Kommentar

Umnebelt vom Dunst des Dunglagers?

Symbolbild (c) IMAGO / Marius Schwarz
Meinung
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In Sachsen-Anhalt konnten Wählerinnen und Wähler am Sonntag nicht nur ihre Stimmen abgeben, sondern bei dieser Gelegenheit auch öffentlich wahrnehmbar Meinungen kundtun. Was sie sagten, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Art und Weise, wie Politik seit geraumer Zeit mit den Bürgern umgeht und manchmal über sie her einbricht:

Es kommentiert Ralf Stephan

Die höchste Kompetenz in puncto Klimaschutz sehen die Menschen zwischen Altmark und Saale zwar bei den Grünen. Zugleich aber sind 70 Prozent (!) der Meinung, dass sie es mit dem Klimaschutz übertreiben. Immerhin die Hälfte der von der „Forschungsgruppe Wahlen“ Befragten ist der Ansicht, diese Partei gefährde die heimische Landwirtschaft.

Chefredakteur der Bauernzeitung/Deutschland: Ralf Stephan. 2019
Ralf Stephan, Chefredakteur der Bauernzeitung

Nun ist es mit Umfragen immer so eine Sache, an Wahltagen gemachte aber sollte man ernster nehmen als andere, zumal sie sich gut mit den Wahlergebnissen abgleichen lassen. Und in Sachsen-Anhalt zeigt ein Blick in die Wahlkreise, dass die ländliche Bevölkerung die Politik dieser Partei doch erheblich anders wahrnimmt, als es in den wenigen Städten des Landes der Fall ist.

Klimaschutz dringend nötig

Das ist nicht nur für die Grünen selbst ein Problem. Denn angesichts der schon heute erlebbaren Folgen des Klimawandels kann man es – rein faktisch gesehen – mit dem Klimaschutz eigentlich gar nicht „übertreiben“. Er ist dringend nötig, mit allen seinen Konsequenzen bis hinein in die landwirtschaftliche Produktion und ins private Leben. Wer es jedoch nicht schafft, dabei die Menschen „mitzunehmen“ und ihnen die Sorge vor Veränderungen zu nehmen, sie stattdessen sogar schürt, der versagt in einer der wichtigsten gesellschaftlichen Fragen.

Für den Vorwurf, die Zukunft der Landwirtschaft aufs Spiel zu setzen, lassen sich sicher Gründe finden. Ohne bei den Grünen etwas schönreden zu wollen: Diese Vorhaltung müssen sich auch andere gefallen lassen.

Neufassung TA Luft: Gehts noch?

Jüngstes Beispiel ist die gut eine Woche vor der Wahl in Sachsen-Anhalt im Bundesrat verabschiedete Neufassung der TA Luft. Diese technische Anleitung soll zu weniger Emissionen und damit zu mehr Klimaschutz führen. Teile der landwirtschaftlichen Produktion gefährdet sie jedoch massiv. Bei rund 300 Änderungsanträgen, die im Bundesrat zur Abstimmung standen, haben einige Landesregierungen offenbar den Überblick verloren. Oder muss man Absicht unterstellen, wenn die TA Luft Übergangsfristen, die mühsam und aus guten Gründen in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung eingearbeitet worden sind, nun wieder zurücknimmt?

Und wie ernst darf man ausdrücklich nicht am Sonntag gehaltene Reden über das hehre Ziel des Tierwohls noch nehmen, wenn künftig ein Misthaufen nicht nur auf Betonboden liegen und von drei Seiten eingehaust sein muss, sondern auch ein Dach bekommen soll? Gehts noch?, möchte man fragen, denn den Dunst des Dunglagers wird auch ein noch so teures Dach nicht aufhalten. Doch die Frage wäre sinnlos, denn wie es gehen soll, können derzeit nicht einmal Bauexperten und Sachverständige beantworten.

Politik ohne den Blick für das wirtschaftlich Machbare und Ignoranz gegenüber dem fachlichen Sachverstand bis hin zur Wissenschaftsfeindlichkeit – so nimmt man niemanden mit, sondern heizt Sorgen vor der Zukunft ebenso an wie Frust. Darauf, dass ausgerechnet im Schlussspurt vor der Bundestagswahl, wenn die Parteien um jeden Preis ihre Lieblingsprojekte vollenden möchten, Besserung eintritt, darf man leider nicht hoffen.

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