Viel Symbolik, wenig Transparenz beim Thema Wolf

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Trotz Schutzmaßnahmen reißen Wölfe immer häufiger Weidetiere. Doch weder Jagdrecht noch Fördermittel werden ausreichen, um das Problem in den Griff zu bekommen.

Es kommentiert Ralf Stephan

Rund um den Wolf reißen die Schlagzeilen gerade wieder nicht ab. Tierhalter in Mecklenburg-Vorpommern melden allein in den ersten zehn Monaten rund 80 Wolfsangriffe auf ihre Tiere mit rund 400 Rissen. Gegenüber dem vorigen Jahr ist das nahezu eine Verdoppelung. In Sachsen fiel das Halbendorfer Rudel nahe Bautzen über eine Schafherde her, obwohl ein Doppelzaun sie schützen sollte. Auch die Ohrdrufer Wölfin macht wieder von sich reden: Sie fand nun endlich einen Rüden der eigenen Art zur geduldeten Rudelbildung. Im Ergebnis beklagt die Agrargenossenschaft, die den Truppenübungsplatz beweidet, den Verlust mehrerer Schafe und Ziegen in einer Nacht. Elektrozaun und Herdenschutzhunde konnten das Blutbad nicht verhindern.

Chefredakteur der Bauernzeitung/Deutschland: Ralf Stephan. 2019
Ralf Stephan, Chefredakteur der Bauernzeitung
(c) Sabine Rübensaat

Wo sich der wolf ausbreitet, geht Weidetierhaltung zurück

Elektrozäune und Hunde sind probate Mittel der Verteidigung. Aber sie sind teuer und gewähren, wie allein diese Beispiele zeigen, keine hundertprozentige Sicherheit. Außerdem: Wer will wirklich eine mit Plastikzäunen zugestellte Kulturlandschaft? Die Kosten und der körperliche Mehraufwand für den Zaunbau schrecken immer mehr Tierhalter ab. Im niedersächsischen Landtag stellten die Fraktionen der in einer GroKo regierenden SPD und CDU jetzt in einem gemeinsamen Antrag fest, dass die Weidetierhaltung überall dort zurückgeht, wo sich der Wolf ausbreitet. Dieser Antrag zielt darauf, den Grauhund in das Jagdrecht aufzunehmen.

Dort gehört er zweifellos hin. Aber nur in Sachsen ist das bisher so. Was praktisch so wenig von Belang ist, dass es viele gar nicht wussten. Sie schrieben den Niedersachsen zu, als erste diesen formalen Akt zu vollziehen. Denn an der Tatsache, dass der Artenschutz weiterhin gilt und nur die Untere Umweltbehörde über eine Entnahme entscheidet, ändert die Aufnahme ins Jagdrecht nichts. Somit ist das Ganze vor allem Symbolik. Aber dennoch wichtige Symbolik. Vor allem die Weidetierhalter warten dringend auf die Botschaft, dass die Politik bereit ist, dem Wolf nicht länger eine Sonderbehandlung zukommen zu lassen. Zumal der bisherige Kurs, den Konflikt zwischen Wölfen und Schafen mit Geld zu lindern, nun auch sichtbar an Grenzen stößt. Das finanziell nicht auf Rosen gebettete Land Brandenburg hat so viele Förderanträge wie noch nie erhalten. Knapp 1,8 Millionen Euro wurden bereits ausgezahlt – an 180 Antragsteller. Weitere 111 Anträge liegen aber noch auf dem Tisch. Ungedeckt. Deshalb muss im Landeshaushalt frisches Geld beschafft werden. Die Frage, ob nicht besser Coronafolgen damit bewältigt werden sollten, kommt ganz gewiss auf.


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Es braucht mehr Transparenz

Das Jagdrecht als Symbol und die Fördermittel als Notpflaster werden auf Dauer nicht ausreichen. Ein erster Schritt wäre es, von der Symbolpolitik wegzukommen und den Blick wieder für die Realitäten zu schärfen. Zu fordern ist vor allem mehr Ehrlichkeit in den Statistiken. Sowohl das Wolfsmonitoring als auch die in den Ländern geführten Risslisten sind eher geeignet, Fakten zu verschleiern als ein klares Bild zu liefern. Eine amtliche Zahl, wie viele Wölfe inzwischen durchs Land streifen, gibt es nicht, obwohl verlässliche Schätzmethoden existieren oder auch ganz anders gezählt werden könnte. Rissstatistiken werden zwar veröffentlicht, sollen aber offenkundig durch Unübersichtlichkeit abschrecken. Man möchte keine Absicht unterstellen, aber Transparenz geht anders. Das Gefühl, die Nöte der Tierhalter würden in den Ämtern ernst genommen, kann sich so nicht einstellen.