Alt Tellin: Nicht Tiefpunkt, sondern Ende einer Ära

Der Brand in der Schweinezuchtanlage Alt Tellin hatte sich am Dienstagnachmittag auf alle 18 Ställe der Anlage ausgebreitet. © Privat
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Nach dem verheerenden Brand in der Schweinezuchtanlage in Alt Tellin kommen nicht nur Fragen, sondern auch Kritik auf. Es werden Verantwortliche dieser Katastrophe gesucht und über Konsequenzen für die Zukunft beraten.

Es kommentiert Ralf Stephan

Die bloße Nachricht aus Alt Tellin ließ einem den Atem stocken. Als nach nur wenigen Stunden die Hoffnung zerstoben war, es möge so schlimm nicht kommen, wie es kommen könnte, fehlten auch noch die Worte. Bilder, wie sie vom Großfeuer in der Mega-Schweinezuchtanlage zu sehen waren, hatte nie jemand sehen wollen. Welches Grauen sich den Feuerwehrleuten bot, die für kurze Zeit in den Ställen chancenlos gegen den Brand kämpften, möchte man sich nicht einmal vorstellen müssen.

Die Frage der Verantwortung

Chefredakteur der Bauernzeitung/Deutschland: Ralf Stephan. 2019
Ralf Stephan, Chefredakteur der Bauernzeitung

Und doch kommt keiner darum herum, der sich mit Landwirtschaft befasst, mit Tierhaltung im Besonderen, der für agrarpolitische Rahmenbedingungen zuständig oder an Genehmigungsverfahren beteiligt ist. Nicht nur, weil bei der Katastrophe von Alt Tellin Zehntausende Tiere verbrannten und sich die Frage nach der Verantwortung in besonderer Schärfe stellt. Es ist auch wichtig, weil dieser Großbrand nicht einfach einen weiteren Tiefpunkt einer problematischen Entwicklung darstellt. Mit ebensolcher Unausweichlichkeit dürfte es sich um einen Endpunkt handeln – dem Ende des unerschütterlichen Glaubens an schiere Größe.

Noch gibt es keinen gesicherten Hinweis auf die eigentliche Brandursache. Dass aber eine relativ neue Anlage, die ein ordentliches Genehmigungsverfahren durchlaufen hatte, in nur wenigen Stunden bis auf die Grundmauern niederbrennt, wirft grundsätzliche Fragen auf. Zum Beispiel die, ob es überhaupt technisch möglich und – wenn ja – wirtschaftlich darstellbar ist, eine Anlage dieser Größenordnung brandschutztechnisch in den Griff zu bekommen.

Ethische Überlegungen

In der Natur des Menschen liegt es, Grenzen auszuloten. Das macht gerade Unternehmer, Ingenieure und Erfinder aus. Der Zeppelin oder die als unsinkbar geltende „Titanic“ sind ältere Beispiele als großartig gefeierter Entwicklungen, die sich bald als Holzweg erwiesen. Insofern ist es völlig abwegig, die Katastrophe von Alt Tellin zum Anlass für neuerliche Diskussionen über eine größer strukturierte Landwirtschaft an sich zu nehmen. Eine Großanlage wie diese ist auch für die ostdeutschen Länder nicht typisch. Große Ställe wird man weiterhin bauen. Doch mit der Frage der Beherrschbarkeit, nicht zuletzt mit Blick auf den menschlichen Faktor, sind jetzt auch die Fragen nach den Grenzen und nach den Risiken neu zu beantworten. Angesichts der Zahl der getöteten Tiere in der Schweinezuchtanlage Alt Tellin müssen ethische Überlegungen vermutlich viel stärker als bisher eine Rolle spielen. Nicht alles, was erlaubt ist, sollte man auch tun – als normaler Bürger wie als Unternehmer.

Typisch ist eher, dass ein solches Projekt hier umsetzbar war – und zwar gegen den Widerstand nicht nur von Umwelt- und Tierschützern, sondern auch in der Bevölkerung, in der regionalen Verwaltung und – anders als jetzt oft kolportiert – selbst in der Politik. Ernsthafte Kritiker der Schweinezuchtanlage Alt Tellin konnten sich auch vor Gericht nicht durchsetzen, obgleich hinter ihrer Ablehnung nicht, wie so oft, schlichte Verweigerungshaltung steckte, sondern fundierter Sachverstand. Bald könnte sich herausstellen, dass genau jene Risiken für den verheerenden Brandverlauf sorgten, die von Experten schon im Verfahren um die Genehmigung benannt worden sind. Dann wäre es nicht nur eine Katastrophe, sondern eine mit Ansage. Und die hätte verhindert werden können.


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