Eigenvorsorge: Warum eine Risikoausgleichsrücklage dringend nötig ist
Landwirte in Thüringen und Sachsen erleiden heftige Hagelschäden und fast alle Obstbauern in Ostdeutschland sehen sich nach Frost im April mit massiven Ertragseinbußen bis hin zu Totalausfällen konfrontiert. Sie hoffen auf Soforthilfen. Die schon lange diskutierte Risikoausgleichsrücklage könnte jetzt helfen.
Ein Kommentar von Christoph Feyer
Nun hat es den Obstanbau erwischt. Ein Kälteeinbruch in der zweiten Aprilhälfte sorgte mit Minustemperaturen dafür, dass jetzt selbst die Stare kaum etwas in den Bäumen finden. So müssen zum Beispiel Obstbauern in Thüringen einen Totalausfall bei Zwetschgen sowie Ertragsverluste bei Äpfeln, Kirschen und Weintrauben von 60–85 % hinnehmen. Ihr Erlösausfall wird sich auf über 15 Mio. Euro summieren. Übrig bleibt ein Schaden von gut 7,5 Mio. Euro, da Erntelöhne und Lagerkosten wegfallen, wenn es nichts zu pflücken gibt.
Obstbauern in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen am härtesten getroffen
In Sachsen und Sachsen-Anhalt sieht es noch schlimmer aus. Der dortige Obstbauverband beziffert die Frostschäden seiner Mitglieder auf etwa 20–30 Mio. Euro. Das entspricht fast dem kompletten Jahresumsatz der Betriebe. Bei Äpfeln erwartet der Verband Ernteverluste zwischen 80 und 100 %, bei Kirschen von 50–100 %.
Auch die Brandenburger Obstbauern melden gravierende Verluste bei Äpfeln, Aroniabeeren und Kirschen bis hin zu Totalausfällen. Nun hoffen sie, wie ihre Berufskollegen in Sachsen-Anhalt, dass die Landesregierung schnell Hilfsgelder freigibt.
In Sachsen und Thüringen ist das schon geschehen. Dresden legte für seine Nothilfen einen Schaden von 20 Mio. Euro für den Obstbau und 2 Mio. Euro im Weinbau zugrunde, Erfurt sicherte 2 Mio. Euro Soforthilfe zu.
Obstbauern: Nächste Einnahmen frühestens 2025
Für die Betroffenen bleibt die Lage trotzdem existenzbedrohend. Die nächsten Einnahmen können sie frühestens nach der Ernte 2025 erwarten. Die Notgroschen vom Staat müssen deshalb schnell fließen. Parallel dazu sollten Anschlusshilfen wie zinsverbilligte Kredite angeschoben werden, will man wirksam Betriebsaufgaben verhindern. Auch ein Nachschießen zusätzlicher Mittel im nächsten Jahr sollten die Länder für die Haushaltsplanung im Hinterkopf haben. Allerdings stehen im Herbst erst noch einige Landtagswahlen an, was die ganze Sache nicht erleichtert.
Häufige Extremwetterlagen: Langfristige Lösungen gefragt
Und dann sind da ja auch noch die ackernden und viehhaltenden Berufskollegen. Auch bei ihnen ist es mittlerweile nur eine Frage der Zeit, wann wieder zu viel oder zu wenig Wasser ihre ganze Arbeit zunichtemacht. Hilfen vom Staat sind dann immer nur Notlösungen, denn die bereitgestellten Gelder decken meist nur einen Bruchteil des tatsächlichen Schadens ab. Vielmehr müssen Wissenschaft, Praxis und die Politik Wege finden, wie man mit den häufigen Extremwetterlagen umgeht und wie sich Landwirtschaftsbetriebe besser darauf vorbereiten können.
Versicherungen sind für viele der naheliegendste Gedanke. Sie sind bei Hagel seit Jahren Praxis, und mancher sichert auch Ausfälle durch Sturm, Überschwemmung oder Frost mit einer Mehrgefahrenpolice ab. Aber für die meisten ist das derzeit zu teuer. Manche schreckt auch das Kleingedruckte ab. Und gegen Dürre, dem mit Abstand größten Ernterisiko, ist kaum einer versichert.
Neuseeland, Australien und Kanada machen es vor: Risikoabsicherung für Landwirte muss möglich sein
Fast zwangsläufig kommt hier wieder die seit Jahren diskutierte Risikoausgleichsrücklage ins Spiel. Finanzminister ließen es bisher nicht zu, dass Betriebe in guten Zeiten steuerbegünstigt Geld ansparen, um in Krisenjahren darauf zurückgreifen können.
Auf Steuereinnahmen zu verzichten, fällt dem Bund offenbar schwer, wenn die Soforthilfen Ländersache sind. In Neuseeland, Australien und Kanada scheint man andere Gesamtrechnungen aufzumachen. Dort gibt es schon seit Jahren ähnlich der Risikoausgleichsrücklage Modelle zur Absicherung. Was die Wetterrisiken betrifft, dürfte sich die Lage hierzulande jedoch inzwischen nicht mehr allzu sehr unterscheiden.
Kommentar aus der Ausgabe 26/2024
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