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Praktizierter Tierschutz – was geht?

© Sabine Rübensaat
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Wie praktizierter Tierschutz – z.B. in Bezug auf die Kastration männlicher Ferkel – aussehen kann, wird immer wieder diskutiert. Im Mittelpunkt stehen dabei die Inhalationsnarkose mit Isofluran und die Immunokastration.

Ein Kommentar von Bettina Karl

Das Schwein ist eines der ältesten Nutztiere des Menschen und hierzulande der größte Fleischlieferant. 59,5 kg Schweinefleisch konsumierten die Deutschen 2019 pro Kopf. Doch die Produktion ist alles andere als einfach: Kupierverzicht, coronabedingte Schließungen von Schlachthöfen sowie die Afrikanische Schweinepest machen es den Schweinehaltern schwer. Ab dem 1. Januar 2021 tritt nun das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration in Kraft – was aus Tierschutzgesichtspunkten vollkommen gerechtfertigt ist. Als Modelle, wie die Mast männlicher Schweine künftig aussehen könnte, stehen drei Alternativen zur Auswahl. Zwei davon werden immer wieder kontrovers diskutiert.

Förderung von Narkosegeräten – Inhalationsnarkose mit Isofluran

Bettina Karl ist Redakteurin im im Ressort Tierhaltung.

Die Inhalationsnarkose mit dem zugelassenen Narkosegas Isofluran hat das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) lange Zeit favorisiert. Dafür wurde sogar ein Sachkundelehrgang eingeführt, damit Tierhalter die Narkose selbst durchführen können. Die Ferkel erhalten das Gas über ein spezielles Gerät per Atemmaske. Dazu müssen sie begleitend mit Schmerzmitteln versorgt werden, damit die Tiere nach der Operation keine Schmerzen haben. Auch wenn das BMEL die Anschaffung von Narkosegeräten fördert – billig ist diese Variante nicht. Denn es fallen auch Kosten für Gerätewartung und Narkosemittel an. Und es ist ein chirurgischer Eingriff, der zu einer Wunde und zu Stress führt, allein schon dadurch, dass die Ferkel für kurze Zeit von der Muttersau weggenommen werden.

Eine zweite Variante ist die Immunokastration. Zweimaliges Impfen mit Improvac gegen den Ebergeruch unterdrückt die Produktion der Geschlechtshormone, die für den typischen Ebergeruch verantwortlich sind. Natürlich fallen hier auch Kosten für den Impfstoff an. Aber zum einen ist kein chirurgischer Eingriff notwendig, zum anderen sind Immunokastraten weniger aggressiv. Sie sollen auch ihr Futter besser verwerten als kastrierte Eber. Der Nachteil ist, dass das Fleisch dieser Tiere auf dem Markt bisher noch wenig akzeptiert wird. Das führt sogar zu Preisnachlässen, wie eine Erzeugergemeinschaft feststellen musste, die die Immunokastration von der Impfung bis zur Vermarktung an 4.500 Tieren testete.

Impfung von ebern – Immunokastartion

Vorteile der Immunokastration stellte auch das Netzwerk Sauenhaltung Schleswig-Holstein fest. In einem Betrieb stallte sie rund 1.200 geimpfte Eber auf. Unter anderem waren bezüglich Qualität und technologischen Eigenschaften des Fleisches keine Beeinträchtigungen feststellbar (Bauernzeitung 42/2020, S. 41).

Die Impfung von Ebern wird bereits in mehr als 60 Ländern der Welt jährlich millionenfach angewandt. Anfang November erreichte uns die Pressemitteilung, dass ein neues Verbundvorhaben eine Initiative von Landwirten zur Erprobung der Immunokastration begleitet. Das BMEL fördere das Vorhaben. Ein Fokus liege auf der Bewertung der Schlachtkörperzusammensetzung und der Fleischbeschaffenheit als Grundlage für eine qualitätsgerechte Bezahlung. Zwar ist es knapp zwei Monate vor Toresschluss reichlich spät für ein Projekt – doch es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Denn Immunokastration ist praktizierter Tierschutz. Wie breit er sich umsetzen lässt, hängt jedoch wesentlich von der Bereitschaft der Abnehmer ab.


Ferkel auf Spaltenboden

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