche als „Wahlpflichtfach“ zu den Eco-Schemes zählen. Dann, so die Hoffnung, ist der prozentuale Anteil weniger entscheidend als der Inhalt.
Übersehen wird dabei oft, dass es um viel Geld geht. Ein Drittel mehr oder weniger ist kein Pappenstiel. Dieses Geld hat Landwirten bisher zugestanden. Künftig werden sie zusätzlich Arbeit, Zeit und damit auch Geld aufbringen müssen, um Anspruch darauf zu haben. Netto wird es somit von vornherein weniger. Ob diese Rechnung Umweltleistungen tatsächlich attraktiver macht, wird sich erst später zeigen.