Rudel, Recht und Realität: So schwindet das Vertrauen
Zählt am Ende doch nur der Wolf? Nachdem Tiere eines Rudels in der Nähe von Bautzen offenbar mühelos selbst hohe Herdenschutzzäune überspringen, hat der Landkreis eine Abschussgenehmigung erteilt. Dass ein Gericht den Bescheid als rechtswidrig ansah und den Abschuss verhinderte, wirft Fragen zum Wolfsmanagement in Sachsen auf. Ein Kommentar von Karsten Bär:
Oder: Wolfsmanagement in Sachsen: So schwindet das Vertrauen
Gerichtsfest müsse alles sein – mit diesem Satz begründet die Fachstelle Wolf in Sachsen, warum die Gutachter nach Nutztierrissen mit dem Zollstock um die Weide laufen, um an Dutzenden Stellen die korrekte Höhe der Elektrozäune nachzumessen. Was für den Weidetierhalter so aussieht, als wolle man ihm auf Biegen und Brechen einen Fehler nachweisen, diene nur dazu, Rechtssicherheit zu gewährleisten. Rechtssicherheit für die Zahlung von Schadensausgleich – oder aber für eine Entnahme. Wobei Letztere bislang nur eine hypothetische Annahme blieb.
Abschussgenehmigung für Problemwölfe: Gericht stoppt Entnahme in Bautzen
Denn geht es vor Gericht, reichen die penibel ausgefüllten Rissgutachter-Protokolle dann offenbar doch nicht aus. Das zeigt der jüngste Fall aus dem ostsächsischen Landkreis Bautzen. Ein Rudel hat dort erlernt, selbst 120 Zentimeter hohe Elektrozäune zu überspringen, und bringt die Schäfer der Region zur Verzweiflung.
Nach etlichen Rissen strengte das Landratsamt im Einvernehmen mit der Fachstelle Wolf eine Entnahme an. Genau so, wie es die Wolfsmanagement-Verordnung in Sachsen vorsieht. Prompt legte eine Umweltschutzorganisation aus dem fernen Wolfsburg Widerspruch gegen die Abschussgenehmigung ein – und bekam vom Verwaltungsgericht Dresden Recht.
Formfehler und fehlende Ortsangabe: Stolpersteine für die Wolfsentnahme?
Der Beschluss des Gerichtes ist noch kein Urteil. Doch die Entscheidung zugunsten des Antragstellers, des Vereins „Freundeskreis freilebender Wölfe“, deutet an, dass das Gericht die Entnahmeanordnung des Landkreises für rechtswidrig hält. Liest man die Begründung, kommt man ins Grübeln. Nicht nur, dass der Bescheid des Landkreises nach Ansicht der Richter formelle Mängel aufwies und keine genaue örtliche Zuordnung zuließ – ein Fehler, der möglicherweise vermeidbar gewesen wäre.
Noch nachdenklicher macht, dass die Wolfsmanagement-Verordnung in Sachsen mit ihren Vorgaben, welche Schutzmaßnahmen einem Schäfer zugemutet werden können, offenbar doch nicht die Rechtssicherheit bietet, wie sie von den Behörden bisher kommuniziert wurde.
Müssen Schäfer jetzt nächtliche Pferche bauen?
Laut den Richtern am Verwaltungsgericht Dresden hätten vor einer Abschussgenehmigung noch andere Herdenschutzmaßnahmen geprüft werden müssen – bis hin zum Nachtpferch oder zur Behirtung der Herde. Also auch von Maßnahmen, die so von der Wolfsmanagement-Verordnung in Sachsen gar nicht vorgesehen sind. Mir stellt sich die Frage: Wie verlässlich ist die Wolfsmanagement-Verordnung als Grundlage für die Genehmigung eines Wolfsabschusses nach so einem Gerichtsbeschluss eigentlich?
Müßig ist, Wolfsvereinen, die sich aus der Ferne in die Dinge vor Ort einmischen, die Schuld an der Misere zu geben. Den Schutz jedes einzelnen Wolfes bis ins Kulthafte zu betreiben, ist zwar weder sinn- noch verantwortungsvoll. Aber diese Akteure lassen sich nicht wegwünschen. Sie machen nur von den vorliegenden Möglichkeiten Gebrauch. Und genau da liegt der Schlüssel. Der hohe rechtliche Schutzstatus des Wolfes ist aus der Zeit gefallen. In der Berner Konvention ist der Schutzstatus bereits herabgestuft worden. Dies muss nun schnellstens ins europäische und dann ins nationale Recht überführt werden. Wenn Wölfe Verhalten erlernt haben, das die Koexistenz von Weidehaltung infrage stellt, müssen sie entnommen werden können. Und dies, ohne zuvor ein Gericht zu fragen.

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