Es könnte das Jahr des Dialogs werden

Redet mit uns nicht über uns: Möglicherweise liegt im Jahr 2020 angesichts der vielen Herausforderungen tatsächlich die Chance für einen Dialog über die Zukunftsfragen der Landwirtschaft. (Imago Images/Nordphoto)
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Ackerbaustrategie und Green Deal, ASP und Geflügelpest vor der Haustür, dazu neue Bauernproteste – es sind große Herausforderungen, die die Landwirtschaft zu Beginn des neuen Jahrzehnts bewegen. Dabei könnte in 2020 eine echte Chance liegen.

Von Ralf Stephan

Wenn es „zwischen den Jahren“ eine Ruhepause gab, dann war sie nur kurz. Seuchenausbrüche erfolgten in der Vergangenheit gern während der stillen Zeit. Das blieb uns zum Glück erspart. Verschärft hat sich die Lage aber dennoch. Die Afrikanische Schweinepest machte – gemessen an der ohnehin schon überschaubaren Entfernung zu unserer Grenze – nochmals einen Riesensatz nach Westen. Es scheint zumindest, als gelänge es in Polen längst nicht so gut wie seinerzeit in Tschechien, einen Seuchenherd einzugrenzen und auszulöschen. Nur noch 20 Kilometer sind es bis zu Oder und Neiße. Jetzt heißt es am diesseitigen Ufer auch für die Letzten, sich der Gefahr bewusst zu werden und auch danach zu handeln. Dass, wie jenseits der Flüsse, Dutzende Wildschweinkadaver tagelang unbemerkt im Wald liegen, sollte bei uns möglichst nicht passieren. Bauern, Waldbesitzer, Förster und Jäger müssen dafür gemeinsam alle Sinne schärfen. Freizeitsportler, Reiter oder die Hundespaziergänger aus dem Dorf sollten wissen, wem sie ihre Zufallsfunde mitteilen können.

Damit nicht genug, meldete sich am Silvestertag auch noch die Geflügelpest zurück. Beim gefundenen Virus handelt es sich um eine hochpathogene Variante. Auch sie „sprang“ im Nu bis kurz vor die Grenze. Zu Wochenbeginn gab es hierzulande noch keine Fälle. Aber die Erinnerungen an den bislang schwersten Seuchenzug im Winter 2016/17 und die lange Stallpflicht sind bei Geflügelhaltern noch frisch genug. Nicht zuletzt lässt sich aus dem plötzlichen Auftauchen der Aviären Influenza die Warnung ablesen, bei aller Konzentration auf ein Risiko die anderen nicht aus den Augen zu verlieren. 

Ralf Stephan, Chefredakteur der Bauernzeitung

Unausweichlich, wenngleich unelegant im Übergang, sind wir bei der Agrarpolitik. Auch hier wird es darauf ankommen, klare Schwerpunkte zu setzen und gleichzeitig das gesamte Geschehen im Blick zu behalten. Gespannt darf man in diesem Zusammenhang sein, welchen Kurs die Bewegung „Land schafft Verbindung“, kurz LsV, künftig steuern wird. Ihr Start war überaus verheißungsvoll. Der hohe Mobilisierungsgrad beeindruckte Medien und Politik. So sehr, dass die Kanzlerin ungewohnt entschlossen einen Landwirtschaftsgipfel einberief. Nun geht es um konkret Inhaltliches.

LsV und Bauernverband erfüllen derzeit Frau Merkels Auftrag und erarbeiten ein Konzept­papier. Unterdessen wird innerhalb der äußerst bunten Bewegung um Linie gerungen. Selbst die Spaltung blieb nicht aus. Wer wofür steht und sprechen darf, ist für Außenstehende – also wieder Medien und Politik – nicht immer erkennbar. Im Moment scheint es so, als sei die totale Ablehnung der neuen Dünge­verordnung der kleinste Nenner, auf den man sich einigen kann. Das wird nicht reichen. War man nicht vor wenigen Wochen angetreten, um den Dialog mit der Gesellschaft über Zukunftsprojekte in Gang zu bringen?

Ansätze für solche Projekte treten gerade reichlich zutage. Die neue EU-Kommission kündigte den „Grünen Deal“ an, ein Wirtschaftsförderprogramm für mehr Klimaschutz. Aus dem Bundesagrarministerium kam eben der Entwurf für eine „Ackerbaustrategie 2035“. Sie zielt darauf ab, die Hauptaufgabe Nahrungssicherheit mit dem Artenschutz zu verbinden. Und in Kürze wird die Borchert-Kommis­sion Vorschläge unterbreiten, wie schon bald die Nutztierhaltung so umgebaut werden könnte, dass sie gesellschaftliche Akzeptanz zurückgewinnt. Die Signale, wohin es gehen soll, sind eindeutig. Wer mitreden möchte, darf nicht nur sagen, was er alles nicht will. Auf Dauer ernstgenommen wird, wer konstruktiv eigene Vorschläge einbringt. So könnte 2020 tatsächlich das Jahr des Dialogs werden.


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