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Der nahe Krieg

Symbolbild (c) imago images / Countrypixel
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Wer sagt, dass die Welt seit dem 24. Februar eine andere ist, übertreibt ganz gewiss nicht. Im Morgengrauen dieses Donnerstags brachte die russische Invasion in die Ukraine den Krieg zurück nach Europa. Anders, als manche noch glauben, nicht an seinen Rand, sondern nahezu in die Mitte.

Es kommentiert Ralf Stephan

Kiew, die unter Beschuss stehende Hauptstadt, liegt von der östlichen Grenze Europas, dem Ural, genauso weit weg wie von der EU-Hauptstadt Brüssel. Man gelangte von dort schneller nach Warschau oder Krakau als in den Getreidehafen Mariupol am Schwarzen Meer. Das Land ist unser übernächster Nachbar.

ukraine-krieg: auswirkungen auf Agrarmärkte

Chefredakteur der Bauernzeitung/Deutschland: Ralf Stephan. 2019
Ralf Stephan, Chefredakteur der Bauernzeitung (c) Sabine Rübensaat

Nachbarn in der Not ist ohne Wenn und Aber zu helfen. Doch auch wenn es angesichts der humanitären Katastrophe pietätlos erscheinen mag: Gerade weil die Entwicklung so erschütternd ist, gilt es nüchtern zu beobachten, welche Folgen zu erwarten sind.

Da es um zwei wichtige Agrarhandelsländer geht, regierten nicht nur Industrieaktien, sondern auch die Agrarmärkte sofort. Börsen, so sagt man, spiegeln nicht das wider, was ist, sondern was erwartet wird. Erwartet wird demnach, dass sich Agrarrohstoffe verteuern, weil sie knapper, zumindest jedoch schwieriger verfügbar sein könnten. Alles andere ist unrealistisch, denn die Ukraine lieferte zuletzt 12 %, Russland 17 % der weltweiten Weizenexporte.

Bei Raps und Sonnenblumen einschließlich der Öle und Schrote sowie Sojaöl gehörte die Ukraine zu den Hauptlieferländern für die EU. Zu erwarten sind also auch höhere Preise für Futtermittel. Da nicht nur die Ukraine und Russland, sondern auch Belarus wichtige Lieferländer waren, werden zudem Düngemittel noch knapper und noch teurer.

Preis für versorgungssicherheit

Selbst wenn die Quoten der Selbstversorgung mit wichtigen Agrarprodukten in Deutschland zunächst beruhigend wirken: Unter den sich abzeichnenden Umständen ist eine Eigenversorgung bei Getreide mit 101 % nicht in Stein gemeißelt. Auswirkungen der Düngeverordnung, aber auch betriebswirtschaftliche Reaktionen auf die Düngerpreise könnten durchaus zu rückläufigen Erntemengen führen. In der Bundesrepublik wird deshalb niemand Hunger leiden müssen. Schließlich kann man es sich leisten, im Ausland zuzukaufen – und damit das knappe Angebot für weniger zahlungskräftige Staaten weiter verknappen. Zwangsläufig stellt sich unter diesen Umständen auch die Frage nach dem Preis für die Versorgungssicherheit gänzlich neu.

Deshalb den Green-Deal der EU-Kommission gleich ganz infrage zu stellen, würde heißen, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Denn der Ukrainekrieg mag Herausforderungen wie den Klimawandel und den Schutz der Naturressourcen zeitweilig überlagern – aus der Welt sind sie deshalb nicht. Die Frage darf aber erlaubt sein, ob alle Annahmen, Ziele und Wege jetzt noch tauglich sind. Wissenschaftler der Universitäten München, Hohenheim und Basel errechneten, dass sich die benötigten Anbauflächen weltweit fast halbieren ließen, wenn überall effizienteste Anbaumethoden angewendet würden. Das heißt, die andere Hälfte stünde für Klima- und Naturschutz zur Verfügung. Eine Vision, gewiss. Aber eine, die deutlich mehr Handlungsoptionen böte als die bloße Extensivierung auf Gunststandorten. Sie würde erfordern, geltende Tabus zu brechen. Jetzt, wo die Welt eine andere geworden ist, wird manches politische Tabu gebrochen. Warum also nicht auch hier?


Dramatischer Himmel, Sturm, Getreidefeld,
Symbolbild (c) IMAGO / Westend61

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