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Ausbildung in der Landwirtschaft: Älter als jede Kuh

Symbolfoto (c) Sabine Rübensaat
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Gute Lehrlinge sind Mangelware, heißt es oft von Ausbildungsbetrieben – nicht nur in der Landwirtschaft. Doch jede Medaille besitzt zwei Seiten. Sind also auch Betriebe mit einer guten landwirtschaftlichen Lehrausbildung rar gesät?

Es kommentiert Erik Pilgermann

„Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ – diesen Satz kennen Sie bestimmt. Er hört sich sehr altbacken an, und er ist es auch. Glücklicherweise habe ich ihn in meiner eigenen landwirtschaftlichen Lehre Ende der Neunziger nicht zu hören oder zu spüren bekommen. Doch viele meiner Mitlehrlinge beka­men aufgrund dieser Auffassung während ihrer Ausbildung kaum mehr als Steinesammeln und Strohbergen beigebracht. Kein Wunder, dass sie nach bestande­ner Prüfung einfach nur in einen anderen Job wechseln wollten. Schlechte Bezahlung und un­faire Behandlung können eben keine Begeisterung für landwirt­schaftliche Berufsfelder wecken. Umso schlimmer, als ich diesen verhängnisvollen Satz letztens bei den praktischen Abschluss­prüfungen für Brandenburger Landwirtschaftshelfer erneut zu hören bekam. Seitdem brennt mir die Frage auf den Nägeln: Was bedeutet dieser Satz wirk­lich? Und ist er überhaupt noch zeitgemäß?

Mitarbeiter MIt Verantwortung

Wenn von Herren die Re­de ist, muss man auch über Knechte sprechen. Doch Knecht zu sein, hat niemand verdient. Was gebraucht wird, sind selbstständig denkende und handelnde Mitarbeiter. Mitarbeiter, denen man Verantwortung für wertvolle Tiere oder Maschinen und letztlich auch für ihre Mitmenschen übertragen kann. Keiner von uns besitzt diese Fähigkeiten von klein an. Das meiste davon muss erlernt werden.

Zugegeben, nicht alles, was es für einen Beruf zu erlernen gilt, ist reiner Spaß. Das haben wir alle erfahren. Da gibt es lange Tage in der Ernte oder Wechselschichten im Melkstand. Man muss lernen, Entscheidungen zu treffen und Arbeitsabläufe zu verstehen. Es geht um Sorgfalt und Verantwortung für das eigene Handeln. Man muss lernen, sich mit Kritik abzufinden, logisch zu argumentieren und dabei auch noch höflich zu bleiben. Und ja, man muss auch lernen, unangenehme Situationen aus­ zuhalten. Aber schließt man mit jungen Menschen einen Ausbildungsvertrag, übernimmt man auch Pflichten. Das Berufsbildungsgesetz sagt es ein­ deutig: „Ausbildende haben dafür zu sorgen, dass den Auszubildenden die berufliche Handlungsfä­higkeit vermittelt wird…“.

Ausbildung in der Landwirtschaft: Azubis sind keine billigen Arbeitskräfte

Gut 20 Jahre nach meiner eigenen Lehre stehe ich heute als Prüfer vor Aus­zubildenden und muss leider immer wieder feststellen, dass sich manches überhaupt nicht verändert hat. Da treten Prüflin­ge im Pflanzenbau an, die nach drei Jahren Ausbildung noch nie mit einem Traktor gearbeitet haben, deren Ausbildungsbetrie­be mit ihnen einen Vertrag samt Ausbildungsplan geschlossen, aber elementare Inhalte bewusst nicht vermittelt haben. Sieht so berufliche Handlungsfähigkeit aus? Azubis, egal ob als Helfer oder im Vollberuf, sind keine billigen Arbeitskräfte, sondern eine der wichtigsten und begrenzten Ressourcen heute, morgen und übermorgen.

Tatsache ist, dass – unabhängig von Betriebsgröße und Produk­tionsrichtung – mittlerweile für die Ausbildung in der Landwirtschaft bzw. in allen grünen Berufen eindringlich vor dem Fehlen jun­ger Arbeitskräfte gewarnt wird. Schuld sei die man­gelhafte allgemeine Schulbildung der Azubis, heißt es oft. Tatsache ist aber auch, dass sich die Agrar­branche selbst mindestens genauso intensiv für die Ausbildung des eigenen Nachwuchses einsetzen sollte, wie sie Kritik am Bildungssystem übt. So, wie die landwirtschaftlichen Berufe systemrelevant für die Gesellschaft sind, sind es Auszubildende für die Landwirtschaft. Die noch verbliebenen Herren sollten endlich von ihrem hohen Ross steigen und sich mit der neuen Generation auf Augenhöhe bege­ben. Herrenjahre, wenn man sie überhaupt noch so nennen möchte, bleiben nämlich immer Lehrjahre. Mein Motto ist heute: Man kann alt werden wie ‘ne Kuh und lernt immer noch dazu – auch nach einer erfolgreichen Ausbildung in der Landwirtschaft.