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Für Milchbauern reichen die Milchpreise nicht

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Trotz der Demonstrationen bleibt die Situation der Milchbauern unverändert. Die Politik sollte klare Regeln aufstellen, um letztendlich der Macht des Handels entgegenzuwirken.

Ein Kommentar von Detlef Finger

Viele Landwirte haben in den letzten Wochen für mehr Wertschätzung und faire Erzeugerpreise demonstriert. Ihre Blockaden von Lägern des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) schienen zu fruchten. Der Handel sagte Gespräche zu. Dann aber der Schock: Aldi drückte den Einkaufspreis für Butter bei den Molkereien trotz der Proteste kräftig nach unten. Für den Discounter verbilligt sich das 250-Gramm-Päckchen Butter im Einkauf damit von 0,95 € auf 0,81 € netto. Der Ladenpreis zu Wochenbeginn blieb jedoch unverändert.

viel Rohmilch von genossenschaftsmolkereien verarbeitet

Dies zeigt einmal mehr die geballte Macht des Handels. Etwa 85 % des deutschen Lebensmittelmarktes teilen allein die vier großen Ketten unter sich auf. Deren Einkäufer verhandeln auch die Kontrakte für etwa 40 % der heimischen Molkereiproduktion, die im LEH über die Theken gehen. Ihnen gegenüber sitzen die Vertreter von noch etwa 150 größeren Milchverarbeitern, die sich – wie ihre Rohmilchlieferanten auch – in einem schwierigen Marktumfeld behaupten müssen. Hinzu kommt die Konkurrenz zwischen „Genossen“ und Privaten.

Detlef Finger, Landesredakteur Sachsen-Anhalt
Detlef Finger, Landesredakteur Sachsen-Anhalt (c) Sabine Rübensaat

Etwa zwei Drittel der Rohmilch werden bundesweit in knapp 30 Genossenschaftsmolkereien verarbeitet. Diese orientieren sich in ihrer Entwicklung meistens stark an der Kostendegression über die Größe und zielen auf die Kostenführerschaft ab. Denn sie vermarkten oftmals Standardprodukte und Handelsmarken. Damit haben sie neben einem Wertschöpfungsdefizit im Vergleich zu Markenherstellern auch eine strukturell schwächere Verhandlungsposition gegenüber dem Handel. Der Milchauszahlungspreis richtet sich letztlich aber nach dem Verwertungsergebnis.

Die sprichwörtlichen Ausnahmen gibt es allerdings auch hier. Wie sich eine süddeutsche Zentralgenossenschaft mit der Übernahme eines Verarbeitungsstandortes in SachsenAnhalt und dem anschließenden Neubau einer Käserei vor Ort für die Zukunft aufstellt, lesen Sie in unserer Titelreportage. Deren Milchlieferanten bündeln ihre Rohstoffmengen in Erzeugergemeinschaften und sind über Geschäftsanteile am Unternehmen beteiligt. Die Vertreter der Erzeugerverbünde haben zudem ein Mitspracherecht in den Gremien der Zentralgenossenschaft. Die Molkerei kann freilich trotzdem nur auszahlen, was sie erwirtschaftet.

Politik sollte klare regeln setzen

Fakt ist: Die Milcherzeugung ist und bleibt ein „Cent-Geschäft“. Steigende Kosten, wachsende Anforderungen und Auflagen sowie immer mehr Bürokratie lassen die Aufwendungen steigen, während die Erlöse auf einem (zu) niedrigen Niveau verharren. Viele Betriebe sehen für sich die einzige Möglichkeit, rentabel zu bleiben, darin, die Milchleistung weiter zu steigern. Andere suchen in Nischen nach höheren Einnahmen.

Nicht zuletzt ist auch die Politik stärker gefordert. Statt halbherzig beim LEH einen Verhaltenskodex für faire Handelsbedingungen anzumahnen, sollte sie klare Regeln setzen. Es muss ein wettbewerbsrechtlicher Rahmen her, der allen in der Wertschöpfungskette Beteiligten ein Auskommen ermöglicht. Dass die Eigentümer von Discounterketten trotz der niedrigen Verbraucherpreise für Lebensmittel Milliardenvermögen anhäufen, während die Erzeuger von der ihnen verbleibenden Spanne nicht leben können, ist schlichtweg pervers.


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