Mecklenburg-Vorpommern

Neufassung der Düngeverordnung: Hängepartie

Der Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern: Dr. Till Backhaus (c) Imago Images / BildFunkMV
Meinung
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Wer sich von der Politik in Mecklenburg-Vorpommern Antworten auf die drängendsten Fragen zur Düngeverordnung erhofft, wird enttäuscht. Stattdessen herrscht Verunsicherung aller Orten – es droht eine Hängepartie zu Lasten der Betriebe.

Ein Kommentar von Gerd Rinas

Die bevorstehende Neufassung der Düngeverordnung sorgt bei Landwirten für immer größeren Verdruß. Wenn es dafür eines Beweises bedurfte, dann lieferte ihn der Boden- und Düngungstag vorige Woche in Linstow. Vor allem das Zugeständnis der Bundesregierung an die EU-Kommission, in sogenannten roten Gebieten mit nitratbelasteten Grundwasserkörpern nur noch 20 % unter dem Pflanzenbedarf düngen zu dürfen, treibt die Bauern auf die Barrikaden. Wer glaubte, auf dem Fachtag befriedigende Antworten auf die vielen offenen Fragen zu bekommen, wurde enttäuscht. Die Verunsicherung dürfte eher zugenommen haben.


Auf dem Boden- und Mündungstag Mecklenburg-Vorpommern in Linstow

„Eine richtig dumme Lösung“

Auf dem Boden- und Düngungstag Mecklenburg-Vorpommern übten Landwirte scharfe Kritik an der Verschärfung der Düngeverordnung. „Die Nitratbelastung im Grundwasser muss runter”, hielt Agrarminister Backhaus dagegen. Überraschende Unterstützung bekamen die Bauern aus der Wissenschaft. mehr


Landwirtschafts- und Umweltminister Till Backhaus hatte keine neuen und vor allem keine guten Nachrichten für die Landwirte. Im Gegenteil: Seine Sorge vor der Ausweisung zusätzlicher roter Gebiete und vor Düngeeinschränkungen für weitere Betriebe ist durchaus berechtigt. Die mittlerweile von der Bundesregierung akzeptierten jüngsten Vorgaben aus Brüssel zur Einbeziehung nitratbelasteter Messstellen in Gebieten, die bisher nicht als rot gekennzeichnet sind, legt diese Aussicht nahe. Ob und wie viele Betriebe andererseits von einer messstellenscharfen Zuordnung der roten Gebiete profitieren würden, indem sie unter Umständen aus diesen Gebieten „herausfielen“, ist in Mecklenburg-Vorpommern nicht absehbar. 

Düngeverordnung: Mehr Binnendifferenierung?

Gerd Rinas, Landesredakteur Mecklenburg-Vorpommern

Keine Aussicht auf Verbesserung für die Landwirte bieten aus Sicht der Landesregierung offenbar Binnendifferenzierung und Fundstellenanalyse. Beides forderten die Landwirten in Linstow erneut vehement. Mit Zwischenrufen und auf Plakaten machten sie klar, dass sie von diesen Forderungen nicht abrücken werden. Tatsächlich ist die bisherige Datenlage dünn. Die Belastungswerte stammen aus vergleichsweise wenigen Messstellen, die größtenteils für diese Erhebungen gar nicht nicht ausgelegt sind. Die Forderungen der Landwirte sind eindeutig berechtigt.

Das weiß auch Minister Backhaus. Trotzdem  zeigte er sich in Linstow skeptisch, ob Binnendifferenzierung die roten Gebiete spürbar verkleinern und Betriebe entlasten würde. Nach seiner Auffassung sprechen die bisherigen Ergebnisse eine klare Sprache: Auch jede zweite neu angelegte Messstelle weist Nitratbelastungen in Grundwasserkörpern über dem Grenzwert von 50 ml/l aus. Backhaus sieht seine Annahme bestätigt, dass mehr Messstellen nicht zu besseren Ergebnissen führen. Seine immer gleiche Botschaft, die er auch in Linstow wiederholte: Die Nitratbelastung muss sinken!

Warum wird dieser Vorschlag favorisiert?

Doch mit welchen Maßnahmen dies am ehesten zu erreichen ist, darüber dürfte der Streit nun erst richtig losgehen. Prof. Henning Kage ließ in Linstow keinen Zweifel daran, dass eine Düngung  20 % unter dem Pflanzenbedarf nicht zwangsläufig zu geringeren Nitratbelastungen im Grundwasser führt – und die Bundesregierung dies sehr wohl wisse. Was für eine Aussage! Warum wird dieser Vorschlag trotzdem favorisiert? Warum werden effektivere Maßnahmen zur Senkung der Nitratbelastung offenbar ausgeblendet? Warum wird nicht in deutlich mehr Beratung und Förderanreize investiert, damit Landwirte z. B. ihre Fruchtfolgen erweitern? Fragen über Fragen! 

Landwirte kommentierten die eindeutigen Aussagen mit ungläubigem Kopfschütteln und viel Applaus. Kage gilt bundesweit als ausgewiesener Experte für den Weizen- und Rapsanbau. Warum die Forschungsergebnisse und Empfehlungen von Wissenschaftlern seines Kalibers in der Politik offenbar nur wenig Beachtung finden, bleibt nach den bisher vorgeschlagenen pauschalen Maßnahmen ein Rätsel. Unter diesen Voraussetzungen droht bei der Senkung der Nitratbelastung eine Hängepartie – zu Lasten der betroffenen Betrieben in den roten Gebieten.