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Klimaschutz: Anpassen und für Perspektiven streiten

Symbolbild (c) IMAGO / Future Image
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Hitze in Südeuropa und Sturzfluten in Deutschland sollen nicht nur Ausdruck des Klimawandels sein. Es wird gar ein Notstand beschworen, als gäbe es kein Morgen mehr. Der Wahlkampf heizt die Sache an. Doch inflationär bemühte Superlative bergen die Gefahr, dass Menschen vom Thema schnell die Nase voll haben.

Es kommentiert Frank Hartmann


Die EU-Kommission verfolgt ambitionierte Ziele bei der Reduktion von Treibhausgasen. Die Bundesregierung musste ihr Klimaschutzgesetz konkretisieren. Im November soll in Glasgow die nächste Weltklimakonferenz stattfinden. Wissenschaftler und Nichtregierungsorganisationen fordern energisch rasche und verbindliche Maßnahmen ein. Man hofft, einen „Kollaps“ des trägen und chaotischen Erdklimasystems abwenden zu können. Simulationen bis auf lokale Ebenen führen drastische Auswirkungen wie häufige Dürren oder Starkniederschläge vor Augen.

jüngere Hochwasser bereits ein„realer Trend“ zu mehr Wetterextremen in Deutschland?

Beim tragischen Hochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gingen örtlich 165 Millimeter Niederschlag in drei Stunden nieder. In der Folge kam es zu Sturzfluten. Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) konnten die bereits gesättigten Böden kaum mehr Wasser aufnehmen.

Andere Fachleute verweisen darauf, dass es im Ahrtal in den letzten 200 Jahren ähnliche oder noch stärkere Hochwasser gab. Beim DWD ist man sich noch nicht sicher, ob jüngere Hochwasser bereits einen „realen Trend“ zu mehr Wetterextremen in Deutschland widerspiegeln. Sollte er klimabedingt sein und sich nachhaltig bestätigen, könnten derartige Extreme jährlich zunehmen. Der DWD mahnt: Trotz bestehender Unsicherheiten sei eine Anpassung des Katastrophen- und Bevölkerungsschutzes an die Klimawandelfolgen unerlässlich.

Landwirte brauchen wirtschaftliche Perspektiven

Noch dominiert der Klimaschutz die Diskussionen. Die Minderung von Treibhausgasen in der Landwirtschaft fokussiert sich auf die Reduzierung des Methanausstoßes, auf Humuszuwachs oder das Wiederbeleben von Mooren. Dazu braucht es Einsicht und Akzeptanz. Erreicht wird das nur, wenn man Landwirten wirtschaftliche Perspektiven bietet. Dies gilt auch, wenn es darum geht, sich auf die Folgen des Klimawandels einzustellen. Die öffentlichen Investitionen in den Hochwasserschutz nach den Fluten 2002 und 2013 verlangen Landwirten an großen Flüssen viel ab. Wo aber versucht wird, neben Deichen oder Poldern auch noch ein Naturschutzgroßprojekt unterzubringen, wächst Widerstand.

Zu zwingenden Anpassungsstrategien der Landwirtschaft zählt, um nur Beispiele zu nennen, der erosionsmindernde, wasserschonende Ackerbau, Wasserrückhalt und Bewässerung gehören mit auf die Agenda. Nötig sind Antworten auf die Frage, wie robuste Kulturen zügig etabliert werden können. Unausweichlich ist eine sachorientierte Debatte über Züchtungstechniken und Pflanzenschutzmittel – man wird nicht bis zum Ende des Jahrhunderts mit Notfallzulassungen über die Runden kommen.

Klimaschutz und Folgenanpassung verlangen nach einer starken, ideologiefreien Agrarforschung bis in die Regionen hinein. Die Forderung von Umweltaktivisten, wissenschaftliche Erkenntnisse ernst zu nehmen, darf die Agrarwissenschaft nicht ausschließen. Hastige, von singulärem Interesse getriebene Entscheidungen werden dem hochkomplexen System Landwirtschaft niemals gerecht. Schon gar nicht, weil Ernährungssicherheit in Zeiten des globalen Klimawandels eine neue Dimension besitzt.

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