Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen: Frust im ländlichen Raum sitzt messbar sehr tief
Die große Mehrheit der Sachsen und Thüringer lebt im ländlichen Raum. Und genau dort sind die Landtagswahlen mit hohen Stimmanteilen für die AfD entschieden worden. Nicht nur die Berliner Ampel-Parteien müssen sich fragen lassen, warum sie die Menschen auf dem Land nicht mehr erreichen, kommentiert Frank Hartmann.
Überraschend am Wahlausgang in Sachsen und Thüringen war allein die hohe Wahlbeteiligung. In Thüringen gaben 73,6 % (2019: 64,9 %) der Wahlberechtigten ihre Stimmen ab, in Sachsen 74,4 % (66,5 %). Angesichts einer zunehmend gemessenen Unzufriedenheit mit den demokratischen Prozessen in der Republik ist das erfreulich.
In den Umfragen vor den beiden Landtagswahlen bildeten die Stimmungsbilder der Sachsen und Thüringer die Ergebnisse bereits gut ab – insofern blieb hier eine Überraschung aus. Dass die Berliner Ampel-Politik enormen Einfluss auf den Wahlausgang in Sachsen und Thüringen hatte, ist unbestritten. Mit SPD und Grünen sind zwei Koalitionäre an beiden Landesregierungen beteiligt. In Thüringen flogen die Grünen und die FDP nun aus dem Landtag; in Sachsen mussten die Grünen ob herber Verluste um den Wiedereinzug zittern. Die Sachsen-FDP schaffte es beim dritten Anlauf wieder nicht in den Landtag. Die ohnehin schwache SPD büßte in Thüringen weiter ein; die Genossen in Sachsen stehen kaum besser da.
„Erwiesen rechtsextremistisch“: CDU und BSW schließen Regierungskoalitionen mit AfD aus
In beiden Freistaaten polarisierte der Wahlkampf zwischen AfD und CDU, begleitet von der neuen Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Als „erwiesen rechtsextremistisch“ von den Verfassungsschutzbehörden in drei Bundesländern, darunter in Sachsen und Thüringen, eingestuft, schlossen und schließen CDU und BSW Regierungskoalitionen mit der AfD aus. Das durfte den Wählern bekannt gewesen sein, die die AfD in Thüringen zur stärksten Partei und in Sachsen zur zweitstärksten gemacht haben. Die Kritik der AfD, dass nun der Wille von gut einem Drittel der Wähler ignoriert wird, verkennt, dass zwei Drittel nicht für die AfD votiert haben. Findet sich unter diesen Parteien eine Mehrheit zum Regieren, was schwierig wird, ist das ein legitimer demokratischer Vorgang.
Wahlausgang: Landtagswahl auf dem Land entschieden
Fragen lassen müssen sich CDU, SPD, Linke, Grüne und FDP, die allesamt die Stärke von AfD und BSW beklagen, warum sie gerade den Menschen im ländlichen Raum kein Angebot mehr machen können. Denn auf dem Land ist diese Wahl entschieden worden. In Thüringen erreichte die AfD in allen 17 Landkreisen mehr als die 32,8 % ihres Landesergebnisses. Nur in den Großstädten lag sie darunter.
Die Grünen in Thüringen, die stets ankündigten, Augenmerk auf den ländlichen Raum zu legen, fielen in 15 Landkreisen unter 2 %. Die SPD schaffte es in elf Landkreisen nicht über 5 %. Die CDU konnte immerhin in sechs Kreisen ihr Landesergebnis überbieten. Und die Linke, im Jahr 2019 noch Wahlsieger, erreichte in 16 Kreisen ihr Landesergebnis von 13,1 % nicht.
In Sachsen, wo anteilig mehr Menschen in den Großstädten leben, zeigt sich ein ähnliches Bild. Allein die CDU unterlag in sieben von zehn Landkreisen der AfD. In beiden Freistaaten ist die FDP zur Ein-Prozent-Partei geschrumpft.
Manch einer spricht angesichts der Ergebnisse von einem ostdeutschen Phänomen. Im letzten Bericht zur Deutschen Einheit hatte der Ostbeauftragte der Bundesregierung auf den ländlichen Raum im Osten geblickt. Nicht nur sei die Situation dort „den ländlichen Räumen im Westen näher als den urbanen ostdeutschen Ballungsräumen“. Die Lage in Ostdeutschland erscheine gar „wie im Brennglas“. Abwanderung, Überalterung, Lücken in der Daseinsvorsorge, Arbeitskräftemangel, geringere Verdienste und eine eher mäßige Wertschöpfung werfen ihre Schatten auf die ländlichen Räume Westdeutschlands voraus – wenn man sich dem nicht entgegenstemmt.
Kommentar aus der Ausgabe 36/2024
Top Themen:
- Titelthema: MeLa
- Maisstoppeln intensiv zerstören
- Schadnager richtig bekämpfen
- Einzelheft ohne Abo in der App verfügbar
Fachliche Qualität – jetzt digital mit dem gratis Upgrade!
Sie sind bereits Abonnent:in der gedruckten Bauernzeitung und möchten die aktuelle Ausgabe zusätzlich auf Ihrem Smartphone, Tablet oder in der Browseransicht lesen? Erweitern Sie einfach Ihr Abonnement:
- Jetzt ein Jahr kostenlos upgraden
- Zuverlässig donnerstags lesen
- Offline-Modus: E-Paper auch ohne Internetzugang lesen
- Lesemodus nutzen, Artikel speichern, Suchfunktion
- Zugriff auf das Ausgaben-Archiv
Die Bauernzeitung jetzt digital lesen – immer und überall!