Wenn ideologische Hüllen fallen

©Sabine Rübensaat
Meinung
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Die Agrarminister der 16 Bundesländer haben sich nun auf einen neuen Gesetzentwurf betreffend der zukünftigen gemeinsamen EU-Agrarpolitik geeignet.

Es kommentiert Ralf Stephan

Ein Schwerverbrechen soll angeblich unausweichlich sein, wenn man drei Bauern unter einen Hut bringen will. So hieß es früher. Heute ist das, wie wir wissen, ganz anders. Heute lautet die Frage eher: Wie kommen Agrarministerinnen und -minister aus 16 Ländern unter einen Hut – noch dazu, wenn sie sechs verschiedenen Parteien angehören und elf von ihnen zugleich das Umweltressort leiten?

neuer Gesetzentwurf steht

Chefredakteur der Bauernzeitung/Deutschland: Ralf Stephan. 2019
Ralf Stephan, Chefredakteur der Bauernzeitung

Dass die Sonderkonferenz, die eine einheitliche Position der Länder zur künftigen gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) hervorbringen sollte, zweimal keine vorzeigbaren Beschlüsse vorlegen konnte, hatte für viel Kritik, ja Spott gesorgt. Am Freitag voriger Woche nun war es so weit: Nach drei Treffen, die alle bis in die tiefe Nacht gingen, und 33 Verhandlungsstunden lagen die wichtigsten Eckpunkte vor, wie sich Konservative, Grüne, Sozialdemokraten, Linke und Liberale die Umsetzung der EU-Beschlüsse nicht nur in dem von ihnen mitregierten Bundesland, sondern bundesweit vorstellen können.

Das letzte Wort ist damit noch nicht gesprochen. Denn die nötigen Gesetzesentwürfe muss die Bundeslandwirtschaftsministerin vorlegen. Bislang schafften sie es noch nicht ins Bundeskabinett. Das lag nicht nur daran, dass die Agrarreform in Brüssel noch gar nicht beschlossen ist. Wie es die Länderminister taten, könnten die auf EU-Ebene noch offenen Fragen mit Vorbehalt behandelt werden. Der eigentliche Konflikt besteht mit dem Bundesumweltministerium, das sich auf eine extreme Ökologisierung der Direktzahlungen versteift hatte. Der Kompromiss der Länder könnte den Knoten durchschlagen. Die Reaktion der Bundesumweltministerin fiel positiv aus. Nun muss sich zeigen, was sie wert ist.

kein Geld verdienen mit umweltleistungen

Ob der Preis der Einigung für die Bauern zu hoch ist, wird in nächster Zeit viele Diskussionen bestimmen. Auch wenn Umweltorganisationen und manche Bauernvertreter anderes behaupten: Der erste Schritt in einen Systemwechsel wäre mit diesem Kompromiss gemacht. Denn ursprünglich waren die Direktzahlungen eine Kompensation für den Wegfall von Stützpreisen. Die einkommenssichernde Komponente schrumpft weiter – und zwar deutlich. Die Basisprämie fiele nach den Vorschlägen der Länderminister auf ungefähr 140 €/ha. Fast die Hälfte der verfügbaren EU-Gelder fließt künftig ohnehin nur, wenn im Gegenzug ökologische Leistungen erbracht werden. Die aber kosten nicht nur Ertrag, sondern erfordern mitunter – wie Blühstreifen – zusätzlichen Aufwand. Offen ist, ob die Zahlungen in der angedachten Höhe diese Einbußen ausgleichen. Davon, mit Umweltleistungen Geld zu verdienen, wird vermutlich immer noch keine Rede sein können.

Kaum ignorieren kann die Bundeslandwirtschaftsministerin das einstimmige Votum der Länder gegen Degression und die 300-ha-Obergrenze bei der Umverteilungsprämie. Obwohl Baden-Württemberg am liebsten bei 300 ha eine Kappung einführen wollte, scheiterte Klöckners Plan. Und zwar vor allem an den Grünen im Osten. Er sei der Minister aller Landwirtinnen und Landwirte in Brandenburg, begründete der Potsdamer Ressortchef Vogel seine Haltung. Sein Parteifreund Günther brach eine Lanze für die sächsischen Agrargenossenschaften und ihre Rolle auf dem Lande. Lag es an der späten Stunde oder sorgte die Regierungsverantwortung dafür, dass ideologische Hüllen fielen? Sei‘s drum.